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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 14.03.2005
Aktenzeichen: 10 K 2686/01
Rechtsgebiete: EStG, LStDV


Vorschriften:

EStG § 19 Abs. 1
LStDV § 1 Abs. 1
LStDV § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuerhaftungsbescheides.

Die Klägerin ist die Studentenschaft der Universität X, früher Gesamthochschule X (GH). Die Klägerin ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 62 Abs. 2 Hessisches Hochschulgesetz -HHG- vom 6. Juni 1978 in der Fassung vom 28. März 1995, GVBl I 1995, 294 ff.; § 98 Abs. 1 Satz 2 HHG vom 03.11.1998, GVBl I 1998, 431 ff.; nunmehr § 95 Abs. 1 Satz 2 HHG vom 03.11.1998 in der Fassung vom 31.07.2000, GVBl I 2000, 374 ff., im Folgenden HHG n. F.). Grundlage für die Arbeit der Studentenschaft und ihrer Organe war in den Streitjahren 1997 bis 2000 darüber hinaus die mit Erlass des Hessischen Kultusministers vom 18.03.1993 genehmigte Satzung der Studentenschaft der Gesamthochschule X(im Folgenden: Satzung; Staatsanzeiger für das Land Hessen - StAnz. - vom 19.04.1993, Seite 950 ff.), die erst durch die am 24.03.2003 genehmigte Satzung der Studentenschaft der Universität X aufgehoben wurde (§ 34 der Satzung, StAnz. vom 07.04.2003, Seite 1417 ff.).

Bereits 1999 hatte sich die Klägerin mit einer Anrufungsauskunft wegen der steuerlichen Behandlung der monatlichen Aufwandsentschädigungen für den Vorsitzenden und die Referenten des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) der GH an den Beklagten gewandt. Die Klägerin hatte die Auffassung vertreten, dass es sich insoweit um nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfreie Aufwandsentschädigungen handele und ein Lohnsteuerabzug nicht vorzunehmen sei. Mit Schreiben vom 16.12.1999 teilte der Beklagte mit, dass AStA-Mitglieder als Arbeitnehmer der Arbeitgeberin Studentenschaft anzusehen seien und die Aufwandsentschädigungen als Arbeitslohn zu behandeln seien; Steuerfreiheit bestehe nur in den nach Abschnitt 13 der Lohnsteuer-Richtlinien geregelten Fällen.

Im Januar 2001 fand bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 01.01.1997 bis 30.09.2000 statt. Dabei griff der Prüfer nochmals die Frage der Aufwandsentschädigungen für AStA-Mitglieder auf. Er sah darin weiterhin steuerpflichtigen Arbeitslohn, berücksichtigte aber bei der Ermittlung der an die jeweiligen AStA-Mitglieder gezahlten Entschädigungen jeweils 300 DM monatlich als nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfreie Zahlung. Hinsichtlich der Differenzbeträge erfolgte die Ermittlung der Lohnsteuer nach den persönlichen Merkmalen der einzelnen AStA-Mitglieder unter Anwendung der Lohnsteuerklasse VI. In den Jahren 1997 und 1998 bereits gezahlte Lohnsteuer wurde angerechnet.

Weiterhin stellte er unversteuerte Aushilfslöhne fest, die im Rahmen der Außenprüfung gemäß § 40 a EStG pauschal nachversteuert wurden, wie auch die bereits der Lohnversteuerung unterworfenen Aushilfslöhne.

In der Schlussbesprechung wurde lediglich hinsichtlich der Nachversteuerung der Arbeitslöhne Einvernehmen erzielt. Im Klageverfahren haben die Beteiligten schließlich unstreitig gestellt, dass die Klägerin sich anlässlich der Schlussbesprechung auch mit einer Haftungsinanspruchnahme hinsichtlich der Aufwandsentschädigungen für die AStA-Referenten einverstanden erklärt hat, um so eine abschließende Klärung der Rechtsproblematik "Arbeitnehmereigenschaft der AStA-Mitglieder" herbeizuführen.

Der Beklagte folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ am 06.03.2001 unter Hinweis auf den Lohnsteueraußenprüfungsbericht vom 05.03.2001 einen kombinierten Lohnsteuerhaftungs- und -nachforderungsbescheid wegen Haftung für Lohnsteuer auf die Aufwandsentschädigungen und Nachforderung der pauschalen Lohnsteuer auf die Aushilfslöhne. Ihren Einspruch gegen diesen kombinierten Bescheid begründete die Klägerin hinsichtlich der Haftungsbeträge mit der fehlenden Arbeitnehmereigenschaft der AStA-Mitglieder. Den Einspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung des Lohnsteuerhaftungsbescheides. Die Klage gegen den Nachforderungsbescheid hat sie mit Schriftsatz vom 13.03.2005 zurückgenommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei nicht Arbeitgeberin der AStA-Mitglieder. Diese seien keine Arbeitnehmer, sie seien nicht in den geschäftlichen Organismus der Klägerin eingebunden und nicht weisungsgebunden. Die Aufgaben des AStA beruhten auf gesetzlicher Grundlage. Laufende Geschäfte nehme der AStA als Organ der Klägerin in eigener Zuständigkeit wahr. Die AStA-Mitglieder seien auch nicht mit GmbH-Geschäftsführern vergleichbar. Die Studentenschaft habe gegen die AStA-Mitglieder keinen Anspruch auf Arbeitsleistung gehabt noch sei sie Schuldnerin von Arbeitslohn gewesen. Sie habe keine Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 21.03.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.05.2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung des Beklagten stellen die gezahlten Aufwandsentschädigungen Arbeitslohn dar, zumal der Zeitaufwand laut Satzung pauschal vergütet werde. Die AStA-Mitglieder seien Arbeitnehmer der Klägerin, da sie in den geschäftlichen Organismus der Studentenschaft eingebunden und weisungsgebunden seien. Das belege auch die Satzung der Studentenschaft. Die AStA-Mitglieder seien hauptamtlich tätig; demgegenüber seien die sogenannten Sachbearbeiter ehrenamtlich tätig. Insoweit seien die AStA-Mitglieder durchaus mit dem hauptamtlich tätigen Wahlbeamten einer Gebietskörperschaft (Bürgermeister) vergleichbar. Ein zusätzlicher privatrechtlicher Vertrag oder ein besonderer öffentlicher Akt, der weitergehende Rechte und Pflichten verleihe, sei nicht notwendig.

Dem Gericht lagen ein Band Lohnsteuer-Arbeitgeberakten sowie 3 Blatt Anrufungsauskunft (S. V 1, 15, 16) und 12 Blatt Fallheft (F 1 - 12) (den Lohnsteuer-Arbeitgeberakten vorgeheftet) vor, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht die Arbeitnehmereigenschaft der AStA-Mitglieder bejaht und die Klägerin als Arbeitgeberin behandelt. Die gemäß Ziffer 31.1. der Satzung gezahlten (pauschalen) Aufwandsentschädigungen sind als Arbeitslohn zu versteuern. Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Klägerin als Haftende gemäß §§ 42 d Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG), 191 Abs. 1 Abgabenordnung 1977 (AO) sind gegeben.

Nach § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Lohnsteuer ist von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG einzubehalten, § 38 EStG. § 19 EStG bestimmt, dass zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alle Bezüge und Vorteile zählen, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst, also im Rahmen eines Dienstverhältnisses, gewährt werden, §§ 19 Abs. 1 EStG, 1 Abs. 1 Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV). Arbeitnehmer sind danach Personen, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses tätig sind oder waren. Ein Dienstverhältnis liegt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 LStDV vor, wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Das ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist, § 1 Abs. 2 Satz 2 LStDV, und kein Unternehmerrisiko trägt, § 1 Abs. 3 LStDV. Wesentliche Kriterien für ein steuerrechtliches Dienstverhältnis sind danach das Schulden der Arbeitskraft, die persönliche Weisungsgebundenheit, die organisatorische Eingliederung und das fehlende Unternehmerrisiko (vgl. dazu etwa Drenseck, in Schmidt, EStG, 24. Auflage 2005, § 19 Rz. 4 ff.; Huber, im Küttner, Personalbuch, 12. Auflage 2005, <Arbeitnehmer> Rz. 30 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist der Arbeitnehmer-Begriff ein offener Typus-Begriff, der durch eine größere und nicht festgeschriebene Anzahl von Merkmalen umschrieben wird, die im Einzelfall unter Beachtung der Vorschrift des § 1 LStDV zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BFH, Urteil vom 14.06.1985 VI R 150-152/82, BStBl II 1985, 621 ff.; zuletzt etwa Beschluss vom 09.11.2004 VI B 150/03, BFH/NV 2005, 347; Drenseck, in Schmidt, a.a.O., § 19 Rz. 8).

Zur Frage, ob die Mitglieder des AStA, eines Organs der verfassten Studentenschaft, nach den genannten Kriterien steuerlich als Arbeitnehmer einzuordnen sind, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Hochschulrechtlicher Anknüpfungspunkt sind für Hessen die §§ 95 ff. HHG n. F. (sowie die entsprechenden Vorschriften der Vorläufergesetze). Das Land Hessen hat von der zunächst bestehenden Kann-Regelung des § 41 Hochschulrahmengesetz -HRG- (bis zur Neufassung des § 41 HRG mit der verpflichtenden Einführung der "Studierendenschaft" durch das 6. HRGÄndG vom 08.08.2002, BGBl. I 2002, 3138) Gebrauch gemacht und wie die Mehrzahl der Bundesländer an den Landeshochschulen die verfasste Studentenschaft als Gliedkörperschaft der Hochschule vorgesehen. Die Studentenschaft ist eine Zwangskörperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. dazu VGH Kassel, Beschluss vom 19.07.2004 8 TG 107/04, NVwZ-RR 2005, 114, 115, BVerfG, Beschluss vom 21.01.1999 1 BvR 2077/98, NVwZ 1999, 867) mit eigener Rechtsfähigkeit, § 95 Abs. 1 HHG n. F. Organ der Studentenschaft ist (u. a.) als oberstes Rechtssetzungs- und Beschlussfassungsorgan das Studentenparlament (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 und 6; § 95 Abs. 2 HHG n. F.), das aus einer bestimmten Anzahl von der gesamten Studentenschaft gewählter Studentenvertreter besteht, die weisungsunabhängig sind. Das Studentenparlament befasst sich mit allen den Studentenschaften übertragenen Aufgaben, insbesondere auch der Wahl und der Kontrolle des Exekutivorgans AStA. Die laufenden Geschäfte und die Vertretung der Studentenschaft im Außenverhältnis obliegt dem AStA als Exekutivorgan (§ 97 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 HHG n. F.). Der AStA setzt sich aus einer satzungsgemäß festgelegten Anzahl von Mitgliedern, den Referenten, zusammen (eingehender zur verfassten Studentenschaft und zum AStA als Organ der verfassten Studentenschaft: Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Auflage 2004, Rz. 960; Krüger, in Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. Auflage 1996, 571, 578 ff.; Bartsch, Die deutschen Studentenschaften, 1969, 65 ff. zum AStA).

Steuerrechtlich werden AStA-Mitglieder nach einer Auffassung im Anschluss an die Entscheidungen des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts, Urteil vom 17.02.1972 I 144/70, EFG 1072, 343, und des FG Münster, Urteil vom 14.03.1997 11 K 2374/95 L,EFG 1997, 746 (bestätigt durch BFH, Beschluss vom 26.01.1998 VI R 47/97, JURIS) nicht als Arbeitnehmer angesehen (so etwa Altehoefer, in Lademann/Söffing, EStG, § 19 Rz. 45 <AStA>, Thürmer, in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 19 EStG Rz. 120 <AStA>; Fumi/Urban, in krit EStR, LStR, KStR, LStK 67 Anm. 10 <AStA>; Eisgruber, in Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, § 19 Rz. 100 <AStA>). Nach der gegenteiligen Auffassung sind die AStA-Referenten auf Grund der wahrgenommenen Exekutivaufgaben funktionell eingegliedert und damit als Arbeitnehmer anzusehen (so etwa die Finanzverwaltung in einem koordinierten Ländererlass, FinMin NRW, FR 1977, 173; Stache, in Horowski/Altehoefer, Lohnsteuer-Recht, § 19 Rz. 193, derselbe, in Bordewin/Brandt, EStG, § 19 Rz. 217; Giloy, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 19 Rz. B 600 <AStA>; derselbe, in Dankmeyer/Giloy, Einkommensteuer, § 19 Rz. 77; Pflüger, in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, KStG, § 19 EStG Rz. 600 <AStA>; Barein, in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 19 Rz. 136 <AStA>; Wagner, in Heuermann/Wagner, Lohnsteuer, Teil C, Rz. 1<AStA>; differenzierend Hartz/ Meeßen/Wolff, ABC-Führer Lohnsteuer, <Arbeitnehmer> Rz. 24, <AStA>, soweit die AStA-Mitglieder ihre Organbefugnisse von anderen Organen ableiten und nicht aus eigenem Recht ein Mandat ausüben). Unstreitig dürfte zumindest sein, dass AStA-Mitglieder nicht Arbeitnehmer des AStA, seines ersten Vorsitzenden oder des Studentenparlaments sind (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, EFG 1972, 343 f., FG Münster, EFG 1997, 746 f., wobei in beiden Fällen nach dem mitgeteilten Sachverhalt der AStA in Anspruch genommen worden war und dagegen klagte). Nicht abschließend geklärt ist, ob die Studentenschaft selbst Arbeitgeberin der AStA-Mitglieder ist (dahingestellt bei BFH, Beschluss vom 26.01.1998 VI R 47/97, JURIS; dagegen Schleswig-Holsteinisches FG, EFG 1972, 343, 344 f. unter Hinweis auf ein eigenes Mandat der AStA-Mitglieder).

Nach Auffassung des Senats sind im anhängigen Verfahren die AStA-Miglieder unter Berücksichtigung der in den Streitjahren anzuwendenden Normen des HHG und der Satzung der Studentenschaft steuerlich Arbeitnehmer der klagenden Studentenschaft:

Mit der Annahme der Wahl durch das Studentenparlament begründen sie ein Dienstverhältnis zur Studentenschaft i. S. des § 1 Abs. 2 LStDV. Sie setzen ihre Arbeitskraft ein, um als Organmitglieder die Aufgaben des AStA zu erfüllen. Unerheblich ist dabei, dass die Arbeitnehmerstellung nicht durch einen privatrechtlichen Vertrag oder einen weiteren öffentlich-rechtlichen Akt begründet wird (vgl. auch BFH, Urteil vom 23.10.1992 VI R 59/91, BStBl II 1993, 303, 305). Die Beziehungen zwischen AStA-Referenten und Studentenschaft sind durch das HHG und die Satzung der Studentenschaft dabei so ausgestaltet, dass (vor allem) die von § 1 Abs. 2 Satz 2 LStDV genannten wesentlichen Kriterien für ein Dienstverhältnis "Weisungsgebundenheit" und "Eingliederung in einen geschäftlichen Organismus" gegeben sind.

Die AStA-Mitglieder als Teil des Organs AStA sind in allen grundlegenden, wichtigen Punkten weisungsgebunden. Aus den genannten Vorschriften des HHG ergibt sich, dass der AStA als Organ die Studentenschaft nach außen vertritt und seine Mitglieder von dem Studentenparlament gewählt werden. Dementsprechend behandelt auch die Satzung der Studentenschaft den AStA eindeutig als Exekutivorgan, das die Beschlüsse des Studentenparlaments ausführt und diesem verantwortlich ist (Ziffer 18.1 der Satzung). Im maßgeblichen Innenverhältnis führt der AStA lediglich die laufenden Geschäfte in eigener Verantwortung aus, wobei er in seiner Wirtschaftsführung aber an die Beschlüsse des Studentenparlaments und den Haushaltsplan der Studentenschaft gebunden ist (Ziffer 18.2 der Satzung). Grundsätzlich ist der AStA an jegliche Beschlüsse des Studentenparlaments als oberstem, durch Wahl unmittelbar legitimiertem Organ der Studentenschaft mit Allzuständigkeit (vgl. Ziffer 6.1 der Satzung) gebunden und unterliegt umfassender Kontrolle (vgl. in der Satzung neben Ziffer 18.1 und 2 auch Ziffer 29.2.1 - Bericht über die Durchführung des Haushaltsplans; Ziffer 30.2 - Überwachung der Wirtschaftsführung mit Entlastung des AStA; Ziffer 6.4 - Rechenschaftspflicht gegenüber Studentenparlament nach entsprechender Aufforderung). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den AStA durch konstruktives Misstrauensvotum abzuwählen (Ziffer 21.3.3 der Satzung). Trotz der Organeigenschaft ist der AStA - und damit auch das einzelne AStA-Mitglied - verpflichtet, etwaigen Weisungen des Studentenparlaments bei der Art und Weise der Ausübung seiner Tätigkeit Folge zu leisten. Das genügt gerade auch bei Organmitgliedern, um die Weisungsgebundenheit im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu bejahen (vgl. Thürmer, in Blümich, a.a.O.; § 19 EStG Rz. 67; Stache, in Horowski/Altehoefer, a.a.O., § 19 Rz. 93a; Hartz/ Meeßen/Wolff, a.a.O., <Arbeitnehmer> Rz. 19).

Diese Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Studentenschaft und Studentenparlament einerseits und AStA und seinen Mitgliedern andererseits steht im Ergebnis der Annahme eines eigenständigen, die Arbeitnehmereigenschaft ausschließenden Mandats für den AStA entgegen.

Weiterhin ist auf Grund der genannten Vorschriften des HHG und der Satzung zugleich das Merkmal der Eingliederung in einen geschäftlichen Organismus zu bejahen: Die AStA-Mitglieder haben als Organteile bestimmte Aufgaben in dem Organismus "Studentenschaft" in Abstimmung mit den anderen Organen zu erfüllen. AStA-Mitglieder handeln mithin nicht in ihrem eigenen Interesse, sondern im Interesse des Organismus "Studentenschaft". Sie sind funktionell eingegliedert (vgl. Stache, in Horowski/Altehoefer,a.a.O., § 19 Rz. 62a).

In Konsequenz davon entwickeln die AStA-Mitglieder auch keine Unternehmerinitiative; sie tragen keinerlei Unternehmerrisiko und sind nicht selbständig i. S. des § 1 Abs. 3 LStDV tätig.

Für die Annahme eines Dienstverhältnisses spricht weiterhin der Umfang der gezahlten Aufwandsentschädigungen. Die monatlichen Höchstbeträge, die in den Jahren 1997/98 zum Teil und in den Jahren 1999/2000 in der Regel durchgängig gezahlt wurden, stiegen von 915 DM (1997) über 920 DM (1997/98) und 935 DM (1999/2000) auf 950 DM (2000) (vgl. S. F4-F6 Fallheft). Diese Beträge liegen im Bereich der für die jeweiligen Jahre maßgeblichen BAföG-Bedarfssätze für auswärtig untergebrachte Studenten nach §§ 13, 13a Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG- in der Fassung der Bekanntmachung vom 06.06.1983, BGBl I 1983, 645, i.V.m. den maßgeblichen Änderungsgesetzen zu § 13a BAföG, BGBl I 1994, 1014, 1061, und zu § 13 BAföG, BGBl I 1995, 976: Bedarf 920 DM; BGBl I 1998, 1609: Bedarf 935 DM sowie BGBl I 1999, 850: Bedarf 955 DM). Die Höhe der Aufwandsentschädigungen mit der Orientierung an den BAföG-Bedarfssätzen und der bereits in der Satzung festgeschriebene zeitliche Mindestaufwand durch Sitzungen (Ziffer 20 der Satzung) belegen zudem, dass die AStA-Referenten hauptamtlich und nicht etwa "nur" ehrenamtlich tätig waren und nicht lediglich tatsächlich entstandener Aufwand abgedeckt wurde.

Für eine Arbeitnehmereigenschaft der AStA-Mitglieder spricht auch der Vergleich mit anderen Personen, die als Mitglieder eines Organs vergleichbare Funktionen haben. Die modernen verfassten Studentenschaften orientieren sich in Aufbau und Organisation an dem Bund und den Bundesländern. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Aufgabenbereiche lässt sich der AStA als Exekutivorgan der Studentenschaft durchaus mit der Bundesregierung oder einer Landesregierung vergleichen. Für Bundeskanzler, Ministerpräsidenten und (Bundes- und Landes-)Minister ist unbestritten, dass sie aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, steuerrechtlich also als Arbeitnehmer angesehen werden (Hartz/Meeßen/Wolff, a.a.O., <Minister> Rz. 1; Drenseck, in Schmidt, EStG, 24. Auflage 2005, § 19 Rz. 15 und 50, jeweils zu <Minister>; Lohr, DStR 1997, 1230, 1232; Stöcker, NJW 2000, 609, 611).

Die übrigen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Klägerin mit Haftungsbescheid liegen ebenfalls vor.

Die Klägerin als Arbeitgeberin der AStA-Mitglieder war verpflichtet, den Arbeitslohn der Lohnsteuer zu unterwerfen. Dies ist in dem vom Lohnsteueraußenprüfer festgestellten, von der Klägerin nicht bestrittenen Umfang nicht geschehen. Die Aufwandsentschädigungen nach Ziffer 31.1. der Satzung stellen Arbeitslohn der einzelnen AStA-Mitglieder dar. Sie erhalten sie für die Ausübung ihrer Organtätigkeit, wobei der zeitliche Aufwand pauschal abgegolten wird. Die Klägerin hat diese Aufwandsentschädigungen nicht (in den Jahren 1999 und 2000) oder nur unzureichend (in den Jahren 1997 und 1998) lohnversteuert.

Eine Freistellung nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG greift nicht. Zum einen hat der Prüfer bereits 300 DM monatlich steuerfrei belassen. Zum anderen wird die Aufwandsentschädigung laut Satzung pauschal für den zeitlichen Aufwand mitgeleistet; dies ist schädlich, § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG.

Der Beklagte hat die Klägerin auch rechtsfehlerfrei mit Haftungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO in Anspruch genommen. Er hat sein (Entschließungs- und Auswahl-)Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt, zumal sich die Klägerin mit der Haftungsinanspruchnahme ausdrücklich einverstanden erklärt hat, um eine Klärung der Rechtsproblematik "Arbeitnehmereigenschaft von AStA-Mitgliedern" zu erreichen. Das hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich zu Protokoll erklärt. Hinsichtlich der Höhe der Haftungssumme bestehen nach Aktenlage ebenfalls keine Bedenken, zumal die Klägerin den Betrag in der mündlichen Verhandlung ebenfalls unstreitig gestellt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), die Entscheidung über die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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