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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 18.01.2007
Aktenzeichen: 13 K 68/06
Rechtsgebiete: AO
Vorschriften:
AO § 370 |
HESSISCHES FINANZGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 13 K 68/06
In dem Rechtsstreit
Wegen Einkommensteuer 1993 bis 1997
hat der 13. Senat des Hessischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 18. Januar 2007 unter Mitwirkung
des Richters am Hessischen Finanzgericht ... als Vorsitzender des Richters am Hessischen Finanzgericht des Richters am Hessischen Finanzgericht des ehrenamtlichen Richters der ehrenamtlichen Richterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Der Kläger war Mitglied einer Erbengemeinschaft nach X (seiner Tante). Erreichte am 22.04.2005 für seine am 08.08.2003 verstorbene Tante Einkommensteuererklärungen für 1993 bis 1997 beim beklagten Finanzamt ein.
Mit Bescheid vom 10.06.2005 lehnte das Finanzamt die Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen ab, da die Festsetzungsfrist für die Veranlagungen abgelaufen sei. Die steuerlichen Voraussetzungen zur Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehung seien nicht gegeben. Ein objektiver Tatbestand der Steuerhinterziehung liege nicht vor, da sich durch die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen keine Steuerverkürzungen ergäben. Ob ein subjektiver Tatbestand der Steuerhinterziehung vorliege, könne im vorliegenden Fall außer Betracht bleiben, da keine Steuerfestsetzung erfolgt sei.
Hiergegen legte der Kläger als damaliger Bevollmächtigter der Erbengemeinschaft Einspruch ein. Er vertrat die Auffassung, dass der Tatbestand einer objektiven und subjektiven Steuerhinterziehung gegeben sei. Die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO fände daher Anwendung. Zwar habe sich seine Tante wohl keine Gedanken darüber gemacht, ob und in welcher Höhe die Zinsabschlagssteuer und der Solidaritätszuschlag als Anrechnungsbeträge die jeweilige Steuerschuld überstiegen und deswegen die Abgabe von Einkommensteuererklärungen entbehrlich sei. Es dürfte aber bedingter Vorsatz einer Steuerhinterziehung vorliegen; es sei von der Erblasserin in Kauf genommen worden, dass Steuern verkürzt würden.
Im Verlauf des weiteren Einspruchsverfahrens wies das Finanzamt darauf hin, dass bisher keine Vollmacht von der Erbengemeinschaft für den Kläger vorgelegt worden sei. Der Bevollmächtigte vertrat demgegenüber die Rechtsansicht, dass eine Vorlage einer Vollmacht nicht erforderlich sei. Die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft hätten auf eine Erstattung gemäß § 37 Abs. 2 AO verzichtet. Deren Ansprüche seien daher erloschen. Die übrigen Miterben seien daher nicht mehr Träger steuerlicher Rechte und Pflichten. Dies sei allein er, Y. Dem Schriftsatz beigefügt waren Erklärungen mit der übrigen Miterben A, B, C und D, dass sie auf ihren anteiligen Erstattungsanspruch aus den Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 1993 bis 1997 verzichteten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 03.01.2006 hat das Finanzamt die Einsprüche als unzulässig mit der Begründung verworfen, dass trotz Aufforderung durch das Finanzamt keine Vollmacht vorgelegt worden sei.
Hiergegen hat die "Erbengemeinschaft nach X" vertreten durch den Miterben Y, Klage zum Hessischen Finanzgericht erhoben.
Der Kläger hat sodann in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass er in eigenem Namen nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft Klage erheben wollte. Die Formulierung im Klageschriftsatz sei daher missverständlich.
In der Sache vertritt er - wie bereits im außergerichtlichen Verfahren - die Auffassung, dass eine Steuerhinterziehung seiner verstorbenen Tante vorgelegen habe. Abzustellen sei auf die unterbliebene Festsetzung der Steuer. Dass sich bei Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen Steuererstattungen ergeben, sei für eine Steuerhinterziehung unbeachtlich
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, Veranlagungen der Einkommensteuer 1993 bis 1997 vorzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Finanzamt hält die Klage zum einen wegen fehlender Vollmachtvorlage der Miterben für unzulässig. Zum anderen vertritt es die Rechtsauffassung, dass eine Veranlagung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht möglich sei. Eine verlängerte Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung scheide aus, da die Steueranrechnungsbeträge den Einkommensteuermehrbetrag aus den entsprechenden Kapitalerträgen überstiegen. Es fehle an dem objektiven, zumindest jedoch an dem subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung, da kein Taterfolg durch eine zu niedrig festgesetzt Einkommensteuer eingetreten sei, beziehungsweise der Nachweis des subjektiven Tatbestandes nicht möglich sei.
Wegen Einzelheiten des jeweiligen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage kann keinen Erfolg haben. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist zulässig.
Das Vorbringen des Bevollmächtigten zur Person des Klägers/der Kläger ist zwar widersprüchlich gewesen. Im Klageschriftsatz wird Klage erhoben für die "Erbengemeinschaft nach X". Im Schriftsatz vom 31.01.2006 wird ausgeführt, dass die Erbengemeinschaft nach Verteilung des Nachlassvermögens (26.08.2004) nicht mehr bestehe. Gleichwohl wird im Rubrum dieses Schriftsatzes der Kläger Y als Mitglied der Erbengemeinschaft bezeichnet. Ob die Erbengemeinschaft auseinander gesetzt wurde, war unklar und ist erst in der mündlichen Verhandlung im Sinne einer Auseinandersetzung geklärt worden.
Im Sinne einer sachgerechten Auslegung des klägerischen Begehrens ist davon auszugehen, dass er in eigenem Namen klagt.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 1 S.1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Abgabenordnung -AO- hat das Finanzamt zu Recht die beantragten Steuerfestsetzungen abgelehnt. Eine Veranlagung käme nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO nur dann in Betracht, wenn eine Steuerhinterziehung vorliegt. Daran fehlt es vorliegend.
Grundsätzlich kann auch noch nach dem Tod des Steuerpflichtigen festgestellt werden, ob eine Steuerhinterziehung vorlag (BFH-Urteil vom 27. August 1991 VIII R 84/89, BStBl. II 1992, 9). Vorliegend scheitert die Annahme einer Steuerhinterziehung jedoch zumindest am Vorliegen des objektiven Tatbestandes.
Auch der subjektive Tatbestand erscheint immerhin fraglich. Der für die Annahme einer Steuerhinterziehung in subjektiver Hinsicht erforderliche Vorsatz ist der Wille, den (Straf-) Tatbestand in Kenntnis aller seiner Tatbestandsmerkmale zu erfüllen. Dazu gehört das Wissen, dass der Täter eine Täuschungshandlung vornimmt und dadurch ein Steueranspruch beeinträchtigt wird. Deshalb ist der Hinterziehungsvorsatz nur dann vollständig gegeben, wenn der Täter die im Einzelfall in Betracht kommende steuergesetzliche Pflicht (nach Grund, Umfang und Fälligkeit) kennt und ihr zuwider die Steuer dem Steuerberechtigten vorenthalten will oder aber jedenfalls mit einer Steuerverkürzung rechnet und eine solche billigend in Kauf nimmt (Finanzgericht Köln, Urteil vom 07.06.1992, 2 K 2513/88, EFG 1991, 107 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Die Nichtabgabe von Steuererklärungen - wie vorliegend - kann aber auch auf Unkenntnis beruhen. Vorliegend war die am 31.08.1907 geborene Erblasserin im ersten hier streitigen Jahr 1993 bereits 86 Jahre alt. Anhaltspunkte dafür, dass sie durch Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen auch angesichts der relativ geringen Rente eine Einkommensteuerhinterziehung billigend in Kauf nahm, ergeben sich nicht ohne weiteres aus der Akte. Während im Regelfall, nämlich dann, wenn die Finanzbehörde sich auf die verlängerte Festsetzungsfrist beruft, diese die objektiver Feststellungslast (Beweislast) für das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale der strafbaren Handlungen, somit auch in subjektiver Hinsicht trägt, (BFH a.a.O. weiteren Rechsprechungsnachweisen) ist dieser Grundsatze vorliegend umzukehren: vorliegend beruft sich der Kläger zu seinem Vorteil auf einer strafbaren Handlung der Erblasserin. Von ihm sind daher die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung nachzuweisen. Ob ein solcher subjektiver Tatbestand einer Steuerhinterziehung vorliegend nachgewiesen wurde, ist zumindest sehr fraglich. Der Senat kann diese Frage im Ergebnis jedoch dahinstehen lassen, da es zumindest am objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung fehlt.
Nach § 370 AO begeht derjenige eine Steuerhinterziehung, der den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt. Vorliegend fehlt es an einer Verkürzung der Steuern. Durch die Berücksichtigung von Steueranrechnungsbeträgen ergeben sich vorliegend Steuererstattungen, was erst die vom Kläger vorgetragene Beschwer durch die Nichtveranlagungen begründet. Eine im Ergebnis von der Finanzbehörde zu erstattende Steuer stellt jedoch keine Verkürzung i.S.d § 370 AO dar. Soweit der Kläger insoweit zwischen Steuerfestsetzung einerseits und Steueranrechnung andererseits unterscheidet und den objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung allein bei Vorliegen einer Steuerfestsetzung unter Nichtberücksichtigung der Steueranrechnung für gegeben hält, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Als Schutzgut der Steuerhinterziehung betrachtet die h.M. (vgl. Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 370 Tz. 40 m.w.N.) das öffentliche Interesse am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen der einzelnen Steuern bzw. den Anspruch des Staates auf den vollen Ertrag aus jeder einzelnen Steuerart. Die Steuerhinterziehung stellt ein Vermögensdelikt dar. Es fehlt jedoch an einem Schaden, somit vorliegend an einer Steuerhinterziehung, wenn die Berücksichtigung von Steueranrechnungsbeträgen zu einer Steuererstattung führt. Der Taterfolg ist in diesen Fällen nicht eingetreten.
Mangels Vorliegens einer Steuerhinterziehung hat das Finanzamt daher zu Recht die Veranlagungen zur Einkommensteuer in den hier streitigen Jahren wegen eingetretener Festsetzungsverjährung abgelehnt.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- abzuweisen.
Ende der Entscheidung
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