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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: 1 K 3292/05
Rechtsgebiete: ErbStG


Vorschriften:

ErbStG § 13a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hessen

1 K 3292/05

Schenkungsteuer

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Hessischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 28. November 2006 unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Hessischen Finanzgericht ...

des Richters am Hessischen Finanzgericht ...

der Richterin am Hessischen Finanzgericht ...

des ehrenamtlichen Richters ...

der ehrenamtlichen Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für die vorliegende Schenkung der Bewertungsabschlag nach § 13 a Erbschaft-und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) für die Übertragung eines Mitunternehmeranteils zu gewähren ist.

Mit notariellem Vertrag vom xx.xx.1999 vor der Notarin ... in ... (UR-Nr. .../1999) schenkte der am xx.xx.xxxx geborene Vater der Klägerin im Wege der vorweggenommenen Erbfolge einen Teilgesellschaftsanteil entsprechend 300.000,--DM am Festkapital der A & B GbR mit Wirkung zum 31.12.1999. Die GbR ist Besitzgesellschaft von Grundstücken mit insgesamt rund ... qm und Betriebsvermögen. Die Betriebsgesellschaft, die X GmbH, nutzt diese Wirtschaftsgüter, insbesondere das teilweise mit einem ... bebaute Grundstück in ... . Die Klägerin ist auf Grund einer Vorschenkung vom 01.01.1998, für die der Freibetrag und der Bewertungsabschlag nach § 13 a ErbStG gewährt wurden, auch an der GmbH beteiligt.

Im Vertrag vom xx.xx.1999 wurde vereinbart, dass die Klägerin über den Gesellschaftsanteil an der GbR nicht ohne Zustimmung des Schenkers verfügen dürfe. Für den Fall des Verstoßes gegen das Verfügungsverbot und den Fall des Vorversterbens der Klägerin wurde dem Schenker ein Rückübertragungsanspruch eingeräumt. Dieser soll auch gelten, wenn die Klägerin nicht bis zum 31.12.2005 eine verantwortliche Tätigkeit in der GmbH aufnehmen oder eine solche Tätigkeit später wieder aufgeben sollte. Unter UR-Nr. .../1999 vom selben Tag bestellte die Klägerin dem Schenker ein lebenslängliches unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem Gesellschaftsanteil. Nach § 3 des Vertrages besteht der Nießbrauch "am gesamten Gesellschaftsanteil einschließlich des Anspruchs auf ein Auseinandersetzungs- oder Abfindungsguthaben im Falle der Liquidation oder des Ausscheidens aus der Gesellschaft. Dem Berechtigten sind somit auch die künftigen Gewinne und Verluste anteilig aus dem übertragenen Gesellschaftsanteil zuzurechnen". Weiterhin ist in § 4 des Vertrages geregelt, dass die Klägerin ihren Vater bevollmächtigt, die Stimm-und Mitverwaltungsrechte für die Dauer der Nießbrauchsbestellung auszuüben. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Urkunden Bezug genommen.

Unter Berücksichtigung zweier - unstreitiger - Vorschenkungen setzte der Beklagte mit Bescheid vom 05.09.2002 die Schenkungsteuer einschließlich des Ablösungsbetrages in Höhe von 3.362,--DM für die auf den Nießbrauch entfallende, zu stundende Steuer auf 5.091,--DM fest.

Mit dem fristgerechten Einspruch machte die Klägerin geltend, der Bewertungsabschlag nach § 13 a ErbStG müsse gewährt werden, da die Klägerin durch die Abtretung des Gesellschaftsanteils Mitunternehmerin geworden sei.

Durch die Bestellung des Nießbrauchs sei diese Mitunternehmerstellung nicht aufgegeben worden, da der Nießbrauchsbesteller Mitunternehmerrisiko trage und Mitunternehmerinitiative entfalte. Denn es verbliebe ihm die Beteiligung an den stillen Reserven und dem Geschäftswert im Liquidationsfall sowie die Zuständigkeit für Änderungen des Gesellschaftsvertrages, der Gewinnverteilung und des Auseinandersetzungsguthabens. Er trage auch das Risiko der Wertminderung der Beteiligung bei Werteinbußen am Anlagevermögen und ihm verbleibe als Gesellschafter auch die Ausübung der für den Kernbereich erforderlichen Kontroll- und Informationsrechte.

Der Beklagte wies den Einspruch am 04.10.2005 als unbegründet zurück, da die Klägerin auf Grund der Ausgestaltung des Nießbrauchs nicht Mitunternehmerin geworden sei.

Mit der Klage vom 03.11.2005 macht die Klägerin geltend, die Einräumung des Nießbrauchsrechts sei unschädlich. Sie sei mit der Abtretung des Gesellschaftsanteils Mitunternehmerin geworden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erstrecke sich der Nießbrauch nicht auf den Geschäftswert des Unternehmens und das Auseinandersetzungs- bzw. Abfindungsguthaben, das allein dem Anteilseigner zustehe. Mit den Regelungen in § 3 des Vertrages sei nichts anderes gemeint. Damit sollte nur zum Ausdruck gebracht werden, dass sich der Nießbrauch nach einem etwaigen Untergang des Gesellschaftsanteils am Surrogat fortsetzen solle. Die Regelungen über das Stimmrecht wichen ebenfalls nicht vom Üblichen ab. Dem Nießbraucher stehe nach § 1071 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ohnehin ein Zustimmungsrecht zu Maßnahmen des Gesellschafters zu, die sein Recht beeinträchtigen könnten.

Die Klägerin beantragt,

die mit Bescheid vom 05.09.2002 festgesetzte Schenkungsteuer unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung auf 1.989,95 EUR herabzusetzen, festzustellen, dass die festzusetzende Schenkungsteuer in vollem Umfang gemäß § 25 ErbStG zu stunden ist und den Ablösebetrag für die zu stundende Steuer auf 581,07 EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Ansicht fest, dass der dem Schenker eingeräumte Nießbrauch gerade auch die Beteiligung am Auseinandersetzungs- oder Abfindungsguthaben und damit auch an den stillen Reserven umfasse. Auch die durch die Stimmrechtsregelung faktisch fehlende Möglichkeit der Mitunternehmerinitiative stehe der Berücksichtigung des Bewertungsabschlags entgegen.

Dem Senat hat die Schenkungsteuerakte vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Abschlag nach § 13a ErbStG ist nur dann zu gewähren, wenn die Klägerin "Mitunternehmerin" geworden ist und dafür Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 GrS 4/82, Bundessteuerblatt -BStBl-II 1984, 751 m.w.N.). Dabei müssen beide Merkmale vorliegen, auch wenn sie unterschiedlich ausgeprägt sein können (vgl. BFH, Urteile vom 25.04.2006 VIII R 74/03, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV2006, 1564, und vom 01.08.1996 VIII R 12/94, BStBl II 1997, 272).

Mitunternehmerrisiko findet seinen Ausdruck durch die Beteiligung am Gewinn und insbesondere am Verlust der Gesellschaft (vgl. BFH, Urteil vom 01.03.1994 VIII R 35/92, BStBl II 1995, 241 unter Bezug auf das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 22.12.1937 VI 87/37, Reichssteuerblatt 1938, 77).

Als Mitunternehmerinitiative ist vor allem die Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen zu verstehen, zumindest aber die Ausübung von Kontrollrechten, die einem Kommanditisten nach dem Handelsgesetzbuch zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen (BFH, Beschluss vom 25.06.1984 GrS 4/82 a.a.O.).

Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls liegen diese Voraussetzungen in der Person der Klägerin zum Schenkungszeitpunkt nicht vor.

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin auf Grund des im Schenkungsvertrag vorbehaltenen Rückübertragungsanspruchs des Schenkers zum Zeitpunkt der Schenkung überhaupt die Stellung eines Mitunternehmerin erworben hat. Denn die Klägerin konnte -selbst unter Beachtung des Nießbrauchsrechts des Schenkers -nicht ohne Zustimmung des Schenkers über den Gesellschaftsanteil im Ganzen verfügen, ihn weder verkaufen noch belasten, da sich der Schenker für diesen Fall, sowie für den Fall, dass die Klägerin nicht in absehbarer Zeit selbst in der zugehörigen GmbH mitarbeitet, im Schenkungsvertrag ein Rückforderungsrecht vorbehalten hat, ohne dass hierfür eine Entschädigungsregelung getroffen worden ist (vgl. dazu Beschluss des BFH vom 30.05.2006 IV B 168/04, BFH/NV 2006, 1828 m.w.N.).

Ungeachtet dessen ist aber jedenfalls auf Grund der im Nießbrauchsbestellungsvertrag getroffenen Regelungen die Mitunternehmerschaft zu verneinen.

Zwar ist die von der Klägerin vorgetragene Auslegung der Formulierung in § 3 des Nießbrauchsbestellungsvertrages, wonach sich der Nießbrauch auch an einem etwaigen Surrogat fortsetzen solle, wohl das tatsächlich Gemeinte und nicht, wie vom Beklagten angenommen, eine unmittelbare Beteiligung des Nießbrauchers am Liquidationserlös, wenngleich die Formulierung in § 3 des Nießbrauchsbestellungsvertrages zu der Annahme verleitet, dem Schenker solle sogar der Gesamterlös bei Veräußerung oder Liquidation zustehen.

Allerdings sollen nach diesem Paragraphen dem Nießbraucher die "Gewinne und Verluste" auch am Surrogat zuzurechnen sein. Bei der gegebenen Formulierung besteht schon keine Beteiligung der Klägerin am laufenden Verlust.

Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass dem Nießbraucher auch die Gewinne aus der Veräußerung von Anlagevermögen zukommen sollen, obwohl ihm nur die Gewinne aus der ordentlichen Fruchtziehung zustehen dürfen. Denn eine Beschränkung auf den entnahmefähigen Gewinn hat in dem Vertrag gerade keinen Niederschlag gefunden.

Zwar hat der BFH in seinem Urteil vom 25.04.2006 VIII R 74/03 (a.a.O.) ausgeführt, dass der Ausschluss eines Komplementärs von der Teilhabe am Gewinn und Verlust und am Vermögen einer Kommanditgesellschaft nicht geeignet ist, seine Mitunternehmerstellung auszuschließen, wenn eine Außenhaftung gegeben ist. In dem vom VIII. Senat des BFH entschiedenen Fall wurde dies jedoch ausdrücklich durch stark ausgeprägte Intitiativrechte kompensiert (vgl. BFH, Urteil vom 25.04.2006 VIII R 74/03 a.a.O. unter Bezug auf die Urteile vom 11.06.1985 VIII R 252/80, BStBl II 1987, 33, vom 03.02.1977 IV R 122/73 BStBl II 1977, 346; vom 09.02.1999 VIII R 43/98, BFH/NV 1999, 1196 und vom 16.12.2003 VIII R 6/93, BFH/NV 2004, 1080).

Vorliegend ist jedoch die theoretisch bestehende Außenhaftung nicht ausreichend, um die Mitunternehmerstellung zu begründen. Denn es handelt sich um eine Beteiligung an der Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung, bei der das tatsächliche Unternehmerrisiko bei der Betriebs-GmbH liegt.

Zudem ist ein Ausgleich durch besondere Mitwirkungsbefugnisse gerade nicht gegeben.

Vielmehr sind die Gesellschaftsrechte der Klägerin extrem beschränkt.

Auch verbleiben der Klägerin durch die Stimmrechtsvollmacht für den Schenker Stimm- und Mitwirkungsrechte nur in sehr geringem Umfang. Nach dem Wortlaut von § 4 des Nießbrauchsbestellungvertrages hat die Klägerin während der Dauer des Nießbrauchs praktisch keine Möglichkeit, ein eigenes Stimmrechts auszuüben. Zwar heißt es in § 4 des Nießbrauchsbestellungsvertrages

"Das Recht (der Klägerin) diese Stimm- und Mitverwaltungsrechte selbst auszuüben, bleibt unberührt" und die Weisungsgebundenheit in Bezug auf Maßnahmen, die die Rechte des Nießbrauchers beeinträchtigen könnten, entspricht dem Bild des Nießbrauchs. Für den nachfolgenden Satz, wonach sie sich des Stimmrechts zu enthalten hat, wenn der Nießbraucher von seinem Weisungsrecht keinen Gebrauch macht, fehlt es aber an einer Einschränkung auf die Maßnahmen, die Rechte des Nießbrauchers betreffen. Das gilt umso mehr, als auch die Stimmrechtsübertragung einschränkungslos für alle Maßnahmen gelten soll. Das gilt unabhängig davon, dass das Oberlandesgericht Koblenz im Urteil vom 16.01.1992 (6 U 963/91, Neue Juristische Wochenschrift 1992, 2163) eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht für den Nießbrauch als nichtig angesehen hat.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeben sind.

Da die Klage keinen Erfolg hatte, ergeht die Kostenentscheidung nach § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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