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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 06.12.2004
Aktenzeichen: 1 K 2569/02
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 44
AO § 169 Abs. 2 Nr. 2
AO § 170 Abs. 5 Nr. 2
AO § 191 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist nunmehr streitig, ob die Klägerin als Schenkerin noch für die Schenkungsteuer in Anspruch genommen werden kann.

Mit notarieller Urkunde vom 12.02.1997 des Notars ..., ..., Urkunden-Nr. .../97 übertrug die Klägerin zwei Grundstücke in der Gemarkung D auf ihren Sohn B.

Nach Anzeige des Erwerbs durch den Notar noch im Februar 1997 wurde der Beschenkte im Jahr 1998 zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung aufgefordert, die am 17.09.1998 beim Beklagten einging.

Unter Einbeziehung des Feststellungsbescheides über den Grundbesitzwert des Finanzamts...vom 25.03.1999 erließ der Beklagte am 27.11.2001 einen Schenkungsteuerbescheid gegenüber dem Beschenkten. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Nachdem der Beschenkte mitgeteilt hatte, auf Grund eines vorläufigen Insolvenzverfahrens die festgesetzte Steuer nicht zahlen zu können, erging unter dem 26.02.2002 ein inhaltsgleicher Schenkungsteuerbescheid gegenüber der Klägerin als Schenkerin unter Hinweis auf § 20 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG).

Der dagegen am 26.03.2002 eingelegte Einspruch, den die Klägerin nicht begründete, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 19.06.2002 nach Überprüfung nach Aktenlage als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage vom 23.07.2002 machte die Klägerin zunächst geltend, der angesetzte Wert für die Grundstücke sei zu hoch. Bei den Grundstücken handelt es sich um insgesamt...qm, die teilweise mit Betriebsgebäuden bebaut sind. Die Betriebsgebäude seien ihr zwar zivilrechtlich zuzurechnen, da die Betriebsgebäude jedoch von ihrem Ehemann errichtet worden seien und der gesamte Gewerbebetrieb am 01.01.1993 auf den Sohn übertragen worden sei, dürften diese bei der vorliegenden Schenkung nicht nochmals zum Ansatz kommen.

Der Beklagte änderte daraufhin den Bescheid dergestalt, dass er den Wert für die Gebäude gemäß Wertfeststellungsbescheid herausrechnete, als Verkehrswert des Grundstücks den vom Lagefinanzamt ermittelten Steuerwert zu Grunde legte und die Erbschaftsteuer auf...herabsetzte.

Die Klägerin machte nunmehr geltend, die Schenkerin habe darauf vertrauen dürfen, nicht mehr für die Schenkungsteuer in Anspruch genommen zu werden.

Sie beantragt sinngemäß,

den Schenkungsteuerbescheid vom 26.02.2002 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 06.11.2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, der Bescheid gegen die Schenkerin als Gesamtschuldnerin durfte auch im Jahr 2002 noch ergehen, da erst zu dieser Zeit erkennbar geworden sei, dass die Vollstreckung gegen den Beschenkten erfolglos bleiben würde und die Inanspruchnahme der Schenkerin erst damit ermessensfehlerfrei möglich geworden sei. Denn der Schenker dürfe in der Regel erst dann in Anspruch genommen werden, wenn erkennbar sei, dass eine Vollstreckung der festzusetzenden Steuer gegenüber dem Beschenkten keinen Erfolg verspreche. Deshalb müsse für den Beginn der Festsetzungsverjährung gegenüber dem Schenker, entsprechend der für den Haftungsschuldner geltenden Regelung in § 191 Abs. 3 Satz 3 Abgabenordnung (AO) auf diesen Zeitpunkt abgestellt werden.

Dem Senat hat die Schenkungsteuerakte vorgelegen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Beklagte durfte im Jahr 2002 keinen Schenkungsteuerbescheid mehr für die Schenkung aus dem Jahr 1997 festsetzen, da der Steueranspruch gegen die Schenkerin als Gesamtschuldnerin (§ 44 AO) mit Ablauf des 31.12.2001 verjährt ist.

Denn die 4-jährige Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO hat bereits mit Ablauf des Jahres 1997 begonnen. Der Beklagte hat durch die Anzeige des Notars von dem Erwerb bereits im Jahr 1997 Kenntnis erlangt. Die Abgabe der Schenkungsteuererklärung durch den Beschenkten im Jahr 1998 führte nicht zu einem neuen Beginn der Verjährungsfrist, da nach § 170 Abs. 5 Nr. 2, letzter Halbsatz AO die Verjährung bereits mit Kenntnis der Behörde von der Schenkung beginnt - jedenfalls dann, wenn die Beteiligten und der Rechtsgrund des Erwerbs für die Finanzverwaltung klar erkennbar sind (vgl. Bundesfinanzhofs (BFH) Beschluss vom 09.06.1999 101/98, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1999, 529; Urteil vom 30.10.1996 II R 70/94, BStBl II 1997,11).

Die Verjährung für den Schenker als Gesamtschuldner in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens der Verjährung für den Haftungsschuldner nach § 191 Abs. 3 Satz 3 AO erst dann eintreten zu lassen, wenn der primär in Anspruch zu nehmende Erwerber nicht zahlungsfähig ist - Steuerausfall als weiteres Merkmal analog dem Haftungsschaden (vgl. Tipke/Kruse § 191 AO Tz. 69) - kommt nicht in Betracht.

Zwar ist die Inanspruchnahme von Beschenktem und Schenker als Gesamtschuldner eine Ermessensentscheidung, die im Hinblick auf die Schenkungsteuer als Bereicherungsteuer i.d.R. zur Inanspruchnahme des Beschenkten führen wird. Es ist jedoch für die Gesamtschuldner nach § 20 ErbStG ebenso wie z.B. für die Gesamtschuldner für die Grunderwerbsteuer - anders als für den Haftungsschuldner - gerade kein ausdrücklich abweichender Verjährungsbeginn statuiert. Es besteht indessen aber keine Regelungslücke, die durch eine Analogie geschlossen werden müsste, zumal eine solche Analogie zu Lasten des Schenkers unzulässig wäre. Denn wenn der Gesetzgeber durch die Gesamtschuldnerregelung auch den Zugriff auf eine weitere Person ermöglicht hat, so hätte er zumindest bei einer der Änderungen des Erbschaftsteuergesetzes oder der Abgabenordnung eine ausdrückliche Regelung für einen abweichenden Verjährungsbeginn schaffen können, wenn dies grundsätzlich erforderlich wäre. Denn die Entscheidung des BFH, mit der er dem Urteil des Reichsfinanzhofs vom 24.02.1931 (I e A 340/30, Reichssteuerblatt 1931, 268) entgegengetreten ist, indem er die Inanspruchnahme des Schenkers als Ermessensentscheidung bezeichnet hat, die nach Recht und Billigkeit zu erfolgen hat, stammt vom 29.11.1961 (II 282/58 U, BStBl III 1962, 323).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da zum einen unter dem Aktenzeichen II R 1/03 ein Verfahren vor dem BFH anhängig ist, ob die Aufforderung zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung zur Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 führt, zum anderen wegen der Auswirkungen auf die Arbeit der Verwaltung bei Nichtanwendung des Rechtsgedankens aus § 191 Abs. 3 AO 1977 auf die Gesamtschuld nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG.

Ende der Entscheidung

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