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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Gerichtsbescheid verkündet am 07.11.2008
Aktenzeichen: 3 K 2236/06
Rechtsgebiete: EStG, SGB X


Vorschriften:

EStG § 62 Abs. 1
EStG § 74 Abs. 2
SGB X § 104
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Kindergeld und in diesem Zusammenhang über einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) i. V. m. § 104 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).

Der klagende Landkreis ist Sozialhilfeträger. In dieser Funktion ist er unter anderem für die Hilfe zum Lebensunterhalt bei Asylbewerbern zuständig.

Mit Beschluss des 3. Senats des Hessischen Finanzgerichts vom 11.09.2008 ist Herr C beigeladen worden. Der Beigeladene und seine Ehefrau ... stammen aus der Türkei. Sie reisten am ...05.2001 als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland ein. Familie C lebte seit ihrer Zuweisung in den Bereich des Klägers bis Ende 2005 in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. In Deutschland wurde am ...09.2001 das gemeinsame Kind K geboren.

Der Kläger gewährte den Eheleuten C und deren Sohn vom 01.09.2001 bis 31.7.2006 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Mit Schreiben vom 21.02.2003 machte der Kläger gegenüber der Beklagten (der Familienkasse) einen Erstattungsanspruch gem. § 104 SGB X hinsichtlich eines für das Kind K bestehenden Kindergeldanspruchs für den Zeitraum 01.09.2001 bis 31.03.2003 geltend.

Am 03.03.2003 beantragte der Beigeladene auf Veranlassung des Klägers bei der Familienkasse die Zahlung von Kindergeld für das vorgenannte Kind.

Die Familienkasse lehnte den Kindergeldanspruch gegenüber dem Beigeladenen mit Bescheid vom 08.04.2003 ab. Darüber wurde der Kläger mit Schreiben gleichen Datums informiert.

Gegen den ablehnenden Bescheid legte der Beigeladene mit Schreiben vom 16.04.2003 Einspruch ein. Dieser wurde durch Einspruchsentscheidung der Familienkasse vom 15.05.2003 zurückgewiesen.

Die Ablehnung wurde in erster Linie damit begründet, dass die Voraussetzungen des Vorläufigen Europäischen Abkommens über Soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen vom 11.12.1953 (Vorläufiges Europäisches Abkommen, BGBl. II 1956, 507) nicht vorlägen. Danach entstehe ein Kindergeldanspruch eines türkischen Staatsangehörigen erst, wenn er sechs Monate in der Bundesrepublik gewohnt habe oder er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung sei. Das sei beim Beigeladenen nicht der Fall. Durch den Aufenthalt in einer Gemeinschaftsunterkunft werde das Tatbestandsmerkmal "wohnen" im Sinne des Abkommens nicht erfüllt.

Am 17.06.2003 hat der Kläger beim Hessischen Finanzgericht gegen den an den Beigeladenen gerichteten ablehnenden Bescheid der Familienkasse vom 08.04.2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.05.2003 Klage erhoben. Dieses Klageverfahren hat das Aktenzeichen 3 K 2236/03 erhalten.

Mit Verfügungen vom 04.08.2003 und 16.09.2003 hat der Berichterstatter des 3. Senats Bedenken an der Zulässigkeit der Klage geäußert und angeregt, dass die Familienkasse über den Erstattungsanspruch des Klägers in einem an diesen gerichteten Bescheid entscheidet.

Dieser Anregung folgend lehnte die Familienkasse den vom Kläger am 21.02.2003 geltend gemachten Erstattungsanspruch mit Verfügung vom 03.11.2003 ab. Gegen die ablehnende Entscheidung legte der Kläger mit Schreiben vom 20.11.2003 "Widerspruch" ein.

Am 28.12.2004 hat der Kläger beim Hessischen Finanzgericht in dieser Sache eine weitere Klage eingelegt, die unter dem Aktenzeichen 3 K 4396/04 geführt wurde (Streitzeitraum: 02/02-12/04). Diese Klage hat der Kläger am 30.10.2006 um die Zeiträume Januar und Februar 2005 erweitert.

Ab März 2005 setzte die Familienkasse zugunsten des Beigeladenen Kindergeld fest und erstattete es an den Kläger.

Die beiden unter den Az. 3 K 2236/03 und 3 K 4396/04 anhängigen Verfahren hat der 3. Senat des Hessischen Finanzgericht durch Beschluss vom 29.07.2008 verbunden und unter dem Az. 3 K 2236/03 weitergeführt.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber den Begriff des "Wohnens" im Sinne des Vorläufigen Europäischen Abkommens erfülle. Zur Begründung beruft er sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 18.03.1999 5 C 11/98 (DVBl. 1999, 1126), das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs München - BayVGH - vom 25.10.2001 12 B 00.2321 (FEVS 53, 127), das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 14.12.1999 6 E 849/98 (juris), das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 15.05.1997 6 K 2047/96 (juris) sowie auf den Schiedsspruch der Zentralen Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten vom 23.03.1995 B 2/94 (juris).

Des Weiteren trägt er vor: Es sei zu berücksichtigen, dass das Vorläufige Europäische Abkommen auch Flüchtlinge und damit Asylbewerber mit Inländern gleichstelle. In der Folge mache es keinen Unterschied, ob diese in einer Gemeinschaftsunterkunft lebten oder eine eigene Wohnung hätten.

Der Kläger beantragt im Schriftsatz vom 17.06.2003 (3 K 2236/03),

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.04.2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15.05.2003 zu verpflichten, zu Gunsten des Beigeladenen für das Kind K Kindergeld in gesetzlicher Höhe ab Antragstellung festzusetzen sowie im Schriftsatz vom 18.12.2004, ergänzt im Schriftsatz vom 30.10.2006 (vormals 3 K 4396/04), die Beklagte zu verurteilen, die in der Zeit von Februar 2002 bis Februar 2005 aufgewendeten Kosten nach dem AsylbLG für die Familie mit dem Kind K in Höhe von 5.698,-- EUR an den Kläger zu erstatten.

Die Familienkasse beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor: Die Klage sei unzulässig. Der Bescheid, durch den der Kindergeldantrag des Beigeladenen abgelehnt worden sei, habe Bestandskraft erlangt, weil der Beigeladene gegen die Einspruchsentscheidung vom 15.05.2003 keine Klage erhoben habe. Der Kläger müsse die Bestandskraft der Ablehnungsentscheidung gegen sich gelten lassen (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.05.2002 VIII R 88/01, BFH/NV 2002, 1156). Er könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Ablehnungsentscheidung offensichtlich fehlerhaft sei. Für einen Kindergeldanspruch des Beigeladenen gebe es nämlich keine Rechtsgrundlage. Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG seien schon deshalb nicht erfüllt, weil der Beigeladene für den hier maßgebenden Zeitraum nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung gewesen sei. Die Sonderregelungen für anerkannte Flüchtlinge, Asylbewerber und Kontingentflüchtlinge fänden keine Anwendung. Ein Anspruch aus überstaatlichen Rechtsvorschriften scheide ebenfalls aus, da der Beigeladene keiner beitragspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sei und keine Lohnersatzleistungen bezogen habe. Auch Art. 2 des Vorläufigen Europäischen Abkommens sei nicht einschlägig. Die Vorschrift setze voraus, dass der Antragsteller seit wenigstens sechs Monaten in der Bundesrepublik wohne. Diese Sechs-Monatsfrist beginne allerdings erst mit dem Bezug einer eigenen Wohnung. Eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber stelle ebenso wenig wie ein Hotelzimmer eine eigene Wohnung in diesem Sinne dar.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung zwei Bände Kindergeldakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

I. Klagebegehren vom 17.06.2003

Die Klage ist zulässig.

1. Der Kläger ist klagebefugt.

Bei dem o. g. Klagebegehren handelt es sich um eine Verpflichtungsklage. Gem. § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.

Zwar betrifft die Frage der (anderweitigen) Auszahlung des Kindergeldes an einen Dritten (hier: Sozialleistungsträger) nicht das kindergeldrechtliche Festsetzungsverfahren, sondern lediglich das (Erhebungs- oder) Auszahlungsverfahren. Nach § 67 Satz 2 EStG kann den Antrag auf Festsetzung von Kindergeld außer dem Kindergeldberechtigten auch stellen, wer ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat. Hierzu rechnen auch Sozialleistungsträger, die einem Kind Unterhalt gewähren (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG). Durch § 67 Satz 2 EStG können demnach Personen und Stellen, die an sich nur eine Rechtsstellung im Auszahlungsverfahren haben, sowohl im außergerichtlichen Vorverfahren (vgl. § 78 Nr. 1 Abgabenordnung (AO)) als auch im anschließenden gerichtlichen Verfahren eine Beteiligtenstellung im Festsetzungsverfahren erlangen (vgl. BFH-Urteil vom 12.01.2001 VI R 181/97, BStBl. II 2001, 443). Demzufolge kann der Kläger als Sozialleistungsträger im Klagewege gegen die ablehnende Entscheidung der Familienkasse vorgehen.

2. Entgegen der Auffassung der Familienkasse scheitert die Zulässigkeit der Klage nicht an dem Umstand, dass das Einspruchsverfahren durch den Beigeladenen, das Klageverfahren hingegen durch den Kläger betrieben worden ist.

In den Fällen, in denen - wie hier im Streitfall - ein außergerichtlicher Rechtsbehelf (Einspruch) gegeben ist, ist die Klage nach § 44 Abs. 1 FGO grundsätzlich nur dann zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruch) ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

Ein Vorverfahren im Sinne des § 44 FGO hat in der Regel nur dann stattgefunden, wenn sowohl im Vorverfahren als auch im Klageverfahren dieselben Hauptbeteiligten über denselben Gegenstand gestritten haben. Ist jedoch eine dritte Person während des Vorverfahrens nicht hinzugezogen worden, obwohl die Voraussetzungen einer notwendigen Zuziehung vorlagen, erfährt der genannte Grundsatz eine Ausnahme. In diesem Falle darf die dritte Person Klage erheben gegen die Einspruchsentscheidung, auch wenn diese nur gegenüber dem Einspruchsführer ergangen ist (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 44 Anm. 6 und 12).

Im Streitfall hätte der Kläger zum Vorverfahren hinzugezogen werden müssen. Denn er war "Leistungsinteressierter" im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 2 EStG. Da er als solcher mit dem Ablehnungsbescheid der Familienkasse nicht einverstanden war, sondern - ausweislich des Schreibens vom 21.02.2003 - vielmehr die Erstattung von etwaigen Kindergeldbeträgen an sich verlangte, durfte die Frage der Kindergeldberechtigung im Sinne einer notwendigen Beiladung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen (vgl. zur Frage der Beiladung beim Kindergeld: Gräber-Stapperfend, a. a. O., § 60 Anm. 92).

II. Klagebegehren vom 18.12.2004/ 30.10.2006

Auch diesbezüglich ist die Klage zulässig.

Im Streitfall macht der nachrangige Leistungsträger einen Erstattungsanspruch gem. § 104 SGB X geltend. Dabei handelt es sich um eine ohne Vorverfahren zulässige allgemeine Leistungsklage i. S. des § 40 Abs. 1 3. Alt. FGO, da zwischen den Leistungsträgern kein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht, das zu einer Entscheidung durch Verwaltungsakt berechtigen würde. Die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 bis 105 SGB X sind als eigenständige Ansprüche normiert, die selbständig neben einem Anspruch des Berechtigten gegen den zur Erstattung herangezogenen Leistungsträger entstehen und von der Erfüllung der in §§ 102 ff. SGB X geregelten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig sind (vgl. BFH-Urteil vom 14.05.2002 VIII R 88/01, BFH/NV 2002, 1156).

B. Begründetheit

I. Klagebegehren vom 17.06.2003

Die Klage ist begründet.

Die Familienkasse hat es zu Unrecht abgelehnt, entsprechend dem Antrag des Beigeladenen vom 03.03.2003 Kindergeld festzusetzen.

1. Der hier in Rede stehende Anspruch auf Kindergeld ergibt sich zwar nicht aus § 62 Abs. 2 EStG. Er folgt auch nicht aus Art. 33 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30.04.1964 (BGBl. II 1965, 1169) und ebenfalls nicht aus dem Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei Nr. 3/80 vom 19.09.1980 (Amtsblatt EG Nr. C 110, 60). All dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Eine Anspruchsgrundlage bieten jedoch das Vorläufige Europäische Abkommen i. V. m. § 62 Abs. 1 EStG.

a) Der Beigeladene wird vom persönlichen Anwendungsbereich des Vorläufigen Europäischen Abkommens erfasst.

Gemäß Artikel 2 gilt das Abkommen für die Staatsangehörigen der vertragsschließenden Staaten. Der Beigeladene, der die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, gehört zu diesem Personenkreis. Die Türkei ist dem Vorläufigen Europäischen Abkommen mit Wirkung zum 01.05.1967 beigetreten.

b) Das Vorläufige Europäische Abkommen erstreckt sich sachlich auf das deutsche Kindergeld.

Die Sozialsysteme, die dem Abkommen unterliegen, sind dessen Anhang I zu entnehmen. In der bundesdeutschen Bekanntmachung der Neufassung der Anhänge I, II und III zu dem Vorläufigen Europäischen Abkommen vom 08.03.1972 wird im Anhang I für die Bundesrepublik Deutschland unter Buchst. d das Kindergeld genannt (BGBl. 1972 II 175, 177; ebenso in der weiteren Bekanntmachung vom 17.01.1985, BGBl. II 311, 313).

c) Entgegen der Auffassung der Familienkasse erfüllt der Beigeladene auch die Merkmale des Art. 2 Abs. 1 Buchst. d des Vorläufigen Europäischen Abkommens. Nach der genannten Vertragsbestimmung haben die nach dem Abkommen begünstigten Personen - vorbehaltlich anderer Vertragsbestimmungen - Anspruch auf Leistungen nach den Gesetzen und Regelungen jedes anderen vertragsschließenden Staates unter denselben Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Staates, sofern sie seit wenigstens sechs Monaten im Staatsgebiet wohnen.

Einen Anspruch auf Kindergeld nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes hat nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der Regel derjenige, der im Inland seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer erhält Kindergeld nur nach den in § 62 Abs. 2 EStG genannten (hier - wie erwähnt - nicht strittigen) Voraussetzungen.

Einen Wohnsitz hat nach § 8 AO jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat nach § 9 Satz 1 AO jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ein gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich der Abgabenordnung ist nach § 9 Satz 2 AO stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer.

Im Streitfall erfüllte der Beigeladene während des hier maßgebenden Zeitraums sowohl das Merkmal "wohnen" im Sinne des Vorläufigen Europäischen Abkommens (siehe unten aa) als auch das Merkmal "gewöhnlicher Aufenthalt" im Sinne des § 62 Abs. 1 EStG sowie des § 9 AO (siehe unten bb).

aa) Im Schrifttum und nunmehr auch in der Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, der Begriff "wohnen" entspreche dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der §§ 8 und 9 AO. Dazu wird der Zweck der Abkommensbestimmung hervorgehoben, der in der rechtlichen Gleichstellung von den durch das Abkommen begünstigten Personen einerseits und von Inländern andererseits liegen soll (Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, D. II. Tz. 4 f.; Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 31.07.2008 14 K 2206/06 Kg, StE 2008, 628 sowie juris).

Die Finanzverwaltung legt den Begriff "wohnen" im Sinne der vorgenannten Abkommensbestimmung hingegen folgendermaßen aus: Der Begriff sei zwar nicht identisch mit dem des Wohnsitzes im Sinne des deutschen Rechts. Er setze jedoch voraus, dass die betreffende Person länger im Inland verweile und über eine eigene Wohnung verfüge. Eine Gemeinschaftsunterkunft stelle keine eigene Wohnung dar. Asylbewerber wohnten erst ab dem Zeitpunkt im Inland, von dem an sie nicht mehr zum Aufenthalt in einer Aufnahmeeinrichtung verpflichtet seien (vgl. Anlage 2 zum Rundbrief 76/2002, 2.5, Tz. 57 ff.).

Der Senat folgt der vom Schrifttum und vom Finanzgericht Düsseldorf vertretenen Auffassung. Dabei geht er davon aus, dass der Begriff "wohnen" vorrangig nach dem Zweck der Abkommensregelung und nicht nach einem eng gefassten Wortverständnis auszulegen ist.

Im Rahmen der innerstaatlichen Anwendung von überstaatlichen Regelungen sind die Auslegungsgrundsätze des Art. 31 Wiener Übereinkommen vom 23.05.1969 über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention, BGBl. II 1985, 926) heranzuziehen. Diese Grundsätze sind Ausdruck allgemeiner Regeln des Völkerrechts. Als solche können sie auch auf Verträge angewendet werden, die - wie das Vorläufige Europäische Abkommen - bereits vor dem In-Kraft-Treten der Wiener Vertragsrechtskonvention abgeschlossen worden sind. Nach diesen Auslegungsgrundsätzen sind insbesondere Ziel und Zweck der Vertragsbestimmungen maßgeblich. Es ist nicht isoliert nach der Bedeutung eines Begriffes zu fragen. Eine derartige Begriffsjurisprudenz führt auch und gerade bei der Auslegung zwischenstaatlichen Rechts nicht weiter (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 23.09.2004 B 10 EG 3/04, BSGE 93, 194).

(1) Eine Auslegung des Abkommenstextes im Sinne einer reinen "Begriffsjurisprudenz" führt jedenfalls nicht dazu, dass der Begriff "wohnen" - entsprechend der Auffassung der Finanzverwaltung - so zu verstehen ist, als müsse die betreffende Person über eine "eigene" Wohnung verfügen. Dies ergibt sich zum einen aus dem allgemeinen Sprachgebrauch und zum anderen aus einem Vergleich mit anderssprachigen Textfassungen des Abkommens.

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff "wohnen" nicht unbedingt in dem Sinne des Innehabens einer eigenen Wohnung verstanden. So kann man auch in einem Hotelzimmer wohnen. Von einem ähnlichen Wortsinn geht auch der Gesetzgeber im Rahmen der Regelungen in § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 48 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) aus. Dort ist die Rede davon, dass die betreffenden Asylbewerber in der für sie zuständigen Aufnahmeeinrichtung "wohnen".

Auch aus der englischsprachigen wie der französischsprachigen Fassung des Abkommens ergeben sich keine Anhaltspunkte für das von der Finanzverwaltung herangezogene Begriffsverständnis. Im englischen Text heißt es: "... that he has been resident for six month...". Das Wort "resident" wird übersetzt als "ansässig", "ortsansässig", "wohnhaft" (vgl. Romain/Bader/Byrd, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, Englisch - Deutsch, Stichwort "resident"). Im französischen Text heißt es: "... quils resident depuis six mois ...". Das Wort "resider" wird übersetzt mit "wohnen", "sich aufhalten", "seinen Aufenthalt haben" (vgl. Fleck, Wörterbuch Recht, Französisch - Deutsch, Stichwort "resider").

Das vorstehend dargelegte Ergebnis wird im übrigen bestätigt durch den Vergleich mit einem entsprechenden Text im OECD-Musterabkommen 2005 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MA).

Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des OECD-MA hat in der deutschsprachigen Fassung u. a. folgenden Wortlaut: "Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck, eine in einem Vertragsstaat ansässige Person' eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts ... oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, ..." Diese Textfassung geht zurück auf den folgenden englischsprachigen Urtext: "For the purposes of this Convention, the term, resident of a Contracting State' means any person who, under the laws of that State, is liable to tax therein by reason of his domicile, residence ... or any other criterion of a similar nature, ..."

Der Begriff "resident" ist nach dem systematischen Zusammenhang in der englischsprachigen Textfassung des OECD-MA als Oberbegriff für die beiden (Unter-) Begriffe "domicile" und "residence" zu verstehen. Entsprechendes hat dort für die deutschsprachigen Begriffe "ansässig" einerseits und "Wohnsitz" sowie "ständiger Aufenthalt" andererseits zu gelten.

Das Vorläufige Europäische Abkommen verwendet statt des Begriffes "ansässig" zwar den Begriff "wohnen". Dieser Umstand spricht - für sich allein - jedoch nicht dagegen, das OECD-MA für einen Textvergleich heranzuziehen. Denn es ist davon auszugehen, dass bei beiden Abkommen die deutschsprachige Fassung durch die Übersetzung eines anderssprachigen Urtextes zustande gekommen ist.

(2) Eine Auslegung des Abkommenstextes nach seinem Sinn und Zweck gebietet es, dem Begriff "wohnen" sowohl den Wohnsitz im Sinne des § 8 AO als auch den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 9 AO zuzuordnen.

Das Vorläufige Europäische Abkommen verfolgt den Zweck, den dort angesprochenen Personenkreis im Hinblick auf die soziale Sicherheit rechtlich mit Inländern gleichzustellen. Für den Fall, dass Inländer bestimmte soziale Ansprüche haben, sollen diese unter gleichen Voraussetzungen auch dem ausländischen Personenkreis zustehen, der von dem Regelungsbereich des Abkommens erfasst wird. Anhaltspunkte für diesen Regelungszweck ergeben sich hinreichend deutlich aus der Präambel des Abkommens sowie aus dem Einleitungssatz des Art. 2 Abs. 1 des Abkommens. Die Präambel betont den Grundsatz der "Gleichbehandlung" der Angehörigen aller vertragsschließenden Staaten bei der Anwendung der in jedem dieser Staaten geltenden Gesetze und Regelungen über Soziale Sicherheit. Nach Art. 2 Abs. 1 des Abkommens sollen die hier begünstigten Personen "unter denselben Bedingungen" wie die Staatsangehörigen des betreffenden Vertragsstaates Ansprüche auf bestimmte Leistungen haben.

Die persönlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kindergeld sind nach § 62 Abs. 1 EStG bei einem deutschen Staatsangehörigen unter zwei Sachverhaltsalternativen gegeben, und zwar unter der Bedingung, dass im Inland entweder ein Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt besteht. Dem Grundsatz der Gleichbehandlung, wie er in dem Vorläufigen Europäischen Abkommen zum Ausdruck kommt, würde es widersprechen, wenn in der Bundesrepublik Deutschland die Angehörigen der anderen Vertragsstaaten in Bezug auf die zweite Sachverhaltsalternative (gewöhnlicher Aufenthalt) schlechter behandelt würden als deutsche Staatsangehörige.

bb) Nach der neueren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hat ein Asylbewerber, der sich in der für ihn zuständigen Aufnahmeeinrichtung aufhält, dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt.

Allerdings ist die Frage, ob ein Asylbewerber für die Dauer seines Anerkennungsverfahrens im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, von anderen Fachgerichten in der Vergangenheit abweichend beurteilt worden. So hat das BSG durch Urteil vom 31.01.1980 8b RKg 4/79 (BSGE 49, 254) entschieden, ein Asylbewerber habe keinen Anspruch auf Kindergeld nach dem damals gültigen Bundeskindergeldgesetz, weil er im Inland regelmäßig keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch (SGB I) habe, solange seine Asylberechtigung nicht bindend oder rechtskräftig festgestellt sei. Seine Entscheidung hat es insbesondere mit dem Hinweis begründet, der Aufenthalt des Asylbewerbers im Inland habe nur vorläufigen Charakter. Der BFH hat sich dieser Beurteilung angeschlossen. In seinem Urteil vom 11.09.1987 III R 148/86 (BStBl. II 1988, 14) hat er zwar entschieden, ein Asylbewerber erlange rückwirkend einen Kindergeldanspruch, wenn er als Asylberechtigter anerkannt werde mit der Folge, dass nachträglich der Unterhaltshöchstbetrag nach § 33a Abs. 1 EStG entfalle. Gleichzeitig hat er aber ausgesprochen, für die Zeit des Anerkennungsverfahrens bestehe kein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 3 SGB I (ähnlich für den Fall der vorübergehenden Entsendung eines ausländischen Arbeitnehmers: Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 09.02.2000 I 225/98, EFG 2000, 572).

Nach Auffassung des Senats ist diese Rechtsprechung inzwischen überholt. Das BVerwG hat nämlich durch Urteil in DVBl. 1999, 1126 entschieden, dass Spätaussiedler auch in einem Übergangswohnheim einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 3 SGB I begründen können. Hierzu hat es ausgeführt: Zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts sei ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich. Es genüge vielmehr, dass der Betreffende sich an dem Ort oder in dem Gebiet bis auf weiteres im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhalte und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen habe. Hieran anknüpfend hat der BayVGH in FEVS 53, 127 entschieden, dass auch ein Asylbewerber im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er hier in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht ist. Ergänzend zu den Erwägungen des BVerwG hat er ausgeführt: Es komme nicht auf die rechtlichen, sondern auf die tatsächlichen Umstände an. Maßgebend sei auch nicht eine rückblickende, sondern eine vorausschauende Betrachtung.

Nach Auffassung des Senats sind gerade die Grundsätze, die der BayVGH in dem vorgenannten Urteil aufgestellt hat, für die Beurteilung der hier vorliegenden Rechtsfrage heranzuziehen. Denn sie decken sich mit den Grundsätzen, die im Schrifttum für die Anwendung des § 9 AO im Kindergeldrecht entwickelt worden sind. So knüpft der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 9 AO an äußere Merkmale an. Die betreffende Person braucht nicht den Willen zu haben, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. Ein entgegenstehender Wille ist unbeachtlich, wenn er zu den tatsächlichen Gegebenheiten in Widerspruch steht. Auch ein Zwangsaufenthalt (etwa in einer Justizvollzugsanstalt) kann einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 9 Tz. 2 m. w. N.; BFH-Beschluss vom 14.11.1986 VI B 97/86, BFH/NV 1987, 262). Demzufolge spielt in dem vorliegenden Zusammenhang die Frage keine Rolle, ob ein Asylbewerber sich in der ihm zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft freiwillig aufhält oder nicht (vgl. §§ 47 ff. AsylVfG). Insofern kommt es auch nicht auf den Umstand an, dass Asylbewerber einem öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis unterliegen (vgl. §§ 55 ff. AsylVfG).

Aus Sicht des Senats spricht nichts dagegen, die Grundsätze, die die Rechtsprechung für die Anwendung des § 30 Abs. 3 SGB I entwickelt hat, auf den Regelungsbereich des § 9 AO zu übertragen. Denn § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I umschreibt den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in derselben Weise wie § 9 Satz 1 AO. Daran ändert sich auch nichts durch die Tatsache, dass in § 9 Satz 2 AO eine zusätzliche Fiktion für den Fall eines zeitlich zusammenhängenden Aufenthalts von mehr als sechs Monaten Dauer enthalten ist.

Demgegenüber erachtet der Senat die Erwägungen, mit denen das BSG und der BFH das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland bei einem Asylbewerber verneint haben, als problematisch. Insbesondere die Annahme eines Schwebezustandes (in Bezug auf die Vorläufigkeit des Inlandsaufenthalts) dürfte mit dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nur schwerlich zu vereinbaren sein. Denn nach § 38 AO entstehen die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Maßgebend für die Entstehung eines Anspruchs auf Kindergeld ist § 66 Abs. 2 EStG. Danach wird das Kindergeld monatlich vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen.

Überträgt man die vorgenannten Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Fall, so hatte der Beigeladene im Streitzeitraum seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, da er in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber untergebracht war. Im Sinne des Vorläufigen Europäischen Abkommens "wohnte" er im Inland, denn das Tatbestandsmerkmal "wohnen" schließt den gewöhnlichen Aufenthalt mit ein. Die weitere abkommensrechtliche Voraussetzung, dass der Berechtigte seit wenigstens sechs Monaten in dem Vertragsstaat, in dem er die Leistungen beansprucht, wohnt, ist ebenfalls erfüllt. Zu dem Zeitpunkt, ab dem Kindergeld beantragt wurde (Februar 2002), hielt sich der Beigeladene seit sechs Monaten in der Bundesrepublik Deutschland auf.

II. Klagebegehren vom 18.12.2004/30.10.2006

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Familienkasse einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 104 SGB X.

Gemäß § 104 Abs. 1 SGB X ist dann, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

1. Beim Kläger handelt es sich um einen nachrangig verpflichteten Leistungsträger im vorgenannten Sinne.

Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Das erfordert eine Gleichartigkeit der Leistungen der beiden Leistungsträger (vgl. BFH-Urteil vom 07.12.2004 VIII R 57/04, BFH/NV 2005, 862). Das Tatbestandsmerkmal der Gleichartigkeit setzt weiter voraus, dass die vergleichbaren Leistungen ein und dieselbe Person (Personenidentität) sowie den gleichen Zeitraum (zeitliche Kongruenz) betreffen (vgl. Helmke/ Bauer, a. a. O., § 74 EStG Anm. 38).

Die Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt ist gegenüber dem Anspruch auf Kindergeld gemäß §§ 62 ff. EStG insoweit eine gleichartige und damit nachrangige Leistung, als das Kindergeld der Förderung der Familie dient (BFH-Urteil vom 17.04.2008 III R 33/05, BFH/NV 2008, 1577, m. w. N.). Zwar war der Kläger vorliegend nicht nach dem BSHG leistungsverpflichtet, sondern nach dem AsylbLG. In dieser Konstellation gilt aber nichts anderes (vgl. § 7 AsylbLG). Im Hinblick auf die zeitliche Kongruenz ist der auf das Kindergeld gerichtete Erstattungsanspruch der Höhe nach insoweit begründet, als die nach dem AsylbLG für das Kind des Beigeladenen gezahlten Beträge im Streitzeitraum monatlich mindestens 154, -- EUR betragen haben. Da die Beteiligten nicht über die Höhe des Erstattungsanspruchs streiten, geht der Senat davon aus, dass das hier der Fall ist.

2. Der Beigeladene hat gegen die Familienkasse einen (vorrangigen) Anspruch. Insoweit wird auf die Ausführungen unter B.I verwiesen.

3. Die Familienkasse kann sich auch nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1156 berufen. Darin hat der BFH entschieden, dass einer Leistungsklage des nachrangigen Leistungsträgers unter bestimmten Voraussetzungen die Bestandskraft einer gegenüber dem Leistungsberechtigten ergangenen (ablehnenden) Entscheidung entgegenstehe. So läge der Sachverhalt nach Auffassung der Familienkasse auch im hier zu beurteilenden Streitfall. Gegenüber dem Beigeladenen sei bereits eine bestandskräftige Entscheidung über dessen Kindergeldantrag ergangen, die auch gegenüber dem Kläger Bindungswirkung entfalte.

Dieser Argumentation folgt der Senat nicht. Gegenüber dem Kläger ist mangels dessen Hinzuziehung im Vorverfahren und der damit verbundenen unterbliebenen Bekanntgabe der an den Beigeladenen gerichteten Einspruchsentscheidung keine Bestandskraft eingetreten. Das oben genannte BFH-Urteil führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. In diesem Urteil und auch in den darin zitierten BSG-Urteilen stellte sich der Sachverhalt so dar, dass entweder eine Beiladung/ Hinzuziehung erfolgt war oder der Erstattungsberechtigte selbst Einspruch eingelegt hat. Das war hier nicht der Fall. Da das BFH-Urteil einen anderen Sachverhalt betrifft, finden seine Grundsätze im hier zu beurteilenden Streitfall keine Anwendung.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 139 Abs. 4 FGO nicht erstattungsfähig, da er das Verfahren weder durch einen eigenen Sachvortrag noch durch Rechtsausführungen wesentlich gefördert hat (vgl. BFH-Beschluss vom 10.08.1988 II B 138/87, BStBl. II 1988, 842).

D. Die Revision war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 1. Alt. FGO). Daneben ergibt sich die Zulassung auch aus § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO. Das vorliegende Urteil weicht bezüglich der Beantwortung der Frage, ob ein Asylbewerber für die Dauer seines Anerkennungsverfahrens im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat von den Rechtsgrundsätzen ab, die der BFH in dem Urteil in BStBl. II 1988, 14 aufgestellt hat.

Ende der Entscheidung

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