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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: 12 K 594/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 23 Abs. 1
EStG § 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Der Kläger begehrt die Berücksichtigung eines Verlustes in Höhe von 4.700,-- DM aus dem Verkauf seines Pkw Marke BMW 328i Cabrio im Jahr 2001. Der Rechtsstreit hat folgenden Hintergrund: In der Anlage SO für das Streitjahr erklärte der Kläger einen Verlust i.H.v. insgesamt 11.265 DM aus weiteren Veräußerungsgeschäften von anderen Wirtschaftsgütern. Darin enthalten war ein Verlust i.H.v. 4.700 DM aus dem Verkauf seines BMW 328i Cabrio. Den Wagen hatte der Kläger am 19.1.2001 für 58.500 DM angeschafft und am 2.10.2001 für 53.800 DM veräußert. Der Beklagte berücksichtigte diesen Verlust nicht. Im Einkommensteuerbescheid 2001 vom 9.10.2002 setzte der Beklagte die sonstigen Einkünfte mit 0 DM an. Im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs/-vortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2001 vom 9.10.2002 stellte der Beklagte einen Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 10.028 DM fest; der verbleibende Verlustabzug nach § 10d Abs. 3 EStG betrug 0 DM.

Am 15.10.2002 legte der Kläger Einspruch sowohl gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 als auch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags vom 9.10.2002 ein. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Mit der Klage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31.12.2001 vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, im Rahmen der steuerlichen Erfassung von Veräußerungsvorgängen bei §§ 22, 23 EStG komme es nicht auf die Einkünfteerzielungs - oder Spekulationsabsicht an. Die §§ 22, 23 EStG seien bereits bei Erfüllung des objektiven Tatbestandes einschlägig; nach dem Gesetzeswortlaut sei der Grund für die Veräußerung nicht maßgeblich.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.2.2003 mit der Maßgabe zu ändern, den verbleibenden Verlustvortrag aus den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 14.728 DM festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 EStG eine Einkünfteerzielungsabsicht voraussetze, die in Bezug auf das jeweilige einzelne Wirtschaftsgut zu prüfen sei. Diese sei vorliegend zu verneinen, da bei Gegenständen des täglichen Gebrauchs, zu denen auch der Wagen des Klägers zähle, in der Regel eine potentielle Wertsteigerung ausgeschlossen sei.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit dem Ergehen einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Dem Gericht haben bei der Entscheidung die den Streitfall betreffenden Verwaltungsakten vorgelegen.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet. Zu Recht hat der Beklagte es abgelehnt, den Verlust aus der Veräußerung des Pkws nach den §§ 22, 23 EStG zu berücksichtigen. Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG. Danach sind private Veräußerungsgeschäfte Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftgütern, insbesondere bei Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Die Frage, welche Wirtschaftsgüter unter diese Vorschrift fallen, wird nicht einheitlich beurteilt. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass § 23 EStG grundsätzlich auf alle abnutzbaren und nicht abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Privatvermögens innerhalb und außerhalb des Einkünftebereichs Anwendung finde (Lindberg in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 23 Anm. 25; Weber-Grellet in Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 25. Aufl. 2006, § 23 Rdnr. 12; Jacobs-Soyka in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 23 Anm. 40). Die Finanzverwaltung vertritt die Meinung, Gebrauchsgegenstände des alltäglichen Lebens, insbesondere Jahreswagen, seien von der Vorschrift nicht umfasst. Dies ergebe sich daraus, dass in derartigen Fällen die Absicht fehle, Überschüsse zu erzielen (OFD München, Verfügung vom 19.7.2002, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2002, 1529; OFD Hannover, Verfügung vom 12.3.2001, Der Betrieb - DB - 2001, 2271; gegen die Notwendigkeit einer Überschusserzielungsabsicht: Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 2.10.2003 5 K 429/02, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2004, 265; Walter/Stümper, Überschusserzielungsabsicht bei privaten Veräußerungsgeschäften: Spekulation mit Jahreswagen?, DB 2001, 2271; Jansen in Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zum Körperschaftsteuer- und Einkommensteuergesetz, § 23 EStG Anm. 146). Weiterhin wird die Auffassung vertreten, § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG könne bereits nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht auf alle Wirtschaftsgüter des privaten Gebrauchs Anwendung finden (Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, EFG 2004, 265; im Ergebnis zustimmend: Glenk in Blümich, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 23 Rdnr. 61; Carle in Korn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 23 Rz. 41.3).

Der Senat hält die letztgenannte Auslegung für zutreffend. Der Senat ist der Auffassung, dass sich bereits aus der Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG ergibt, dass unter den Begriff "andere Wirtschaftsgüter" nicht schlechthin alle Wirtschaftsgüter zu fassen sind. Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen, der Einkommensteuer zu unterwerfen (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 2.5.2000 IX R 74/96, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2000, 469 m.w.N.). Gerade die Hervorhebung der Wertpapiere ("insbesondere Wertpapiere") als Regelbeispiel für andere Wirtschaftsgüter verdeutlicht den Regelungszweck der Vorschrift, dessen Anwendungsbereich auf solche Wirtschaftsgüter zu beschränken, bei denen Wertsteigerungen während der einjährigen Behaltensfrist unabhängig von der Entwicklung des Marktes nicht von vornherein ausgeschlossen sind (Schleswig - Holsteinisches Finanzgericht, EFG 2004, 265; im Ergebnis zustimmend: Glenk in Blümich, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 23 Rdnr. 61; Carle in Korn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 23 Rz. 41.3). Dieser fiskalische Zweck würde verfehlt, wenn jedes Wirtschaftsgut des alltäglichen Gebrauchs in den Anwendungsbereich der Vorschrift einbezogen würde. Im geltenden Steuersystem findet sich kein Rechtfertigungsgrund, der es gebietet, die durch den privaten Gebrauch verursachte Wertminderung bei Gegenständen des täglichen Gebrauchs steuerlich wirksam werden zu lassen; denn es handelt sich dabei der Sache nach um Kosten der privaten Lebensführung (Schleswig - Holsteinisches Finanzgericht, EFG 2004, 265). Darüber hinaus stünden der Finanzverwaltung bei Nichterfüllung entsprechender Erklärungspflichten durch den Steuerpflichtigen keine effektiven Ermittlungs- und Kontrollmöglichkeiten zur Seite, um eventuell doch einmal entstehende Gewinne aus der Veräußerung von Gegenständen des alltäglichen Gebrauchs zu erfassen. Ein verfassungsrechtlich bedenkliches und strukturelles Vollzugsdefizit wäre die Folge (so überzeugend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, EFG 2004, 265; Valentin, Anmerkung zum Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts, EFG 2004, 267).

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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