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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 10.01.2008
Aktenzeichen: 3 K 3229/06
Rechtsgebiete: BewG


Vorschriften:

BewG § 146 Abs. 3
BewG § 146 Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 K 3229/06

In dem Rechtsstreit

Wegen gesonderter Feststellung des Grundstückswertes (betr. Erbengemeinschaft nach A)

hat Richter am Hessischen Finanzgericht als Einzelrichter mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung

am 10. Januar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Bescheid vom 15.01.1999 über die Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 26.06.1997 betreffend einen 7/8-Anteil an dem Grundstück X in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.11.1999 wird dahingehend geändert, dass der Grundbesitzwert auf 188.000 DM (entspricht 96.122,87 €) festgestellt wird. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens haben für die Zeit bis zum 21.11.2006 (erster Verfahrensabschnitt) zu 57 % die Kläger und zu 43 % der Beklagte sowie für die Zeit ab dem 22.11.2006 (zweiter Verfahrensabschnitt) die Kläger zu 17 % und der Beklagte zu 83 % zu tragen. Die während des Verfahrens angefallenen Auslagen werden den beiden Verfahrensabschnitten zu jeweils 50 % zugeordnet.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Der Streitwert wird für den ersten Verfahrensabschnitt auf 6.700 DM (entspricht 33425,66 €) und für den zweiten Verfahrensabschnitt auf 3.500 DM (entspricht 1.789,52 €) festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten bestand zunächst nur Streit über die Frage, aufgrund welchen Quatratmeterwerts die übliche Miete im Rahmen der Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Erbschaftssteuer bei einem selbstgenutzten Einfamilienhaus anzusetzen ist. Nachdem im Laufe des gerichtlichen Verfahrens zu dieser Frage durch das Gericht ein Mietwertgutachten eingeholt worden ist, streiten die Beteiligten auch darüber, welche Wohnfläche für die Ermittlung der üblichen Miete maßgebend ist.

Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger sind die Erben nach Frau A (im Folgenden: Erblasserin). Diese ist verstorben am 26.06.1997. Die Erbanteile der Klägerin zu 1. sowie des Klägers zu 2. betragen jeweils ein Drittel, diejenigen der Kläger zu 3. und zu 4. jeweils ein Sechstel. Zum Nachlass gehörte u. a. ein Bruchteil von 7/8 an dem Grundstücks X .

Auf Anforderung des für die Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamts X führte der Rechtsvorgänger des jetzt beklagten Finanzamts (im Folgenden für beide:

Finanzamt) für das genannte Grundstück ein Verfahren zur Feststellung des Grundbesitzwerts nach §§ 138 ff. des Bewertungsgesetzes (BewG) durch. Da die Kläger trotz einer entsprechenden Aufforderung keine Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts abgaben, ermittelte das Finanzamt die Feststellungsgrundlagen anhand eigener Unterlagen. Auf dieser Grundlage stellte es den Grundbesitzwert für das gesamte Grundstück mit 292.000 DM, den 7/8-Anteil der Erblasserin mit 255.500 DM sowie die einzelnen Anteile der Kläger mit den entsprechenden Werten fest (Bescheid vom 15.01.1999 über die Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 26.06.1997). Zu der Feststellung gab es u. a. folgende Erläuterung: Da das Grundstück selbst genutzt gewesen sei, müsse nach § 146 Abs. 3 BewG die übliche Miete angesetzt werden. Diese betrage - nach nicht näher benannten Vergleichsgrundstücken - 11,50 DM/m². Die Wohnfläche umfasse 151 m² (168 m² laut Einheitswertakte abzüglich eines Abschlags von 10 %). Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch machten die Kläger u. a. geltend, ausweislich verschiedener Vergleichsgrundstücke sowie bestimmter Mietpreisspiegel sei die übliche Miete niedriger als der vom Finanzamt angenommene Wert anzusetzen. Daraufhin minderte das Finanzamt den Grundbesitzwert für das gesamte Grundstück auf 248.000 DM, den 7/8-Anteil der Erblasserin auf 217.000 DM sowie die Anteile der Kläger entsprechend. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es u. a. aus: Anhand der Nachbargrundstücke, die die Kläger als Vergleichsobjekte benannt hätten, sei die übliche Miete mit 8,80 DM/m² anzusetzen. Die von den Klägern benannten Mietpreisspiegel könnten nicht berücksichtigt werden, da sie andere Gemeinden bzw. einen anderen Finanzamtsbezirk beträfen (Einspruchsentscheidung vom 05.11.1999).

Mit der Klage haben die Kläger zunächst geltend gemacht:

Der Grundbesitzwert sei auf der Grundlage des Mietpreisspiegels festzustellen, den das Finanzamt in seinem Bezirk für ertragsteuerliche Zwecke anwende. Dort sei für Gebäude der hier vorliegenden Art eine (monatliche) Spiegelmiete von 6,00 DM/m² ausgewiesen. Die vom Finanzamt ermittelten Vergleichsmieten seien nicht zutreffend. Das Finanzamt hat demgegenüber auf die Einspruchsentscheidung verwiesen. Ergänzend hat es vorgetragen:

Die übliche Miete lasse sich mit hinreichender Verlässlichkeit aus Vergleichsobjekten ableiten. Deshalb sei der Mietpreisspiegel keine geeignete Ermittlungsgrundlage.

Der erkennende Einzelrichter (damals als Berichterstatter des Senats) hat mehrfach versucht, die Beteiligten zu einer Verständigung zu der Frage zu veranlassen, in welcher Weise die übliche Miete für das hier betroffene Grundstück zu ermitteln ist.

Nachdem diese Versuche gescheitert waren, hat der Senat einen Beweisbeschluss erlassen, wonach der Gutachterausschuss des Landkreises L ein Gutachten über die Höhe der üblichen Miete im Sinne des § 146 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) erstellen soll.

Auf der Grundlage dieses Beweisbeschlusses hat der Gutachterausschuss des Landkreises L unter dem Datum vom 04.10.2005 ein sog. Mietwertgutachten erstellt und dies in schriftlicher Form dem Gericht übermittelt. Darin kommt er für das hier betroffene Einfamilienhaus (Wohngebäude einschließlich Garage) zu einem sog. Mietwert von 668,32 € monatlich. Die entsprechende Quadratmetermiete ermittelt er - aufgrund von verschiedenen Ausgangsdaten und Berechnungen zur Anpassung an die vorliegenden Größenverhältnisse - mit 3,66 € (bzw. 7,16 DM). Die Summe der anzusetzenden Wohnflächen gib er mit 182,60 m² an (Anlage 5 des Gutachtens mit der Plandarstellung der angesetzten Flächen sowie den Einzelberechnungen nach Aufmaß).

Bezugnehmen auf die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen machen die Kläger nunmehr geltend:

Die übliche (Monats-) Miete solle - entsprechend den Aussagen des Gutachterausschusses - mit 3,66 €/m² angesetzt werden. Bei der Berechnung der Jahresmiete nach § 146 Abs. 2 und 3 BewG solle jedoch abweichend von den Ermittlungen des Gutachterausschusses als Summe der Wohnflächen der Wert von 164,34 m² zum Ansatz kommen. Der Gutachterausschuss habe es nämlich versäumt, die ermittelte Grundfläche um einen Abschlag von 10 % zu kürzen (Hinweis auf Nr. 8 des Erläuterungstextes betreffend die Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts; Schreiben des Prozessbevollmächtigte der Kläger vom 31.10.2006).

Die Kläger beantragen nunmehr,

den Bescheid vom 15.01.1999 über die Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 26.06.1997 betreffend einen 7/8-Anteil an dem Grundstück X in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.11.1999 dahingehend zu ändern, dass der Grundbesitzwert auf der Grundlage einer "üblichen" Monatsmiete von 3,66 €/m² (bzw. 7,16 DM/m²) und einer Summe der Wohnflächen von 164,34 m² festgestellt wird.

Das Finanzamt beantragt nunmehr sinngemäß,

den Bescheid vom 15.01.1999 über die Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 26.06.1997 betreffend einen 7/8-Anteil an dem Grundstück X in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.11.1999 dahingehend zu ändern, dass der Grundbesitzwert auf der folgender Grundlage festgestellt wird:

 übliche Monatsmieteanzusetzende Wohnfläche
Erdgeschoss 8,80 DM/m² 128 m²
Kellergeschoss 6,80 DM/m² 38 m²

Das Finanzamt vertritt die Auffassung, das vorliegende Gutachten könne für eine Sachentscheidung durch das Gericht nicht verwertet werden. Hierzu trägt es - sinngemäß - Folgendes vor: Gemäß § 146 Abs. 7 BewG treffe den Steuerpflichtigen die Nachweislast für einen geringeren gemeinen Wert. Es genüge daher nicht, dass der Steuerpflichtige die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht beantrage. Weil die Kläger den ihnen obliegenden Nachweis nicht durch ein von ihnen beigebrachtes (Privat-) Gutachten geführt hätten, sei es nicht Sache des Finanzamts, zu dem gerichtlich in Auftrag gegebenen Gutachten inhaltlich Stellung zu beziehen. Nach den Vorgaben des Bewertungsgesetzes bestehe für das vorliegende Gutachten ein "Verwertungsverbot".

Zur Frage der Kostentragung macht das Finanzamt weiter geltend: Die Nachweislast für einen geringeren gemeinen Wert habe zur Folge, dass der Steuerpflichtige selbst die Kosten des "Nachweises" zu tragen habe, und zwar auch dann, wenn er obsiegen sollte. Den Klägern seien daher die Kosten des Sachverständigengutachtens sowie die gesamten Verfahrenskosten gemäß § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuerlegen.

Der erkennende Einzelrichter hat den Vorsitzenden des Gutachterausschusses gebeten, zu der Frage der Ermittlung der anzusetzenden Wohnfläche (Abschlag von 10 %) eine Stellungnahme abzugeben. Dieser hat daraufhin fernmündlich mitgeteilt: Der von den Klägern begehrte Abschlag sei nicht gerechtfertigt, weil der im Erdgeschoss des Hauses liegende Flur ausschließlich von den Wohnungsinhabern selbst genutzt werde. Der Flur habe insofern einen tatsächlichen Nutzwert. Dieser müsse im Mietwert zum Ausdruck kommen (Aktenvermerk vom 11.12.2006).

Die den Streitfall betreffenden Akten waren Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.

1. Der Grundbesitzwert für das hier betroffene Grundstück ist sowohl hinsichtlich des Werts der üblichen Miete als auch hinsichtlich der Summe der anzusetzenden Wohnflächen auf der Grundlage der Feststellungen zu ermitteln, die der Gutachterausschusses des Landkreises L im Auftrag des Gerichts in seinem Gutachten vom 04.10.2005 getroffen hat.

a) Entgegen der Auffassung des Finanzamts sind keine Gründe ersichtlich, die das Gericht daran hindern könnten, die Feststellungen des Gutachterausschusses für die Entscheidung der streitigen Sachfrage zu verwerten. Solche Gründe ergeben sich insbesondere nicht aus irgendwelchen "Vorgaben des Bewertungsgesetzes".

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen.

Hierzu hat es im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren grundsätzlich auf alle verfügbaren Beweismittel (vgl. § 81 FGO) zuzugreifen. Gegenstand der Sachaufklärung sind regelmäßig die Tatsachen, die den abstrakt formulierten Tatbeständen des einschlägigen (Steuer-) Gesetzes zugrunde liegen. Zu den beweisbedürftigen Tatsachen können auch sog. Erfahrungssätze gehören. Verfügt das Gericht für die Feststellung der insoweit maßgebenden Erfahrungssätze nicht über die notwendige Sachkunde, hat es ein geeignetes Sachverständigengutachten einzuholen. Der beauftragte Sachverständige (Beweismittel im Sinne des § 81 Abs. 1 FGO) hat dem Gericht die Kenntnis von Erfahrungssätzen aus seinem Wissensgebiet zu vermitteln und diese Erfahrungssätze ggf. auf einen feststehenden Sachverhalt anzuwenden (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Tz. 20 f., § 81 Tz. 6 f., § 82 Tz. 55 ff., jew. m. w. N.).

Die genannten Verfahrensgrundsätze gelten im Grundsatz auch für die Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Erbschaftsteuer nach § 138 Abs. 1 und 3 BewG.

Hiernach sind für wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens bestimmte Grundstückswerte abweichend von § 9 BewG (Grundsatz des gemeinen Werts) mit einem typisierenden Wert aufgrund weiterer Vorschriften zu ermitteln. Für ein Einfamilienhausgrundstück ist der (Grundbesitz-) Wert nach § 146 Abs. 2 BewG vorrangig in der Weise zu ermitteln, dass die sog. Jahresmiete (Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift), die im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt "erzielt" worden ist, um den Faktor 12,5 vervielfacht, sodann der sich hiernach ergebende Betrag wegen der Alterung des Gebäudes um einen bestimmten Abschlag (Absatz 4 der Vorschrift) gemindert und schließlich der so ermittelte Wert um einen Zuschlag von 20 % (Abs. 5 der Vorschrift) erhöht wird. Ist das (bebaute) Grundstück während des vorgenannten Dreijahreszeitraums - wie im Streitfall - von dem Eigentümer selbst genutzt worden, tritt nach § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG an die Stelle der tatsächlich "erzielten" Jahresmiete die sog. übliche Miete. Übliche Miete ist die Miete, die für nach Lage, Art, Größe, Ausstattung und Alter vergleichbare, nicht preisgebundene Grundstücke von fremden Mietern bezahlt wird (Abs. 3 Satz 2 der Vorschrift). In welcher Weise die übliche Miete zu ermitteln ist, gibt das Gesetz nicht vor. Nach den Gesetzgebungsmaterialien sollen vorrangig sog. Vergleichsmieten herangezogen werden. In Betracht kommen aber auch sog. Mietspiegel oder eigene Erfahrungswerte der Finanzverwaltung. Kann die Ermittlung der üblichen Miete nicht in der vorgenannte Weise vorgenommen werden oder können sich der betroffene Steuerpflichtige und das zuständige Finanzamt nicht auf einen bestimmten Wert verständigen, verbleibt noch die Möglichkeit, ein sog. Mietwertgutachten heranzuziehen (vgl. Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz/ Erbschaftssteuergesetz, § 146 Rdnr. 232 ff., Rdnr. 247; ebenso die Finanzverwaltung in R 172 Abs. 1 der Erbschaftsteuerrichtlinien, ErbStR). Im außergerichtlichen Verfahren kann dies ein Gutachten sein, das der Steuerpflichtige selbst in Auftrag gegeben hat. Im gerichtlichen Verfahren ist es, wie dargelegt, vorrangig Sache des Gerichts, die in Bezug auf die Ermittlung der üblichen Miete strittigen Tatsachenfragen ggf. durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären. Denn die Merkmale, die das Gesetz im Hinblick auf die Vergleichbarkeit anderer Grundstücke vorgibt, beziehen sich auf tatsächliche Verhältnisse, die sich in bestimmten Fällen einer Sachklärung in dem sonst üblichen Verfahren (Beurteilung aufgrund eigener Sachkunde des Gerichts, Vorlage von Urkunden, Befragung von Zeugen) entziehen. Häufig wird eine nähere Klärung der Vergleichbarkeitsmerkmale schon deshalb nicht möglich sein, weil die Eigentümer bzw. Nutzer von Vergleichsgrundstücken sich auf das Steuergeheimnis (§ 30 der Abgabenordnung, AO) berufen können.

Die oben dargelegten Grundsätze (über die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht) gelten allerdings nicht, wenn der Steuerpflichtige geltend macht, der Grundbesitzwert für ein bebautes Grundstück sei - abweichend von den Regeln des § 146 Abs. 2 bis 5 BewG - nach der Ausnahmeregel des § 146 Abs. 7 BewG festzustellen. Nach dieser Vorschrift ist ein niedrigerer Grundbesitzwert festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks (§ 9 BewG) niedriger als der nach den vorgenannten Grundregeln ermittelte Wert ist.

Für diesen Fall bürdet das Gesetz dem Steuerpflichtigen die sog. Nachweislast für das Vorliegen eines niedrigeren Grundstückswerts auf. Legt der Steuerpflichtige in einem solchen Fall ein Sachverständigengutachten zum Nachweis vor, so handelt es sich um substantiiertes, urkundlich belegtes Parteivorbringen in der Form eines sog. Privatgutachtens, das gemäß § 96 Abs. 1 FGO der freien Beweiswürdigung durch das Gericht unterliegt (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.2004 II R 69/01, BStBl II 2005, 259; BFHBeschluss vom 14.12.2006 II B 53/06, BFH/NV 2007, 403). Besteht hingegen zwischen Steuerpflichtigem und Finanzamt Streit über die Anwendung der Regeln des § 146 Abs. 2 bis 5 BewG, gelten die allgemeinen Regeln der Sachaufklärung nach § 76 Abs. 1 Satz 1, §§ 81 und 82 FGO und den danach sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO).

Im vorliegenden Fall geht es nicht um den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nach § 146 Abs. 7 BewG. Vielmehr streiten die Beteiligten um die Frage, in welcher Weise die übliche Miete nach § 146 Abs. 3 BewG zu ermitteln ist. Die Kläger haben hierzu im Klageverfahren zunächst die Auffassung vertreten, es seien die Werte heranzuziehen, die sich aus dem Mietspiegel ergeben, die das Finanzamt in seinem Bezirk für ertragsteuerliche Zwecke verwendet. Demgegenüber ist das Finanzamt - nach wie vor - der Meinung, die Kläger müssten sich an den Vergleichsmieten festhalten lassen, die sie im außergerichtlichen Verfahren zunächst angegeben hatten, der Mietspiegel sei demgegenüber keine geeignete Grundlage, weil das hier betroffene Grundstück nicht mit den dort erfassten Grundstücken vergleichbar sei. Das Gericht sieht sich außer Stande, die vorgenannten Streitfragen aufgrund eigener Wahrnehmung zu klären. Zum einen fehlt ihm die Sachkunde hinsichtlich der Frage, ob es entsprechenden den Vorgaben des § 146 Abs. 3 Satz 2 BewG geeignete Vergleichsobjekte für die Ermittlung der üblichen Miete im Streitfall gibt. Zum anderen ist es kaum möglich, die von den Beteiligten konkret diskutierten Vergleichsobjekte auf die gesetzlich vorgegebenen Merkmale hin zu überprüfen, ohne die rechtlichen Belange anderer Personen zu beeinträchtigen, insbesondere im Hinblick auf das Steuergeheimnis. Um diesen Schwierigkeiten in der Sachverhaltsermittlung zu begegnen, hat das Gericht den Gutachterausschuss des Landkreises L damit beauftragt, ein Gutachten über die Höhe der üblichen Miete zu erstellen. Den Vorschlag für Auftragserteilung an den Gutachterausschuss hat im Übrigen das Finanzamt gemacht.

b) Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass bei der Ermittlung der üblichen Miete der auf den Quadratmeter und den Monat bezogene Wert abweichend von den Feststellungen des Gutachterausschusses zu ermitteln wäre. Solche ergeben sich insbesondere nicht aus dem Vorbringen des Finanzamts.

Nach seiner abschließenden Stellungnahme hält das Finanzamt eine Monatsmiete von 8,80 DM/m² (für das Erdgeschoss) bzw. von 6,80 DM/m² (für das Kellergeschoss) als zutreffende Grundlage für die Ermittlung der üblichen Miete. Eine Begründung hierzu gibt es nicht ab. Es verweist lediglich auf entsprechende Vorschläge, die es den Klägern im Laufe des Klageverfahrens gemacht hat. Inhaltlich orientiert es sich dabei offenkundig an Äußerungen, die die Kläger im außergerichtlichen Verfahren gemacht haben. Diese hatten damals verschiedene Vergleichswerte zwischen 8,00 DM/m² und 9,00 DM/m² für die Erdgeschossräume sowie einen entsprechenden Wert von 6,80 DM/m² für die Kellergeschossräume genannt.

Der Gutachterausschuss hat die tatsächlichen Grundlagen seiner Wertermittlung im Einzelnen und mit der gebotenen Ausführlichkeit dargelegt. Dabei hat er die jeweiligen Ermittlungsschritte in sich schlüssig und in einer ohne weiteres nachvollziehbaren Weise dargelegt. Das Gericht sieht insoweit keinen Grund, das in dem Gutachten gefundene Ermittlungsergebnis in Zweifel zu ziehen.

c) Schließlich besteht auch kein Anlass, hinsichtlich der Summe der anzusetzenden Wohnflächen von den Feststellungen des Gutachterausschusses abzuweichen. Dies gilt auch in Bezug auf den Einwand der Kläger, von der ermittelten Grundfläche müsse ein Abschlag von 10 % vorgenommen werden.

Der Gutachterausschuss hat die einzelnen Wohnflächen auf der Grundlage der ihm vorgelegten Bauzeichnungen sowie des vor Ort durchgeführten Aufmaßes ermittelt (Abschn. 3.4 des Gutachtens). Die Ermittlungsergebnisse hat er - bezogen auf jede einzelne Raumeinheit - in einer zahlenmäßigen Übersicht sowie in einer farblichen Nachbearbeitung der Planzeichnung dargestellt (Anlage 5 des Gutachtens). Das Gericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Aufstellungen. Diesbezügliche Einwendungen sind dem Vorbringen der Beteiligten auch nicht zu entnehmen. Zwar ist das Finanzamt in den Berechnungen, die es seiner abschließenden Stellungnahme zugrunde gelegt hat, von geringfügig höheren Flächengrößen ausgegangen. Eine Begründung hierfür hat es jedoch nicht abgegeben.

Die Gründe, die der Vorsitzende des Gutachterausschusses zu der Frage eines Abschlags von 10 % der ermittelten Wohnfläche dem Gericht gegenüber dargelegt hat, erscheinen sachlich gerechtfertigt. So ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Flur, der im Erdgeschoss des hier betroffenen Einfamilienhauses liegt, für die Nutzer einen nicht unerheblichen Wohnwert hat. Bestätigt wird diese Annahme durch die vom Gutachterausschuss ausgewertete Planzeichnung. Danach stellt sich der Flur als eine Art Diele dar, die nicht nur die Funktion einer Verkehrsfläche hat.

Der Auffassung des Gutachterausschusses, dass ein Abschlag von 10 % nicht gerechtfertigt ist, stehen die Bestimmungen der Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (Zweite Berechnungsverordnung, II. BVO) nicht entgegen. Nach R 173 Abs. 1 Satz 1 ErbStR soll die anzusetzende Wohnfläche (für Stichtage vor dem 01.01.2004) in der Regel nach §§ 42 bis 44 II.

BVO ermittelt werden. Dies erscheint sachgerecht, zumal das Gesetz selbst in einem anderen Zusammenhang auf eine Regelung der Zweiten Berechnungsverordnung verweist (s. § 146 Abs. 2 Satz 2 BewG). Als nicht zwingend ist demgegenüber die Rechtsfolge anzusehen, die die Finanzverwaltung (für Stichtage vor dem 01.01.2004) aus dieser Regelung ableitet. Nach der Auffassung der Finanzverwaltung soll bei Einfamilienhäusern die ermittelte Gesamtwohnfläche stets um 10 % gemindert werden (so insbesondere H 173 des Amtlichen Erbschaftsteuerhandbuches 2003, ErbStH; zu den Vorgängerregelungen der Finanzverwaltung sowie den weiteren Einzelheiten: vgl. Gürschin/Stenger, a. a. O., § 146 BewG Rdnr. 250 ff.). In § 44 Abs. 3 Nr. 1 II. BVO ist jedoch bestimmt, dass bei einem Wohngebäude mit nur einer Wohnung 10 % der ermittelten Wohnfläche abgezogen werden "können". Allein die Formulierung "können" (im Gegensatz zu "müssen") hält das Gericht für maßgeblich. An Verwaltungsanweisungen, die - wie hier H 173 ErbStH - die Vorschrift in einer anderen Weise auslegen, sieht es sich nicht gebunden (vgl. zum Fehlen einer Außenwirkung bei norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften: Tipke/Kruse, a. a. O., § 4 Tz. 84 f.). Bestätigt fühlt es sich im Übrigen durch die weitere Rechtsentwicklung. Denn ab dem 01.01.2004 gilt anstelle der II. BVO die Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche (Wohnflächenverordnung, WoFlV). Dort ist die Kürzung der ermittelten Wohnfläche um einen der Regelung in § 44 Abs. 3 II. BVO entsprechenden Abschlag nicht mehr vorgesehen (vgl. § 4 WoFlV; zu den Einzelheiten: vgl. Gürsching/Stenger, a. a. O., § 146 BewG Rdnr. 266.1).

d) Der festzustellende Grundbesitzwert errechnet sich wie folgt:

 Durchschnittliche Miete 
übliche Miete (182,6 m² x 7,16 DM x 12 = 15.688,99 = gerundet 15.689 DM
erstes bis drittes Jahr 
vor dem Besteuerungszeitpunkt 47.067 DM
davon 1/3 15.689 DM
Ausgangswert 
Durchschnittliche Miete x Vervielfältiger 12,5 = 196.113 DM
Alterswertminderung 
Baujahr 1980, 0,5 v.H. über 17 Jahre, Abschlag somit 8,5 v.H. = 16.670 DM
Gekürzter Ausgangswert179.443 DM
Zuschlag für Wohngrundstücke mit nicht mehr als zwei Wohnungen 
(20 v.H. des gekürzten Ausgangswerts) = 35.889 DM
Summe / Gebäudewert / Grundstückswert 215.332 DM
Anteil 7/8 188.416 DM
abgerundet auf volle tausendDM 188.000 DM

2. Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO in dem Verhältnis zwischen den Beteiligten aufzuteilen, zu dem sie mit ihren Sachanträgen jeweils obsiegt haben und unterlegen geblieben sind. Dabei war die Kostenentscheidung auf zwei unterschiedliche Verfahrensabschnitte zu beziehen. Denn dadurch, dass die Beteiligten im Anschluss an die Bekanntgabe des vom Gutachterausschuss erstellten Mietwertgutachtens ihre Sachanträge umgestellt haben (s. Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 31.10.2006 sowie Schreiben des Finanzamts vom 21.11.2006), hat sich der Streitgegenstand verändert (vgl. zur Aufteilung der Kosten nach Verfahrensabschnitten: Brandis in Tipke/Kruse, a. a. O., § 136 FGO Tz. 4 m. w. N.). Außerdem waren im Rahmen der Kostenentscheidung die Auslagen, die durch die Einholung des vorgenannten Gutachtens angefallen sind, nach Ermessen des Gerichts jedem der beiden Verfahrensabschnitte zu jeweils 50 % zuzuordnen.

Eine Entscheidung, den Klägern gemäß § 137 FGO die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen, kommt nicht in Betracht. Voraussetzung für eine solche Entscheidung wäre es, dass die Kläger es pflichtwidrig versäumt hätten, rechtzeitig irgendwelche Tatsachenangaben zu machen (Satz 1 der Vorschrift), oder dass sie durch ihr Verhalten schuldhaft irgendwelche Kosten verursacht hätten (Satz 2 der Vorschrift). Derartige Verhaltensweisen sind den Klägern nicht vorzuwerfen. Dadurch, dass sie dem Vorschlag des Finanzamts, für das Grundstück gemäß § 146 Abs. 7 BewG ein Sachverständigengutachten zum Nachweis eines geringeren gemeinen Werts vorzulegen, nicht gefolgt sind, haben sie sich lediglich auf das für jedes streitige Gerichtsverfahren typische Kostenrisiko eingelassen. Eine (gesetzliche) Verpflichtung, den Nachweis entsprechend den Vorgaben des Finanzamts zu führen, bestand für die Kläger jedenfalls nicht.

Für die Auslagen, die durch die Beauftragung des Gutachterausschusses angefallen sind, gilt nichts anderes. Denn diese gehören wie die Gerichtsgebühren zu den allgemeinen Verfahrenskosten. Die Kläger wären nur dann mit den Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens belastet gewesen, wenn sie selbst einen entsprechenden Auftrag erteilt hätten. Nur dann hätte es sich um ein Privatgutachten im Sinne der Nachweispflicht nach § 146 Abs. 7 BewG gehandelt. Wird jedoch - wie hier im Streitfall - vom Gericht ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der üblichen Miete nach § 146 Abs. 3 BewG in Auftrag gegeben, dann werden mit den entsprechenden Kosten die Verfahrensbeteiligte grundsätzlich nur insoweit belastet, als sie nach der Sachentscheidung des Gerichts unterlegen geblieben sind (ebenso: Gürsching/ Stenger, a. a. O., § 146 BewG Rdnr. 248).

Die Kostenquoten errechnen sich für die beiden Verfahrensabschnitte wie folgt:

1. Verfahrensabschnitt

 7/8 AnteilGrundbesitzwert
bisher lt. Einspruchsentscheidung 248.000 DM 217.000 DM
lt. Antrag 1) Kläger 171.617 DM 150.000 DM
begehrte Minderung 76.383 DM 67.000 DM

x Pauschsatz 10 v.H. Streitwert 6.700 DM

Grundbesitzwert

 bisher lt. Einspruchsentscheidung 248.000 DM 217.000 DM
lt. Urteil 215.332 DM 188.000 DM
Minderung lt. Urteil 32.668 DM 29.000 DM

Quote

Klage erfolgreich zu 29.000 x 100 = 43,28 %, ger. 43 % 67.000

Kosten Kläger zu 57 %

Kosten Beklagter zu 43 %

2. Verfahrensabschnitt

 7/8 AnteilGrundbesitzwert
lt. Antrag Beklagter (Schriftsatz vom 21.11.2006) 234.000 DM 204.000 DM (abgerundet auf volle tausend DM)
lt. Antrag 2) Kläger 193.796 DM 169.000 DM (abgerundet auf volle tausend DM)
Differenz 40.204 DM 35.000 DM

x Pauschsatz 10 v.H. Streitwert 3.500 DM

 7/8 AnteilGrundbesitzwert
Minderung lt. Urteil 32.668 DM 29.000 DM

Quote

Klage erfolgreich zu 29.000 x 100 = 82,86 %, ger. 83 % 35.000

Kosten Kläger zu 17 %

Kosten Beklagter zu 83 %

Das Gericht hält es für angemessen, die vorstehend ermittelten Kostenquoten anteilmäßig auch auf die angefallenen Auslagen, und zwar insbesondere auf die Kosten für die Einholung des sog. Mietwertgutachtens, zu beziehen und dabei auch zwischen zwei Verfahrensabschnitten zu unterscheiden. Denn die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen haben sich im Laufe des Verfahrens in unterschiedlicher Weise ausgewirkt:

Die Kläger sind in ihrem neuen Sachantrag den Ergebnissen des Gutachtens weitgehend gefolgt. Hiervon abgewichen sind sie lediglich in Bezug auf den Ansatz eines Abschlags bei der Ermittlung der Wohnfläche. Auch nur insoweit sind sie im zweiten Verfahrensabschnitt unterlegen geblieben. Demgegenüber hat das Finanzamt die Verwertung der gutachterlichen Feststellungen insgesamt abgelehnt und seinen neuen Sachantrag auf eigene Wertermittlungen gestützt. Mit diesem Sachantrag ist es im zweiten Verfahrensabschnitt zum überwiegenden Teil unterlegen geblieben. Es erscheint daher sachgerecht, für die durch das Gutachten entstandenen Auslagen ebenfalls die Grundsätze über die zeitabschnittsbezogenen Aufteilung der Verfahrenskosten anzuwenden. Das Gericht schätzt die Anteile der den beiden Verfahrensabschnitte zuzuordnenden Auslagen auf jeweils 50 % des Gesamtbetrags.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 und § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

4. Der Streitwert war gemäß § 25 Abs. 2 des Gerichtkostengesetzes in der bis 30.06.2004 gültigen Fassung (GKG a. F.) durch das Gericht festzusetzen, weil dies angesichts der Besonderheiten in den Sachanträgen der Beteiligten als angemessen erscheint. Das Gericht hält es im Rahmen dieser Entscheidung für angemessen, die Höhe des Streitwerts für jeden der einzelnen Verfahrensabschnitte gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. mit 10 % der jeweiligen Wertdifferenz zu bestimmen, die sich aus den entsprechenden Sachanträgen der Beteiligten ergibt (vgl. zur Bestimmung des Streitwerts bei Streitigkeiten über die Höhe des Grundbesitzwerts nach §§ 138 ff. BewG: BFH-Beschluss vom 11.01.2006 II E 3/05, BStBl II 2006, 333). Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die Aufstellung in dem vorstehenden Abschn. 2 verwiesen.

Ende der Entscheidung

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