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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 14.05.2007
Aktenzeichen: 4 K 1716/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1
EStG § 7 Abs. 4 S. 2
AfA bei in Fertigbauweise errichteten Musterhäusern.
HESSISCHES FINANZGERICHT IM NAMEN DES VOLKES ZWISCHENURTEIL

Geschäftsnummer: 4 K 1716/04

In dem Rechtsstreit

wegen Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG für 1995-1998

hat der 4. Senat des Hessischen Finanzgerichts mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 14. Mai 2007 unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Hessischen Finanzgericht des Richters am Hessischen Finanzgericht des Richters am Hessischen Finanzgericht sowie des ehrenamtlichen Richters und des ehrenamtlichen Richters

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Bei Musterhäusern eines Fertighaus-Bauunternehmens handelt es sich um Gebäude im Sinne des § 7 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG), bei denen grundsätzlich unabhängig davon, ob diese Musterhäuser auf gemieteten oder eigenem Grund und Boden errichtet worden sind, eine Absetzung für Abnutzung gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG in Höhe von 4 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzuziehen sind. Höhere Beträge können als Absetzung für Abnutzung nur berücksichtigt werden, wenn im Einzelfall die tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes weniger als 25 Jahre beträgt (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG) oder eine außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG gegeben ist.

2. Bei auf gemieteten Grundstücken in Fertigbauweise errichteten Musterhäusern beträgt die tatsächliche Nutzungsdauer nicht schon allein deshalb weniger als 25 Jahre, weil die Musterhäuser nach Ablauf der Mietzeit demontiert werden müssen.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob für Musterhäuser eines Fertigbauunternehmens eine im - Vergleich zur regelmäßigen Abschreibungsdauer des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG (25 Jahre) - verkürzte Abschreibungsdauer zugrunde zu legen ist.

Die Klägerin hat ihren Sitz in A. Ihr Unternehmensgegenstand ist der Vertrieb und die Errichtung von Fertighäusern sowie die Übernahme und Ausführung von Zimmerarbeiten aller Art. Die Klägerin errichtet überwiegend Ein- und Zweifamilienhäuser als Typenhäuser in vorgefertigter Holzbauweise. Die vorgefertigten Wandteile, Geschossdecken und Dachelemente werden zur Baustelle transportiert und dort auf einer Kellerdecke oder Bodenplatte aufgestellt und montiert.

Die Klägerin hatte und hat zu Vertriebszwecken Musterhäuser an verschiedenen Standorten im Bundesgebiet errichtet. Auch in den Streitjahren errichtete und unterhielt sie die Musterhäuser zum Teil auf eigenem Grund und Boden und zum Teil auf gemieteten fremdem Grund und Boden (meist im Rahmen einer Musterhausausstellung). Sämtliche Musterhäuser waren komplett fertig gestellt und ausgestattet. Hinsichtlich der einzelnen Musterhäuser hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Januar 2006 und als Anlage zu dem Schriftsatz vom 20. Februar 2007 Listen vorgelegt, aus denen sich u.a. der Standort, die Art des bebauten Grundstücks, die Mietvertragslaufzeit, das Aufstellungsdatum, das Verkaufsdatum, die Standzeit, die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und die AfA sowie der Verkaufserlös ergeben. Aus diesen Listen ergibt sich, dass die Musterhäuser Nr. 2, 3, 8, 14a, 16, 17, 20, 21, 24 und 26-29 , 30, 32, 33 und 35-38 in den Streitjahren zum Betriebsvermögen der Kläger gehörten. Zum Teil wurden die Ausstellungshäuser nach Ablauf der Repräsentationsphase mit dem dazugehörigen Grund und Boden verkauft, zum Teil wurden sie demontiert und verkauft und zum Teil befanden sie sich über die Streitjahre hinaus im Betriebsvermögen. Soweit hinsichtlich des dazugehörigen Grund und Bodens Mietverträge - insbesondere zur Teilnahme an Ausstellungen - abgeschlossen wurden, hatten die Mietverträge eine unterschiedliche Vertragsdauer (bis zu 9 Jahre, so der Mietvertrag hinsichtlich der Musterhäuser Nr. 10 und 11 oder lediglich zwei Jahre, so z.B. der Mietvertrag des Musterhauses Nr. 35). Im Regelfall war in diesen Mietverträgen eine Klausel enthalten, wonach sich das Mietverhältnis um einen bestimmten Zeitraum verlängert, wenn es nicht innerhalb einer bestimmten Frist vor Ablauf des jeweiligen Mietzeitraums oder des laufenden Jahres gekündigt wird.

Die Klägerin legte bei der Abschreibung der Musterhäuser zunächst im Regelfall eine Nutzungsdauer von 8 Jahren zugrunde und schrieb die Häuser jährlich mit 12,5 v.H. ab (wegen der Einzelheiten vgl. die von der Klägerin vorgelegten Listen; eine Korrektur fand im Anschluss an die Außenprüfung durch das Finanzamt statt). Die die Streitjahre betreffenden, ihrem Inhalt nach in dem Urteilsrubrum aufgeführten Steuerbescheide ergingen zunächst - nach Einreichung der jeweiligen Steuerklärungen - erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).

In der Zeit vom 8. August 2000 bis 6. Februar 2001 fand bei der Klägerin eine die Streitjahre betreffende Außenprüfung statt. Im Rahmen dieser Prüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, auch bei Musterhäusern sei von einer 25-jährigen Nutzungsdauer im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG auszugehen und diese Häuser seien zwingend mit 4 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzuschreiben. Das Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und änderte auf der Grundlage des § 164 Abs. 2 AO am 28. April 2003 die hinsichtlich der Streitjahre ergangenen Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer sowie die Bescheide zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 47 Abs. 2 KStG entsprechend ab. Die dagegen erhobenen Einsprüche wies das Finanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 22. April 2004 als unbegründet zurück.

Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage vertritt die Klägerin die Ansicht, das Finanzamt sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass Musterhäuser nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG mit 4 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzuschreiben seien.

Zwar habe der Bundesfinanzhof (BFH) festgestellt, dass Musterhäuser eines Fertighausherstellers dem Anlagevermögen und nicht dem Umlaufvermögen zuzuordnen seien, jedoch sei der Entscheidung vom 21. März 1977 (Aktenzeichen V R 44/73) bezüglich der Abschreibung nichts zu entnehmen. Man müsse bereits in Frage stellen, ob es sich bei Musterhäusern überhaupt um Gebäude handele. Denn Muster-Fertighäuser würden nicht errichtet, um Menschen oder Sachen Schutz und Aufenthalt zu bieten. Es gehe ausschließlich darum zu werben und darzustellen. Es handele sich dabei um eine Betriebsvorrichtung und nicht um ein Grundvermögen. Betriebsvorrichtungen seien nicht nur Maschinen und maschinenähnliche Vorrichtungen. Unter diesem Begriff würden vielmehr alle Vorrichtungen fallen, mit denen ein Gewerbe unmittelbar betrieben würde. Gleiches gelte für die Außenanlagen. Diese stünden in einer besonderen Beziehung zu einem mit dem Gebäude ausgeübten gewerblichen Betrieb. Sie würden nicht der Benutzung des Grundstücks, sondern nur Werbezwecken dienen.

Aber selbst wenn man davon ausginge, dass es sich bei den Musterhäusern um Gebäude handeln würde, so sei die Abschreibung nicht mit 4 v.H. vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des BFH komme es insoweit auf die objektive Nutzbarkeit des Wirtschaftsgutes unter Berücksichtigung der besonderen betriebstechnischen Beanspruchung an. Vorliegend sei die Klägerin in den Musterhäuerparks verpflichtet, die Musterhäuser jeweils auf einem aktuellen Stand zu halten. Dementsprechend sei die Nutzungszeit auch grundsätzlich begrenzt. Es müsse dabei das Gesamtbild des Parks eingehalten werden. Darüber hinaus fänden auch technische Neuerungen Einfluss, die in neuen Musterhäusern gezeigt würden. Hierzu seien alte Musterhäuser abzureißen. Im Durchschnitt würden die Musterhäuser der Klägerin (bisher insgesamt 41) durchschnittlich bis zu 5,8 Jahren genutzt. Damit liege eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer vor.

Es sei darüber hinaus zu berücksichtigen, dass mit dem Abbau der Musterhäuser, dem sog. Abriss, das Wirtschaftsgut als solches aufgelöst werde. Schon bei Errichtung der Musterhäuser sei damit absehbar, dass diese im Durchschnitt nach 5,8 Jahre ihre Existenz verlören. Mit dem Abbau und der Zerlegung bestünde auf jeden Fall kein Gebäude mehr im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG. Vielmehr lägen nur Materialien vor, welche geeignet seien, ein Gebäude damit zu errichten. Damit stehe fest, dass die Musterhäuser nicht mit übrigen Gebäuden vergleichbar seien.

Es sei darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass der Zweck der Musterhäuser nicht der spätere Verkauf oder die Verwertung, sondern allein die Anziehung und Überzeugung potentieller Bauherren sei. Aus kaufmännischer Sicht sei zudem nicht auf einen eventuellen Verkaufserlös, bezogen auf das einzelne Musterhaus abzustellen, sondern auf den mit dem Verkauf insgesamt erzielten Gewinn. Dieser sei unter Berücksichtigung aller Kosten innerhalb der wirtschaftlichen Nutzungsdauer zu ermitteln. Hierbei sei neben den Herstellungskosten auch Auf- und Abbau, sowie der laufende Unterhalt einzurechnen. Weiter müsse festgehalten werden, dass der Marktwert eines Musterhauses deutlich (ca. 50 %) unter dem eines neuen vergleichbaren Hauses liege.

Darüber hinaus sei auch § 11c Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung zu beachten, wonach die Nutzungsdauer als ein Zeitraum definiert werde, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden könne. Ergänzend sei auch darauf hinzuweisen, dass die tatsächliche Nutzungsdauer im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mit der für bewegliche Wirtschaftsgüter maßgebenden betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer gleichzusetzen sei. Von daher könne das zu beweglichen Wirtschaftsgütern ergangene Urteil des BFH vom 19. November 1997 (X R 78/94, BStBl II 1998, 59) und dessen tragenden Gründe auf die als Gebäude zu behandelnden Musterhäuser nicht übertragen werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1998 ergangenen Körperschaftsteuerbescheide und Bescheide über den Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer und die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 47 Abs. 2 KStG zum 31.12.1995 bis 31.12.1998 jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. April 2004 dahingehend abzuändern, dass hinsichtlich der im Betriebsvermögen befindlichen Musterhäuser der Klägerin eine jährliche AfA in Höhe von 12,5 v.H. berücksichtigt wird,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt verweist zur Begründung seines Antrags im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 21. Mai 2004, 7. September 2004 und 20. Februar 2007 sowie auf die Schriftsätze des Finanzamtes vom 7. Juli 2004 und vom 2. Februar 2007 verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Sie wurden die telefonisch auf die Möglichkeit eines Zwischenurteils im Sinne des § 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen.

Dem Gericht haben zwölf Bände Steuerakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

1. Das Gericht entscheidet - vorab - die dem Rechtsstreit zugrundeliegende Rechtsfrage, ob für Musterhäuser eines Fertighaus-Bauunternehmens im Vergleich zu § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG erhöhte Beträge als Absetzung für Abnutzung zu berücksichtigen sind, dahingehend, dass weder die Eigenschaft des jeweiligen Gebäudes als Musterhaus als solches noch die Errichtung eines Musterhauses auf einem gemieteten Ausstellungsgelände dazu führen, dass eine im Vergleich zu § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG erhöhte Absetzung für Abnutzung berücksichtigt werden kann.

Nach § 7 Abs. 4 EStG sind abweichend von § 7 Abs. 1 EStG bei Gebäuden, soweit sie zu einem Betriebsvermögen gehören und nicht Wohnzwecken dienen und für die der Bauantrag nach dem 31. März 1985 gestellt worden ist, als Absetzung für Abnutzung jährlich 4 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu berücksichtigen. Nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG können anstelle der Absetzungen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechenden Absetzungen für Abnutzung vorgenommen werden, wenn (in den Fällen der Nr. 1) die tatsächliche Nutzugsdauer eines Gebäudes weniger als 25 Jahre beträgt. Darüber hinaus bleiben gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung zulässig.

a) Bei den der Klägerin zuzurechnenden Musterhäusern handelt es sich um Gebäude, so dass grundsätzlich die von § 7 Abs. 1 EStG abweichenden Absetzungen für Abnutzungen nach § 7 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen sind. Da es sich bei den in den Streitjahren noch im Betriebsvermögen der Klägerin befindlichen Musterhäusern um Gebäude handelt, für die der Bauantrag ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Listen nach dem 31. März 1985 gestellt worden ist und da diese Gebäude sich im Betriebsvermögen der Klägerin befinden und nicht Wohnzwecken dienen, können grundsätzlich als Absetzung für Abnutzung für diese Musterhäuser jährlich 4 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgezogen werden.

Das Gericht folgt hinsichtlich der Frage, ob in Fertigbauweise errichtete Musterhäuser Gebäude im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG sind, der Begründung auf Seite 5 der Einspruchsentscheidung des Finanzamtes vom 22. April 2004 und sieht insoweit auf der Grundlage des § 105 Abs. 5 FGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

b) Die Nutzung eines Gebäudes als Musterhaus als solches führt nicht ohne Weiteres dazu, dass von einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ausgegangen werden kann.

Maßgebend für die Bestimmung der Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts ist die objektive Nutzbarkeit unter Berücksichtigung der betriebstypischen Beanspruchung; unerheblich sind davon losgelöste subjektive Vorstellungen der Vertragsparteien. Unter Nutzungsdauer ist der Zeitraum zu verstehen, in dem das Wirtschaftsgut erfahrungsgemäß verwendet oder genutzt werden kann. Bei Bestimmung der "betriebsgewöhnlichen" Nutzungsdauer, sind die besonderen betrieblichen Verhältnisse zu beachten, unter denen das Wirtschaftsgut eingesetzt wird, insbesondere eine durch die betriebliche Nutzung eintretende besondere Beanspruchung, welche die gewöhnliche Nutzungsdauer verkürzt.

Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstandes begrenzen können. Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer fallen in der Regel zusammen. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer ausnahmsweise kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige nach ständiger Rechtsprechung des BFH hierauf berufen. Dagegen kommt es nicht darauf an, wie lange der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut tatsächlich in seinem Betrieb verwendet oder voraussichtlich verwenden wird; denn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer wird nicht dadurch vermindert, dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut vor Beendigung seines technischen oder wirtschaftlichen Wertverzehrs veräußert. Maßgeben für die Bestimmung der Nutzungsdauer ist somit nicht die Dauer der betrieblichen Nutzung durch den einzelnen Steuerpflichtigen, sondern die objektive Nutzbarkeit eines Wirtschaftsguts unter Berücksichtigung der besonderen betriebstypischen Beanspruchung (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 18. September 2003 X R 54/01, abgedruckt in Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2004, 474 zur Nutzungsdauer von Gebäuden und vom 19. November 1997 X R 78/94, BStBl II 1998, 59 zu beweglichen Wirtschaftsgütern; beide Entscheidungen jeweils m.w.N.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze führt die Nutzung eines Gebäudes als Musterhaus als solches nicht zu einer kürzeren Abschreibungsdauer. Es ist nicht ersichtlich, dass die Nutzung eines Gebäudes als Musterhaus und der damit verbundenen besonderen betriebstypischen Beanspruchung zu einer tatsächlichen Nutzungsdauer führt, die unter 25 Jahren liegt. Vielmehr spricht der Umstand, dass die Musterhäuser der Klägerin zum überwiegenden Teil nach mehrjähriger Nutzung verkauft und ggf. nach Demontage weiter zu Wohnzwecken genutzt wurden, dafür, dass die Gebäude als solche weiter nutzbar waren. Da nach der oben zitierten Rechtsprechung des BFH für die Bestimmung der Nutzungsdauer letztlich nicht die Dauer der betrieblichen Nutzung durch den einzelnen Steuerpflichtigen maßgeblich ist, kann auch nicht darauf abgestellt werden, inwieweit die Musterhäuser in den Streitjahren von der Klägerin betrieblich genutzt worden sind. Der Gesetzgeber hat im Ergebnis einer gegebenenfalls höheren Abnutzung durch die Nutzung zu anderen als Wohnzwecken im betrieblichen Bereich durch die - im Vergleich zu § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG (jährlich 2,5 vom Hundert)- höhere Absetzung für Abnutzung (jährlich 4 vom Hundert) pauschalisierend Rechnung getragen. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG die Bildung eines Mittelwertes ohnehin verbieten würde. Vielmehr ist auf die tatsächliche Nutzungsdauer des konkreten (einzelnen) Gebäudes abzustellen.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus § 11c Abs. 1 EStDV. Denn für die Zweckbestimmung i.S.d. Vorschrift ist nicht nur auf die konkrete betriebliche Nutzung in den Streitjahren abzustellen, sondern auch darauf, welchem Zweck die Gebäude aufgrund ihrer baulichen Gestaltung anschließend dienen sollen. Die als Ein- oder Zweifamilienhäuser ausgestalteten Musterhäuser dienen trotz ihrer vorübergehenden Nutzung als Musterhäuser letztlich Wohnzwecken.

c) Bei in Fertigbauweise errichteten Musterhäusern kann weder im Zeitpunkt ihrer Errichtung noch später auch nicht bereits deswegen von einer unter 25 Jahre liegenden tatsächlichen Nutzungsdauer ausgegangen werden, weil diese - wie ein Teil der Musterhäuser im Streitfall - auf gemieteten Grundstücken errichtet wurden und absehbar ist, dass sie nach Ablauf der Mietzeit demontiert werden müssen.

aa) Dass von keiner kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer bereits bei Errichtung der Musterhäuser auf dem gemieteten Grund und Boden ausgegangen werden kann, folgt aus der bisherigen - zu in Massivbauweise errichteten Gebäuden ergangenen - Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt.

Nach dieser Rechtsprechung wird die gewöhnliche Nutzungsdauer eines Gebäudes nicht dadurch beeinflusst, dass das Gebäude vor seiner technischen oder wirtschaftlichen Abnutzung beseitigt werden soll. Der 8. Senat des BFH hat mit Urteil vom 8. Juli 1980 (VIII R 176/78, BFHE 133, 310, BStBl II 1980, 743) entschieden, dass eine verkürzte Nutzungsdauer nicht angenommen werden könne, wenn ein Abbruch erst geplant sei; die Vorbereitungen für den Abbruch müssten vielmehr soweit gediehen sein, dass die weitere Nutzung des Hauses in der bisherigen Weise so gut wie ausgeschlossen sei. Etwas anderes hat der 1. Senat des BFH in seinem Urteil vom 22. August 1984 (I R 198/80, BFHE 142, 370, BStBl II 1985, 126) lediglich für den Fall angenommen, dass sich ein Steuerpflichtiger beim Verkauf eines Grundstücks in Erfüllung einer Vertragsverpflichtung entschließt, ein selbst hergestelltes oder mit Nutzungsabsicht erworbenes Gebäude abzureißen; in diesem Falle seien die restlichen Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten im Wege der AfA für die verbleibende Nutzungsdauer zu verteilen (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 18. September 2003, X R 54/01, BFH/NV 2004, 474).

Bei den Musterhäusern der Klägerin war regelmäßig zunächst (insbesondere bei Beginn des Mietverhältnisses) nicht absehbar, wann diese Häuser abgebrochen werden würden, da in allen Mietverträgen eine automatische Verlängerungsklausel enthalten war. So war z.B. hinsichtlich des Musterhauses Nr. 24 ein Mietvertrag abgeschlossen worden dessen Laufzeit zunächst drei Jahre betragen sollte (Bl. 109ff. der Finanzgerichtsakte). Aufgrund der gleichzeitig vereinbarten Verlängerungsklausel stand das Haus jedoch 12 Jahre und wurde dann abgebrochen und für 144.827,-- DM veräußert. In der von dem BFH in seinem Urteil vom 22. August 1984 (I R 198/80, BFHE 142, 370, BStBl II 1985, 126) entschiedenen Fallkonstellation hatte sich der Grundstückseigentümer im Rahmen eines Grundstücksverkaufs bereits definitiv dazu verpflichtet, dass auf dem Grundstück stehende Gebäude abzubrechen.

bb) Darüber hinaus kann jedoch bei in Fertigbauweise errichteten Musterhäusern auch dann nicht allgemein von einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer (weniger als 25 Jahre) ausgegangen werden, wenn feststeht (z.B. nach endgültiger Kündigung des jeweiligen Mietverhältnisses) dass das Gebäude demontiert werden muss. Denn die Nutzung der Musterhäuser in der bisherigen Weise sowohl als Musterhaus als auch allgemein zu Wohnzwecken ist selbst nach Abbruch der Häuser nicht so gut wie ausgeschlossen. Aus der von der Klägerin vorgelegten Liste der in ihrem Betriebvermögen gehaltenen Musterhäuser (Übersicht per 31.12.2004) ergibt sich vielmehr, dass auch für die demontierten Häuser regelmäßig ein Verkaufserlös erzielt wurde und von einer Weiternutzung durch die Käufer ausgegangen werden muss. Für die Frage der Absetzung von Abnutzungen vor Abbruch ist es auch unerheblich, dass die Musterhäuser im Zeitpunkt des Abbruch regelmäßig dem Umlaufvermögen zuzuordnen sein werden.

Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob bei den einzelnen Musterhäusern unabhängig von ihrer Nutzung und unabhängig davon, dass sie gegebenenfalls abgebrochen werden müssen, eine erhöhte Absetzung für Abnutzung auf der Grundlage des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG (dazu BFH-Urteil vom 22. August 1984 I R 198/80, BFHE 142, 370, BStBl II 1985, 126) oder des § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG (dazu BFH-Urteil vom 8. Juli 1980 VIII R 176/78, BFHE 133, 310, BStBl II 1980, 743) geltend gemacht werden kann. Es ist Sache der Klägerin, im Einzelfall eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer oder eine außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen.

2. Das Gericht hat auf der Grundlage des § 99 Abs. 2 FGO ein Zwischenurteil erlassen, weil die Entscheidung darüber, ob in Fertigbauweise errichtete Musterhäuser grundsätzlich allein aufgrund ihrer Nutzung als Musterhaus oder einer gegebenenfalls bestehenden Abbruchsverpflichtung einer kürzeren Abschreibungsdauer unterliegen, eine vorrangig zu klärende Rechtsfrage betrifft. Erst wenn diese Frage geklärt und in dem Sinne zu beantworten ist, dass Musterhäuser keiner grundsätzlich kürzeren Abschreibungsdauer unterliegen, ist für jeden Einzelfall gegebenenfalls zu klären, ob und ab welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine kürzere Abschreibungsdauer im Einzelfall gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG oder § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG vorlagen.

3. Wegen grundsätzlicher Bedeutung war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zuzulassen.

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Schlussurteil vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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