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Gericht: Finanzgericht Hessen
Beschluss verkündet am 08.02.2008
Aktenzeichen: 3 V 1508/07
Rechtsgebiete: GrStG, GG


Vorschriften:

GrStG § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 3
GG Art. 4
GG Art. 140
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 3 V 1508/07

In dem Rechtsstreit

Wegen Aussetzung der Vollziehung des Einheitswertsbescheides auf den 01.01.2002

hat der 3. Senat des Hessischen Finanzgerichts am 8. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I. Der Antragsteller, ein rechtsfähiger Verein mit Sitz in ... , ist ein bundesweit operierender islamischer Dachverband mit etwa ... Mitgliedern. Ihm angeschlossen sind etwa ... Gemeindeverbände. ... ... ... . Nach § 3 seiner Satzung bietet er den in Europa lebenden Menschen islamischen Glaubens soziale, kulturelle sowie religiöse Dienste zum Zwecke der Förderung der Erziehung, Bildung, Religion, Jugendfürsorge, Völkerverständigung und Integration. Nach § 5 Abs. 1 der Satzung soll diese Tätigkeit ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung dienen.

Der Antragsteller ist Eigentümer einer Vielzahl von bebauten Grundstücken, auf denen die einzelnen Gemeindeverbände entsprechend den Vorgaben der Satzung tätig sind. Hierzu gehört auch das Grundstück ... in ... . Das auf dem Grundstück stehende Gebäude war als Wohnheim mit ... Wohnungen für Arbeiter eines Industrieunternehmens errichtet worden. Im Jahre 197... hatte der eingetragene Verein "Islamisches Kulturzentrum ... " das Grundstück erworben. Einen Teil der Nutzfläche (... m²) hatte der Verein für die Nutzung als Moschee umgewidmet.

Den anderen Teil der Nutzfläche (... m²) hatte er weiter zu Wohnzwecken genutzt.

Aufgrund dieser Nutzungsänderung hatte der Antragsgegner (das Finanzamt) den Einheitswert im Rahmen einer Wertfortschreibung auf den 01.01.1989 mit 99.600,-- DM (statt bisher 173.800,-- DM) festgestellt (Bescheid vom 05.03.1993). Später hatte er aufgrund einer baulichen Änderung (Anbau von ... Garagen) den Einheitswert im Rahmen einer weiteren Wertfortschreibung auf den 01.01.1992 mit 116.100,-- DM festgestellt (Bescheid vom 03.05.1993). Im Jahre 199... hatte dann der Antragsteller das Grundstück von dem (inzwischen in Liquidation befindlichen) Verein erworben.

Im Januar 2002 sowie im September 2003 erhielt das Finanzamt die Mitteilung, der Antragsteller habe auf dem hier betroffenen Grundstück weitere Nutzungsänderungen vorgenommen, und zwar in der Art, dass insgesamt ... Wohnungen als Schüler- und Jugendheim dienen sollten. Irgendwelche Folgerungen für die Höhe des Einheitswerts zog es allerdings nicht.

Am 14.11.2006 erhielt das hier beteiligte Finanzamt von der Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts ... eine den Antragsteller betreffende Kontrollmitteilung (mit Datum vom ...10.2006). Nach dieser Mitteilung war dem Antragsteller aufgrund der Ergebnisse einer Betriebsprüfung bzw. Fahndungsprüfung die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 1997 aberkannt worden. Der entsprechende Körperschaftsteuerbescheid (für die Jahre 1997 bis 2004) vom 07.09.2006 war bestandskräftig geworden.

Aufgrund der vorgenannten Mitteilung stellte das Finanzamt mit Bescheid vom 21.12.2006 den Einheitswert auf den 01.01.2002 mit 102.146 EUR (statt bisher 59.360 EUR) für das Grundstück fest. Der Wertermittlung legte es folgende Einzelwerte zugrunde: Wohn- bzw. Nutzfläche von ... m² mit einer Monatsmiete von ... DM/m² und somit einer Jahresrohmiete von 18.893,-- DM, ... Garagen mit einer Jahresrohmiete von 1.800,-- DM.

Gegen den Bescheid vom 21.12.2006 legte der Antragsteller Einspruch ein.

Gleichzeitig stellte er den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheids.

Er machte geltend: Zwar komme eine Befreiung von der Grundsteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b des Grundsteuergesetztes (GrStG) wegen der Aberkennung der Gemeinnützigkeit nicht mehr in Betracht. Er, der Antragsteller, sei aber als Religionsgesellschaft im Sinne der Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrStG zu behandeln. Auf die Tatsache, dass er nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sei, komme es nicht an. Denn er sei im Wege der verfassungskonformen Auslegungen den jüdischen Kultusgemeinden gleichzustellen, die gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG ohne den öffentlich-rechtlichen Status von der Grundsteuer befreit seien. Das Finanzamt lehnte den Aussetzungsantrag mit Hinweis auf den Gesetzeswortlaut ab. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 GrStG komme eine Grundsteuerbefreiung nur für Religionsgesellschaften mit dem Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in Betracht (Verfügung vom 26.04.2007). Über den Einspruch hat das Finanzamt bisher nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 24.05.2007 hat der Antragsteller bei Gericht Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor: Eine Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG dahingehend, andere religiöse Vereinigungen wie etwa ihn, den Antragsteller, von der Grundsteuerbefreiung auszuschließen, sei verfassungswidrig. Die grundsteuerliche Begünstigung ausschließlich von jüdischen Kultusgemeinden verstoße sowohl gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) als auch gegen das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG geregelte spezielle Gleichheitsrecht. Danach habe sich der Staat in Fragen des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses neutral zu verhalten. Diese Neutralität untersage insbesondere die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Diskriminierung sei nicht möglich. Insbesondere sei kein sachlicher Grund dafür erkennbar, dass durch die Vorschrift Anhänger des jüdischen Glaubens begünstigt werden sollen. Zwar seien durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) den öffentlichrechtlichen Glaubensgemeinschaften bestimmte Sonderrechte eingeräumt. Die Rechtfertigung für diese Privilegierung sei jedoch stets streng zu prüfen und daher nur im Ausnahmefall gerechtfertigt. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG sei nach alledem verfassungskonform in der Weise auszulegen, dass sämtliche Religionsgemeinschaften von der Grundsteuer befreit seien, die mit den im Gesetzeswortlaut explizit genannten jüdischen Kultusgemeinden vergleichbar seien.

Im Laufe des weiteren Verfahrens hat der Berichterstatter des Senats den Antragsteller darauf hingewiesen, dass das Finanzgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 28.06.2007 11 V 1910/07 A (BG), inzwischen veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1463, zu einem dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt den dortigen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat. Der Antragsteller hat daraufhin sein Vorbringen ergänzt.

Hiernach trägt er weiter vor: Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen jüdischen Kultusgemeinden, die (noch) nicht Körperschaft des öffentlichen Rechts seien, einerseits und nichtjüdischen Kultusgemeinden, die (noch) nicht Körperschaft des öffentlichen Rechts seien, andererseits. Diese Ungleichbehandlung sei insbesondere nicht mit den Grundsätzen zu vereinbaren, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zum Steuerrecht entwickelt habe. Die Absicht des historischen Gesetzgebers, die jüdischen Kultusgemeinden ohne öffentlich-rechtlichen Status bei der Grundsteuer zu begünstigen, könne aus heutiger Sicht nicht mehr maßgebend sein. Die Begünstigung dieser Kultusgemeinden sei insbesondere nicht mehr erforderlich, weil ihre formelle Anerkennung als öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft noch nicht in allen Ländern erfolgt sei. Bis heute hätten neben dem Zentralrat der Juden in Deutschland und den 23 Landesverbänden der jüdischen Gemeinden lediglich neun von den insgesamt 102 jüdischen Gemeinden in Deutschland die Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Damit sei der Großteil der jüdischen Gemeinden nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt und genieße mithin die Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG. Der historische Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die jüdischen Kultusgemeinden irgendwann in Zukunft die formalen Voraussetzungen für die Anerkennung als Körperschaften des öffentlichen Rechts erfüllen und entsprechende Anerkennungsanträge stellen würden. Die Grundsteuerbefreiung habe mithin nur für eine Übergangszeit gelten sollen. Genau diese Überlegungen träfen auch für andere als jüdische Kultusgemeinden zu. Er, der Antragsteller, habe die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts angestrebt. Dieses Vorhaben sei in der Vergangenheit nur deshalb ohne Erfolg geblieben, weil grundsätzliche politische Bedenken bestanden hätten. Diese Bedenken würden möglicherweise in absehbarer Zeit überwunden. Ähnlich wie die Zeugen Jehovas müsste er, der Antragsteller, die Voraussetzungen für die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Regeln des Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV i. V. m. Art. 140 GG erfüllen. Dies ergebe sich zum einen aus der Zahl der Mitglieder und zum anderen aus dem Umfang des vorhandenen Anlagevermögens.

Der Antragsteller beantragt,

den Bescheid vom 21.12.2006 über den Einheitswert des Grundbesitzes auf den 01.01.2002 von der Vollziehung auszusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung trägt er u. a. vor: Der Antragsteller erfülle nicht die Voraussetzungen für die Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG, und zwar weder nach dem Satz 1 noch nach dem Satz 2 der Vorschrift. Eine darüber hinausgehende Grundsteuerbefreiung komme nicht in Betracht.

Die das streitige Grundstück betreffenden Einheitswertakten des Finanzamts waren Gegenstand des Verfahrens.

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Die Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung liegen nicht vor.

Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Ernstliche Zweifel in dem vorgenannten Sinne sind gegeben, wenn bei der - überschlägigen - Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit und Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 69 FGO Anm. 86).

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel in Bezug auf die Auffassung des Finanzamts, die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG sei nur entsprechend seinem Wortlaut auszulegen. Insofern ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass Satz 2 der Vorschrift im Wege der verfassungskonformen Auslegung in seinem Anwendungsbereich nicht erweitert werden kann. Ferner ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Vorschrift insgesamt verfassungsgemäß ist.

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrStG ist Grundbesitz, der von einer Religionsgesellschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, von der Grundsteuer befreit (Satz 1 der Vorschrift). Dabei stehen den Religionsgesellschaften im Sinne des Satz 1 der Vorschrift die jüdischen Kultusgemeinden gleich, die nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind (Satz 2).

Die Frage, ob § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG entsprechend dem Begehren des Antragstellers einer erweiternden Auslegung zugänglich ist, hat schon mehrere Finanzgerichte im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung beschäftigt.

In jedem dieser Verfahren ist, wie sich ganz offenkundig aus dem jeweils wiedergegebenen Sachverhalt ergibt, ein dem Antragsteller gehörendes Grundstück betroffen, das - vergleichbar dem Streitfall - von dem jeweiligen Gemeindeverband ganz oder teilweise zu religiösen Zwecken genutzt wird. In allen bisher bekannt gewordenen Verfahren ist der jeweilige Antrag des Antragstellers, die Vollziehung des Einheitswertbescheids auszusetzen, abgelehnt worden. Es handelt sich hierbei um den Beschluss des Finanzgerichts Düsseldorf in EFG 2007, 1463, den Beschluss des Finanzgerichts Köln vom 05.09.2007 4 V 2092/07 (EFG 2007, 1981) sowie den Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 04.09.2007 1 V 129/07 (EFG 2007, 1980).

Das Finanzgericht Düsseldorf hat u. a. ausgeführt: Das Grundgesetz gebiete nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht, dass der Staat alle Religionsgesellschaften schematisch gleich behandle. Der Staat dürfe, der verfassungsrechtlichen Unterscheidung in Art. 137 Abs. 5 WRV folgend, steuerliche Privilegierungen auf die Religionsgesellschaften beschränken, die Körperschaften des öffentlichen Rechts seien. Diese Unterscheidung würde nur dann den Gleichheitssatz verletzen, wenn es anderen Religionsgesellschaften in unzumutbarer Weise erschwert würde, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erlangen, obwohl sie die materiellen Voraussetzungen hierfür erfüllten. Anhaltspunkte dafür, dass es dem (dortigen) Antragsteller unzumutbar sei, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu beantragen, ergäben sich weder aus den Akten noch seien sie sonst bekannt. Auch nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sei es zulässig, dass der Staat bestimmte Religionsgesellschaften - wie hier die jüdischen Kultusgemeinden nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG - privilegiere, wenn dafür ein sachgerechter Grund bestehe. Ein solcher Grund sei im Falle der jüdischen Kultusgemeinden gegeben. Die altpreußischen jüdischen Synagogegemeinden hätten früher einmal die Stellung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gehabt, aber dann aufgrund nationalsozialistischen Unrechts verloren. Wegen dieser Vorgeschichte und wegen der Verfolgung und Ermordung der Juden im Dritten Reich sei der Gesetzgeber berechtigt, jüdische Kultusgemeinden vergleichbar der evangelischen und der katholischen Kirche ohne Anerkennungsverfahren einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gleichzustellen.

Das Finanzgericht Köln hat u. a. ausgeführt: Die Absicht des Gesetzgebers, die jüdischen Kultusgemeinden durch die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG wegen des den Juden im Nationalsozialismus zugefügten Unrechts zu begünstigen, ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zum Grundsteuergesetz 1951. An dieser Absicht habe der Gesetzgeber auch bei späteren Gesetzesänderungen festgehalten. Dies gelte insbesondere für das Änderungsgesetz vom 24.08.1965. An der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 GrStG bestünden keine ernstlichen Zweifel. Dies gelte sowohl im Hinblick auf den speziellen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG als auch im Hinblick auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG. Die sich insoweit ergebende Privilegierung der Religionsgesellschaften mit öffentlich-rechtlichem Status habe das BVerfG als zulässig erachtet. Die Frage, ob § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG verfassungsmäßig sei, habe im Streitfall keine entscheidungserhebliche Bedeutung. Denn der (dortige) Antragsteller habe für den betreffenden Zeitraum nicht die tatsächlichen Voraussetzungen erfüllt, um - hypothetisch gesehen - als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden. Ihm habe das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Rechtstreue gefehlt. Dies ergebe sich aus den Umständen, die für den Antragsteller zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit geführt hätten.

Das Niedersächsische Finanzgericht hat sich der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf angeschlossen (vgl. den Hinweis in dem veröffentlichten Leitsatz). Weiter hat es ausgeführt: Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG stelle zwar eine Durchbrechung des Prinzips der Folgerichtigkeit dar, sei jedoch als Versuch des Gesetzgebers zu sehen, das Unrecht, das den jüdischen Kultusgemeinden durch den nationalsozialistischen Staat angetan worden sei, zu beseitigen. Diese Absicht des Gesetzgebers sei als sachlicher Grund für die Differenzierung zu erachten, der auch heute noch Geltung habe.

Anknüpfend an die vorstehend dargelegten Ausführungen hält der Senat die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG ebenfalls nicht für zweifelhaft, und zwar sowohl im Hinblick auf Satz 1 der Vorschrift als auch im Hinblick auf Satz 2 der Vorschrift. Er folgt dabei in vollem Umfange der vom Finanzgericht Düsseldorf vertretenen Auffassung, die Vorschrift sei insgesamt verfassungsgemäß. Insofern kann er offen lassen, ob er der Auffassung des Finanzgerichts Köln, auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG komme es nicht entscheidungserheblich an, folgen würde. Demgegenüber hält er den vom Antragsteller zuletzt vorgebrachten Einwand nicht für zutreffend, die Absichten, die der historische Gesetzgeber mit der Grundsteuerbefreiung für jüdische Kultusgemeinden ursprünglich verfolgt habe, seien aus heutiger Sicht nicht mehr maßgebend, weil die Regelung nur für eine Übergangszeit gelten sollten.

Der Regelungsinhalt eines Gesetzes kann auch anhand seiner Entstehungsgeschichte bestimmt werden (sog. historische Auslegung). Erkenntnisquellen für die Regelungsabsicht bzw. die Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers sind dabei insbesondere die Gesetzesmaterialien. Allerdings verlieren die subjektiven Vorstellungen des Gesetzgebers mit zunehmendem Alter einer Regelung an Gewicht. Daher kommt der Entstehungsgeschichte für die Auslegung eines Gesetzes nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach anderen Methoden ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt (Pahlke in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 4 Rdnr. 97 m. w. N. zur Rspr. des BVerfG).

Wie das Finanzgericht Köln in seinem o. g. Beschluss dargelegt hat, ist der Gesetzgeber bei der Einführung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG im Jahre 1951 davon ausgegangen, "die Erwähnung der jüdischen Kultusgemeinden (sei) zur Beseitigung des ihnen angetanen Unrechts erforderlich, solange ihre formelle Anerkennung als öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft noch nicht in allen Ländern wieder erfolgt (sei)". Nach dem Wortlaut dieser Gesetzesbegründung wäre es durchaus vertretbar, die Vorschrift als Übergangsregelung zu sehen. Angesichts des langen Zeitablaufs ist diese Sichtweise zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht mehr gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift nämlich seither unverändert bestehen gelassen. Auch das Änderungsgesetz vom 24.08.1965 hat er nicht zum Anlass genommen, die Grundsteuerbefreiung für jüdische Kultusgemeinden von der Anerkennung als öffentlich-rechtliche Körperschaften abhängig zu machen. So hat er, wie das Finanzgericht Köln in seinem o. g. Beschluss weiter darlegt, in der Gesetzesbegründung deutlich gemacht, dass die für das GrStG 1951 maßgebende Regelungsabsicht (Beseitigung des nationalsozialistischen Unrechts) weiter Bestand haben soll.

An dem vorstehenden Ergebnis ändert sich nichts durch den Einwand des Antragstellers, der Großteil der jüdischen Gemeinden in Deutschland sei derzeit nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, insofern passten die Überlegungen des historischen Gesetzgebers nicht mehr auf die heute gegebenen Verhältnisse. Wäre dies richtig, dann hätte für den Gesetzgeber Anlass bestanden, die Steuerbefreiungsvorschrift dahingehend zu ändern, dass die jüdischen Kultusgemeinden bis zu irgendeinem Zeitpunkt gezwungen gewesen wären, ihre Anerkennung als öffentlich-rechtliche Körperschaften anzustreben.

Allein aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber eine solche Maßnahme bisher unterlassen hat, lässt sich die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Regelung nicht herleiten. Denn die Regeln der historischen Auslegung können, wie dargelegt, allenfalls dazu herangezogen werden, ein bereits gefundenes Auslegungsergebnis zu bestätigen. An einem solchen Auslegungsergebnis im Sinne des Antragstellers fehlt es jedoch hier im Streitfall.

Nicht gehört werden kann der Antragsteller mit dem weiteren Einwand, er selbst habe die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts bereits zu einem früheren Zeitpunkt angestrebt; das Vorhaben sei jedoch wegen politischer Bedenken ohne Erfolg geblieben; in absehbarer Zeit könnten diese Bedenken möglicherweise überwunden werden. Nach den oben dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen kommt es darauf an, ob es einer Religionsgesellschaft ohne öffentlich-rechtlichen Status in unzumutbarer Weise erschwert wird, die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erreichen.

Anhaltspunkte für derartige Erschwernisse sind dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu entnehmen.

Der Senat sieht sich in seiner Auffassung bestärkt durch das Verhalten, das der Antragsteller im vorliegenden Verfahren wie auch in den Verfahren gezeigt hat, die wegen Aussetzung der Vollziehung der ihn betreffenden Einheitswertbescheide bei den Finanzgerichten Düsseldorf und Köln sowie beim Niedersächsischen Finanzgericht anhängig waren. So hat der Antragsteller trotz eines entsprechenden Hinweises durch den Berichterstatter des Senats nicht geltend gemacht, die Ausführungen des Finanzgerichts Düsseldorf seien unzutreffend.

Er hat zudem die Beschlüsse der drei genannten Finanzgerichte auch nicht mit der Beschwerde angefochten, obwohl diese jeweils ausdrücklich zugelassen worden war.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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