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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 13.08.2002
Aktenzeichen: IV 32/99
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 1538/91, ZK, VO (EWG) Nr. 3665/87


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 3665/87 Art. 13 Unterabs. 1
VO (EWG) Nr. 1538/91 Art. 6 Abs. 1
VO (EWG) Nr. 1538/91 Art. 6 Abs. 2
ZK Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1
ZK Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 2
ZK Art. 71 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Ausfuhrerstattung.

Die Klägerin meldete im Dezember 1997 und Februar 1998 beim Hauptzollamt H jeweils eine Warensendung gefrorene Grillhähnchen der Marktordnungs-Warenlistennummer 0207 1290 9190 bestehend aus 2.647 bzw. 2.750 Kartons (insgesamt 43.996 kg) zur Ausfuhr nach Bahrain an. Im Rahmen der Beschau der Warensendungen öffnete das Zollamt jeweils 20 Kartons und entnahm den Sendungen jeweils eine Untersuchungs- und Rückstellprobe, die zur Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg gesandt wurden. Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg kam in ihren Untersuchungszeugnissen und Einreihungsgutachten vom 29.12.1997 bzw. 20.3.1998 zu dem Ergebnis, dass die unter der Marktordnungs-Warenlistennummer angemeldete Ware in die Codenummer 0207 1290 000 einzureihen sei. Die Ware sei nur eingeschränkt von gesunder und handelsüblicher Qualität, da der rechte Oberarmknochen gebrochen und teilweise ohne Gewebe außerhalb des Schlachtkörpers sei (Probe Dezember 1997) bzw. die linke Flügelspitze einen offenen Bruch aufweise (Probe Februar 1998).

Auf die Zahlungsanträge der Klägerin vom 29.1.1998 und 18.5.1998 setzte der Beklagte mit Bescheid vom 23.2.1998 bzw. 9.7.1998 die Ausfuhrerstattung für die vorgenannten Warensendungen auf jeweils DM 0,00 fest und verwies zur Begründung auf das entsprechende Untersuchungszeugnis der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg. In ihren hiergegen gerichteten Einsprüchen wandte die Klägerin ein, dass das Untersuchungsergebnis einer Probe nicht repräsentativ sei im Hinblick auf die gesamte Ausfuhrsendung. Sie berief sich insoweit auf eine Äußerung des in Dänemark ansässigen Instituts für Lebensmittelprüfungen und Ernährung vom 17.6.1998, wonach bei einer Ausfuhrsendung mit einem Gesamtgewicht von über 2 Tonnen bei Kartonwaren mindestens 5 Einheiten, normalerweise aber ein ganzer Karton von 10 bis 12 Einheiten hätten geprüft werden müssen.

Der Beklagte veranlasste daraufhin eine Untersuchung der Rückstellproben durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg. Hinsichtlich der aus der Ausfuhrsendung vom Dezember 1997 gezogenen Rückstellprobe stellte die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt in ihrem Untersuchungszeugnis und Einreihungsgutachten vom 22.5.1998 u.a. fest, dass der rechte Schenkel zweimal und der linke Schenkel einmal gebrochen sei und dass sich Knochen teilweise ohne Gewebe außerhalb des Schlachtkörpers befänden. Die angemeldete Ware, die angesichts dieser Einschränkungen nur bedingt von gesunder und handelsüblicher Qualität sei, sei deshalb unter die Codenummer 0207 1290 000 einzureihen. Im Hinblick auf die Ausfuhrsendung vom Februar 1998 kam die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg in ihrem Untersuchungszeugnis und Einreihungsgutachten vom 7.9.1998 zu dem Ergebnis, dass die untersuchte Ware (Rückstellprobe) augenscheinlich von gesunder und handelsüblicher Qualität und für die menschliche Ernährung geeignet sei. Mit Schreiben vom 6.10.1998 stellte die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg sodann fest, dass das untersuchte Huhn bei Rükkenansicht im Bereich der linken Flügelspitze einen offenen Bruch mit herausragenden Knochen aufweise und deshalb nicht die tariflichen Anforderungen der unter der Marktordnungs-Warenlistennummer 0207 1290 9190 aufgelisteten Waren erfülle.

Der Beklagte wies daraufhin die Einsprüche der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 14.1.1999 zurück. Auf die Begründung der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat am 17.2.1999 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe, da die von ihm gezogenen Proben keine repräsentative Beschau darstellten, die Beschaffenheit der Waren unzutreffend und damit rechtsfehlerhaft ermittelt. Auf die gesetzliche Fiktion des Art. 70 Abs. 1 ZK könne er sich folglich nicht berufen. In der Erstattungsdienstanweisung (VSF M 3565 (25)) sei der Begriff der repräsentativen Beschau und damit auch der mengenmäßige Rahmen der Beschau in der Weise konkretisiert worden, dass bei über 1.000 angemeldeten Packstücken wenigstens 20 Packstücke zu beschauen seien. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass es sich bei der ausgeführten Ware um Naturerzeugnisse handele. Bei Naturerzeugnissen, deren Qualität insbesondere von Lagerungsbedingungen und vielerlei Umweltfaktoren beeinflusst werde, könne deshalb nicht von einer einheitlich beschaffenen Ware ausgegangen werden. Im Übrigen habe das Hauptzollamt den zolltariflichen Begriff Schlachtkörper von Geflügel fehlerhaft interpretiert. Zwar müssten Schlachtkörper gemäß Art. 6 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1538/91 frei von herausragenden gebrochenen Knochen sein. Die weiteren in dieser Bestimmung formulierten Mindestanforderungen - scil. frei von Fremdgeruch, sichtbaren Fremdstoffen, Schmutz und Blut - zeigten indes, dass bei Schlachtkörpern vor allem der hygienische Zustand des Erzeugnisses im Vordergrund stehe. Gefahren in hygienischer Hinsicht seien bei einer gebrochenen Flügelspitze jedoch nicht tangiert.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 23.2.1998 und 9.7.1998 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.1.1999 zu verpflichten, die mit den Zahlungsanträgen vom 29.1.1998 und 18.5.1998 beantragte Ausfuhrerstattung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe der Einspruchsentscheidung und betont, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Warensendungen als einheitlich beschaffen angemeldet habe. Er sei deshalb berechtigt gewesen, sich auf die Entnahme einer Stichprobe zu beschränken.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des Beklagten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage führt lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg (Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 23.2.1998 und der Einspruchsentscheidung vom 14.1.1999 - soweit diese entgegenstehen - verpflichtet, der Klägerin die mit dem Zahlungsantrag vom 18.5.1998 beantragte Ausfuhrerstattung in Höhe von 50 % zu gewähren; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.). Die angegriffenen Bescheide sind im tenorierten Umfang rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat insoweit Anspruch auf Gewährung der begehrten Ausfuhrerstattung (§ 101 Satz 1 FGO). Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:

1. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass für Erzeugnisse der von der Klägerin angemeldeten Marktordnungs-Warenlistennummer 0207 1290 9190 die Gewährung von Ausfuhrerstattung in Betracht kommt. Die Beteiligten stimmen auch darin überein, dass im Hinblick auf die fehlende zolltarifliche Definition für Schlachtkörper von Geflügel auf die in der Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 der Kommission vom 5.6.1991 (ABl. Nr. L 143/11, im Folgenden: VO Nr. 1538/91) enthaltenen Begriffsbeschreibungen zurückzugreifen ist. In Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 1538/91 ist insoweit bestimmt, dass Geflügelschlachtkörper der Handelsklassen A und B folgenden Mindestanforderungen genügen müssen: Die Schlachtkörper müssen (1.) ganz, (2.) sauber, frei von sichtbaren Fremdstoffen, Schmutz und Blut, (3.) frei von Fremdgeruch, (4.) frei von sichtbaren Blutspuren, (5.) frei von herausragenden gebrochenen Knochen und (6.) frei von starken Quetschungen sein. Diese in Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 1538/91 an Geflügelschlachtkörper der Handelsklassen A und B zu stellenden Mindestanforderungen sollen neben hygienischen Aspekten vor allem ästhetischen Gesichtspunkten Rechnung tragen. Geflügelschlachtkörper, die etwa nicht sauber und frei von Fremdstoffen und Blut sind, werden vom Verbraucher insbesondere aufgrund ihres Aussehens nicht an- bzw. abgenommen. Dem Gesichtspunkt der Ästhetik kommt dann auch bei der unter dem 5. Spiegelstrich beschriebenen Anforderung entscheidende Bedeutung zu. Der Verordnungsgeber hat nämlich diese Anforderung nicht dahin formuliert, das Geflügel müsse frei von Knochenbrüchen sein. Vielmehr hat er nach der Überzeugung des Senats bei dieser Anforderung bewusst die Betonung darauf gelegt, dass der Schlachtkörper frei von herausragenden gebrochenen Knochen sein muss. Vor diesem Hintergrund kommt es dann auch nicht darauf an, ob der Bruch einen kleinen oder größeren Knochen betrifft. Ebenso ist es nicht relevant, ob es sich bei dem herausragenden gebrochenen Knochen etwa um die Flügelspitze handelt, die bei Geflügelschlachtkörpern der Handelsklasse A sogar fehlen darf (vgl. Art. 6 Abs. 2 3. Spiegelstrich VO Nr.1538/91). Da das ästhetische Empfinden des Verbrauchers dadurch beeinträchtigt bzw. gestört wird, dass gebrochene Knochen aus dem Fleisch herausragen, führt auch eine herausragende gebrochene Flügelspitze dazu, dass die Ausfuhrware nicht mehr als Geflügelschlachtkörper im Sinne des Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 15238/91 angesehen werden kann.

2. In Art. 13 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27.11.1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. Nr. 351/1, im Folgenden: VO Nr. 3665/87) ist geregelt, dass Ausfuhrerstattung nicht gewährt wird, wenn die Erzeugnisse nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind; sind diese Erzeugnisse zur menschlichen Ernährung bestimmt, so darf ihre Verwendung zu diesem Zweck aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihres Zustandes nicht ausgeschlossen oder wesentlich eingeschränkt sein. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass aus der gesonderten Erwähnung der zur menschlichen Ernährung bestimmten Erzeugnisse in Art. 13 Unterabsatz 1 VO Nr. 3665/87 nicht gefolgert werden darf, dass diese Vorschrift unterschiedliche Anforderungen an Erzeugnisse stellt abhängig davon, ob sie zur menschlichen Ernährung bestimmt sind oder nicht (vgl. FG Hamburg, 20.2.2002 - IV 299/99 -). Denn es würde keinen Sinn machen, gerade bei Lebensmitteln in erstattungsrechtlicher Hinsicht geringere Qualitätsanforderungen zu stellen und es genügen zu lassen, dass sie (noch) zur menschlichen Ernährung geeignet sind, bei den übrigen Erzeugnissen hingegen die Ausfuhrerstattung schon bei fehlender Handelsüblichkeit zu versagen. Vielmehr müssen auch Erzeugnisse, die zur menschlichen Ernährung bestimmt sind, sowohl von gesunder als auch von handelsüblicher Qualität sein. Dass diese Auslegung der Vorschrift des Art. 13 Unterabsatz 1 VO Nr. 3665/87 dem Willen des Verordnungsgebers nicht entspricht, ist nicht anzunehmen, im Gegenteil: in der 9. Begründungserwägung zu der VO Nr. 3665/87 hat der Verordnungsgeber ausdrücklich klargestellt, dass die Erzeugnisse, für die Ausfuhrerstattung beansprucht wird, so beschaffen sein müssen, dass sie unter normalen Verhältnissen vermarktet werden können. Ein Erzeugnis, das den in Art. 13 Unterabsatz 1 VO Nr. 3665/87 normierten Qualitätsanforderungen nicht entspricht, kann indes im Gemeinschaftsgebiet nicht mehr unter normalen Bedingungen vermarktet werden.

Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass ein Geflügel, das einen offenen Knochenbruch aufweist, nicht mehr von handelsüblicher Qualität ist. Der Klägerin ist in diesem Zusammenhang zwar zuzugeben, dass der Bruch etwa eines Schenkel- oder Oberarmknochens in hygienischer Hinsicht unbedenklich ist. Gleichwohl wird Geflügel, das einen Mangel dieser Art aufweist, vom Verbraucher regelmäßig nicht mehr als Ware der normalen Art und Güte angenommen. Geflügel mit Qualitätsmängeln dieser Art kann nicht mehr unter normalen Verhältnissen, sondern nur noch unter besonderen Hinweisen und dementsprechend nur mit Preisnachlässen vermarktet werden und ist somit nicht mehr von handelsüblicher Qualität im Sinne des Art. 13 Unterabsatz 1 VO Nr. 3665/87. Der Sinn und Zweck der Gewährung von Ausfuhrerstattung besteht darin, in der Gemeinschaft bestehende Überschüsse bestimmter Erzeugnisse absetzten zu helfen. Die Subventionierung von Ausschussware, die in der Gemeinschaft nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen abzusetzen ist, ist mit diesem gesetzgeberischen Anliegen nicht zu vereinbaren.

3. Der Beklagte ist im Hinblick auf die Ausfuhrsendung aus dem Dezember 1997 zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin angesichts der aufgrund der durchgeführten Zollbeschau gewonnenen Ergebnisse keine Ausfuhrerstattung beanspruchen kann.

Die Zollbeschau wird in der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 (Zollkodex - ZK) nicht definiert. Die Anforderungen und der Umfang der Zollbeschau ergeben sich jedoch aus Art. 68 lit. b) i.V.m. Art. 69 ff ZK. Danach geht es bei der Zollbeschau insbesondere um die exakte körperliche Feststellung der Menge und Beschaffenheit der angemeldeten Ware. Sie kann sich auf sämtliche Waren in der Anmeldung beziehen oder nur bei einem Teil der Sendung durchgeführt werden. Wird - wie im Streitfall - nur ein Teil der angemeldeten Waren beschaut, so gelten die Ergebnisse dieser Teilbeschau gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK für alle in der Anmeldung bezeichneten Waren. Die Vorschrift des Art. 70 Abs. 1 Satz 1 ZK durchbricht damit den Grundsatz des Art. 71 Abs. 2 ZK, wonach die in der Anmeldung enthaltenen Angaben der Zollbehandlung zugrunde gelegt werden, wenn eine Überprüfung der Anmeldung nicht erfolgt ist. Im Unterschied zu der früheren gesetzlichen Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Zollgesetz (BGBl. I 1961, S. 737, im Folgenden: ZG), die durch alle insoweit geeigneten Beweismittel widerlegt werden konnte (§ 17 Abs. 3 ZG), ist die gesetzliche Fiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK abschließend und kann nur auf Antrag durch eine zusätzliche Beschau hinsichtlich des ursprünglich nicht beschauten Teils korrigiert werden (vgl. bereits FG Hamburg, Urteil vom 10.12.2001 - IV 75/99 -; ebenso Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 3. Auflage, Art. 70 ZK, Rdnr. 4). Das folgt aus der Bestimmung des Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 2 ZK, wonach der Anmelder eine zusätzliche Zollbeschau verlangen kann, wenn er der Ansicht ist, dass die Ergebnisse der Teilbeschau auf den Rest der angemeldeten Ware nicht zutreffen, und erklärt sich vor dem Hintergrund, dass seit In-Kraft-Treten des Zollkodex nunmehr auch das Ausfuhrverfahren ein Zollverfahren darstellt (vgl. Art. 4 Nr. 16 lit. a) ZK). Das Recht, eine zusätzliche Zollbeschau zu verlangen, ist freilich ausgeschlossen, wenn die Waren bereits nach der ersten Teilbeschau dem Anmelder überlassen worden sind (Art. 73 Abs. 1 ZK).

Im Streitfall hat das Hauptzollamt H eine Beschaffenheitsschau durchgeführt, wobei zwei Proben entnommen und der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg zugeleitet wurden. Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg stellte in ihrem Untersuchungszeugnis und Einreihungsgutachten vom 29.12.1997 fest, dass der rechte Oberarmknochen gebrochen war und sich teilweise ohne Gewebe außerhalb des Schlachtköpers befand. In ihrem Untersuchungszeugnis und Einreihungsgutachten vom 22.5.1998, das die aus der Ausfuhrsendung vom Dezember 1997 gezogene Rückstellprobe betrifft, ermittelte die Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt sowohl einen Bruch des linken als auch des rechten Schenkels. Außerdem stellte die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg im Rahmen ihrer Begutachtung fest, dass sich die (gebrochenen) Knochen teilweise ohne Gewebe außerhalb des Knochens befanden. Dass die Ergebnisse dieser Teilbeschau, die von der Klägerin nicht angezweifelt werden, keine Rückschlüsse auf den Rest der streitigen Ausfuhrsendung aus dem Dezember 1997 zulassen, weil die beschauten Proben nicht repräsentativ waren, kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht angenommen werden. Insbesondere vermag die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht mit ihrem Einwand durchzudringen, dass nach der in der Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung abgedruckten Dienstvorschrift M 35 65 Abs. 25 bei über 1.000 angemeldeten Packstücken als repräsentative Beschau mindestens 20 Packstücke zu beschauen seien. Die Klägerin übersieht insoweit zum einen, dass Abs. 25 der Dienstvorschrift M 35 65 den dort skizzierten Prüfungsumfang für eine repräsentative Beschau lediglich als eine "Richtlinie" versteht, von der bei der Durchführung einer Beschaffenheitsbeschau "in begründeten Fällen" abgewichen werden kann. Zum anderen hat der Bundesfinanzhof bereits mit Urteil vom 13.2.1979 (VII R 84/75, in: ZfZ 1979, S. 243, 245) entschieden, dass, ist - wie im Streitfall - in der Ausfuhranmeldung nicht angegeben, dass die Ware in sich unterschiedlich beschaffen ist, die Zollstelle davon ausgehen darf, dass zur Feststellung der Beschaffenheit die Entnahme einer Stichprobe genügt. Vor diesem Hintergrund ist es auch ohne rechtliche Relevanz, dass das dänische Institut für Lebensmittelprüfungen und Ernährung in seiner gutachterlichen Äußerung vom 17.6.1998 die Einschätzung abgab, bei einer in Dänemark durchgeführten Beschau wären mindestens 5 Einheiten, normalerweise aber ein ganzer Karton bestehend aus 10 bis 12 Einheiten untersucht worden. Eine andere rechtliche Bewertung ergibt sich in diesem Zusammenhang auch nicht im Hinblick darauf, dass es sich bei der von der Klägerin ausgeführten Ware um Naturerzeugnisse handelte. Der erkennende Senat verkennt insoweit nicht, dass die Qualität von Naturerzeugnissen insbesondere von verschiedenen Umweltfaktoren beeinflusst werden kann. Allerdings folgt hieraus für den Streitfall nicht, dass bezogen auf die angemeldete Ware die Annahme einer einheitlichen Beschaffenheit a limine nicht zulässig wäre. Denn nicht jedes Anforderungsmerkmal, das an die Beschaffenheit eines Naturerzeugnisses gestellt wird, unterliegt natürlichen, vom Ausführer nicht beeinflussbaren Schwankungen. Das macht gerade der zur Entscheidung stehende Rechtsstreit deutlich. Ob Geflügelschlachtkörper gebrochene Knochen aufweisen, ist nämlich keine Frage der natürlichen Schwankungsbreite des Erzeugnisses Geflügel, sondern regelmäßig darauf zurückzuführen, dass das Geflügel entweder nicht fachgerecht getötet oder nicht sachgemäß gelagert oder verpackt wurde. Diese Ursachen für offene Knochenbrüche fallen indes in die alleinige Verantwortungssphäre des Ausführers.

Auch der weitere Einwand der Klägerin, keiner der die Beschau durchführenden Zollbeamten habe nach der Öffnung der 20 Kartons bei der Ausfuhrware offene Knochenbrüche festgestellt, greift nicht durch. Die Zollbeschau dient der körperlichen Überprüfung der in der Zollanmeldung bezeichneten Ware; sie erfolgt durch die körperliche Feststellung der Menge, Beschaffenheit und/oder des Wertes der angemeldeten Ware, ergänzt gegebenenfalls durch die Entnahme von Mustern oder Proben (vgl. Art. 68 lit. b) ZK). Muster oder Proben werden in der Regel entnommen, wenn die Beschaffenheit der Ware oder die Angaben hierüber in der Zollanmeldung erst nach näherer Untersuchung nachgeprüft werden können. Ob die Zollbehörden eine Zollbeschau durchführen und Proben oder Muster entnehmen, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Im vorliegenden Zusammenhang ist der Klägerin zwar zuzugeben, dass Mängel der in Rede stehenden Art - scil. aus dem Schlachtkörper herausragende gebrochene Knochen - häufig bereits im Rahmen der Beschau durch die Zollbediensteten aufgrund ihrer Sinneswahrnehmung bemerkt werden. Aus dem Umstand, dass - wie im Streitfall - ein offener Knochenbruch erst während der Begutachtung der Probe durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt festgestellt wird, folgt indes nicht, dass dieses Ergebnis der Untersuchung nicht gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK allen in der Anmeldung bezeichneten Waren zugrunde gelegt werden darf. Die von der Klägerin präferierte Betrachtungsweise käme einem Verwertungsverbot gleich, das weder im Zollkodex noch in sonstigen gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen Vorschriften eine Stütze findet. Im vorliegenden Kontext darf fernerhin nicht außer Betracht bleiben, dass die Prüfung der Zollbediensteten lediglich in einer augenscheinlichen Sichtkontrolle der gefrorenen Ausfuhrware bestand. Ob diese frei von offenen Knochenbrüchen war, konnte verlässlich erst im Rahmen einer eingehenden Untersuchung der aufgetauten Erzeugnisse erfolgen.

Die Klägerin hat schließlich die gesetzliche Fiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK nicht entkräftet. Der erkennende Senat hat bereits ausgeführt, dass die gesetzliche Fiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK abschließend ist und nur auf Antrag des Anmelders durch eine zusätzliche Beschau hinsichtlich des ursprünglich nicht beschauten Teils korrigiert werden kann. Eine zusätzliche Zollbeschau nach Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 2 ZK hat die Klägerin indes nicht beantragt. Die Klägerin muss deshalb die Ergebnisse der Teilbeschau für alle in der Anmeldung angegebenen Partien gegen sich gelten lassen.

Aber selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausginge, dass ungeachtet der Vorschrift des Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 2 ZK und des Umstandes, dass mit In-Kraft-Treten des Zollkodex das Ausfuhrverfahren ein Zollverfahren darstellt (vgl. Art. 4 Nr. 16 lit. a) ZK), im Ausfuhrerstattungsrecht die Beschaffenheitsvermutung schon dann als widerlegt anzusehen ist, wenn die ernstliche Möglichkeit der Unrichtigkeit der Vermutung nachgewiesen wird (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 26.6.1990 - VII R 104/87 -, in: BFHE 161, S. 221), könnte der Klage kein Erfolg beschieden sein. Denn gemäß § 16 Satz 3 EWG-Ausfuhrerstattungsverordnung vom 24.5.1996 (BGBl. I S. 766) wäre es Sache der Klägerin, die Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch darzutun und zu beweisen. Für den von ihr geltend gemachten Erstattungsanspruch obliegt ihr deshalb in jedem Fall der Nachweis, dass das ausgeführte Geflügel frei von herausragenden gebrochenen Knochen ist (vgl. BFH, Urteil vom 13.2.1979 - VII R 84/75 -, in: ZfZ 1979, S. 243, 244). Diesen Nachweis hat die Klägerin jedoch nicht erbracht.

4. Im Hinblick auf die Ausfuhrsendung aus dem Februar 1998 hat der Beklagte allerdings zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Zollbeschau keine Ausfuhrerstattung beanspruchen kann.

Zwar hat die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg in ihrem Untersuchungszeugnis und Einreihungsgutachten vom 20.3.1998 festgestellt, dass der untersuchte Schlachtkörper einen offenen Bruch der linken Flügelspitze aufweise. Die Untersuchung der Rückstellprobe im Verlauf des Einspruchsverfahrens hat indes zu keiner Bestätigung des Ergebnisse der Erstprobe geführt. Vielmehr gelangte die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg in dem die Rückstellprobe betreffenden Untersuchungszeugnis und Einreihungsgutachten vom 7.9.1998 zu der Feststellung, dass die Ware augenscheinlich von gesunder und handelsüblicher Qualität und für die menschliche Ernährung geeignet sei. Herausragende gebrochene Knochen des untersuchten Schlachtkörpers sind von der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt in ihrem Gutachten vom 7.9.1998 nicht festgehalten worden.

Allerdings ist der Beklagte in seiner Einspruchsentscheidung vom 14.1.1999 davon ausgegangen, die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg habe ihr Untersuchungszeugnis und Einreihungsgutachten vom 7.9.1998 mit Schreiben vom 6.10.1998 "revidiert". In diesem Schreiben hat die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt dem Beklagten mitgeteilt, dass das untersuchte Huhn bei Rückenansicht im Bereich der linken Flügelspitze einen offenen Bruch mit herausragenden Knochen aufweise. Diese Äußerung betrifft indes nicht die ausweislich des Gutachtens vom 7.9.1998 bereits verbrauchte Rückstellprobe, sondern erweist sich vielmehr als bloße inhaltliche Wiederholung und Bekräftigung des Untersuchungszeugnisses und Einreihungsgutachtens vom 20.3.1998, das die Erstprobe zum Gegenstand hatte, was sich im Übrigen auch aus der Anfrage des beklagten Hauptzollamtes vom 17.9.1998 an die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg ergibt (vgl. Bl. 6 der Rechtsbehelfsakte, Heft II).

Vor dem Hintergrund des Untersuchungsergebnisses der Rückstellprobe war der Beklagte freilich nicht mehr berechtigt, die gesamte Ausfuhrsendung als nicht erstattungsfähig anzusehen. Die Reichweite der gesetzlichen Fiktion des Art. 70 Abs. 1 Satz 2 ZK ist vielmehr unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Rückstellprobe dahin zu modifizieren, dass die Ausfuhrsendung vom Februar 1998 lediglich zu 50 % Erzeugnisse der von der Klägerin angemeldeten Marktordnungs-Warenlistennummer 0207 1290 9190 enthielt. Das im Sinne des Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK Ergebnis der Teilbeschau, das auf alle in der Anmeldung bezeichneten Partien zu übertragen ist, bilden nunmehr die Untersuchungsergebnisse der Erst- und Rückstellprobe gemeinsam. Einer Schätzung, zu der sowohl der Beklagte als auch das Gericht in ausfuhrerstattungsrechtlichen Streitigkeiten befugt wäre, bedarf es insoweit nicht.

Die vorstehend beschriebene Reichweite der gesetzlichen Fiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK hat die Klägerin im Streitfall nicht entkräftet, was ihr im Übrigen auch ohnehin nur durch eine zusätzliche Beschau des nicht beschauten Teils möglich gewesen wäre.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 4 MOG findet § 139 Abs. 2 FGO in marktordnungsrechtlichen Streitigkeiten keine Anwendung. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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