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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 3 K 2095/06
Rechtsgebiete: BauGB, BewG


Vorschriften:

BauGB § 192 Abs. 1
BauGB § 196 Abs. 1
BewG § 138
BewG § 145 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 K 2095/06

In dem Rechtsstreit

Wegen Feststellung des Grundbesitzwerts z. 07.04.1997

hat der 3. Senat des Hessischen Finanzgerichts mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 11. Dezember 2007 unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Hessischen Finanzgericht des Richters am Hessischen Finanzgericht des Richters am Hessischen Finanzgericht des ehrenamtlichen Richters und des ehrenamtlichen Richters

für Recht erkannt:

Tenor:

Der an den Kläger gerichtete Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwertes vom 06.08.1998 in der Fassung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 14.03.2001 wird geändert, indem der Wert des Gesamtgrundstücks auf DM herabgesetzt und der Grundbesitzwert der beiden vom Kläger erworbenen Miteigentumsanteile jeweils gesondert auf DM festgestellt wird.

Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand:

Die beiden älteren Töchter des Klägers waren gleichberechtigte Miteigentümerinnen eines ursprünglich landwirtschaftlich genutzten Grundstücks in der Größe von 3.410 qm, das in einem Neubaugebiet des Stadtteils A der Stadt B (die Stadt) lag. Mit Vertrag vom 07.04.1997 haben die Töchter ihre Anteile unentgeltlich auf ihre Eltern, den Kläger und seine Ehefrau, und auf ihre jüngere Schwester als Miteigentümer in der Weise übertragen, dass jedes Elternteil einen Anteil von 39/100 und die Schwester einen Anteil von 22/100 erhielt.

Unmittelbar danach haben die Bedachten das Grundstück für 1,-- DM pro qm an die X-GmbH (X) verkauft, die von der Stadt vertraglich beauftragt worden war, für das Neubaugebiet die städtebauliche Planung, Bodenordnung und Erschließung durchzuführen. Den Verkäufern wurde ein übertragbarer Anspruch auf Rückübertragung eines oder mehrerer Baugrundstücke im Umfang von 70 v.H. der Einlagefläche zum Kostenpreis eingeräumt. Von diesem Anspruch machten sie später Gebrauch. Anderenfalls hätte die X an sie 89,-- DM je qm Bruttolandfläche nachentrichten müssen. Dieser Betrag war der X von der Stadt für die Grundstücksankäufe in dem Neubaugebiet vorgegeben worden.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe der Grundbesitzwert der übertragenen Miteigentumsanteile für Zwecke der Schenkungsteuer zum Besteuerungszeitpunkt festzustellen ist. Der Rechtsstreit befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Der Beklagte (das Finanzamt) setzte als Wert des übertragenen Grundstücks auf den 07.04.1997 die Hälfte des vom zuständigen Gutachterausschuss für baureifes, erschließungsbeitragsfreies Land in A mitgeteilten Bodenrichtwerts von 480,-- DM je qm abzüglich eines Abschlags von 20 v.H. an und rundete den darauf errechneten Grundstückswert auf DM ab. Diesen Grundstückswert teilte das Finanzamt mit dem Feststellungsbescheid vom 06.08.1998, den es den Bedachten in getrennten Ausfertigungen bekannt gab, entsprechend den an dem Grundstück erworbenen Anteilen mit. Danach betrugen die Anteile des Klägers und seiner Ehefrau je DM und der Anteil der jüngeren Schwester DM. Eine weitere betragsmäßige Aufgliederung der den einzelnen Bedachten zugeordneten Grundstückswerte auf die insgesamt 6 übertragenen Miteigentumsanteile nahm das Finanzamt nicht vor.

Gegen den Feststellungsbescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und betrieb das weitere Einspruchsverfahren auch im Namen seiner Ehefrau.

Die Einspruchsführer äußerten die Auffassung, dass das übertragene Grundstück am 07.04.1997 einen Wert von 90,-- DM/qm gehabt habe und beantragten eine entsprechende Herabsetzung des Grundbesitzwertes ihrer Miteigentumsanteile.

Das Finanzamt folgte diesem Begehren nicht und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Im ersten Rechtsgang hat sich das Finanzgericht der Rechtsauffassung angeschlossen, die der Kläger und seine Ehefrau in ihrer gemeinsam erhobenen Klage geäußert haben. Zu dem Verfahren hat das Gericht die jüngere Tochter beigeladen. Mit Urteil vom 23.06.2004 (3 K 1712/01, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1793) hat der Senat unter Zulassung der Revision der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Im Revisionsverfahren hat der Bundesfinanzhof (BFH) das Verfahren der Ehefrau des Klägers abgetrennt, das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen mit der Begründung, nur der Kläger habe gegen den an ihn gerichteten Feststellungsbescheid fristgerecht Einspruch eingelegt; der an die Ehefrau des Klägers gerichtete Feststellungsbescheid sei daher bestandsräftig geworden.

Die gegen den Kläger ergangene Entscheidung hat der BFH mit Urteil vom 26.04.2006 (II R 58/04, Bundessteuerblatt II 2006, 793) ebenfalls aufgehoben und den Rechtsstreit an das erkennende Gericht zurückverwiesen, um dem Finanzamt Gelegenheit zu geben, beim Gutachterausschuss auf die Ermittlung und Mitteilung eines für die Bedarfsbewertung des Grundstücks geeigneten Bodenrichtwerts auf den 1. Januar 1996 nach den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Wertverhältnissen und den tatsächlichen Verhältnissen zum Besteuerungszeitpunkt hinzuwirken.

Im zweiten Rechtsgang hat das Finanzamt zunächst ein Schreiben der Geschäftsstelle des örtlich zuständigen Gutachterausschusses des C-Kreises vorgelegt, in dem das übertragene Grundstück zum 07.04.1997 als Bauerwartungsland mit einem Quadratmeterpreis von 266,-- DM bezeichnet wird, und diese Beurteilung als Bestätigung seiner eigenen Wertermittlung vorgetragen. Dagegen hat der Kläger eingewandt, dass die Stellungnahme der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses eine formelle Ermittlung des Bodenrichtwertes durch den Gutachterausschuss nicht ersetzen könne, und hat seinen Klageantrag aus dem ersten Rechtsgang wiederholt.

Danach beantragt der Kläger sinngemäß,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts zum 07.04.1997 vom 06.08.1998 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14.03.2001 zu ändern, den Wert des Gesamtgrundstücks mit DM zu ermitteln und den Grundbesitzwert für jeden der beiden auf den Kläger übertragenen Miteigentumsanteile auf DM festzustellen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es weist darauf hin, dass der Gutachterausschuss nachträglich keinen Bodenrichtwert erstellen werde, weil keine ausreichende Menge von Verkaufsfällen zum Besteuerungszeitpunkt vorliege. Wegen dieser tatsächlichen Unmöglichkeit der Feststellung von Bodenrichtwerten bestehe in § 145 Bewertungsgesetz (BewG) eine Gesetzeslücke, die die Verwaltung durch die Regelung in Abschnitt 160 Abs. 2 der Erbschaftsteuerrichtlinien 2003 geschlossen habe. Aufgrund der Mitteilung der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses liege auch ein Wert vor, der unabhängig von der Finanzverwaltung auf sachverständiger Grundlage ermittelt worden sei. Dieser Wert erfülle daher die vom BFH benannten Kriterien für eine unabhängige Wertfindung und führe zu einer Bestätigung des Wertes, den das Finanzamt der angegriffenen Feststellung des Grundbesitzes zugrunde gelegt habe.

Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.

Dem Senat haben bei seiner Entscheidung ein Band BFH- und ein Band Verwaltungsakten

für den Kläger vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der BFH hat durch die Zurückverweisung des Rechtsstreits dem Finanzamt die Möglichkeit eingeräumt, den streitigen Bedarfswert auf der Grundlage eines vom Gutachterausschuss nachträglich ermittelten Bodenrichtwertes zum Besteuerungszeitpunkt zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Da das Finanzamt seine Wertermittlung für das Bewertungsobjekt auch im zweiten Rechtsgang nicht auf einen vom Gutachterausschuss ermittelten Bodenrichtwert stützen kann, beruht seine angegriffene Wertfeststellung weiterhin auf einer nicht autorisierten und damit unzulässigen Wertschätzung.

1. Maßgebend für die Wertermittlung unbebauter Grundstücke im Zusammenhang mit der Bedarfsbewertung ist nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG der vom Gutachterausschuss für das Richtwertgebiet ermittelte Bodenrichtwert. Wenn für das Bewertungsobjekt - wie im Streitfall - kein Bodenrichtwert existiert, dann sind die Verwaltung und die Finanzgerichte nach der Rechtsprechung des BFH gehindert, einen eigenen Wert im Wege der Schätzung zu ermitteln. Sofern der Gutachterausschuss trotz seiner Verpflichtung zur Ermittlung eines Bodenrichtwertes keinen Wert zur Verfügung stellt, fehlt die Grundlage für eine gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes (BFH-Urteile vom 18. August 2005 II R 62/03, BFHE 210, 368, BStBl II 2006, 5 und vom 26. April 2006 II R 58/04, BFHE 213, 207, BStBl II 2006, 793).

2. Im Streitfall hat der Gutachterausschuss zum Bewertungszeitpunkt keinen Wert für das Richtwertgebiet ermittelt, in dem das Bewertungsobjekt liegt. Die Stellungnahme der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses, ohne ein formelles Tätigwerden des Gutachterausschusses selbst, stellt nur eine unverbindliche Meinungsäußerung dar.

a) Zur Ermittlung von Grundstückswerten ist allein der Gutachterausschuss als selbständiges und unabhängiges Gremium zuständig, § 192 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB). Der Gutachterausschuss ist als Kollegialorgan ausgestaltet und erstattet seine Gutachten mit einem Vorsitzenden und mindestens zwei weiteren Gutachtern nach geheimer Beratung, § 7 Abs. 1 der Hessischen Verordnung zur Durchführung des Baugesetzbuches (HVO BauGB). Bei der Ermittlung von Bodenrichtwerten wird der Gutachterausschuss in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und mindestens drei weiteren Gutachtern tätig, § 7 Abs. 2 HVO BauGB. Dagegen obliegt den Geschäftsstellen des Gutachterausschusses nach § 3 HVO BauGB auf Weisung des Vorsitzenden nur die Durchführung laufender Verwaltungsarbeiten ohne eigene Entscheidungskompetenz.

Zu den Aufgaben des Gutachterausschusses gehört die Ermittlung von Bodenwerten für Zonen lagetypischer Grundstücke (Richtwertzonen) unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustandes der Grundstücke. Das gilt gemäß § 196 Abs. 1 Satz 4 BauGB ausdrücklich, wenn diese Werte für die Bedarfsbewertung auf einen bestimmten Stichtag benötigt werden. Die Gutachterausschüsse sind daher nach § 196 Abs. 1 Satz 4 BauGB verpflichtet, für Zwecke der Bedarfsbewertung die von der Finanzverwaltung benötigten Werte zur Verfügung zu stellen, gegebenenfalls aufgrund einer originären Ermittlung dieser Werte (Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr: Kommentar zum Baugesetzbuch, 9. Auflage, § 196 Rn. 5).

b) Die Stellungnahme der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses vom 18.06.2007 kann die fehlende Ermittlung des Bodenrichtwertes durch den Gutachterausschuss selbst nicht ersetzen. Denn bei dieser Stellungnahme handelt es sich nicht um eine bloße Auskunft aus den Datensammlungen, die bei den Geschäftsstellen geführt und gepflegt werden, sondern die Geschäftsstelle hat in ihrer Stellungnahme eigene Überlegungen zur Ermittlung des lagetypischen Werts des Bewertungsobjektes angestellt, aber dabei auch den hypothetischen und unverbindlichen Charakter ihrer Stellungnahme zum Ausdruck gebracht.

Auch wenn der von der Geschäftsstelle mitgeteilte Wert von einer Stelle außerhalb der Finanzverwaltung ermittelt worden ist, fehlt dieser Wertermittlung jede Verbindlichkeit und überzeugende Begründung. Sie kann daher im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden.

c) Es ist auch nicht Aufgabe des erkennenden Gerichts, von sich aus den Gutachterausschuss aufzufordern, die fehlende Wertermittlung durchzuführen und das Ergebnis mitzuteilen. Denn das Gericht hat lediglich die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns im Zusammenhang mit dem angegriffenen Bescheid zu überprüfen, aber nicht die Voraussetzungen zu schaffen, die erfüllt sein müssen, um die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns bestätigen zu können.

3. Da das Finanzamt und das Gericht gesetzlich nicht autorisiert sind, einen eigenen Bodenrichtwert (in Sonderfällen) zu ermitteln und da der Gutachterausschuss eine entsprechende Wertermittlung nicht vorgenommen hat, ist dem vom Kläger in diesem Rechtsstreit gestellten Antrag zu folgen. Denn das Gericht ist gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO gehindert, über das Klagebegehren hinauszugehen.

Der Wert des unentgeltlich auf den Kläger, seine Ehefrau und seine jüngste Tochter übertragenen Grundstücks ist danach mit einem Quadratmeterpreis von 90,-- DM anzusetzen. Die auf den Kläger von jeder Tochter übertragenen Bruchteile betragen 39/200 des Grundstückswerts, also DM.

Diese Werte weichen ab von den Werten, die der BFH in seinem Urteil vom 26. April 2004 (II R 58/04) auf Seite 13 ermittelt hat. Der Senat ist an die dort genannten Werte jedoch nicht gebunden, weil sie auf einer offenbaren Unrichtigkeit, einem Zahlendreher, beruhen. Der BFH folgt bei seiner Berechnung dem Klageantrag, der von einem Grundstückswert von DM ausgeht, legt seiner Berechnung aber tatsächlich einen Ausgangswert von DM zu Grunde und kommt danach zu Bruchteilswerten, die den Klageantrag übersteigen. Da der erkennende Senat gemäß § 126 Abs. 5 FGO bei Zurückverweisungen nur an die rechtliche Beurteilung des BFH gebunden ist, muss er offenbare Unrichtigkeiten, die im Zahlenwerk des BFH enthalten sind, nicht übernehmen.

Damit hat die Klage auch im zweiten Rechtsgang in vollem Umfang Erfolg.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits sind dem Finanzamt aufzuerlegen, § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 i.V.m. § 155 FGO und §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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