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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 21.09.2004
Aktenzeichen: 10 K 3853/03
Rechtsgebiete: AO
Vorschriften:
AO § 270 Abs. 1 | |
AO § 273 Abs. 1 | |
AO § 276 Abs. 4 |
Tatbestand
Die als gesamtschuldnerische Eheleute zusammenveranlagten Kläger streiten mit dem beklagten Finanzamt darüber, nach welchem Aufteilungsmaßstab die auf dem Ergebnis einer Außenprüfung beruhenden Einkommensteuer-Nachforderungen für die Kalenderjahre 1998 und 1999 zum Zwecke einer Vollstreckungsbeschränkung nach §§ 268 ff. AO aufzuteilen sind.
Bei den Ursprungsveranlagungen ergaben 61.427 DM positive Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin zu 2. und 15.840 DM negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers zu 1. einen Gesamtbetrag der Einkünfte 1998 von 45.587 DM, 66.647 DM positive Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin zu 2. und 23.646 DM negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers zu 1. einen Gesamtbetrag der Einkünfte 1999 von 43.001 DM.
Mit den Änderungsveranlagungen erhöhten sich die Gesamtbeträge der Einkünfte 1998 und 1999 jeweils um 12.000 DM Verlustminderung des Klägers zu 1. auf 57.587 DM bzw. 55.001 DM. Auf den daraus resultierenden Steuernachforderungen beruhen die mit den Aufteilungsbescheiden zur Einkommensteuer 1998 und 1999 vom 15.07.2002 in Gestalt der Sammel-Einspruchsentscheidung vom 28.08.2003 / 10.09.2003 aufgeteilten Steuerrückstände.
Die vorliegende Klage richtet sich dagegen, dass der Beklagte diese Steuerrückstände nicht allein dem Kläger zu 1., sondern allein der Klägerin zu 2. zugeteilt hat. Der Beklagte habe zu Unrecht auf den allgemeinen Aufteilungsmaßstab des § 270 Satz 1 AO zurückgegriffen. Dieser Aufteilungsschlüssel stehe ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Sonderregelung des § 273 Abs. 1 AO. Da sich hier allein das - wenn auch negativ gebliebene - Einkommen des Klägers zu 1. erhöht habe, sei die Tilgungslast für die darauf beruhenden Steuernachforderungen nur diesem aufzuerlegen. Wie sich nämlich exemplarisch nachweisen lasse, wolle § 273 Abs. 1 AO unabhängig vom jeweiligen Leistungsfähigkeitsverhältnis den Verursacher der Mehrsteuer belasten. Wegen des Einzelvortrags der Klägerseite wird auf ihre Fax-Schriftsätze vom 24.02.2004 und vom 20.09.2004 vollinhaltlich Bezug genommen.
Die Klägerseite beantragt (sinngemäß),
die Aufteilungsbescheide zur Einkommensteuer 1998 und 1999 vom 15.07.2002 in Gestalt der Sammel-Einspruchsentscheidung vom 28.08.2003 / 10.09.2003 dahin zu ändern, dass die aus den einschlägigen Nachforderungen herrührende rückständige Steuer für beide Streitjahre in voller Höhe dem Kläger zu 1. zugeteilt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, dass der besondere Aufteilungsmaßstab des § 273 Abs. 1 AO hier deshalb ausfalle, weil sich bei der danach anzustellenden Vergleichsrechnung - wegen des immer noch negativ gebliebenen Einkommens des Klägers zu 1. und des gleich hoch gebliebenen Einkommens der Klägerin zu 2. - für keinen der beiden Ehepartner fiktive Steuermehrbeträge ergäben.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat die aus den jeweiligen Nachforderungen herrührende rückständige Steuer im Sinne des § 276 Abs. 4 AO zum Zwecke der Vollstreckungsbeschränkung zutreffend aufgeteilt.
Gemäß § 270 AO ist die rückständige Steuer nach dem Verhältnis der Beträge aufzuteilen, die sich bei getrennter Veranlagung nach Maßgabe des § 26 a EStG und der §§ 271 bis 276 AO ergeben würden; dabei sind die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen maßgebend, die der Steuerfestsetzung bei der Zusammenveranlagung zugrunde gelegt worden sind. Maßgeblich ist diejenige Steuerfestsetzung, die zu der rückständigen Steuer geführt hat (BFH-Urteil vom 30.11.1994 - XI R 19/94, BStBl II 1995, 487, 488).
Führt eine Korrektur der bisher festgesetzten Steuer nach deren vollständiger Tilgung (§ 273 Abs. 2 AO) zu einer Nachforderung, ist die daraus herrührende rückständige Steuer im Verhältnis der Mehrbeträge aufzuteilen, die sich bei einem Vergleich der berichtigten getrennten Veranlagungen mit den früheren getrennten Veranlagungen ergeben (§ 273 Abs. 1 AO). Diese Sonderregelung setzt voraus, dass sich bei einer solchen Vergleichsrechnung wenigstens für einen der beiden Ehepartner ein fiktiver Steuermehrbetrag durch ein bei getrennter Änderungsveranlagung von ihm erstmals oder höher zu versteuerndes Einkommen ergibt. Das ist hier aber unstreitig nicht der Fall. Betrachtet man den fraglichen Spezialvorbehalt, wenn er wie bei der vorliegenden Konstellation ins Leere geht, deshalb als gegenstandslos, so bleibt es bei dem allgemeinen Aufteilungsmaßstab des § 270 Satz 1 AO.
Dieses Auslegungsverständnis erscheint dem erkennenden Senat auch teleologisch gerechtfertigt:
Die durch die Aufteilungsvorschriften bezweckten Vollstreckungsbeschränkungen sollen grundsätzlich auch bei zusammenveranlagten Eheleuten das Prinzip einer gleichmäßigen, leistungsfähigkeitsgerechten Individualbesteuerung verwirklichen (BFH-Urteil vom 18.07.2000 - VII R 32, 33/99, BFH/NV 2001, 86, 89). Die zur Rechtfertigung der wegen ihrer Systemwidrigkeit ohnehin problematischen Sonderregelung des § 273 Abs. 1 AO angeführte Begründung, bei der Aufteilung einer Nachforderung nach dem allgemeinen Aufteilungsmaßstab des § 270 Satz 1 AO würde im Falle einer auf eine Erhöhung der Einkommensteile eines Ehegatten zurückgehenden Korrektur unbilligerweise auch der andere Ehegatte belastet (Hinweis auf die Kritik von Schwarz, AO, 11. Aufl., § 273 Rz. 2 f.), trifft mangels einer derartigen Unbilligkeit dann nicht zu, wenn wie hier sowohl bei getrennter Ursprungsveranlagung als auch bei getrennter Änderungsveranlagung nur der andere Ehegatte ein - dazu notwendig positives - Einkommen zu versteuern hätte. Gemäß § 273 Abs. 2 AO wäre die Nachforderung auch sonst schon bei einem ganz geringfügigen Altrückstand mit diesem zusammengerechnet nach dem allgemeinen Aufteilungsmaßstab des § 270 Satz 1 AO aufzuteilen gewesen.
Selbst das "Verursachungsprinzip" rechtfertigt hier nicht die Ausfüllung einer Regelungslücke des § 273 Abs. 1 AO in der Weise, dass dem Kläger zu 1. die Tilgungslast für rückständige Steuer auferlegt werden könnte, von der er bei getrennter Änderungsveranlagung nicht einmal einen Teilbetrag schulden würde.
Auch die einhellig vertretene Ansicht, dass dann, wenn sich infolge Gewährung verschiedener Freibeträge o.ä. nach dem allgemeinen Aufteilungsmaßstab des § 270 Satz 1 AO ein Verhältnis 0:0 ergibt, die Steuerschuld im Verhältnis 1 : 1 aufgeteilt werden müsse (Schwarz, a.a.O., § 270 Rz. 6 a.E. m.w.N.), ist auf die vorliegenden Nachforderungen nicht übertragbar.
Schließlich handelt es sich bei dem von den Klägern beantragten besonderen Aufteilungsmaßstab auch nicht um einen privatinitiativen Vorschlag beider Gesamtschuldner, den der Beklagte nur unter allen Voraussetzungen des § 274 AO hätte billigen müssen.
Die Kosten der aus diesen Gründen erfolglosen Klage haben gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kläger zu tragen. Die von ihm ebenfalls ausgesprochene Revisionszulassung erscheint dem erkennenden Senat zur Ermöglichung einer höchstfinanzgerichtlichen Klärung der vorliegenden Streitfrage nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO angebracht.
Ende der Entscheidung
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