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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 14.09.2005
Aktenzeichen: 13 K 1332/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 22
EStG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Kläger wurden für die Streitjahre 1995 bis 1999 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin bezog als Hausfrau und Mutter zweier minderjähriger Kinder keine eigenen Einkünfte.

Der Kläger hatte 1993 mittels Fremdfinanzierung sechs Eigentumswohnungen hergestellt und davon nach Fertigstellung drei Wohnungen veräußert. Den Veräußerungserlös hat er nicht zur Tilgung der von ihm aufgenommenen Darlehen verwendet, sondern u.a. zur Finanzierung von Rentenversicherungen gegen Einmalzahlung verwendet. Der Kläger stellte seiner Ehefrau einen Betrag in Höhe von 500.000,-- DM im ehelichen Innenverhältnis zur Verfügung, was von der Finanzverwaltung als Schenkung gewertet wurde. Die Kläger schlossen Rentenversicherungsverträge gegen Einmalbetrag über jeweils 500.000,-- DM ab. Die Schuldzinsen für das von dem Kläger ursprünglich zur Immobilienfinanzierung aufgenommene Darlehen wurden von den Klägern jeweils hälftig als vorweggenommene Werbungskosten im Rahmen der sonstigen Einkünfte im Sinne des § 22 EStG angesetzt.

Die geltend gemachten Werbungskosten der Klägerin betrugen in 1995 36.926,-- DM, in 1996 30.081,-- DM, in 1997 30.068,-- DM, in 1998 30.376,-- DM und in 1999 30.292,-- DM.

Bei dem Kläger, der freiberuflich als HNO Arzt tätig ist, fand eine steuerliche Außenprüfung für den Zeitraum 1996 bis 1998 statt. Im Rahmen der Außenprüfung vertrat der Außenprüfer die Auffassung, dass es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Werbungskosten um nicht abzugsfähigen Drittaufwand handelt. Die Werbungskosten der Ehefrau wurden in den auf Grund der Außenprüfung nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung geänderten Einkommensteuerbescheiden 1995 bis 1998, bzw. bei der erstmaligen Veranlagung für 1999 seitens der Beklagten, die sich die Feststellungen des Außenprüfung zu eigen machte, nicht mehr anerkannt.

Nach erfolglosem Vorverfahren verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Berücksichtigung der hälftigen Schuldzinsen als Werbungskosten bei der Klägerin im Klageverfahren weiter.

Die Kläger sind der Auffassung, dass eine schematische Übertragung der von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Jahr 1999 aufgestellten Grundsätze zur Berücksichtigung von so genanntem Drittaufwand ihrer besonderen familiären Situation nicht gerecht wird. Es könne nicht darauf ankommen, wer Schuldner der Darlehenszinsen ist und aus welchen Mitteln diese beglichen wurden. Bei einer Konstellation in der die Ehefrau nur deswegen keine eigenen Einkünfte erzielt, damit es dem anderen Ehegatten überhaupt möglich ist, seine freiberuflichen Einkünfte zu erzielen, führe eine zu formalistische Betrachtung dazu, dass völlig übersehen werde, dass die Ehegatten beide gleichermaßen zum Familieneinkommen beitragen und deswegen auch gleichermaßen wirtschaftlich die im Rahmen des Ehegatten- und des Familienverhältnisses anfallenden Kosten wirtschaftlich tragen, unabhängig davon, wer jeweils die obligatorischen Verträge wie Darlehensvertrag oder Rentenvertrag abschließt. Die Ausstrahlungswirkung des Schutzgedankens und des aktiven Förderauftrages des Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz dürfe nicht übersehen werden.

Den Klägern müsse Vertrauensschutz nach § 176 AO zugute kommen. Zum Zeitpunkt der Abgabe ihrer Einkommensteuererklärungen 1995 bis 1999 und auch noch zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagungen habe der Bundesfinanzhof selbst im Falle des Vorliegens "echten" Drittaufwands für zusammenveranlagte Ehegatten eine Ausnahme in Form der Abzugsfähigkeit gefordert (vgl. BFH vom 12.02.1988, VI R 141/85 BStBl II 1988, 764). Für die Kläger und auch für das Beratungsbüro sei zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahme schlicht nicht absehbar gewesen, dass Jahre später die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Drittaufwandproblematik sich ändern würde. Da es bei der zivilrechtlichen Gestaltung schlicht nicht möglich sei, zukünftige Rechtsprechungsänderungen zu prognostizieren und entsprechend bei der Vertragsgestaltung bereits zu antizipieren, könne dies auch im Falle einer Vorbehaltsfestsetzung und nachfolgender Betriebsprüfung nicht zu einer Änderung zu Lasten des Steuerpflichtigen führen.

Seitens der Beklagten werde auch die besondere zivilrechtliche Konstruktion der Rentenversicherung der Klägerin nicht berücksichtigt. Beide Rentenversicherungen, die im Wege der Einmalzahlung bedient wurden, seien so ausgestaltet (Einmalzahlung ohne Kapitalwahlrecht), dass sie unter die Regelung des § 1587 a Abs. 2 Nr. 5 a, Abs. 3 Nr. 1 BGB fielen. Anders als beim Zugewinnsanspruch formulierten §§ 1587 ff BGB nicht bloß einen schuld-rechtlichen Anspruch auf Ausgleich, sondern der Ausgleichsberechtigte werde dinglich an den Rentenanwartschaften des Ausgleichspflichtigen beteiligt. Um einen nicht durch Ausgleichsansprüche seiner Ehefrau reduzierten eigenen Rentenanspruch zu erhalten, hätte der Kläger seiner Ehefrau einen gleichwertigen Versorgungsanspruch zuwenden müssen. Nach der BFH Entscheidung vom 05.05.1993 (BFHE 172, 31) könne ein Ehemann Zinsen eines Darlehens als Werbungskosten geltend machen, welches er allein aufgenommen habe, um das Versorgungsausgleichsrecht der Ehefrau in Kapital abzufinden.

Die Kläger beantragen,

1. Der Einkommensteuerbescheid 1995 vom 31.03.2000 wird so geändert, dass die sonstigen Einkünfte (§ 22 EStG) der Klägerin auf minus 36.926,-- DM und die gesamten sonstigen Einkünfte (§ 22 EStG) der Kläger auf minus 73.852,-- DM festgesetzt werden.

2. Der Einkommensteuerbescheid 1996 vom 26.11.2001 wird so geändert, dass die sonstigen Einkünfte (§ 22 EStG) der Klägerin auf minus 30.081,-- DM und die gesamten sonstigen Einkünfte (§ 22 EStG) der Kläger auf minus 60.162,-- DM festgesetzt werden.

3. Der Einkommensteuerbescheid 1997 vom 26.11.2001 wird so geändert, dass die sonstigen Einkünfte (§ 22 EStG) der Klägerin auf minus30.068,-- DM und die gesamten sonstigen Einkünfte (§ 22 EStG) der Kläger auf minus 60.136,-- DM festgesetzt werden.

4. Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 26.11.2001 wird so geändert, dass die sonstigen Einkünfte (§ 22 EStG) der Klägerin auf minus30.376,-- DM und die gesamten sonstigen Einkünfte (§ 22 EStG) der Kläger auf minus 60.752,-- DM festgesetzt werden.

5. Der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 26.11.2001 wird so geändert, dass die sonstigen Einkünfte (§ 22 EStG) der Klägerin auf minus30.292,-- DM und die gesamten sonstigen Einkünfte (§ 22 EStG) der Kläger auf minus 60.584,-- DM festgesetzt werden.

hilfsweise,

die Revision zuzulassen

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt, das Verfahren bis zu einer Entscheidung in den Revisionsverfahren IX R 25/03 und VI R 56/02 auszusetzen.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die auf die Versicherung der Klägerin entfallenden Schuldzinsen sind nicht als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen, da sie diese nicht selbst getragen hat.

Der Beklagte hat die Schuldzinsen für die fremdfinanzierte Rentenversicherung der Klägerin zu Recht nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften des Klägers nach § 22 EStG anerkannt. Hier liegt nicht abziehbarer Drittaufwand des Klägers für Einkünfte vor, die er selbst nicht erzielt.

Der laut Finanzamt nicht zu berücksichtigende Teil der Schuldzinsen kann auch bei der Klägerin nicht als Werbungskosten angesetzt werden, weil diese infolge der Fremdfinanzierung allein durch den Kläger die entsprechende Ausgabe nicht geleistet hat. Aus dem Grundsatz der persönlichen Leistungsfähigkeit und dem daraus abgeleiteten Nettoprinzip folgt, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen im Sinne des § 9 EStG persönlich tragen muss (vgl. für den Bereich der Überschusseinkünfte BFH vom 23. August 1999, GrS 2/97, BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782 ; ebenso für den Bereich der Gewinneinkünfte Beschluss des BFH vom 23. August 1999 GrS 5/97, BFHE 189, 174, BStBl II 1999, 774; ferner BFH-Urteil vom 24. Februar 2000, IV R 75/98, BFHE 191, 301, BStBl II 2000, 314).

Die von dem Kläger erbrachten Zinsleistungen können der Klägerin auch nicht über die Grundsätze des abgekürzten Zahlungs- und des abgekürzten Vertragsweges zugerechnet werden.

Nach der vom Großen Senat ( in BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782 zu C. IV. 1. c, aa) gebilligten Rechtsprechung des 4. BFH-Senates (Urteil vom 26. Januar 1989 IV R 300/84, BFHE 155, 552, BStBl II 1989, 411 ) wird unter einem abgekürzten Zahlungsweg die Zuwendung eines Geldbetrages an den Steuerpflichtigen in der Weise verstanden, dass der Zuwendende im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen dessen Schuld tilgt, statt ihm den Geldbetrag unmittelbar zu überlassen. Der Kläger leistete indes die Zinsen nicht mit dem für § 267 Abs. 1 BGB nötigen Drittleistungswillen (vgl. Seibert, JZ 1981, 380, 383, BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 IV R 75/98 a.a.O.). Er zahlte vielmehr ausschließlich auf die eigene Schuld, da er allein die ursprünglich der Finanzierung von in seinem Alleineigentum stehenden Darlehen aufgenommen hatte und aus diesen Verträgen allein verpflichtet war.

Der vom Finanzamt nicht berücksichtigte Teil der Zinsen kann der Klägerin als Werbungskosten ebenfalls nicht über das Rechtsinstitut "Abkürzung des Vertragsweges" zugerechnet werden. Zwar hat der Große Senat die Beurteilung von Leistungen im sogenannten abgekürzten Vertragsweg ausdrücklich offengelassen (vgl. BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782 unter C.IV.1.c, bb). In dem vom abgekürzten Zahlungsweg zu unterscheidenden Fall schließt der Dritte im eigenen Namen für den Steuerpflichtigen einen Vertrag und leistet auch selbst die geschuldeten Zahlungen. Bei Bargeschäften des täglichen Lebens soll es zudem auf die Unterscheidung zwischen einem abgekürzten Zahlungs- und einem abgekürzten Vertragsweg nicht ankommen (BFH Urteil vom 24. Februar 2000 IV R 75/98 a.a.O. unter Hinweis auf Wassermeyer, DB 1999, 2486). Bei "Geschäften für den, den es angeht," ist dem Vertragspartner die Person des Leistenden ebenso gleichgültig wie beim abgekürzten Zahlungsweg. Es macht keinen Unterschied, ob der Dritte gegenüber dem Steuerpflichtigen auf eine Bargeldschenkung verzichtet und für Rechnung des Steuerpflichtigen an dessen Gläubiger leistet (BFH in BFHE 189, 160, 167, BStBl II 1999, 782) oder ob er seinem Vertragspartner vorenthält, dass er im Namen des Steuerpflichtigen, also in fremdem Namen handelt. In beiden Fällen handelt der Dritte nicht für eigene Rechnung, sondern für Rechnung des Steuerpflichtigen (BFH vom 24. Februar 2000 a.a. O.).

Im Streitfall liegt bereits kein Geschäft des täglichen Lebens vor, welches allein die Anwendung vorstehender Grundsätze rechtfertigen könnte.

Eine Ausweitung der Grundsätze des abgekürzten Vertragsweges auch auf Dauerschuldverhältnisse kommt nicht in Betracht. Eine solche Ausweitung würde die Grenze zum nicht abziehbaren Drittaufwand überschreiten und in weiten Bereichen Drittaufwand zu steuerlich abziehbarem eigenem Aufwand des Steuerpflichtigen machen (vgl. Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2000 11 K 4260/96 E, EFG 2001, 428).

Eine weitere Ausnahme von der Nichtberücksichtigung von Drittaufwand wird in den Fällen gemacht, in denen der Ehepartner für das von dem anderen bediente Darlehen die gesamtschuldnerische Haftung übernommen hat. Auch dies liegt im Streitfall nicht vor.

Die von den Klägern angesprochene Förderung der Familie nach Art. 6 GG gibt keinen Anlass von diesen Grundsätzen abzuweichen. Dies hat der BFH in einem in BFH/NV 2000, 1344 veröffentlichtem Beschluss vom 5. Juli 2000 (IX B 60/98) klargestellt. Art. 6 verbiete eine Diskriminierung der Eheleute gegenüber Unverheirateten, verlange aber keine Besserstellung der Ehegatten gegenüber Unverheirateten. Die Grundsätze zur steuerlichen Berücksichtigung von Drittaufwand gelten daher für beide Gruppen gleichermaßen. Unabhängig vom Familienstand besteht zudem die Möglichkeit die vertraglichen Verhältnisse so zu gestalten, dass die Möglichkeit des Werbungskostenabzugs auch bei Leistung durch nur einen Ehegatten erhalten bleibt.

Vor diesem Hintergrund kommt auch Vertrauensschutz nach § 176 AO nicht in Betracht. Eine Änderung der Rechtsprechung liegt nicht vor. Für den hier konkret zu entscheidenden Fall gab es keine entgegenstehende Rechtsprechung. Die von den Klägern zitierte Entscheidung des BFH vom 12.02.1988 (VI R 141/85 BStBl II 1988, 764) betraf einen Fall, in dem an dem Haus, für das Aufwendungen von einem Ehegatten getätigt wurden, Miteigentum beider Ehegatten bestand. Es bestand daher zum Zeitpunkt des Abschlusses der Rentenverträge sehr wohl Veranlassung zu prüfen, ob die ursprünglich für die Immobilienfinanzierung des Klägers eingegangen Darlehensverträge ohne weitere Änderung auch zur Finanzierung des Rentenvertrages der Klägerin dienen konnten ohne hieraus steuerliche Nachteile befürchten zu müssen.

Auch die Erwägungen zum Versorgungsausgleich können der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Hier werden hypothetische Überlegungen angestellt. Die Ehe der Kläger war im Streitjahr nicht geschieden und es stand offenbar auch keine Scheidung an. Anders als von den Klägern dargestellt, war bei der herangezogenen BFH Entscheidung vom 05.05.1993 (X R 128/90 BFHE 172, 31)die Ehe sehr wohl geschieden, da es dort um die Abwehr von Ausgleichsansprüchen der ersten Ehefrau ging.

Die beantragte Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs in den Revisionsverfahren VI R 56/02 und IX 25/03 kam nicht in Betracht, da die Sachverhalte mit dem Streitfall nicht vergleichbar sind. Ein abgekürzter Vertragsweg kam schon wegen der Rechtsnatur des Darlehensvertrages nicht in Betracht, ebenso wenig bestand eine gesamtschuldnerische Haftung der Klägerin.

Die Revision war aus den Gründen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 zuzulassen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger, da die Klage erfolglos geblieben ist (§ 135 Finanzgerichtsordnung).

Ende der Entscheidung

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