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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 12.02.2009
Aktenzeichen: 1 K 24/08
Rechtsgebiete: EStG, HGB
Vorschriften:
EStG § 5 Abs. 1 | |
EStG § 5 Abs. 4a | |
HGB § 249 Abs. 1 S. 1 |
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung und der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für 2004 streitig, ob die Klägerin zum 31.12.2004 eine Rückstellung für die zukünftige Betreuung von Versicherungsverträgen bilden konnte.
Die Klägerin ist aufgrund eines Vertrages vom ....1999 mit Ergänzung (u.a.) vom ...2000 als selbständige Versicherungsvertreterin für die X-Versicherungs-AG (nachstehend: X ) tätig. Nach dem Vertrag nebst Anlage "Agenturbestand und Ermittlung der Bestandspflegeprovision" hat die Klägerin auch den ihr übertragenen Bestand und die neu vermittelten Versicherungen zu pflegen und zu erhalten. Als Vergütung erhält sie danach neben der Abschlussprovision auch eine Bestandspflegeprovision, und zwar je nach Sparte zwischen ... % und ... %. Die Bestandspflegeprovision wird je nach Tarif ab dem zweiten bis vierten Versicherungsjahr unter der Voraussetzung gezahlt, dass die Beiträge für das erste Versicherungsjahr voll entrichtet worden sind. Die Bestandspflegeprovision wird monatlich anhand der Nettobeitragsbuchung der Kundenabteilung der X ermittelt und abgerechnet.
Erstmals in der Bilanz zum 31.12.2004 hat die Klägerin im Hinblick auf die zukünftige Vertragsbetreuung eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands in Höhe von ... € gebildet. Die Höhe der Rückstellung hat sie durch Ansatz von je ... € Kosten für ... Versicherungsverträge (= ... €) abzüglich der von der X erhaltenen Bestandsprovisionen von ... € ermittelt.
Im Anschluss an eine Außenprüfung erkannte der Beklagte die Bildung der Rückstellung nicht mehr an und berücksichtigte in nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung geänderten Bescheiden für 2004 über Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag einen entsprechend auf ... € erhöhten gewerblichen Gewinn.
Nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen geltend macht, dass es sich bei der Vermittlung der Versicherungsverträge und deren Betreuung gegen die Zahlung von Abschlussprovisionen und laufender Bestandsprovisionen jeweils um ein schwebendes Geschäft handele. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Betreuung und Abwicklung von Versicherungsverträgen als Teil der Gegenleistung für die bis zum Bilanzstichtag entstandenen Provisionsansprüche habe sie sich in einem Erfüllungsrückstand befunden. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) habe in einem vergleichbaren Fall eine Rückstellung für die ungewisse und keinem abgrenzbaren Zeitraum zuordenbare Verpflichtung zu künftiger Schadensbearbeitung anerkannt (Urteil vom 14.10.1999 IV R 12/99, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2000, 25). Sie habe zwar für die Bestandspflege eine entsprechende Provision erhalten. Diese habe aber nicht ausgereicht, um die ihr insoweit entstandenen Kosten zu decken. Somit befinde sie sich in einem Erfüllungsrückstand.
Die Klägerin begehrt nunmehr die Berücksichtigung einer Rückstellung in Höhe von ... €, die sie anhand des durchschnittlichen betrieblichen Aufwands der Jahre 2000 - 2004 von ... € jährlich, einer jährlich anfallenden Arbeitszeit von 1.920 Stunden (240 Tage à 8 Stunden), Kosten je Arbeitsstunde von demgemäß ... € und einem geschätzten durchschnittlichen Aufwand von 1,5 Stunden je Vertrag jährlich bei einem Bestand von ca. ... Verträgen mit ... € abzüglich erhaltener Bestandspflegeprovisionen von ... € ermittelt hat.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Abänderung des geänderten Einkommensteuerbescheids 2004 und des geänderten Gewerbesteuermessbescheids 2004, jeweils vom 24.10.2007, die Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag bei Berücksichtigung einer Gewinn mindernden Rückstellung in Höhe von ... € auf jeweils ... € herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, dass die Klägerin nicht dargetan habe, inwiefern ein Erfüllungsrückstand bestehen solle. Da die X neben einer Abschlussprovision für Neuverträge eine Bestandspflegeprovision gezahlt habe, unterscheide sich der Streitfall gerade maßgeblich von dem durch den BFH mit Urteil vom 28.07.2004 XI R 63/03, BStBl II 2006, 866, entschiedenen Fall, in dem lediglich Abschlussprovisionen vereinnahmt worden seien, so dass für eine Rückstellung kein Raum bleibe. Ein Erfüllungsrückstand im Rahmen eines schwebenden Geschäfts sei unter diesen Umständen nicht ersichtlich.
Dem Gericht liegen die bei dem Beklagten für die Klägerin geführten, das Streitjahr betreffenden Steuerakten (je ein Band Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Bilanz-Heft) sowie ein Sonderband für Betriebsprüfungsberichte vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Nach § 5 Abs. 4a Einkommensteuergesetz (EStG) dürfen - in Abweichung vom Maßgeblichkeitsgrundsatz (§ 5 Abs. 1 EStG, § 249 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch) - Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in Steuerbilanzen für nach dem 31.12.1996 endende Wirtschaftsjahre (§ 52 Abs. 13 Satz 1 EStG) grundsätzlich nicht mehr gebildet werden. Ein Bilanzausweis ist aber - wie schon bisher (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23.06.1997 GrS 2/93, BStBl II 1997, 735) - weiterhin zum Ausgleich sog. Erfüllungsrückstände zulässig und geboten. Ein Erfüllungsrückstand liegt vor, wenn bei einem schwebenden Geschäft das Gleichgewicht der gegenseitigen Leistungsbeziehungen durch Vorleistungen eines und daraus folgender rückständiger Gegenleistungen des anderen Vertragspartners gestört ist, was sich nicht nur aus einer zivilrechtlichen, sondern auch aus einer an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierten Betrachtung ergeben kann. Dies gilt insbesondere im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen, wenn der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet, d.h. weniger geleistet hat, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hatte (Urteil des BFH vom 05.04.2006 I R 43/05, BStBl II 2006, 593, m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund hat der BFH durch das Urteil in BStBl II 2006, 866, entschieden, dass Versicherungsvertreter, die vom Versicherungsunternehmen die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern zugleich auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrages erhalten, für die Verpflichtung zu künftiger Vertragsbetreuung eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden haben (ebenso z.B. Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts - FG - vom 09.02.2007 2 V 233/06, Juris, Urteil des FG Münster vom 02.12.2008 9 K 4216/07 K, Juris).
Auf diese Entscheidung des BFH, deren Grundsätze die Verwaltung über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anwendet, da die Nachbetreuung der Verträge für den Versicherungsvertreter keine wirtschaftlich wesentlich belastende Verpflichtung darstelle (Erlass des Bundesministers der Finanzen vom 28.11.2006 IV B 2 - S 2137 - 73/06, BStBl I 2006, 765), kann sich die Klägerin indes nicht berufen, da im entschiedenen Fall der Versicherungsvertreter gerade keine Vergütung mehr für die Bestandspflege erhalten hatte, sondern die Bestandspflege mit der Abschlussprovision abgegolten sein sollte, mithin das Versicherungsunternehmen diesbezüglich eine Vorleistung erbracht hatte. Im Gegensatz dazu erhält die Klägerin vorliegend, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, außer einer Provision für Neuabschlüsse von der X nach den vorliegenden vertraglichen Vereinbarungen laufende Provisionen für die Pflege sowohl des übernommenen als auch des neu begründeten Versicherungsbestandes gezahlt. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht dargetan, inwiefern die X Vorleistungen erbracht haben soll, die die Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes rechtfertigen könnten. Hierzu hätte die Klägerin konkret darlegen müssen, dass und in welchem Umfang sie zum Bilanzstichtag für bereits erhaltene Provisionen noch Bestandspflegeleistungen zu erbringen hatte, insbesondere etwa, dass die Abschlussprovisionen zugleich auch den Aufwand für die Bestandspflege mit abdecken sollten. Hiervon kann aber angesichts des Umstandes, dass die Klägerin nach den vertraglichen Regelungen für die Bestandspflege laufende gesonderte Provisionen erhalten hat, nicht ausgegangen werden.
Das Urteil des BFH in BStBl II 2000, 25, auf das sich die Klägerin bezieht, betrifft zum einen einen Sonderfall im Bereich der Seetransportversicherung, bei der der sog. Assekuradeur das gesamte Dienstleistungsgeschäft eines Versicherers übernimmt, während der Versicherer selbst lediglich das Risiko trägt, zum anderen einen Zeitraum vor der Geltung des § 5 Abs. 4a EStG. Abgesehen davon enthält das Urteil aber auch keine abweichenden Grundsätze. Vielmehr ging es auch in dieser Entscheidung um die Bereinigung eines überhöhten Gewinnausweises durch die sofortige vollständige Aktivierung der gesamten Provisionsforderung bzw. zum Bilanzstichtag bereits vollständig gezahlter Provisionen im Hinblick auf erst nach dem Bilanzstichtag zu erbringende Vertrags- und Schadensbearbeitungsleistungen. Der BFH hat in der Entscheidung aber zugleich darauf hingewiesen, dass es einer Abgrenzung nicht bedürfe, wenn die dortige Klägerin die Provisionen anteilig von den ratenweise gezahlten Prämien der Versicherungsnehmer einbehalten haben sollte, da dies dafür spreche, dass sie die Provisionen etwa zeitgleich mit den Bearbeitungsleistungen, die dadurch vergütet werden sollten, vereinnahmt habe. Hiervon ist auch im Streitfall angesichts monatlich nach den Beitragsbuchungen von der X ermittelter und gezahlter Bestandspflegeprovisionen auszugehen.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass die gezahlten Bestandspflegeprovisionen nicht kostendeckend seien, rechtfertigt auch dies keine andere Entscheidung. Dabei kann dahinstehen, ob die Antragstellerin den pauschal ermittelten Aufwand für die Pflege der Versicherungsverträge im Bestand nach kaufmännisch vernünftigen und objektiv nachprüfbaren Umständen zutreffend bemessen hat. Denn hinsichtlich der Bestandspflege gegen Provision handelt es sich um ein auf eine ratierliche Leistungserbringung auf Dauer gerichtetes schwebendes Geschäft, das nicht durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist, sondern bei dem - selbst nach Auffassung der Klägerin - allenfalls ein wirtschaftliches Ungleichgewicht aufgrund mangelnder Kostendeckung der Bestandspflegeprovisionen besteht. Für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ist aber - wie bereits ausgeführt - die Bildung einer Rückstellung durch § 5 Abs. 4a EStG ausdrücklich ausgeschlossen (ebenso Beschluss des FG Münster vom 01.06.2007 11 V 1382/07 E, Juris, und Urteil des FG München vom 27.02.2008 10 K 1237/07, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2008, 931, mit Anm. von Valentin in EFG 2008, 1107).
Da die Klägerin nach allem im Rechtsstreit unterliegt, sind ihr die Kosten gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung aufzuerlegen.
Ende der Entscheidung
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