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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: 1 K 2334/08
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 1a Abs. 1 Nr. 2
EStG § 1 Abs. 3 S. 2
EStG § 26 Abs. 1 S 1
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Der Kläger, ein polnischer Staatsangehöriger, erzielte im Streitjahr 2005 im Bundesgebiet Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. In seiner Steuererklärung für das Streitjahr erklärte er diese Einkünfte und machte bei den Werbungskosten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend. Darüber hinaus beantragte er die Zusammenveranlagung mit seiner in Polen lebenden Ehefrau, die im Streitjahr dort zu versteuernde Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Höhe von 31.731,51 polnische Zloty brutto, umgerechnet 7.887,00 €, erzielte.

Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 25.06.2007 die Einkommensteuer für 2005 in Höhe von 2.083,00 € fest. Dabei berücksichtigte er weder die erklärten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung noch nahm er eine Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner Ehefrau vor. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, dem der Beklagte hinsichtlich der begehrten Berücksichtigung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung abhalf und mit geändertem Bescheid vom 14.05.2008 die Einkommensteuer für 2005 in Höhe von 1.534,00 € festsetzte. Mit Einspruchsentscheidung vom 07.07.2008 wies er den Einspruch des Klägers im Übrigen als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Einspruches sowie der im Einspruchsverfahren getroffenen Feststellungen und Begründungen wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.

Der Kläger begehrt mit seiner hiergegen erhobenen Klage weiterhin die Festsetzung der Einkommensteuer für 2005 nach der Splittingtabelle im Wege der Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau. Die Voraussetzungen des § 1 a Abs. 1 Nr. 2, § 1 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) hierfür lägen vor. Die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte der Ehefrau des Klägers unterschritten den Grenzbetrag des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG, da insoweit zum einen auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen sei, bei der Ermittlung der Einkünfte das deutsche Steuerrecht Anwendung finde und der Grenzbetrag von 6.136,00 € zu verdoppeln sei. Dabei sei eine Reduzierung des Grenzbetrages unter Anwendung der Ländergruppeneinteilung im Gebiet der Europäischen Union unzulässig, weil dies zu einer Ungleichbehandlung führe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für 2005 vom 25.06.2007 in der Fassung des geänderten Bescheides vom 14.05.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.07.2008 abzuändern und die Einkommensteuer für 2005 im Wege der Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau anderweitig festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt aus, bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau sei bei dieser bei den Werbungskosten der Arbeitnehmerpauschbetrag des § 9 a EStG in voller Höhe berücksichtigt worden. Allerdings sei der in der Tat zu verdoppelnde Grenzbetrag des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG entsprechend der Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzministeriums, an die die Finanzverwaltung gebunden sei, hälftig zu kürzen, was dazu führe, dass die in Polen steuerpflichtigen Einkünfte der Ehefrau des Klägers den Grenzbetrag überschritten.

Die den Kläger betreffende Einkommensteuerakte war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Der Senat hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 12.03.2009 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid des Beklagten vom 25.06.2007 in der Fassung des geänderten Bescheides vom 14.05.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.07.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat bei der Ermittlung der im Rahmen des § 1 a Abs. 1 Nr. 2, § 1 Abs. 3 EStG maßgeblichen Einkünfte zu Recht den doppelten Grenzbetrag in Anwendung der Ländergruppeneinteilung im Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 17.11.2003 (Bundessteuerblatt - BStBl. - Teil I 2003, 637) in der Fassung vom 09.02.2005 (BStBl. I 2005, 369) hälftig gekürzt, was zu, den sich hieraus ergebenden Grenzbetrag von 6.136,00 € überschreitenden, nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünften von 6.967,00 € führt.

Gemäß § 1 a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2005 können nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten auf Antrag zusammen veranlagt werden, wenn nur einer von ihnen die Voraussetzungen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG 2005 oder der "fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht" nach § 1 Abs. 3 EStG 2005 erfüllt. Voraussetzung hierfür ist zum einen, dass der unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatte Staatsangehöriger eines EU/EWR-Staates ist und der andere Ehegatte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im EU/EWR-Ausland hat. Zum anderen sind die Einkunftsgrenzen des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG 2005 zu beachten. Dabei ist auf die Welteinkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grenzbetrag von 6.136,00 € zu verdoppeln. Eine Zusammenveranlagung ist danach möglich, wenn entweder die Einkünfte beider Ehegatten im Kalenderjahr mindestens zu 90% der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte dem Grenzbetrag von grundsätzlich 12.272,00 € nicht übersteigen, wobei indes gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 zweiter Halbsatz EStG der Grenzbetrag zu kürzen ist, soweit es nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen notwendig und angemessen ist.

Der Beklagte hat die vorstehenden Regelungen zutreffend angewendet. Er hat die Summe der Welteinkünfte des Klägers und seiner Ehefrau nach deutschem Recht ermittelt. Danach waren die der Besteuerung in Polen unterliegenden Bruttoeinkünfte der Ehefrau des Klägers in Höhe von umgerechnet 7.887,00 € um den Arbeitnehmerpauschbetrag in Höhe von 920,00 € zu kürzen, so dass sich die maßgeblichen Einkünfte der Ehefrau des Klägers auf 6.967,00 € belaufen. Der vom Beklagten zu Grunde gelegte Umrechnungskurs wird vom Kläger nicht bestritten. Bei Einkünften des Klägers in Höhe von 17.005,00 € betragen die Gesamteinkünfte beider Ehegatten 23.972,00 €. Die der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte unterschreiten zweifelsfrei den erforderlichen Anteil von 90% der Gesamteinkünfte.

Die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte der Ehefrau des Klägers übersteigen den danach allein maßgebenden Grenzbetrag, da dieser nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 S. 2 zweiter Halbsatz EStG in Verbindung mit der im Streitjahr maßgeblichen Ländergruppeneinteilung des Bundesministeriums für Finanzen hälftig zu kürzen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bietet die Ländergruppeneinteilung des Bundesministeriums für Finanzen einen auch von den Steuergerichten zu beachtenden Maßstab, sofern sie im Einzelfall nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (BFH-Urteil vom 22.02.2006 I R 60/05, BStBl. II 2007, 106). Danach ist bei der Prüfung, ob und inwieweit die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte eines in Polen lebenden Ehegatten den Grenzbetrag des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG überschreiten, der Grenzbetrag nach Maßgabe der Einstufung Polens in die Gruppe 3 der Ländergruppeneinteilung hälftig zu kürzen. Mithin überschreiten die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte der Klägerin in Höhe von 6.967,00 € den zugrunde zulegenden Grenzbetrag von 6.136,00 € deutlich mit der Folge, dass eine Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr 2005 nach der Splittingtabelle im Wege der Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner Ehefrau nicht erfolgen kann.

Die Kürzung des Grenzbetrages nach Maßgabe der Ländergruppeneinteilung führt nach Auffassung des Gerichts auch nicht zu einer Ungleichbehandlung. Die Regelung des § 1 a Abs. 1 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 EStG soll einen gegenüber Gebietsansässigen nicht gerechtfertigten Ausschluss eines Gebietsfremden von bestimmten, vom Beschäftigungsland gewährten Steuervergünstigungen vermeiden. Grundsätzlich führt die Versagung bestimmter, Gebietsansässigen gewährter Steuervergünstigungen eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR gegenüber Gebietsfremden aufgrund der objektiven Unterschiede zwischen der Situation der Gebietsansässigen und derjenigen der Gebietsfremden sowohl hinsichtlich der Einkunftsquellen als auch hinsichtlich der persönlichen Steuerkraft oder der persönlichen Lage und des Familienstandes nicht zu einer Diskriminierung und Ungleichbehandlung. Etwas anderes gilt dann, wenn der Gebietsfremde in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte hat und sein zu versteuerndes Einkommen im Wesentlichen aus einer Tätigkeit bezieht, die er im Beschäftigungsstaat ausübt, da der Wohnsitzstaat in diesem Fall nicht in der Lage ist, ihm die steuerlichen Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Lage und seines Familienstandes ergeben, so dass zwischen der Situation eines solchen Gebietsfremden und der eines Gebietsansässigen, der eine vergleichbare nichtselbstständige Beschäftigung ausgeübt, kein objektiver Unterschied besteht, der eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstandes des Steuerpflichtigen bei der Besteuerung rechtfertigen könnte. Gleiches gilt für einen verheirateten Gebietsansässigen, der im Wesentlichen das Familieneinkommen im Beschäftigungsstaat bezieht, dessen einkommensloser Ehegatte aber in einem anderen Mitgliedstaat wohnt. In diesem Fall darf ihn der Beschäftigungsstaat nicht wie einen ledigen Steuerpflichtigen ohne Familienunterhaltslasten behandeln (vgl. BFH-Urteil vom 20.08.2008 I R 78/07, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs 2008, 2104 sowie die dortigen Hinweise auf die insoweit einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs).

Hat aber der Gebietsfremde und/oder dessen Ehegatte auch im Wohnsitzstaat steuerpflichtige Einkünfte, ist es nicht gleichheitswidrig, wenn der Beschäftigungsstaat, hier die Bundesrepublik Deutschland, die Gewährung steuerlicher Vergünstigungen davon abhängig macht, dass die Einkünfte weitaus überwiegend im Beschäftigungsstaat steuerpflichtig sind (vgl. die im BFH-Urteil vom 20.08.2008 I R 78/07, a.a.O., zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs). Dabei schösse die Nichtberücksichtigung vom Beschäftigungsstaat erheblich abweichender wirtschaftlicher und Lebensverhältnisse im Wohnsitzstaat bei der Festlegung der insoweit maßgeblichen Grenzbeträge über das oben beschriebene Ziel der gesetzlichen Regelung des § 1 a Abs. 1 Nr. 2 EStG hinaus, da dies wiederum in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Lebenshaltungskosten im Wohnsitzstaat deutlich geringer sind, als im Beschäftigungsstaat, zu einer nicht gebotenen Besserstellung des Gebietsfremden und dessen im betreffenden Wohnsitzstaat lebenden Familie gegenüber den Gebietsansässigen des Beschäftigungsstaates führen würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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