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Gericht: Finanzgericht Hessen
Beschluss verkündet am 03.07.2006
Aktenzeichen: 1 V 325/06
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 3 S. 1
1) Die grundsätzliche Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung entfällt nur dann , wenn sie zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt .

2) Offensichtlich unzutreffend ist ein Ergebnis nur dann , wenn es auf einem schweren Überlegungs- oder Systemfehler beruht oder wenn das Ergebnis eindeutig von dem abweicht , was mit der Verständigungsvereinbrung von allen Beteiligten gewollt war.


Finanzgericht Hessen

1 V 325/06

Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 1997-2001 und Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 1997-2001

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Hessischen Finanzgerichts am 03. Juli 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird abgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

1) Die grundsätzliche Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung entfällt nur dann, wenn sie zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt.

2) Offensichtlich unzutreffend ist ein Ergebnis nur dann, wenn es auf einem schweren Überlegungs- oder Systemfehler beruht oder wenn das Ergebnis eindeutig von dem abweicht, was mit der Verständigungsvereinbrung von allen Beteiligten gewollt war.

Gründe:

I. Streitig ist zwischen den Beteiligten, inwieweit eine tatsächliche Verständigung wirksam und bindend für die Steuerveranlagung getroffen wurde.

Dem Rechtstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Antragstellerin (AS) betrieb bis zum Februar 2004 als Einzelunternehmen die Firma F ( - Einzelhandel).

Durch Prüfungsanordnung vom 24. Juni 2003 wurde für den Betrieb der AS eine Außenprüfung für die Jahre 1999 bis 2001 angeordnet. Der Prüfungszeitraum umfasste dabei zunächst die abweichenden Wirtschaftsjahre

1. März 1998 - 28. Februar 1999

1. März 1999 - 28. Februar 2000

1. März 2000 - 28. Februar 2001

Mit der Prüfung wurde am 19. November 2003 begonnen. Während der Prüfung stellte der Prüfer fest, dass sowohl die Sachkonten als auch sämtliche Buchhaltungsbelege für das erste Prüfungsjahr (Wirtschaftsjahr l. März 1998 -28. Februar 1999) fehlten. Auch wurden Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit Scheckgutschriften und Kassenbelegen festgestellt. An den steuerlichen Berater der AS, Herrn Steuerberater K, wurde daraufhin bereits am 4. Dezember 2003 durch den Betriebsprüfer ein entsprechender Fragen- und Anforderungskatalog übergeben (vgl. Anlage 1 der Antragserwiderung vom 1. März 2006). Nach Einschaltung der zuständigen Strafsachenstelle wurde am 10. Dezember 2003 ein Strafverfahren gegen die AS eingeleitet und der Prüfungszeitraum auf die Jahre 1997 und 1998 (abweichende Wirtschaftsjahre 1. März 1996 bis 28. Februar 1997 bzw. 1. März 1997 bis 28. Februar 1998) erweitert.

Zu den Beanstandungen der Betriebsprüfung wird auf die Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht vom 3. November 2004 - Teilziffer (Tz.) 8 - Bezug genommen.

Zur Überprüfung der Manipulationen an den Kassenbelegen wurden insgesamt 40 Belege vom Zollkriminalamt (ZKA) untersucht. Im Rahmen der Untersuchung konnte auf den fraglichen Kassenzetteln bei den Betragsangaben Spuren einer mechanischen Rasur mittels Radiergummi sowie Reste einer ursprüng€lichen Einfärbung festgestellt werden. In allen Fällen wurden die eigentlichen Beträge des Verkaufes gemindert. Die durch das ZKA getroffenen Feststellungen (die Ermittlung der ursprünglichen Betragsangaben) decken sich mit den Ergebnissen der Betriebsprüfung anhand von Auskunftsersuchen bei Dritten (Kunden der AS). Die in diesem Zusammenhang von Dritten vorgelegten Rechnungsoriginale, welche auch in dieser Höhe per Scheck von den Kunden bezahlt wurden, weisen in vielen Fällen den durch das ZKA ermittelnden Ursprungsbetrag auf (vgl. dazu auch den Betriebsprüfungsbericht Tz. 8).

Im Übrigen wird auch auf den Bericht des ZKA vom 24. Mai 2004 und den Betriebsprüfungsbericht Bezug genommen.

Nachdem zwischen Vertretern des Finanzamtes und der AS, neben der AS waren an den Besprechungen Steuerberater K und später auch Steuerberater P beteiligt, mehrere Gespräche über die Feststellungen der Betriebsprüfung stattgefunden hatten, wurde den Vertretern der AS am 11. November 2004 der Betriebsprüfungsbericht sowie ein Entwurf einer tatsächlichen Verständigung übersandt. In der tatsächlichen Verständigung, die von der AS und deren Steuerberatern mit Datum 16. November 2004 unterschrieben wurde, heißt es:

"Nach eingehender Erörterung sind die Parteien sich einig, dass vorliegender Sachverhalt vorliegt beziehungsweise folgende Sachbehandlung angenommen wird:

Jahresabschlüsse von Frau

Für die Wirtschaftsjahre 1996/1997; 1997/1998; 1998/1999; 1999/2000 und 2000/2001 sind die Erlöse bisher nicht in zutreffender Höhe erfasst. Die Erlöse sind daher wie in Tz. 16 des Prüfungsberichtes vom 3.11.2004 für Frau dargestellt, zu erhöhen. Diese Vereinbarung stellt eine tatsächliche Verständigung über eine bestimmte Sachbehandlung dar.

Eine straf- oder bußgeldrechtliche Würdigung aller Prüfungsfeststellungen durch die Strafsachenstelle des FA bleibt davon unberührt."

Am 16. Dezember 2004 fand zwischen der Antragstellerseite und Vertretern des Finanzamtes eine abschließende Besprechung über die Betriebsprüfung statt. An dieser Besprechung nahm auch der Ehemann der AS teil. Nachdem über die Höhe der Steuernachzahlung der AS diskutiert worden war und die AS zwischenzeitlich um eine Unterbrechung der Erörterung gebeten hatte, wurde schließlich von Herrn Steuerberater P bei Wiederaufnahme der Gespräche den Vertretern des Finanzamtes die bereits am 16. November 2004 unterschriebene tatsächliche Verständigung ausgehändigt. Von Seiten der Finanzverwaltung unterschrieben nunmehr sowohl der Sachgebietsleiter der Veranlagung, Herr , als auch der Sachgebietsleiter der Betriebsprüfung Herr und der Prüfer Herr , die tatsächliche Verständigung. Zusätzlich nahmen für die Finanzbehörde auch der Finanzamtsvorsteher Herr sowie Herr und Frau von der Vollstreckungsstelle an dieser Besprechung teil. Nachdem die tatsächliche Verständigung unterschrieben war, wurden der AS und ihren steuerlichen Beratern die dem Betriebsprüfungsbericht und der tatsächlichen Verständigung entsprechenden Steuerbescheide mit Datum vom 17. Dezember 2004 übergeben.

Gegen die geänderten Steuerbescheide (Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuermessbetrag) 1997 - 2001 legte die AS am 10. Januar 2005 durch Herrn K Einspruch ein. Dieses Schreiben enthielt zunächst noch keine Begründung des Einspruches. Am 3. März 2005 reichte Herr K ein weiteres Schreiben beim Antragsgegner (AG) ein, das mit "Begründung Einspruch " überschrieben war. Steuerberater K führte in der Einspruchsbegründung aus, dass in den Prüferbilanzen Rückstellungen zur Begleichung der Umsatzsteuer und Gewerbesteuer zu berücksichtigen seien. In einer weiteren Einspruchsbegründung vom 20. September 2005 wurde nunmehr seitens des jetzigen Prozessbevollmächtigten erstmals die Nichtigkeit der tatsächlichen Verständigung geltend gemacht.

Über die Einsprüche ist noch nicht entschieden.

Die AS haben nunmehr bei Gericht Aussetzung der Vollziehung beantragt, nachdem der AG mit Schreiben vom 30. Januar 2006 eine Aussetzung der Vollziehung der noch offenen Umsatzsteuern unter der Steuernummer (Einzelunternehmen der Klägerin) abgelehnt hat.

Nach Ansicht der AS ist die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide und der Gewerbesteuermessbescheide auszusetzen, da die als Rechtsgrundlage für die Bescheide dienende tatsächliche Verständigung als nichtig angesehen werden müsse. Zum einen sei die tatsächliche Verständigung durch Drohungen beziehungsweise unzulässigen Druck gegenüber der AS und ihren damaligen Beratern erreicht worden. Zum anderen könne die tatsächliche Verständigung auch deshalb keinen Bestand haben, da sie zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Die der tatsächlichen Verständigung zu Grunde liegende Schätzung durch die Betriebsprüfung müsse# zumindest der Höhe nach als grob rechtswidrig angesehen werden. Am 16. November 2004 sei die tatsächliche Verständigung von der AS und ihren steuerlichen Beratern nur aus prophylaktischen Gründen unterschrieben worden. Man habe in der anstehenden Schlussbesprechung den AG damit gewissermaßen "ködern" wollen. Steuerberater K sei aufgrund des vorgelegten Betriebsprüfungsberichtes von einer Steuernachzahlung in Höhe von 1,3 bis 1,4 Millionen DM ausgegangen. Die AS sei über diese Zahlen in der internen Besprechung mit ihren Beratern am 16. November 2004 zwar informiert worden. Sie sei jedoch guter Hoffnung gewesen und habe dies auch von ihren Beratern gefordert, dass diese Zuschätzung auf ein vernünftiges Maß reduziert werde. Nachdem in der Besprechung am 16. Dezember 2004 zunächst keine Einigung auf der Grundlage der tatsächlichen Verständigung erzielt worden sei, sei von den Vertretern der Finanzbehörde, insbesondere durch den Finanzamtsvorsteher und den Sachgebietsleiter der Betriebsprüfung massiver Druck gegenüber der AS und ihren Beratern in Richtung Abschluss der tatsächlichen Verständigung ausgeübt worden. So sei eine Erweiterung der Betriebsprüfung auf die steuerlich noch nicht verjährten Zeiträume angedroht worden sowie von einem zeitlichen Rahmen von weiteren zwei Jahren für die Betriebsprüfung gesprochen worden. Außerdem sei wegen der manipulierten Belege von Urkundenfälschung seitens der AS und einer eventuellen Gefängnisstrafe für die AS die Rede gewesen. Nachdem die Besprechung am 16. Dezember 2004 unterbrochen worden sei, habe die AS mit ihren Beratern das Für und Wider des Abschlusses einer tatsächlichen Verständigung intern erörtert. Hierbei seien die AS als auch Steuerberater K gegen den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung gewesen. Gleichwohl habe Steuerberater P im Anschluss an diese Unterbrechung unter dem Eindruck der Drohungen seitens des AG ohne weitere Rücksprache den Vertretern des AG die bereits unterschriebene tatsächliche Verständigung übergeben. Herr P habe dies aus Mitleid und Sorge um die Gesundheit der AS getan. Die AS und Steuerberater K seien von dieser Vorgehensweise völlig überrumpelt worden und gerade zu vom "Donner gerührt" gewesen. Zwar sei die tatsächliche Verständigung dann von den Vertretern des AG, Herrn, Herrn und Herrn unterschrieben worden und die der tatsächlichen Verständigung entsprechenden Steuerbescheide unmittelbar der AS und ihren Beratern nach Unterzeichnung der tatsächlichen Verständigung übergeben worden. Wegen des ausgeübten Drucks sei die tatsächliche Verständigung aber als nichtig anzusehen.

Die tatsächliche Verständigung könne schließlich auch deshalb keine Beachtung finden, da die der Schätzung zu Grunde gelegten Rohgewinnaufschlagsätze von 137% bis 148% völlig realitätsfremd seien und daher zu einer unzutreffenden Besteuerung führen würden. Zwar gebe es keine Richtsätze für den ...handel. In vergleichbaren Branchen wie etwa Textil- oder Lederwarenhandel seien jedoch wesentlich geringere Aufschlagsätze anzuwenden.

Zur weiteren Begründung des Aussetzungsantrages wird auf die Antragsschrift des Bevollmächtigten vom 1. Februar 2006 sowie auf dessen Schriftsätze vom 10. April und 13. Juni 2006 verwiesen.

Die AS beantragt sinngemäß,

die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 1997 bis 2001 jeweils vom 17. Dezember 2004 und der Gewerbesteuermessbescheide 1997 bis 2001 vom 10. Januar 2005 für 1997 beziehungsweise vom 17. Dezember 2004 für 1998 bis 2001

betreffend Umsatzsteuer

1997 in Höhe von DM,

1998 in Höhe von DM,

1999 in Höhe von DM,

2000 in Höhe von DM,

2001 in Höhe von DM

sowie

betreffend Gewerbesteuermessbetrag

1997 in Höhe von DM,

1998 in Höhe von DM,

1999 in Höhe von DM,

2000 in Höhe von DM und

2001 in Höhe von DM

ohne Sicherheitsleistung auszusetzen,

hilfsweise für den Fall der Antragsabweisung,

die Beschwerde zuzulassen.

Der AG beantragt,

den Aussetzungsantrag abzuweisen.

Nach Ansicht des AG ist die getroffene tatsächliche Verständigung sowohl für die AS als auch für die Finanzbehörde bindend. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) stelle eine tatsächliche Verständigung ein zulässiges Institut zur einvernehmlichen Regelung steuerlich erheblicher Sachverhalte und erheblicher Tatsachen dar. Man habe letztlich auf Anraten der steuerlichen Berater der AS vorab einen Betriebsprüfungsbericht erstellt und eine tatsächliche Verständigung vorformuliert und den Beratern der AS zur Überprüfung zugeleitet. Mit dem Abschluss der tatsächlichen Verständigung im Termin vom 16. Dezember 2004 sei die Betriebsprüfung bei der AS letztlich beendet worden. Im Interesse aller Beteiligter seien dadurch langwierige, schwierige und arbeitsaufwändige Ermittlungen vermieden worden, was gerade dem Sinn und Zweck einer tatsächlichen Verständigung entspreche.

Entgegen der Ansicht der AS sei die tatsächliche Verständigung als verbindlich anzusehen. Sie sei weder durch unzulässigen Druck gegenüber der AS und ihren Beratern zu Stande gekommen, noch führe sie zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. In keiner Weise sei unzulässiger Druck auf die AS und ihre Berater beim Abschluss der tatsächlichen Verständigung ausgeübt worden. Die tatsächliche Verständigung sei schließlich seitens der AS und ihrer Berater bereits am 16. November 2004 unterschrieben worden. Soweit seitens der Betriebsprüfung darauf hingewiesen worden sei, beim Scheitern der tatsächlichen Verständigung die Prüfungshandlungen wieder aufzunehmen, die zudem einen erheblichen zeitlichen Rahmen beanspruchen würden, könne darin keine Druckausübung gesehen werden. Denn beim Scheitern der tatsächlichen Verständigung sei zwangsläufige Folge gewesen, die Prüfung bei der AS auf andere Weise, das heißt durch umfassende weitere Ermittlungen, gegebenenfalls auch unter weiterer Beteiligung des ZKA, fortzuführen. Dies sollte aber auf Initiative der Berater durch den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung gerade vermieden werden. Aus diesem Grunde sei auch der Hinweis, dass gegebenenfalls weitere Überprüfungen durch das ZKA erforderlich seien, keine unzulässige Drohung oder Nötigung der AS. Nachdem die Besprechung am 16. Dezember 2004 unterbrochen worden sei und die Antragstellerseite intern sich zu Beratungen zurückgezogen hätte, sei daraufhin bei Fortführung der Besprechung von Herrn P die unterschriebene tatsächliche Verständigung übergeben worden. Wenn dies aus Mitleid und Fürsorge um die Gesundheit seiner Mandantin gegebenenfalls auch absprachewidrig erfolgt sei, könne hierbei jedoch von keiner unzulässigen Druckausübung seitens der Finanzbehörde ausgegangen werden. Auch sei es völlig abwegig und falsch, wenn von einer "diktierten Einigungslösung" unter Ausnutzung des Gesundheitszustandes der AS die Rede sei.

Schließlich liege auch keine offensichtlich unzutreffende Besteuerung vor. Aufgrund der zum Teil nicht mehr vorhandenen Belege, der unrichtigen Aufzeichnungen und der manipulierten Einnahmebelege habe bei der AS eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zwangsläufig erfolgen müssen. Um bei der Schätzung der Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen, habe der Betriebsprüfer verschiedene Alternativberechnungen durchgeführt, deren rechnerische Richtigkeit und deren Schlüssigkeit von den Vertretern der AS nicht angezweifelt worden sei. Auch seien die zu Grunde gelegten Rohgewinnaufschlagsätze nicht realitätsfremd, was sich mit verschiedenen Einkaufs- und Verkaufsrechnungen belegen lasse. Darüber hinaus seien zu Gunsten der AS keine Zuschätzungen im Zusammenhang mit der Inzahlungnahme und dem Weiterverkauf gebrauchter und der Aufbewahrung von vorgenommen worden, obwohl auch zu diesen Sachverhalten bei der AS keinerlei Erlösbuchungen festgestellt worden seien.

Ergänzend wird auch auf die Antragserwiderung des AG vom 1. März 2006 sowie auf dessen Schriftsatz vom 8. Mai 2006 Bezug genommen.

Dem Senat haben vorgelegen die die AS betreffenden Einkommenssteuerakten 1997 bis 2001, ein Band Umsatzsteuerakten 1997 bis 2001, ein Band Gewerbesteuerakten 1997 bis 2001, ein Bilanz-Heft 1997 bis 2001, ein Sonderband Gutachten Zollkriminalamt, ein Sonderband Aussetzung der Vollziehung sowie ein Sonderband für Betriebsprüfungsberichte.

II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollzeihung hat keinen Erfolg.

Nach § 69 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit Abs. 2 S. 2 und S. 7 Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen beziehungsweise dessen Vollziehung aufheben, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides ist ernstlich zweifelhaft, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhaltes erkennbar ist, dass aus gewichtigen Gründen Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Sachverhaltsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte (vgl. Beschluss des BFH vom 12. November 1992 XI B 69/92 in Bundessteuerblatt -BStBl- II 1993, 263, m.w.N.; Koch in Gräber, Kommentar zur FGO, 6. Auflage, § 69 Anm. 86, m.w.N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die angegriffenen Steuerbescheide im Rahmen summarischer Überprüfung als rechtmäßig.

Da die angegriffenen Steuerbescheide der am 16. Dezember 2004 abgeschlossenen tatsächlichen Verständigung entsprechen, erweisen sie sich als rechtmäßig.

Entgegen der Ansicht der AS ist die tatsächliche Verständigung weder durch unzulässigen Druck oder durch Nötigung der AS bzw. ihrer Vertreter zustande gekommen, noch führt die tatsächliche Verständigung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. Die tatsächliche Verständigung bildet daher für die ihr nachfolgenden Steuerverwaltungsakte einen normkonkretisierenden Rechtsgrund (vgl. hierzu Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordung -AO-/FGO, § 85 AO Tz. 65).

In der Rechtsprechung des BFH ist die Zulässigkeit tatsächlicher Verständigungen grundsätzlich anerkannt (vgl. z.B. Urteil des BFH vom 31. Juli 1996 XI R 78/95 in BStBl II 1996, 625 sowie Urteil des BFH vom 12. August 1999 XI R 27/98 in Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH 2000, 537, jeweils m.w.N.). Zwar sind Vergleiche über Steueransprüche wegen der Gesetzmäßigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht möglich. Dagegen dient es in Fällen erschwerter Sachverhaltsermittlung der Förderung und Beschleunigung des Besteuerungsverfahrens und allgemein dem Rechtsfrieden, besondere Vereinbarungen über eine bestimmte (steuerliche) Behandlung von Sachverhalten zuzulassen. Dies gilt insbesondere so wie im vorliegenden Falle bei Schätzungsfällen. Zur Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung ist zudem erforderlich, dass auf Seiten der Finanzbehörde ein Amtsträger beteiligt ist, der zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung befugt ist. An einer zulässigen und wirksamen tatsächlichen Verständigung müssen sich die Beteiligten festhalten lassen. Dies entspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben, der im Steuerrecht als allgemeine Rechtsgrundlage uneingeschränkt anerkannt ist (vgl. Urteil des BFH vom 12. August 1999 XI R 27/98, a.a.O.).

Die grundsätzliche Zulässigkeit einer tatsächlichen Verständigung und die ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Sachgebietsleiters der Veranlagungsstelle sind im vorliegenden Fall zwischen den Beteiligten unstreitig, so dass sich insoweit weitere Ausführungen erübrigen.

Aufgrund der hier gegebenen Gesamtumstände ist es für den Senat nicht nachvollziehbar, dass die AS beziehungsweise ihre steuerlichen Berater durch Ausübung unzulässigen Drucks beziehungsweise durch Nötigung seitens der Mitarbeiter der Finanzbehörde zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung gezwungen worden sein sollen.

Hierfür sind insbesondere folgende Überlegungen ausschlaggebend:

Zunächst ist zu beachten, dass die AS während sämtlicher Verhandlungen mit der Betriebsprüfung und dem AG zunächst von Herrn Steuerberater K, später zusätzlich auch noch durch Herrn Steuerberater P, steuerlich beraten und vertreten wurde. Die Vorbereitungen zum Abschluss einer tatsächlichen Verständigung können im vorliegenden Fall nur in einvernehmlichen Vereinbarungen zwischen der Betriebsprüfung und den steuerlichen Beratern der AS getroffen worden sein. Die Übersendung des Betriebsprüfungsberichts und einer vorformulierten tatsächlichen Verständigung auf der Basis dieses Berichtes um den Streitfall gegebenenfalls einvernehmlich auf dieser Basis abschließend zu regeln, kann nur deshalb erfolgt sein, weil zwischen den Vertretern der AS und der Betriebsprüfung über den Abschluss der Prüfung bei der AS durch die Vereinbarung einer tatsächlichen Verständigung bereits vorher entsprechende Absprachen getroffen wurden. Kein Betriebsprüfer würde eine vorformulierte tatsächliche Verständigung an die steuerlichen Berater des Steuerpflichtigen übersenden, wenn nicht bereits im Vorfeld mit dem Steuerpflichtigen selbst beziehungsweise mit dessen Beratern über den Abschluss einer solchen Vereinbarung konkrete Absprachen getroffen wurden. Nur so ist auch erklärlich, dass bereits am 16. November 2004 bei einer internen Vorbesprechung der AS mit ihren steuerlichen Beratern die tatsächliche Verständigungen sowohl von der AS persönlich als auch von ihren Beratern unterschieben wurde. Durch den Betriebsprüfungsbericht war der AS und ihren Beratern auch offenkundig, welche steuerlichen Konsequenzen durch den Abschluss der tatsächlichen Verständigung für die AS entstehen würden. So trägt die AS selbst vor, dass sie bei Unterzeichnung der tatsächlichen Verständigung von Steuernachzahlungen von bis DM ausgegangen sei. Auch in der abschließenden Besprechung am 16. Dezember 2004 ist ein die freie Willensbildung der AS und ihrer steuerlichen Berater ausschließender Druck durch die Vertreter der Finanzbehörde nicht erkennbar und letztlich nach Ansicht des Senates aufgrund der Gesamtumstände auszuschließen.

Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, dass die AS durch die Androhung irgendwelcher strafrechtlicher oder bußgeldrechtlicher Konsequenzen zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung genötigt worden sein soll. Von einem Verstoß gegen das so genannte Koppelungsverbot (vgl. dazu Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 85 AO Tz. 65 m.w.H.) kann daher keine Rede sein. In der tatsächlichen Verständigung wurde nämlich ausdrücklich aufgeführt, dass bußgeld- und strafrechtliche Würdigung der Strafsachenstelle vorbehalten bleibe. Die an der Besprechung am 16. Dezember 2004 seitens der Finanzverwaltung beteiligten Personen waren für strafrechtliche beziehungsweise bußgeldrechtliche Fragen nicht zuständig, was durch die Regelung in der tatsächlichen Verständigung für die Antragstellerseite auch offenkundig dargelegt wurde. Eine irgendwie geartete Druckausübung auf die AS kann daher insoweit ausgeschlossen werden. Keine unzulässige Druckausübung, die unter Umständen zur Nichtigkeit der tatsächlichen Verständigung führen könnte, ist auch darin zu sehen, dass der AS in Aussicht gestellt wurde, bei Nichtabschluss einer tatsächlichen Verständigung die Betriebsprüfung unter Umständen über einen erheblichen zeitlichen Rahmen fortführen zu müssen. Sinn und Zweck einer tatsächlichen Verständigung ist es gerade, langwierige, schwierige und arbeitsaufwändige Ermittlungen zu vermeiden und bei solchen undurchsichtigen Sachverhalten eine einvernehmliche Regelung zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung zu finden. Der Steuerfall der AS ist hierfür geradezu ein Beispielsfall. Wäre es nicht zum Abschluss einer tatsächlichen Verständigung gekommen, wäre zwangsläufig die Betriebsprüfung fortzusetzen gewesen, was umfangreiche weitere Auskunftsersuchen bei Dritten (frühere Kunden der AS, Banken etc.) und weitere Untersuchungen gegebenenfalls auch durch das ZKA zur Folge gehabt hätte. Der Hinweis seitens der Betriebsprüfung auf diese Konsequenzen kann nicht als Ausübung unzulässigen Drucks dargestellt werden, sondern dürfte vielmehr bei den Überlegungen, eine tatsächliche Verständigung zu treffen, in allen Fällen von wesentlicher Bedeutung sein. Der AG weist auch zu Recht darauf hin, dass in den Einspruchsschreiben des Steuerberaters K zunächst von einer Nötigung zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung bzw. von einer unzutreffenden Besteuerung keine Rede ist. Wenn dies am 16. Dezember 2004 von der AS und ihren Beratern so empfunden worden wäre, hätte man sicherlich von Anfang an im Einspruchsverfahren dementsprechend argumentiert. Auch wenn Steuerberater P eigenmächtig und abredewidrig die bereits vorher unterschriebene tatsächliche Verständigung am 16. Dezember 2004 den Vertretern der Finanzbehörde ausgehändigt haben sollte, hätte es nahe gelegen, hierauf bereits unmittelbar in der Besprechung beziehungsweise unmittelbar bei Einlegung des Einspruches aufmerksam zu machen. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände sind für den Senat keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die tatsächliche Verständigung am 16. Dezember 2004 durch Ausübung unzulässigen Drucks seitens der Vertreter der Finanzbehörde zu Stande gekommen ist. Hierbei ist auch von entscheidender Bedeutung, dass die AS den Vertretern der Finanzbehörde nicht alleine in den Verhandlungen gegenüberstand, sondern von Anfang an von steuerlichen Fachleuten beraten wurde. Der Senat teilt insoweit die vom AG vorgetragene Ansicht, dass offensichtlich erst nach Einschaltung des jetzigen Bevollmächtigten von einer Anfechtung der getroffenen tatsächlichen Verständigung die Rede ist. Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich insoweit für den Senat auch nicht aufgrund der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der AS und ihrer steuerlichen Berater.

Die tatsächliche Verständigung ist auch deshalb als verbindlich anzusehen, weil sie entgegen der Ansicht der AS nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt.

Offensichtlich ist nur das, was für einen unvoreingenommenen, urteilsfähigen Betrachter ohne weiteres und unzweifelhaft ersichtlich ist. Offensichtlich unzutreffend kann ein Ergebnis deshalb dann sein, wenn es auf einem schweren Überlegungs- oder Systemfehler beruht oder wenn das Ergebnis eindeutig von dem abweicht, was mit der Verständigungsvereinbarung von allen Beteiligten gewollt war (vgl. Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 9. Juni 1999 2 K 292/97, in Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 932).

Bei Anwendung dieser Grundsätze führt die tatsächliche Verständigung nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. Die der tatsächlichen Verständigung zu Grunde gelegten Rohgewinnaufschlagsätze erweisen sich gerade nicht als offensichtlich unzutreffend. Zum einen hat der Betriebsprüfer im Bericht detailliert dargelegt, wie er die Rohgewinnaufschlagsätze ermittelt hat. Nach dem eigenen Vorbringen der Bevollmächtigten der AS sind die Darstellungen im Bericht rechnerisch richtig und von der Logik her nicht zu bezweifeln. Dem ist nichts hinzuzufügen. Schwere Überlegungs- oder Systemfehler beim Zustandekommen der tatsächlichen Verständigung sind daher auszuschließen.

Dass der zu Grunde gelegte Rohgewinnaufschlagsatz nicht realitätsfremd ist, zeigt sich für den Senat auch an den vom AG in der Antragserwiderung dargelegten Beispielsfällen, wo Aufschlagssätze von 181%, von 197% und von 206% ermittelt wurden. Sicherlich mag es auch Verkäufe geben, die unter den geschätzten Aufschlagssätzen von 137% - 148% liegen. Die geschätzten Aufschläge stellen aber einen durchaus plausiblen Mittelwert dar, der gerade nach den individuellen Verhältnissen bei der Firma der AS im Wege einer Schätzung und einer tatsächlichen Verständigung ermittelt wurde. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine nach einer Betriebsprüfung getroffene Verständigungsvereinbarung nicht dadurch als unwirksam beseitigt werden kann, dass der Steuerpflichtige oder sein Steuerberater nachträglich in detaillierter Kleinarbeit die (teilweise) Unrichtigkeit der Hinzuschätzungen nachzuweisen versucht. Dass in der Textil - oder Lederwarenbranche nach den Werten der Richtsatzsammlung niedrigere Aufschlagssätze ermittelt wurden, ändert nichts an dieser rechtlichen Beurteilung. Zum einen ist schon zweifelhaft, inwieweit hier eine Vergleichbarkeit gegeben ist, zum anderen haben die Beispielsrechnungen der Antragserwiderung mehr als deutlich gezeigt, dass die AS zumindest zum Teil mit ganz anderen Aufschlagssätzen gehandelt hat. Der AG weist auch zu Recht darauf hin, dass bei der Schätzung zudem Gewinne aus dem Verkauf gebrauchter, die zweifelsfrei erfolgt sind, ertragsmäßig aber nicht von der AS erfasst wurden - zu Gunsten der AS sogar noch unberücksichtigt geblieben sind.

Gründe, die eine Aussetzung der Vollziehung wegen einer unbilligen Härte rechtfertigen könnten, sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und werden von der AS auch nicht geltend gemacht.

Nach alledem ist der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Beschwerde auf der Grundlage der §§ 128 Abs. 3 in Verbindung mit 115 Abs. 2 FGO sind für den Senat nicht erkennbar.

Sämtliche dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakten wurden dem Prozessbevollmächtigten zur Akteneinsicht übersandt. Ein weitergehender Antrag auf Akteneinsicht läuft daher ins Leere. Die Beiziehung weiterer Akten, insbesondere die Beiziehung des Fallheftes des Betriebsprüfers, hält der Senat im vorliegenden summarischen Verfahren nicht für erforderlich.

Ende der Entscheidung

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