Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 05.06.2008
Aktenzeichen: 10 K 1880/05
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7 |
Finanzgericht Köln
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand:
Die Kläger erklärten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für die Streitjahre 2000 bis 2002 u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 EStG, darin enthalten insbesondere auch Zinseinnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Diese wurden in den Steuerbescheiden vom 1. Juni 2004 erklärungsgemäß der Besteuerung zugrunde gelegt. Mit den Einsprüchen begehrten die Kläger, auch ohne Steuerverkürzung in den Genuss des pauschalen Steuersatzes nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) zu gelangen. Der Beklagte verneinte die Ausdehnung dieser Begünstigungsregelung auf ordnungsgemäß veranlagte Steuerpflichtige.
Mit der Klage machen die Kläger geltend, nach dem StraBEG müssten Steuerflüchtige, die eine strafbefreiende Erklärung abgeben, in Bezug auf die Einkommensteuer lediglich 60% ihrer bisher verschwiegenen Einnahmen und zu Unrecht abgezogenen Ausgaben mit einem pauschalen Steuersatz von 25% versteuern, sofern die Erklärung bis zum 31. Dezember 2004 erfolgt sei. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage mit nur 60% der Einnahmen werde nach dem StraBEG lediglich nach Steuerarten differenziert, anders als in der Regelung des § 9a EStG aber nicht zwischen den Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG. Gerade im Bereich der Zinseinnahmen führe der pauschale Abschlag von 40% der Kapitaleinnahmen zu einer unverhältnismäßigen Bevorzugung der Steuerunehrlichen, der durch den pauschalen Steuersatz von 25% potenziert werde.
Eine derartige Ungleichbehandlung im Rahmen einer Amnestie sei nur dann zu rechtfertigen, wenn sie eine Ausnahmeregelung darstelle. Es sei dem steuerehrlichen Bürger nicht zuzumuten, dass der Gesetzgeber dem gesetzeswidrigen Verhalten anderer Steuerpflichtiger nicht durch eine wesentliche Verbesserung der Vollzugsmöglichkeiten entgegenwirke, sondern stattdessen lediglich in regelmäßigen Abständen eine Amnestieregelung beschließe. Die erneute Amnestie stelle damit keine hinzunehmende Ausnahme dar, sondern führe zu einem langfristigen Nebeneinander von geltenden, aber offensichtlich nicht erfolgreich durchsetzbaren Steuergesetzen und einer den Steuerunehrlichen begünstigenden Amnestieregelung.
Die Erforderlichkeit einer erneuten Amnestie zeige darüber hinaus, dass der Gesetzgeber seinem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Nachbesserung der Erhebungsregelungen in Bezug auf die Besteuerung der Kapitalerträge seit dem Zinsurteil des BVerfG nicht nachgekommen sei. Die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens sei gegenüber dem Besteuerungstatbestand insoweit auch nach dem 1. Januar 1993 weiterhin strukturell so gegenläufig ausgestaltet, dass der Steueranspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden könne und damit der Verstoß gegen das Gebot der Belastungsgleichheit andauere. Dieser andauernde und erkannte Verstoß gegen die Belastungsgleichheit führe (über die Verfassungswidrigkeit der Kapitaleinkünfte-Besteuerung nach den Regelungen des StraBEG hinaus) zur Verfassungswidrigkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG für die Jahre ab 1993.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide für 2000 bis 2002 vom 1. Juni bzw. 30. September 2004 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 8. April 2005 dahin zu ändern, dass die Besteuerung ihrer Kapitaleinkünfte insgesamt unter Anwendung der Regelungen des StraBEG erfolgt (pauschaler Abschlag von 40 vH. und 25 vH. Pauschteuersatz) und darüber hinaus die Zinserträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben weder einen Anspruch darauf, dass die Besteuerung ihrer Kapitaleinkünfte insgesamt unter Anwendung der Regelungen des StraBEG erfolgt (pauschaler Abschlag von 40 vH. und 25 vH. Pauschteuersatz) noch ist die Besteuerung von Zinserträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG insgesamt verfassungswidrig. Das BVerfG ist in seinem Beschluss vom 25. Februar 2008 2 BvL 14/05 (DVBl 2008, 652) der entgegenstehenden Ansicht des erkennenden Senats in dieser Sache im Vorlagebeschluss vom 20. September 2005 nicht gefolgt und hat die Verfassungsmäßigkeit sowohl des StraBEG als auch der Besteuerung von Zinserträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG bejaht.
1. Das BVerfG sieht in der Abgeltungssteuer nach StraBEG keine verfassungswidrige Begünstigung für Steuerstraftäter. Es gebe hinreichende verfassungsrechtliche Rechtfertigungsgründe für eine Begünstigung von Steuerstraftätern gegenüber ehrlichen Steuerpflichtigen durch ein Amnestiegesetz, unabhängig davon, dass der Gesetzgeber bereits mit der letzten großen Steueramnestie nicht das Ziel erreicht habe, die Steuerpflichtigen zur ehrlichen Angabe ihrer Kapitaleinkünfte zu bewegen und die Kapitalflucht - insbesondere ins Ausland - zu stoppen. Es sei schon zweifelhaft, ob die Besteuerung nach StraBEG (pauschaler Abschlag von 40 vH. und 25 vH. Pauschteuersatz) überhaupt zu einer Begünstigung der Steuerstraftäter gegenüber denen führe, die ihrer Kapitaleinkünfte ehrlich erklärten und nach EStG besteuert würden. Schließlich unterfielen dem 40%-Abschlag nicht nur Werbungskosten für Zinseinkünfte, sondern beispielsweise auch der Sparerfreibetrag und bereits einbehaltene Abzugssteuern. Außerdem habe der erkennende Senat in seinem Vorlagebeschluss nicht berücksichtigt, dass mit dem StraBEG ein Anreiz für eine freiwillige Rückkehr von Steuerstraftätern in die Steuerehrlichkeit habe gesetzt werden sollen. Denn es sei - trotz des Scheiterns der vergangenen Steueramnestie - nicht von der Hand zu weisen, dass zumindest durch diese neuerliche Steueramnestie die tatsächliche Erhebungssituation bei den Zinseinkünften positiv beeinflusst worden sein könne. Mit dem neu geschaffenen Kontenabrufverfahren nach § 93 Abs. 7, § 93b AO 1977, das parallel zu dem Auslaufen der Regelungen des StraBEG am 1. April 2005 in Kraft in Kraft getreten sei, habe der Gesetzgeber für die Zukunft eine Regelung zur Erschwerung von Steuerverkürzungen geschaffen.
2. Auch im Übrigen hält das BVerfG die Besteuerung der Kapitaleinkünfte für verfassungsmäßig. Entgegen den Feststellungen im Urteil vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89 (BVerfGE 84, 239) bestehe jedenfalls für Jahre ab 1994 betreffend die Besteuerung der Kapitaleinkünfte kein strukturelles Erhebungs-/Vollzugsdefizit mehr. So habe der Gesetzgeber mit dem Zinsabschlaggesetz geeignete Erhebungsmöglichkeiten eingeführt, die tatsächliche Gleichheit im Belastungserfolg bei inländischen Zinseinkünften zu gewährleisteten. Soweit der Gesetzgeber in der Folgezeit Anlass zur Nachbesserung hinsichtlich der Instrumentarien für die Zinsbesteuerung gehabt habe, sei er dieser Verantwortung gerecht geworden. Denn er habe seit 1998 das im Regelfall der Besteuerung zur Anwendung kommende Ermittlungsinstrumentarium der Finanzämter kontinuierlich wesentlich erweitert und so im Ergebnis nahezu lückenlose Kontrollmöglichkeiten geschaffen. Insbesondere die Erhebung von Kontostammdaten im Rahmen des Kontenabrufverfahrens (§§ 92 und 93 AO 1977) stelle in Verbindung mit weiteren Ausforschungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung ein geeignetes Verfahren zur Überprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen über seine Einkünfte und Vermögensverhältnisse dar. Zusätzlich ermögliche es der ab dem Veranlagungszeitraum 1999 neugefasste § 45d Abs. 2 EStG, gemäß Abs. 1 der Vorschrift gefertigte Mitteilungen über vom Steuerabzug freigestellte Kapitalerträge auch zur Durchführung des Besteuerungsverfahrens zu verwenden. Ab dem Veranlagungszeitraum 2004 seien die Kreditinstitute gemäß § 24c EStG verpflichtet, ihren Kunden eine schriftliche Jahresbescheinigung über Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne zu erteilen. Zwar bestehe keine gesetzliche Verpflichtung, die Jahresbescheinigung in der Einkommensteuererklärung vorzulegen. Die Nichtvorlage der Jahresbescheinigung auf berechtigtes Anfordern durch das Finanzamt könne jedoch zumindest einen hinreichenden Anlass für weitere Ermittlungen darstellen. Schließlich hätten die Finanzämter seit April 2005 die Möglichkeit, gemäß § 93 Abs. 7, § 93b AO die Stammdaten für alle legitimationsgeprüften inländischen Bankkonten und Depots eines Steuerpflichtigen im Wege der Datenabfrage zu ermitteln. Daran habe weder die Halbierung des Sparer-Freibetrags ab dem Veranlagungszeitraum 2000 etwas geändert noch die unveränderte Beibehaltung des § 30a AO 1977. Auch aus den Regelungen des StraBEG vom 23. Dezember 2003 (BGBl I S. 2928) ergebe sich keine andere Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit (BVerfG-Beschluss vom 10. März 2008 2 BvR 2077/05, WM 2008, 723, BFH-Urteil vom 7. September 2005 VIII R 90/04, BFHE 211, 183, BStBl II 2006, 61; vgl. für die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Spekulationseinkünften ab dem Jahr 1999 ferner BFH-Urteil vom 29. November 2005 IX R 49/04, BFHE 211, 330, BStBl II 2006, 178).
Ein noch in den Jahren ab 2000 bestehendes strukturelles Erhebungsdefizit lässt sich nach Ansicht des BVerfG, das in seinem Beschluss vom 10. März 2008 die Verfassungsbeschwerde gegen das BFH-Urteil vom 7. September 2005 VIII R 90/04 (BFHE 211, 183, BStBl II 2006, 61) mangels hinreichender Erfolgsaussichten nicht zur Entscheidung angenommen hat, auch nicht aus den Erklärungen des BMF ableiten, der zum einen im Parlament ausweislich des Plenarprotokolls der Sitzung des Bundestags vom 25. Mai 2007 wörtlich ausgeführt hat,
"... es ist besser 25 Prozent auf X als 42 Prozent auf gar nichts zu bekommen ...",
und zum anderen erklärt hat, dass von den Möglichkeiten des Kontenabrufverfahrens zunächst nur zurückhaltend Gebrauch gemacht worden sei (BFH-Urteil vom 29. November 2005 IX R 49/04, BFHE 211, 330, BStBl II 2006, 178). Auch der Umstand, dass die Finanzverwaltung bis heute keine Angaben dazu machen könne, inwieweit und in welcher Häufigkeit unter dem zeitlichen Druck der hohen Fallzahlen in der täglichen Praxis tatsächlich von der Möglichkeit des Kontenabrufverfahrens Gebrauch gemacht werde, führe zu keinem anderen Ergebnis.
3. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis des BVerfG und der von ihm angenommenen inzwischen nahezu lückenlose Kontrollmöglichkeiten der Finanzverwaltung muss die Klage abgewiesen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.