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Gericht: Finanzgericht Hessen
Beschluss verkündet am 25.06.2007
Aktenzeichen: 3 V 1228/06
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977, BGB


Vorschriften:

FGO § 42
FGO § 44 Abs. 1
AO 1977 § 351 Abs. 2
AO 1977 § 357 Abs. 3 S. 1
BGB § 133
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT BESCHLUSS Geschäftsnummer: 3 V 1228/06

In dem Rechtsstreit

wegen Aussetzung der Vollziehung des Einheitswertbescheides und des Grundsteuermessbescheides auf den 01.01.2001

hat der Einzelrichter des 3. Senats des Hessischen Finanzgerichts am 25. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I. Die Antragsteller machen im Wesentlichen geltend, der Antragsgegner (das Finanzamt) sei nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert gewesen, für ein ihnen gehörendes Grundstück eine "Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags" durchzuführen. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit notariellem Vertrag vom xx.08.1989 erwarben die Antragsteller das bebaute Grundstück Flur ... Flurstück ... in der Gemarkung ... (Lagebezeichnung: ...). Seit Oktober 1989 nutzen sie das auf dem Grundstück stehende Einfamilienhaus zu eigenen Wohnzwecken. Im Jahre 1990 hat der Antragsteller zu 1. in einem Teil der Räume eine Rechtsanwaltskanzlei eingerichtet.

Wegen der Änderung der Eigentumsverhältnisse führte das Finanzamt im Rahmen der Einheitswertfeststellung eine Zurechnungsfortschreibung auf den 01.01.1990 durch (Bescheid vom 09.01.1992). Den bisher festgestellten Einheitswert in Höhe von ... DM ließ es dabei unverändert.

Im Juli 2005 erhielt die Bewertungsstelle des hier beteiligten Finanzamts vom Finanzamt T eine Anfrage über die bauliche Gestaltung des von den Antragstellern genutzten Einfamilienhauses. Hintergrund der Anfrage waren ... .

Die Bewertungsstelle des Finanzamts nahm die Anfrage des Finanzamts T zum Anlass, bei der zuständigen Veranlagungsstelle des Finanzamts Erkundigungen zu den Angaben einzuholen, die die Antragsteller bisher in ihren Einkommensteuererklärungen in Bezug auf die Nutzung des Einfamilienhauses gemacht hatten. Dabei wurde offenkundig, dass die Angaben über die maßgebenden Wohn- und Nutzflächen, die der bisherigen Feststellung des Einheitswerts zugrunde gelegt worden waren, nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen zum damaligen Zeitpunkt überstimmen konnten. Deshalb forderte das Finanzamt die Antragsteller auf, anhand eines beigefügten Vordrucks eine neue Wohnflächenberechnung zu erstellen. Die Antragsteller kamen dieser Aufforderung nach. Dabei listeten sie für alle Räume des Hauses die entsprechenden Längen- und Breitenmaße auf.

Das Finanzamt ließ daraufhin unter dem Datum vom 10.11.2005 maschinengesteuert in zusammenfassender Ausfertigung einen Einheitswertbescheid zur Wertfortschreibung auf den 01.01.2001 sowie einen Grundsteuermessbescheid zur Neuveranlagung auf den 01.01.2001. Die Feststellung des Einheitswerts lautete auf ... € bzw. ... DM ( = Erhöhung ) (statt bisher auf ... € bzw. ... DM). Die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags lautete auf ... € bzw. ... DM ( = Erhöhung ) (statt bisher auf ... € bzw. ... DM). Dem Feststellungs- bzw. Festsetzungsteil waren Erläuterungen über die "Ermittlung des Einheitswerts" und die "Berechnung des Grundsteuermessbetrages" beigefügt. Die einzelnen Teile des Bescheids (Überschrift, Feststellung bzw. Festsetzung und Erläuterung) waren bzgl. Einheitswert mit dem Buchstaben "A" und bzgl. Grundsteuermessbetrag mit dem Buchstaben "B" gekennzeichnet.

Der maschinell erstellten Bescheidausfertigung fügte das Finanzamt eine Anlage bei, in der - individuell formuliert - folgender Text enthalten war: "Dieser Wertfortschreibung liegen die im Schreiben vom ... mitgeteilten Flächen zugrunde..."

Auf der Rückseite des maschinellen Bescheidausdrucks waren eine "Rechtsbehelfsbelehrung" sowie ein "Wichtiger Hinweis" betreffend "Grundlagenbescheid", "Einheitswertbescheid" und "Erhebung der Grundsteuer" abgedruckt. Unter der Überschrift "Einheitswertsbescheid" war u. a. ausgeführt: "Bescheide über einheitswertabhängige Steuern ... können nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die in dem Einheitswertbescheid getroffenen Feststellungen unzutreffend seien. Einwendungen gegen diese Feststellungen können nur durch Einspruch gegen den Einheitswertbescheid geltend gemacht werden..."

Der Antragsteller zu 1. legte mit Schreiben vom 30.11.2005 im eigenen Namen wie auch im Namen der Antragstellerin zu 2. "gegen den Grundsteuermessbescheid" Einspruch ein. In dem Schreiben bezeichnete er sich sowohl im Briefkopf als auch in der Unterschrift als Rechtsanwalt. Er stellte den Antrag, "den Grundsteuermessbescheid ersatzlos aufzuheben". Hilfsweise beantragte er das Ruhen des Verfahrens. Zur Begründung des Hauptantrags führte er aus: Die Neuveranlagung sei rechtsmissbräuchlich und verstoße gegen Treu und Glauben. Sie, die Antragsteller, hätten dem Finanzamt bereits im Jahre 2000 mitgeteilt, dass auf dem hier betroffenen Grundstück eine Rechtsanwaltskanzlei eingerichtet worden sei. Damit seien sie ihren steuerlichen Erklärungspflichten nachgekommen. Demgegenüber sei das Finanzamt in Bezug auf die hier betroffenen Feststellungen untätig geblieben. Zur Begründung des Hilfsantrags führte der Antragsteller zu 2. aus: Die Frage, ob die Erhebung von Grundsteuer auf selbstgenutztes Wohneigentum mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 des Grundgesetzes (GG) vereinbar sei, werde derzeit vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geprüft. Auch im Streitfall komme es auf diese Frage an.

Das Finanzamt wies den Einspruch "wegen Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags auf den 01.01.2001" als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es u. a. aus: Sowohl für die Fortschreibung des Einheitswerts als auch für die Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags seien die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben gewesen. Diese ergäben sich zum einen aus § 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) und zum anderen aus § 17 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG). Die nach § 22 Abs. 1 BewG maßgebenden Wertgrenzen seien überschritten gewesen. Auch seien die Vorschriften über die hier einschlägige Feststellungsfrist eingehalten worden. Die von den Antragstellern erhobenen Vorwürfe des Rechtsmissbrauchs und des Verstoßes gegen Treu und Glauben seien nicht gerechtfertigt (Einspruchsentscheidung vom 12.04.2006).

Mit Schreiben vom 26.04.2006 haben die Antragsteller Klage erhoben "wegen Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrages auf den 01.01.2001". Hierzu haben sie mitgeteilt, die Klage richte sich "gegen den Einheitswertbescheid und den Grundsteuermessbescheid vom 10.11.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 13.04.2006". Die Klage ist bei dem beschließenden Senat unter der Geschäftsnummer 3 K 1229/06 anhängig.

Ebenfalls mit Schreiben vom 26.04.2006 haben die Antragsteller bei Gericht einen "Antrag auf Aussetzung der Vollziehung" gestellt "wegen ... Einheitswertbescheid und Grundsteuermessbescheid auf den 01.01.2001". Sie machen weiterhin geltend, "die rückwirkend vorgenommene Neuveranlagung auf den 01.01.2001" sei rechtsmissbräuchlich und verstoße gegen Treu und Glauben.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

die Bescheide vom 10.11.2005 zum Einheitswert (Wertfortschreibung auf den 01.01.2001) und zum Grundsteuermessbetrag (Neuveranlagung auf den 01.01.2001) von der Vollziehung auszusetzen.

Das Finanzamt beantragt, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

II. Der Antrag ist unbegründet.

1. Die Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung liegen nicht vor.

Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Ernstliche Zweifel in dem vorgenannten Sinne sind gegeben, wenn bei der - überschlägigen - Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit und Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Zur Prüfung, ob in diesem Sinne ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen, kommt es allerdings nicht mehr, wenn der Verwaltungsakt bestandskräftig geworden oder wenn der gegen den Verwaltungsakt gerichtete Rechtsbehelf unzulässig ist. Dann kann Aussetzung der Vollziehung nicht gewährt werden (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 69 FGO Anm. 86 und 98 m. w. N.).

Im Streitfall können die Einwendungen, mit denen die Antragsteller den vorliegenden Antrag wie auch die von ihnen erhobene Klage begründen, der Sache nach nicht geprüft werden.

a) Die Antragsteller hätten die im Einspruchsverfahren geltend gemachten Einwendungen gegen den Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts richten müssen.

Nach § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) können Entscheidungen, die in einem Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO getroffen worden sind, nur durch die Anfechtung dieses Bescheids angegriffen werden; eine Anfechtung des Folgebescheids ist insoweit ausgeschlossen. Ein Grundlagenbescheid ist nach der Definition des § 171 Abs. 10 AO dadurch gekennzeichnet, dass er - in der Form eines Feststellungsbescheids, eines Steuermessbescheids oder eines anderen Verwaltungsakts - für die Festsetzung einer Steuer bindend ist. Feststellungsbescheide sind nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für andere Feststellungsbescheide, für Steuermessbescheide, für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen (Folgebescheide) bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind.

Eine Bindungswirkung der vorgenannten Art besteht insbesondere zwischen einem Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts und einem Bescheid über die Festsetzung eines Grundsteuermessbetrags, soweit in beiden Bescheiden dasselbe Grundstück und der derselbe Stichtag betroffen sind. Dies ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 des Grundsteuergesetzes (GrStG). Nach dieser Vorschrift ist der für die Berechnung der Grundsteuer maßgebende Steuermessbetrag durch Anwendung einer bestimmten Steuermesszahl auf den Einheitswert zu ermitteln, der nach dem Bewertungsgesetz im Veranlagungszeitpunkt für den Besteuerungsgegenstand maßgebend ist.

Die vorgenannte Bindungswirkung gilt gerade auch für den Fall, dass für den Einheitswert neue Feststellungen getroffen werden. Dies ergibt sich aus § 17 Abs. 1 GrStG. Wird gemäß § 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) eine Wertfortschreibung durchgeführt, so wird nach der genannten Vorschrift der Grundsteuermessbetrag auf den Fortschreibungszeitpunkt neu festgesetzt (Neuveranlagung). So kann beispielsweise die gegen einen Grundsteuermessbescheid gerichtete Anfechtungsklage nicht auf das Vorbringen gestützt werden, der der Festsetzung des Grundsteuermessbetrags zugrunde gelegte Einheitswert sei zu hoch (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 04.08.2005 II B 40/05, BFH/NV 2005, 1983).

Im Streitfall verhält es sich entsprechend. Das Finanzamt ist, wie in der Einspruchsentscheidung dargelegt, davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Fortschreibung des Einheitswerts gemäß § 22 BewG auf den hier betroffenen Stichtag (01.01.2001) vorgelegen haben. Damit hat es - incidenter - die Entscheidung getroffen, dass übergeordnete Grundsätze, wie etwa der Grundsatz von Treu und Glauben, der Fortschreibung des Einheitswerts nicht entgegenstehen. Die sich hieraus ergebende Rechtsfolgenregelung ist im Einheitswertbescheid als Grundlagenbescheid enthalten. Aus dem Grundsteuermessbescheid als Folgebescheid ergibt sich lediglich die gesetzlich vorgeschriebene Folgeregelung.

b) Tatsächlich haben die Antragsteller ihren Einspruch nur gegen den Grundsteuersteuermessbetragsbescheid, nicht jedoch gegen den Einheitswertbescheid gerichtet. Dies ergibt sich aus einer den allgemeinen Regeln entsprechenden Auslegung des Einspruchsschreibens vom 30.11.2005. Eine Umdeutung dahingehend, dass sich der Einspruch sowohl auf den Einheitswertbescheid als auch auf den Grundsteuermessbetragsbescheid beziehen sollte, kommt nicht in Betracht.

Nach § 357 Abs. 3 Satz 1 AO soll bei der Einlegung des Einspruchs der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den der Einspruch gerichtet ist. Eine genaue und konkrete Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts ist dabei zwar nicht erforderlich. Der betroffene Verwaltungsakt muss sich aber aus der Einspruchsschrift in der Weise ergeben, dass er sich entweder durch Auslegung ermitteln lässt oder dass Zweifel oder Unklarheiten am Gewollten durch Rückfragen beseitigt werden. Bei der Auslegung eines Einspruchs können in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) grundsätzlich auch außerhalb der Erklärung liegende Umstände berücksichtigt werden. Allerdings darf die Auslegung nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte finden lassen. Ein Einspruch, der nach Inhalt und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat, ist nicht auslegungsbedürftig (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 28.11.2001 I R 93/00, BFH/NV 2002, 152 m. w. N.).

Die vorstehenden Auslegungsgrundsätze gelten auch für den Fall, dass mehrere Verwaltungsakte in einer Bescheidausfertigung enthalten sind. Eine solche Mehrheit von Verwaltungsakten findet sich häufig in Einheitswertbescheiden. Diese können beispielsweise - in Form von jeweils selbständigen Feststellungen - eine Wertfortschreibung, eine Zurechnungsfortschreibung und/oder Artfortschreibung enthalten. Wendet sich der Steuerpflichtige mit seinem Einspruch gegen die Höhe des festgestellten Einheitswerts, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass damit die Entscheidung des Finanzamts über die Grundstücksart angegriffen ist (vgl. BFH-Urteile vom 10.05.1989 II R 196/85, BStBl II 1989, 822, und vom 06.03.1991 II R 152/88, BFH/NV 1991, 726).

Soweit nach den vorstehenden Grundsätzen eine Prozesserklärung nicht mehr der Auslegung fähig ist, können u. U. die Regeln der Umdeutung eingreifen. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, der Rechtsmittelführer habe das Rechtsmittel einlegen wollen, das zu dem erkennbar von ihm erstrebten Erfolg führt. Unter diesem Gesichtspunkt dürfen prozessuale Erklärungen in die jeweils geeignete Rechtsmittelerklärung umgedeutet werden. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Eine Umdeutung ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn die betreffende Prozesserklärung von einer rechtskundigen Person abgegeben worden ist. Bei diesen Personen muss davon ausgegangen werden, dass sie sich über die rechtliche Tragweite ihrer Erklärungen im Klaren sind und dass insoweit eine Rückfrage durch die Behörde bzw. das Gericht nicht erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil 29.07.1986 IX R 123/82, BFH/NV 1987, 359). Nach Auffassung des Senats kommt eine Umdeutung bei einer rechtskundigen Person erst recht nicht in Betracht, wenn die Behörde in der angegriffenen Entscheidung auf die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsbehelfsverfahrens hingewiesen hat.

Der Antragsteller zu 1. hat in seinem Schreiben vom 30.11.2005 als Gegenstand des Einspruchs ausdrücklich den "Grundsteuermessbescheid" genannt. Des Weiteren hat er den (Haupt-) Antrag gestellt, "den Grundsteuermessbescheid ersatzlos aufzuheben". Zu dessen Begründung hat er zum Ausdruck gebracht, die "Neuveranlagung" sei rechtsmissbräuchlich. An keiner Stelle seines Schreibens hat er die Begriffe erwähnt, die mit dem "Einheitswertbescheid" bzw. der "Wertfortschreibung auf den 01.01.2001" oder mit den Erläuterungen zur "Ermittlung des Einheitswerts" in Verbindung gebracht werden könnten. In der Begründung des Hilfsantrags ("Ruhen des Verfahrens") hat er sich ausdrücklich auf die Bedenken gegen die "Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer" bezogen.

Dem Antragsteller zu 1. musste klar sein, dass die hier zu beurteilenden Einwendungen nur auf den "Einheitswertbescheid" bezogen werden konnten, und zwar aus mehreren Gründen: Auf der Rückseite des Bescheids war unter der Überschrift "Wichtiger Hinweis" deutlich angegeben, dass in Bezug auf den "Einheitswertbescheid" die oben unter Abschn. a) näher dargelegten Besonderheiten zu beachten sind. Im Text der Bescheidausfertigung war, insbesondere durch die Kennzeichnung mit den Buchstaben "A" und "B", deutlich hervorgehoben, dass es hier um zwei selbständige Regelungen geht. Im Übrigen bestand für das Finanzamt kein Anlass, durch Rückfrage bei dem Antragsteller zu 1. zu klären, gegen welche der beiden vorgenannten Regelungen der Einspruch gerichtet sein sollte. Denn dieser hatte sich im Briefkopf und in der Unterschrift als Rechtsanwalt ausgewiesen. Nach alledem muss sich der Antragsteller zu 1. ebenso an seiner Erklärung festhalten lassen wie - in den beiden vorgenannten Urteilsfällen - die Rechtsbehelfsführer, die ihre Einwendungen nur auf die Feststellung des Einheitswerts und nicht auf die Feststellung der Grundstücksart bezogen haben (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 1989, 822 und in BFH/NV 1991, 726). Dabei muss sich die Antragstellerin zu 2. gemäß § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Versäumnisse des Antragstellers zu 1. wie eigenes Verschulden zurechnen lassen.

c) Die Klage ist im vollen Umfang unzulässig. Dabei ergibt sich die Unzulässigkeit, soweit sich die Klage gegen "den Einheitswertbescheid" richtet, aus dem Fehlen des vorgeschriebenen Vorverfahrens (unten Abschn. aa), und soweit sich die Klage gegen "Grundsteuermessbescheid" richtet, aus der Fehlerhaftigkeit der Streitgegenstandsbezeichnung (unten Abschn. bb).

aa) Die Tatsache, dass die Antragsteller gegen den Bescheid vom 10.11.2005 als solchen Einspruch eingelegt haben, reicht für die Zulässigkeit der Klage nicht aus.

In den Fällen, in denen - wie hier im Streitfall - der Einspruch als außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist nach § 44 Abs. 1 FGO die Klage grundsätzlich nur zulässig, wenn das Verfahren über den Einspruch ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 FGO sind nur dann gegeben, wenn der Verfahrensgegenstand des außergerichtlichen Vorverfahrens und der Streitgegenstand des Klageverfahrens identisch sind. Soweit nicht angefochten wurde, liegt nämlich kein Fall von Erfolglosigkeit vor. Es ist vielmehr Bestandstandskraft des betreffenden Verwaltungsakts eingetreten. Maßgebend ist der Regelungsgehalt des jeweiligen Verwaltungsakts. Dies gilt auch bei Bescheiden, in denen mehrere Verwaltungsakte zusammengefasst sind. Hat beispielsweise das Finanzamt im Rahmen eines Einheitswertsbescheids über die Höhe des Einheitswerts und gleichzeitig über die Grundstücksart entschieden, liegt ein identischer Verfahrensgegenstand nur dann vor, wenn der Kläger sowohl den Einspruch als auch die Klage gegen beide Entscheidungen gerichtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 05.05.1999 II R 44/96, BFH/NV 2000, 8).

An einem identischen Verfahrensgegenstand fehlt es im Streitfall. Wie oben unter Abschnitt b) dargelegt, haben die Antragsteller - ähnlich dem vorgenannten Urteilsfall - die in dem Bescheid vom 10.11.2005 zusammengefassten Entscheidungen des Finanzamts nur hinsichtlich der Festsetzung des Grundsteuermessbetrags angegriffen, nicht hingegen hinsichtlich der Feststellung des Einheitswerts.

bb) Mit der Klage können die Antragsteller nicht geltend machen, das Finanzamt sei nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert gewesen, eine "Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags" durchzuführen.

Nach § 42 FGO können Folgebescheide, die aufgrund der Abgabenordnung erlassen worden sind, nicht in weiterem Umfang angegriffen werden, als sie in dem außergerichtlichen Vorverfahren angegriffen werden können.

Die genannte Vorschrift verweist auf die Regelung in § 351 Abs. 2 AO. Diese führt im Streitfall dazu, dass die Antragsteller mit ihren Einwendungen nicht gehört werden können. Denn sie haben mit ihrem Einspruch - wie oben unter Abschnitt a) dargelegt - fälschlicherweise die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags und nicht die Feststellung des Einheitswerts angegriffen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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