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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: IV 261/03
Rechtsgebiete: RL 92/81/EWG, MinöStV, MinöStG


Vorschriften:

MinöStG § 4 Abs. 1
MinöStV § 17 Abs. 5
RL 92/81/EWG Art. 8 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Besteuerung von Mineralöl, das sie zur Verwendung zum Betrieb eines Kranschiffs geliefert hat.

Das weltweit größte selbstfahrende, hochseetüchtige Kranschiff, die "A..." befand sich vom 27.4. bis 11.6.2002 in Hamburg, um zu Repräsentationszwekken am Hafengeburtstag teilzunehmen. Der Schwimmkran traf am 27.4.2002 aus Dänemark kommend in Hamburg ein und verlies Hamburg wieder am 11.6.2002 mit dem Ziel Norwegen. Arbeiten führte das Kranschiff in dieser Zeit nicht durch. Es verfügte nicht über eine förmliche Einzelerlaubnis zum Bezug steuerfreien Gasöls.

Am 30.4.2002 und am 2.5.2002 belieferte die Klägerin das Kranschiff mit insgesamt 301.231 l unversteuertem Gasöl. Ein kleiner Teil davon wurde im Hamburger Hafen verbraucht, der größte Teil wurde für die Fahrt nach Norwegen benötigt.

Mit Bescheid vom 27.6.2002 forderte der Beklagte für die 301.231 l Gasöl Mineralölsteuer in Höhe von 137.060,10 EUR nach. Zur Begründung verwies er darauf, dass die steuerfreie Verwendung von Schiffsbetriebsstoffen ausgeschlossen sei, da es sich bei dem Schwimmkran um ein schwimmendes Arbeitsgerät und kein Schiff handele. Den Einspruch der Klägerin vom 17.7.2002 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16.9.2003 zurück.

Mit ihrer am 14.10.2003 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint, die "A..." sei als Seeschiff zu behandeln und müsse daher in den Genuss der Steuerfreiheit kommen. Der Einsatz beim Hafengeburtstag sei auch zu kommerziellen Zwecken erfolgt. Zu privaten, nichtgewerblichen Zwecken werde ein Schiff nach Art. 8 Abs. 1 lit. c RL 92/81/EWG nur eingesetzt, wenn es von seinem Eigentümer oder einem sonst Berechtigten für andere als kommerzielle Zwecke und insbesondere nicht für die entgeltliche Beförderung von Passagieren oder Waren oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen benutzt werde. Die Nutzung für kommerzielle Zwecke sei im Streitfall augenscheinlich. So sei die Fahrt von Hamburg nach Norwegen erfolgt, um in Norwegen kommerzielle Aufträge durchzuführen. Auch die Repräsentation anlässlich des Hafengeburtstages sei als kommerziell anzusehen. Unter kommerzieller Schifffahrt sei nämlich auch die Nutzung eines Schiffes aus sonstigen geschäftlichen Gründen, zu denen auch die den Hauptzweck vorbereitenden Fahrten zählten, zu verstehen. Die Repräsentation beim Hafengeburtstag habe der Eigenwerbung und der Anbahnung von Geschäftskontakten und damit der Vorbereitung künftiger Einsätze gedient.

Die Klägerin beantragt, den Steuerbescheid vom 27.6.2002 sowie die Einspruchsentscheidung vom 16.9.2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er meint, der Schwimmkran habe weder eine Einzelerlaubnis noch die für Seeschiffe gem. § 21 MinöStV geltende allgemeine Erlaubnis besessen, da es sich um ein schwimmendes Arbeitsgerät handele. Die Steuerschuld sei nach § 9 Abs. 1 MinölStG entstanden, da die Klägerin das Mineralöl aus ihrem Steuerlager entfernt habe, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren angeschlossen habe. Selbst wenn man den Schwimmkran als Schiff ansähe, lägen die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht vor, da das Repräsentieren während des Hafengeburtstags ein nichtgewerblicher privater Zweck gewesen sei, sodass schon deswegen eine Steuerbefreiung gem. § 4 Abs. 1 Nr. 4 MinöStG ausgeschlossen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Sachakte des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

I. Der Steuerbescheid vom 28.8.2002 sowie die Einspruchsentscheidung vom 6.10.2003 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Der Beklagte durfte die Klägerin nicht als Mineralölsteuerschuldnerin in Anspruch nehmen, da durch die streitgegenständliche Lieferung keine Mineralölsteuerschuld gem. § 9 MinöStG entstanden ist. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Bei dem Schwimmkran handelt es sich zwar nicht um ein Schiff i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 4 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG), sodass das für seinen Betrieb eingesetzte Mineralöl nicht von vornherein steuerfrei ist (1.). Gleichwohl gebietet die Auslegung von § 4 Abs. 1 Nr. 4 MinöStG nach Sinn und Zweck, auf die konkrete Einsatzfahrt mit der Folge abzustellen, dass reine Beförderungsfahrten steuerbegünstigt werden (2.). Die Teilnahme am Hafengeburtstag 2002 hatte gewerblichen Charakter i.S.v. Art. 8 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19.10.1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöl (RL 92/81/EWG) und § 4 Abs. 1 Nr. 4 MinöStG (3.).

1. Eine grundsätzliche Steuerfreiheit für das auf dem Schwimmkran als Schiffsbetriebsstoff verwendete Mineralöl ergibt sich nicht unmittelbar aus § 4 Abs. 1 Nr. 4 MinöStG. Nach dieser Vorschrift darf Mineralöl als Schiffsbetriebsstoff auf Schiffen, die ausschließlich in der gewerblichen Schifffahrt und bei damit verbundenen Hilfstätigkeiten wie Lotsen-, Schlepper- und ähnlichen Diensten oder im Werkverkehr eingesetzt werden, steuerfrei verwendet werden. Bei dem Schwimmkran handelt es sich nach den Begriffsbestimmungen in § 17 Abs. 5 MinöStV jedoch nicht um ein Schiff in diesem Sinne. Nach § 17 Abs. 5 Nr. 2 MinöStV sind schwimmende Arbeitsgeräte, wie Bagger, Krane und Getreideheber keine Schiffe im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 4 MinöStG. Der streitgegenständliche Schwimmkran fällt ersichtlich unter diese Definition. Zu den Hopperbaggern hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 3.2.2004 (VII R 4./03, juris) entschieden, dass es sich dabei um Arbeitsgeräte handelt, die nicht in den Genuss der Steuerbefreiung kommen, weil mit diesen Arbeitsgeräten regelmäßig keine gewerbliche Schifffahrt mit dem Ziel der Beförderung von Personen und Gütern auf dem Wasser betriebenen wird, wobei unerheblich ist, ob es sich um Schiffe im üblichen Sinne handelt, die im Schiffsregister eingetragen sind. Diese Wertung hält der Senat für richtig. Sie kann für den Schwimmkran ohne weiteres übernommen werden. Der Schwerpunkt des Einsatzes eines solchen Schwimmkrans liegt wie beim Hopperbagger im Erbringen einer konkreten Arbeitsleistung, hier dem Anheben und Absenken von Gegenständen, um diese - regelmäßig innerhalb des Schwenkbereichs des Krans - von einem Abstellort zu einem anderen Abstellort zu transportieren. Diese Tätigkeit stellt regelmäßig keine Beförderung im hier fraglichen Sinne dar. Der Schwimmkran erhält somit seinen prägenden Charakter als Arbeitsgerät. An diesem prägenden Charakter ändert auch der Umstand nichts, dass der Schwimmkran selbstfahrend und hochseetüchtig ist.

2. Trotz dieser Einstufung des Schwimmkrans als Arbeitsgerät im Sinne von § 17 Abs. 5 Nr. 2 MinöStV ist die Möglichkeit der steuerfreien Verwendung von Mineralöl nicht ausgeschlossen. § 4 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 MinöStG ist nach Sinn und Zweck auszulegen, um der Doppelnatur eines selbstfahrenden hochseetüchtigen Schwimmkrans gerecht zu werden. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 3.2.2004 (a.a.O.) ausgeführt, dass der mineralölsteuerliche Schiffsbegriff auf Grund der jeweiligen Umstände eines konkreten Einsatzes von Fall zu Fall zu beurteilen ist. Dabei hat er zwischen Fahrten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stehen und reinen Beförderungsfahrten ohne einen solchen Zusammenhang differenziert. Diese Differenzierung hält der Senat für richtig und übernimmt sie. Die streitgegenständlichen Fahrten des Schwimmkrans stehen in keinerlei direktem Zusammenhang mit dem Erbringen der typischen Arbeitsleistung. Vielmehr dienen sie ausschließlich dem Transport des Geräts in den Hamburger Hafen, um am Hafengeburtstag teilzunehmen, sowie dem Weitertransport zum nächsten Einsatzort in Norwegen. Für die Teilnahme am Hafengeburtstag wurde also eine reine Beförderungsleistung erbracht, um das Arbeitsgerät in den Hamburger Hafen und wieder an den nächsten Einsatzort zu befördern. Entsprechendes gilt für Fahrbewegungen während des Hafengeburtstags. Auch dabei ging es ausschließlich um einen Einsatz, der mit der eigentlich vorgesehenen Arbeitsleistung nichts zu tun hatte.

3. Gegen die Steuerbefreiung spricht entgegen der Auffassung des Beklagten nicht, dass § 4 Abs. 1 Nr. 4 MinöStG ebenso wie Art. 8 Abs. 1 lit. c RL 92/81/EWG die Steuerbefreiung nur für Schiffe, die ausschließlich in der gewerblichen Schifffahrt eingesetzt werden bzw. nicht für die private nichtgewerbliche Schifffahrt vorsieht. Der Senat hält ein weiteres Verständnis des Begriffs "gewerblich" für angezeigt. Zu Recht und übereinstimmend gehen die Beteiligten davon aus, dass die bestimmungsgemäßen Einsätze des Schwimmkrans gewerblicher Natur sind. Zur gewerblichen Schifffahrt gehören aber auch Einsätze, die zwar mit dem Erbringen einer konkreten Arbeitsleistung nicht unmittelbar im Zusammenhang stehen, gleichwohl aber künftigen Einsätzen des Schwimmkrans dienen und keinen privaten Hintergrund haben. Die Klägerin trägt insoweit vor, die Teilnahme am Hafengeburtstag habe der Werbung und Repräsentation des Schwimmkrans und damit dem vorbereitenden Zweck gedient, für einen Einsatz zu werben und entsprechende Geschäftskontakte anzubahnen. Dieser Zweck der Teilnahme ist unmittelbar einleuchtend und naheliegend. Es kann lebensnah davon ausgegangen werden, dass die Teilnahme am Hafengeburtstag für den Eigner des Schwimmkrans kostenaufwändig ist und er über den Einsatz des Schwimmkrans sinnvollerweise unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheidet. Dann liegt aber auch nahe, dass der Einsatz beim Hafengeburtstag nicht nur erfolgte, um die Feierlichkeiten zu unterstützen, sondern zumindest auch, um künftige Einsatzaufträge zu erhalten. Ähnlich wie die Teilnahme an einer Fachmesse kann dann der Teilnahme am Hafengeburtstag der kommerzielle Charakter nicht abgesprochen werden. In dieser Auslegung sieht sich der Senat auch durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1.4.2004 (C-389/02, Beil. zu BFH/NV 7/2004, Seite 267 ff.) bestätigt. In diesem Urteil hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass unter Schifffahrt in Meeresgewässern der Gemeinschaft ausgenommen die private nicht gewerbliche Schifffahrt im Sinne der RL/92/81/EWG jede Form der Schifffahrt unabhängig vom Zweck der jeweiligen Fahrten zu verstehen ist, wenn sie zu kommerziellen Zwecken erfolgt. Dabei hat der Europäische Gerichtshof von einer engen Auslegung der Formulierung in der Richtlinie abgesehen. Abzustellen ist auf den Zweck der jeweiligen Fahrt. Wie dargelegt ist der Senat der Überzeugung, dass eine Fahrt zu kommerziellen Zwecken erfolgt, wenn sie - und sei es auch nur mittelbar - künftige bestimmungsgemäße Einsätze ermöglichen soll.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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