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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 13.06.2007
Aktenzeichen: 11 K 3243/06
Rechtsgebiete: AO, BGB


Vorschriften:

AO § 108 Abs. 1
AO § 124 Abs. 1
BGB § 187 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

11 K 3243/06

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Beklagte führte die Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer für das Streitjahr ebenso wie die Veranlagung des Klägers zur Umsatzsteuer und Gewerbesteuer unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch. Sämtliche Bescheide tragen das Datum 14.11.2005 sowie einen Stempelaufdruck "Zugestellt durch Postzustellungsurkunde". Als Zahlungsfrist ist im Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheid jeweils der 19.12.2005 angegeben. In der Einkommensteuerakte befindet sich auf dem Eingabebogen ein Stempelaufdruck in dem handschriftlich eingetragen ist, dass die Bescheidausfertigungen an die Kläger am 14.11.2005 mit PZU abgesandt worden seien. Tatsächlich wurden die Bescheide den Klägern bereits am 7.11.2005 durch Einwurf in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt. In den Zustellungsurkunden (betreffend Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheid für den Kläger, betreffend den Einkommensteuerbescheid für die Klägerin) ist angegeben, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag des Schriftstücks vermerkt wurde.

Hiergegen legten die Kläger, vertreten durch den Steuerbevollmächtigten .........., mit Schreiben vom 14.12.2005 Einsprüche ein, die ausweislich des Poststempels am selben Tag beim Beklagten eingingen.

Mit Schreiben vom 8.2.2006 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass die auf den 14.11.2005 datierten Bescheide bereits am 7.11.2005 zugestellt worden seien. Die Rechtsbehelfsfrist habe daher am 8.11.2005 begonnen und am 7.12.2005 um 24 Uhr geendet. Die Einsprüche seien jedoch erst am 14.12.2005 und daher verspätet eingegangen. Der Beklagte wies zugleich darauf hin, dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf Antrag gewährt werden könne, wenn die Frist ohne Verschulden versäumt worden sei. Der Antrag sei innerhalb eines Monats nach Wegfall der Hinderungsgründe zu stellen.

Daraufhin beantragte der Steuerbevollmächtigte ........ mit Schreiben vom 13.3.2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung machte er geltend, dem Beklagten sei offensichtlich bei der Übergabe der Bescheide an das mit der Zustellung beauftragte Unternehmen ein Fehler unterlaufen. Dies könne jedoch nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen gehen, die sich auf das in den Bescheiden angegebene Datum hätten verlassen können und dementsprechend am 14.12.2005 Einsprüche eingelegt hätten. Dies entspreche auch den aus den Bescheiden ersichtlichen Fälligkeitsdaten der jeweiligen Nachzahlungen. Das Schreiben vom 13.3.2006 trägt den Eingangsstempel 14.3.2006.

Der Beklagte wies die Kläger mit Schreiben vom 7.4.2006 darauf hin, dass die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 13.3.2006 geendet habe, der Antrag aber erst am 14.3.2006 - und damit verspätet - eingegangen sei.

Mit Schreiben vom 3.4.2006, das beim Beklagten am selben Tag einging, machten die Kläger geltend, die Einsprüche seien rechtzeitig erfolgt. Die Zustellung eines Bescheides, der ein konkretes Datum enthalte, dürfe vor diesem Zeitpunkt nicht erfolgen. Geschehe dies dennoch, werde durch die insoweit fehlerhafte Zustellung eine Rechtsbehelfsfrist entsprechend der im Bescheid erteilten Rechtsbehelfsbelehrung nicht ausgelöst, es gelte die Jahresfrist. Die Zustellung könne zumindest nicht früher als zu dem im Bescheid ausdrücklich aufgeführten Zeitpunkt als bewirkt gelten. Werde dem nicht gefolgt, sei zumindest die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der damalige Bevollmächtigte des Klägers habe auf die Angaben in den Bescheiden des Beklagten vertrauen dürfen und nicht damit rechnen müssen, dass eine Zustellung schon vor dem Datum der Bescheide erfolgt sein könnte. Vielmehr lasse die im Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheid aufgegebene Zahlungsfrist (19.12.2005) bei Fachkundigen keine Zweifel daran aufkommen, dass die in den Bescheiden angegebenen Daten mit der Aufgabe zur Post übereinstimmen müssten. Die fehlerhafte Grundlage für die Fristberechnung habe der Beklagte gesetzt; darauf zu vertrauen, könne dem Bevollmächtigten nicht als Verschulden angelastet werden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei auch rechtzeitig beim Beklagten eingegangen. Der Steuerbevollmächtigte ........ habe den Antrag am 13.3.2006 gefertigt und nach ständiger Übung in seiner Praxis noch am gleichen Tag persönlich in den Hausbriefkasten des Finanzamts eingelegt. Der Antrag hätte danach beim Beklagten den Eingangsstempel 13.3.2006 erhalten müssen; tatsächlich sei fehlerhafterweise der Eingang mit dem 14.3.2006 vermerkt worden. Dies sei dem Steuerbevollmächtigten ......... nicht anzulasten. Vorsorglich beantragten die Kläger insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Glaubhaftmachung reichten sie eine eidesstattliche Versicherung des Steuerbevollmächtigen ........ ein, in der dieser erklärte, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am Montag, dem 13.3.2006, gefertigt und am selben Tag persönlich in den Hausbriefkasten des Beklagten eingeworfen zu haben. Weiterhin war ein Schreiben des Bevollmächtigten ...... beigefügt, in dem dieser erläuterte, die Abgabe von Steuererklärungen und Schriftverkehr werde seit Jahren von ihm beanstandungsfrei durch Einwurf in den Hausbriefkasten des Beklagten praktiziert. So sei z.B. auch mit den Einspruchsschreiben vom 14.12.2005 verfahren worden, die am 14.12.2005 beim Beklagte eingegangen seien. Warum dies bei dem Antrag auf Wiedereinsetzung vom 13.3.2006 anders gewesen sein solle, entziehe sich seiner Kenntnis.

Der Beklagte verwarf die Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 10.7.2006 als unzulässig.

Mit der hiergegen gerichteten Klage machen die Kläger geltend, die Bekanntgabe der angefochtenen Bescheide sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Soweit Rechtsbehelfe überhaupt erforderlich gewesen seien, seien diese rechtzeitig eingelegt worden. Bestandskraft der Bescheide sei jedenfalls nicht eingetreten.

Der Beklagte spiele das Datum der Bescheide herunter und erkläre es unter Hinweis darauf, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung den Hinweis auf das "Datum des Poststempels" ausreichen lasse, letztlich für bedeutungslos. Darauf komme es aber gerade nicht an, weil die angefochtenen Bescheide sämtlich mit einem konkreten Datum versehen seien. Das vom zuständigen Sachbearbeiter bewusst gesetzte Bescheiddatum sei keine bloße Formalie. Der Beklagte verkenne, dass dem Bescheiddatum über die Fristberechnung für einen Rechtsbehelf hinaus weitergehende eigenständige Bedeutung zukomme. Durch das Datum des Bescheides werde die vom Finanzamt getroffene Steuerfestsetzung zeitlich fixiert und der Bescheid in diesem Sinne gekennzeichnet (z.B. BFH BStBl II 1985, 485, BFH/NV 2001, 1365). Dass der Mangel der vorzeitigen Zustellung eines Bescheides vor dessen Erlassdatum durch tatsächliche Bewirkung der Zustellung geheilt werde, ergebe sich aus dieser Rechtsprechung nicht. Danach sei also im Streitfall davon auszugehen, dass die angefochtenen Bescheide sämtlich am 14.11.2005 erlassen worden seien, zu einem früheren Zeitpunkt also noch nicht existent gewesen seien. Denkgesetzlich sei die Bekanntgabe eines nicht existenten Bescheides ausgeschlossen. Durch die tatsächlich schon am 7.11.2005 erfolgte förmliche Zustellung dieser nicht existenten Bescheide habe dieser absolute Mangel der Bekanntgabe nicht geheilt werden können; eine Heilung sei ebenso wenig durch die angefochtenen Einspruchsentscheidungen des Beklagten vom 10.7.2006 erfolgt (BFH BStBl II 1994, 603). Der Beklagte müsse also Bekanntgabe und Zustellung der angefochtenen Bescheide vom 14.11.2005 nachholen.

Folge man dieser Darlegung nicht, so frage sich gleichwohl, ob die am 7.11.2005 tatsächlich bewirkte Zustellung der streitbefangenen Bescheide die einmonatige Rechtsbehelfsfrist nach § 355 AO habe auslösen können. Angesichts der vom Beklagten zu vertretenden offenbaren Fehler bei der Bekanntgabe und Zustellung der Bescheide sei die erteilte Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich des Fristbeginns und somit der einzuhaltenden Frist fehlgegangen. Es käme also allenfalls die Jahresfrist nach § 356 Abs. 2 AO in Betracht. Ausgehend von der Zustellung am 7.11.2005 wäre Fristablauf am 7.11.2006 anzunehmen, so dass die Einsprüche nicht verspätet gewesen seien.

Halte man die Rechtsbehelfsbelehrung dennoch für ausreichend für Fristberechnung und Fristablauf, müsse die fristauslösende Bekanntgabe bzw. Zustellung der Bescheide (§ 122 AO) unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Streitfalles bestimmt werden. Entscheidend müsste dabei die Sicht der Steuerpflichtigen als Adressanten der fraglichen Bescheide sein. Danach wäre zunächst jeweils der 14.11.2005 als Datum, an dem die Bescheide hätten erlassen werden sollen, maßgeblich. Bekanntgabe bzw. Zustellung der Bescheide hätten frühestens zu diesem Zeitpunkt erfolgen können. In dieser Annahme hätten sich die Kläger durch die in den Bescheiden genannten Zahlungsfristen (19.12.2005) bestätigt sehen dürfen. Das Bescheiddatum 14.11.2005 als frühester Bekanntgabe- bzw. Zustellungszeitpunkt sei also bewusst gewählt gewesen. Dies werde im übrigen durch die konkreten handschriftlichen Anweisungen und Hinweise in den Steuerakten des Beklagten nachdrücklich bestätigt. Bei der aus Sicht der Kläger frühest zulässigen Zustellung am 14.11.2005 hätten Einsprüche gegen die angefochtenen Steuerbescheide bis zum 14.12.2005 erhoben werden müssen. Dies sei auch erfolgt. Bestandskraft der angefochtenen Schätzungsbescheide sei daher nicht eingetreten; der Beklagte sei verpflichtet, die Steuerveranlagungen nach den inzwischen vorliegenden Steuererklärungen durchzuführen.

Halte man auch diese Auffassung nicht für zutreffend, bleibe die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu prüfen.

Der Antrag vom 13.3.2006 sei dem Beklagten laut Eingangsstempel am 14.3.2006 zugegangen. Damit wäre die am 13.3.2006 ablaufende Antragsfrist von einem Monat überschritten. Eine Fristversäumnis liege jedoch nicht vor. Der damalige Bevollmächtigte des Klägers habe den Wiedereinsetzungsantrag vom 13.3.2006 noch am gleichen Tag in den Hausbriefkasten des Beklagten eingelegt. Nach der beim Beklagten bestehenden Regelung, die bei der ersten Morgenleerung im Hausbriefkasten vorgefundene Post mit dem Eingangsdatum des Vortages zu versehen, hätte der Antrag den Eingangsstempel 13.3.2006 erhalten müssen. Der Beklagte habe die vom damaligen Bevollmächtigten der Kläger zur Glaubhaftmachung dieses Sachvortrags abgegebene eidesstattliche Versicherung als nicht geeignet befunden, die Beweiskraft des Posteingangsstempels als öffentliche Urkunde zu widerlegen. Dies sei unzutreffend. Die vom Bundesfinanzhof aufgestellten einschlägigen Kriterien (vgl. BFH/NV 1998, 1242) seien erfüllt: Entscheidend sei, dass der frühere Bevollmächtigte durch seine konkrete eidesstattliche Versicherung das Einlegen des Antrags in den einzigen Hausbriefkasten des Beklagten am 13.3.2006 glaubhaft gemacht habe. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser eidesstattlichen Versicherung mache der Beklagte nicht geltend. Sei die vorliegende eidesstattliche Versicherung aus formalrechtlichen Gründen nicht hinreichend geeignet, die Richtigkeit des Eingangsstempels des Beklagten als öffentliche Urkunde zu widerlegen, so sei in dem jetzigen Verfahren der entsprechende Zeugenbeweis möglich und ggf. geboten. Es werde deshalb beantragt, nicht ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden und den Steuerbevollmächtigten ......... sowie seine Tochter Dipl.-Kffr. ......... als Zeugen zu hören.

Der damalige Bevollmächtigte könne sich an den Geschehensablauf bei Abfassung des Wiedereinsetzungsantrages vom 13.3.2006 noch sehr genau erinnern. Durch die vom Beklagten behauptete Fristversäumnis habe er sich beruflich diskreditiert und im Verhältnis zu seinen Mandanten in eine äußerst missliche Situation gebracht gesehen. Der Bedeutung einer eventuellen Fristversäumnis und des damit drohenden Verlust des Rechtsbehelfs sei er sich sehr wohl bewusst gewesen. Bevor er seine Tochter und Mitarbeiterin am Freitag, dem 10.3.2006, in das Wochenende verabschiedet habe, habe er mit ihr u.a. den am Montag, dem 13.3.2006, zu erledigenden Antrag besprochen. Wie vorgesehen hätten am späten Nachmittag des 13.3.2006 der damalige Bevollmächtigte und seine Tochter gemeinsam den Wiedereinsetzungsantrag formuliert. Die Tochter habe den Antrag in den PC übernommen, der Bevollmächtigte habe anschließend den für den Beklagten bestimmten Ausdruck unterzeichnet. Die Tochter des Bevollmächtigten habe den Antrag danach postfertig gemacht und ihn auf den Schreibtisch des Bevollmächtigten gelegt. Die Tochter sei mit den steuerlichen Angelegenheiten der Kläger vertraut gewesen und habe gewusst, dass die Antragsfrist am 13.3.2006 ablief. Sie habe daher den Bevollmächtigten zur Posterledigung gedrängt. Dieser habe mit dem Antrag gegen 20.30 Uhr zu Fuß das Haus verlassen, um diesen Antrag in den Hausbriefkasten des Beklagten einzuwerfen. Der Bevollmächtigte sei sich sicher, den Einwurf in den Hausbriefkasten des Beklagten kurz vor 21 Uhr am 13.3.2006 vorgenommen zu haben.

Durch die Zeugenvernehmung werde der Beweis für die fristgerechte Einlegung des ursprünglichen Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Beklagten erbracht werden mit der Folge, dass eine etwaige Fristüberschreitung bei der Einlegung der Einsprüche als entschuldbar zu behandeln sei. Der damalige Bevollmächtigte habe sich bei der Berechnung der Frist für die Einlegung der Einsprüche auf die in den Bescheiden unmittelbar enthaltenen Angaben einschließlich der Rechtsbehelfsbelehrung gestützt. Er habe daher vom Erlass der Bescheide am 14.11.2005 sowie von der Aufgabe zur Post am gleichen Tage ausgehen und insoweit darauf vertrauen dürfen, dass auch bei dem Vermerk "Zugestellt durch Postzustellungsurkunde" die Zustellung des Bescheides frühestens am selben Tage, also am 14.11.2005, habe erfolgt sein können. Dementsprechend habe er dafür gesorgt, dass die Einsprüche vom 14.12.2005 noch am selben Tage, nämlich am 14.12.2005, dem Beklagte zugegangen seien. Dies sei nach seiner Berechnung rechtzeitig gewesen. Dem damaligen Bevollmächtigten sei jedoch nicht bewusst gewesen, dass entgegen den Angaben in den Steuerbescheiden deren Zustellung schon vor dem Erlassdatum, nämlich am 7.11.2005, erfolgt sei. Dieser Irrtum sei entschuldbar. Der damalige Bevollmächtigte habe nicht damit rechnen können und müssen, dass die fraglichen Bescheide vorzeitig zugestellt worden sein könnten. Möge man über einen Tag noch streiten, so sei eine vorzeitige Zustellung von einer Woche als ausgeschlossen anzunehmen. Angesichts der eindeutigen Daten in den angefochtenen Bescheiden sei aus Sicht des damaligen Bevollmächtigten eine Feststellung des konkreten Zustellungsdatum erläßlich gewesen. Es sei widersprüchlich, wenn der Beklagte im nachhinein die von den zuständigen Mitarbeitern bewusst und gewollt gesetzten Bescheiddaten für bedeutungslos halte und ausschließlich die nicht nachvollziehbar vorzeitige Zustellung für verbindlich erkläre, um letztlich die eigenen Fehler bei Bekanntgabe und Zustellung zu überdecken. Das Zustandekommen dieser Fehler im Hause des Beklagten bedürfe dringend der Aufklärung, ob es sich um Fehler im Einzelfall oder um Organisationsmängel handele. Dass Fehler in der Poststelle bei Massenversand von Steuererklärungen vorkommen könnten und eine Postausgangskontrolle insoweit zu hohen Aufwand erfordern könnte, möge hinnehmbar sein. Eine solche Kontrolle sei aber zumutbar und geboten für die Versendung von fristwahrenden Schriftsätzen, also auch bei der förmlichen Zustellung von Schätzungsbescheiden. Wäre eine solche Kontrolle hier durchgeführt worden, hätte es nicht zur vorzeitigen Zustellung der angefochtenen Bescheide kommen können: Entweder wäre das Bescheiddatum manuell an den tatsächlichen Versandtag angepasst oder die Aufgabe zur Post bis zum Bescheiddatum aufgeschoben worden. In jedem Fall hätte Klarheit über die Grundlagen zur Fristberechnung bestanden. Gerade die Fehler und Versäumnisse des Beklagten seien ursächlich für die objektiv fehlerhafte Berechnung der Einspruchsfrist durch den damaligen Bevollmächtigten gewesen. Das Verschulden insoweit liege also eindeutig beim Beklagten, nicht bei den Klägern bzw. ihrem damaligen Bevollmächtigten, so dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei.

Die Vorschriften der AO gälten für und gegen Staat und Bürger gleichermaßen. Der Beklagte erkläre einerseits seine aktenkundige Fehlleistung bei der Zustellung der fraglichen Bescheide als Formfehler für unerheblich, um sich andererseits wegen Verfristung der Rechtsbehelfe auf die formelle Bestandskraft dieser Bescheide zu berufen. Dies sei nicht nachvollziehbar, zumal der Fehler wesentlich durch die Formfehler des Beklagten verursacht worden sei. Es dürfe nicht sein, dass voraufgehende Fehler des Beklagten durch mögliche Fehler des seinerzeitigen Bevollmächtigten sozusagen geheilt würden und dadurch materielles Unrecht mit formeller Bestandskraft festgesetzt werde. Für die Kläger bedeute das eine ungerechtfertigte steuerliche Mehrbelastung von 121.690 EUR.

Soweit das Finanzgericht Köln im Beschluss vom 20.11.2006 (11 V 3752/06) feststelle, für die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes komme es nicht auf das in dem Bescheid ausgewiesene Datum, sondern ausschließlich auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe an, könne dem nur bedingt gefolgt werden. Bei aller Fehlsamkeit des damaligen Bevollmächtigten der Kläger müsse betont werden, dass dieser bei der Fristberechnung auf die Richtigkeit der Bescheiddatierung vertraut habe: Die Bescheiddatierung in diesem Zusammenhang für völlig irrelevant zu erklären, gehe einseitig zu Lasten der Kläger. Die offensichtlichen Fehler des Beklagten würden für unbeachtlich erklärt, obwohl es völlig ausgeschlossen scheine, dass ein Bescheid bereits sieben Tage vor dem Bescheiddatum beim Steuerpflichtigen eingehe (so FG Saarbrücken EFG 1993, 196, 198).

Ebenso wenig sei die Berufung des Beklagten auf die einschlägigen Bestimmungen des AEAO zu § 122 überzeugend. Nach AEAO § 122 Nr. 4.4.4 würden Bekanntgabemängel des ursprünglichen Bescheides durch die ordnungsgemäße Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geheilt. Dies gelte aber nicht, wenn der Einspruch in der Einspruchsentscheidung als unzulässig verworfen werde. Gerade eine solche Fallgestaltung liege hier vor.

Angesichts der Fehler auf beiden Seiten - sowohl beim Beklagten als auch beim damaligen Bevollmächtigten der Kläger - wäre eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geboten gewesen.

Letztlich sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte die fraglichen Schätzungsbescheide nicht unter den Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) gestellt habe. Gerade im Fall der Steuerfestsetzung im Wege der Schätzung sei wegen der Unsicherheit über die Grundlagen naturgemäß eine vorläufige Steuerfestsetzung geboten. Dies sei auch bundesweit Praxis der Finanzämter. Der Beklagte bestreite auch nicht, dass Schätzungsbescheide unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt werden dürften. Eine Schätzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung sei insbesondere dann geboten, wenn für eine zutreffende Schätzung kaum ausreichende Anhaltspunkte aus den Steuerakten ersichtlich seien oder die Schätzung wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen erfolge, die Schätzung daher als abschließende Prüfung nicht verantwortet werden könne. Daher hätten verschiedene Mittelbehörden eine Verpflichtung zum Vorbehaltsvermerk statuiert, soweit Schätzungen infolge fehlender Steuererklärungen erforderlich würden (vgl. OFD Nürnberg DStR 1994, 99; OFD Koblenz DStR 1995, 1062). Warum die für den Beklagten zuständige Mittelbehörde trotz wiederholter Forderungen der Steuerberaterkammer Köln sich diesen sinnvollen Regelungen nicht angeschlossen habe, bleibe unerfindlich. So halte das Finanzministerium des Saarlandes (StEK AO 1977, § 164 Nr. 26) die endgültige Steuerveranlagung ohne Steuererklärung allein auf der Grundlage einer Schätzung nur für zulässig, wenn das Finanzamt seine Sachaufklärungspflicht erfüllt und alle Erkenntnismittel, deren Beschaffung und Verwertung ihm zumutbar und möglich sei, ausgeschöpft habe. Es seien ernstliche Zweifel angezeigt, ob der Beklagte im Streitfall die zumutbare Sachaufklärung betrieben habe. Aus den Steuerakten sei dies nicht ersichtlich. Hinzu komme, dass der Kläger zum 1.1.2003 die Apotheke und das Reformhaus seines verstorbenen Vaters übernommen habe, er insoweit also für das Streitjahr erstmals steuerlich veranlagt worden sei. Akten und Erkenntnisse aus den Veranlagungen für die Vorjahre hätten dem Beklagten somit nicht vorgelegen. Die Höhe der materiell unberechtigt festgesetzten Steuern sei Beleg dafür, dass die endgültigen Schätzungsbescheide sich tatsächlich als Sanktion darstellten, nicht aber den Zweck erfüllten, die Abgabe der Steuererklärungen zu erreichen. Die fehlende Anordnung des Vorbehalts der Nachprüfung sei also ermessensfehlerhaft.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid vom 14.11.2005, betreffend beide Kläger, und die Einspruchsentscheidung vom 10.7.2006,

den Umsatzsteuerbescheid vom 14.11.2005, betreffend den Kläger, und die Einspruchsentscheidung vom 10.7.2006 sowie

den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag vom 14.11.2005, betreffend den Kläger, und die Einspruchsentscheidung vom 10.7.2006

aufzuheben und darüber hinaus den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuer der Kläger sowie die Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag, beide den Kläger betreffend, entsprechend der inzwischen vorgelegten Steuererklärungen festzusetzen,

hilfsweise,

den Klägern hinsichtlich der Einsprüche vom 14.12.2005 gegen die angefochtenen Steuerbescheide Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Soweit die Kläger die nicht ordnungsgemäße Bekanntgabe der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuermessbescheide 2003 rügten, sei ihnen entgegen zu halten, dass die angefochtenen Steuerbescheide unstreitig mit Postzustellungsurkunde am 7.11.2005 bekannt gegeben worden seien. Nach § 124 AO werde ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt sei oder der von ihm betroffen werde, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben werde. Fehler beim technischen Ablauf der Übermittlung des Verwaltungsaktes und Verletzungen von Formvorschriften seien nach § 127 AO unbeachtlich, wenn der Betroffene den für ihn bestimmten Verwaltungsakt tatsächlich zur Kenntnis genommen habe (AEAO Textziffer 4.4 zu § 122 AO). Werde ein schriftlicher Verwaltungsakt durch die Post übermittelt, so hänge die Wirksamkeit der Bekanntgabe nicht davon ab, dass der Tag der Aufgabe des Verwaltungsaktes zur Post in den Akten vermerkt werde. Um den Bekanntgabezeitpunkt im Rahmen der Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO berechnen zu können, sei der Tag der Aufgabe zur Post (in der Regel das Bescheiddatum) in geeigneter Weise festzuhalten. Werde - wie im Streitfall - eine förmliche Zustellung durch Postzustellungsurkunde vorgenommen, ergebe sich der Tag der Bekanntgabe und somit der Beginn der Rechtsbehelfsfrist im Sinne des § 355 AO aus der Postzustellungsurkunde. Nach der BFH-Rechtsprechung begründeten Postzustellungsurkunden den vollen Beweis der in ihnen bezeugten Tatsachen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4.6.1993 V B 9/93, BFH/NV 1993, 183, undvom 27.9.2005 XI B 123/04, BFH/NV 2006, 301), im Streitfall die Bekanntgabe an die Kläger am 7.11.2005 durch Einlegung der angefochtenen Steuerbescheide in deren Hausbriefkasten.

Da die Steuerbescheide für das Streitjahr 2003 ordnungsgemäß bekannt gegeben worden seien, habe die Monatsfrist am 7.12.2006 geendet; die am 14.12.2005 eingegangenen Einsprüche seien verspätet erhoben worden. Dem Einwand, die Zustellung könne aufgrund der Datierung der angefochtenen Bescheide nicht früher als zu dem in den Steuerbescheiden aufgeführten Zeitpunkt als bewirkt gelten, stehe entgegen, dass das Datum der Bescheide nicht mit dem Tag der Aufgabe zur Post im Sinne des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO identisch sein müsse. Das Datum eines Bescheides habe die Funktion, die vom Finanzamt vorgenommene Steuerfestsetzung zeitlich zu fixieren und in diesem Sinne den Bescheid zu kennzeichnen. Das Datum der Aufgabe zur Post betreffe dagegen nur die Bekanntgabe des Steuerbescheides. Der Nachweis des Zeitpunktes des Zugangs der Verwaltungsakte sei im Streitfall eindeutig durch die Postzustellungsurkunde erfolgt. Da die den Klägern zugegangenen Steuerbescheide den Hinweis auf die Zustellung durch Postzustellungsurkunde aufgewiesen hätten, sei der Steuerbevollmächtigte gehalten gewesen, anhand des Umschlages die erforderliche Fristenberechnung vorzunehmen.

Den Klägern könne keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Die Frist für die Einreichung des Wiedereinsetzungsantrags nach § 110 AO sei unstreitig am 13.3.2006 abgelaufen. Das Schreiben des steuerlichen Vertreters sei jedoch ausweislich des Posteingangsstempels erst am 14.3.2006 und damit verspätet beim Beklagten eingegangen.

Die Tatsachen zur Begründung eines erneuten Wiedereinsetzungsantrags (zur Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO) seien ebenfalls innerhalb eines Monats darzulegen. Ein Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen nach Ablauf der Antragsfrist sei unzulässig. Werde wie im Streitfall vorgetragen, das fristwahrende Schriftstück sei rechtzeitig in den Hausbriefkasten des Finanzamts eingeworfen worden, hätte es bereits mit dem Antrag vom 3.5.2006 neben der lückenlosen und schlüssigen Darstellung des Vorganges dessen Glaubhaftmachen durch Vorlage präsenter Beweismittel bedurft, die mit hinreichender Sicherheit den Schluss auf die Richtigkeit des zur Entschuldigung Vorgetragenen zuließen. Neben der lückenlosen Darstellung des Vorganges sei bei einem Bevollmächtigten, der die steuerliche Beratung berufsmäßig ausübe, die Schilderung der Fristenkontrolle sowie der Postausgangskontrolle nach Art und Umfang erforderlich und diese durch Vorlage des Fristenkontrollbuchs und des Postausgangsbuchs glaubhaft zu machen. Da neben der eidesstattlichen Versicherung des Bevollmächtigten entsprechende präsente Beweismittel fehlten, könne ein Verschulden des Bevollmächtigten an der Fristversäumnis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Mängel der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags könnten nach Ablauf der Monatsfrist auch nicht mehr beseitigt werden, sie gingen zu Lasten des Vertreters.

Soweit der Steuerbevollmächtigte mit der eidesstattlichen Versicherung vom 26.4.2006 angebe, er habe den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am Montag, dem 13.3.2006, gefertigt und am gleichen Tag persönlich in den Hausbriefkasten des Finanzamts eingeworfen, könne sich das Finanzamt aufgrund dieses Vorbringens nicht vom rechtzeitigen Eingang des Wiedereinsetzungsantrages überzeugen. Der Eingangsstempel einer Behörde oder eines Gerichts erbringe grundsätzlich den Beweis für Zeit und Ort des Eingangs eines Schreibens. Der nach § 418 Abs. 2 ZPO zulässige (Gegen-) Beweis der Unrichtigkeit einer öffentlichen Urkunde erfordere den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Bloße Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen genügten nicht, vielmehr müsse zur Überzeugung des Finanzamts oder eines Gerichts jegliche Möglichkeit ihrer Richtigkeit ausgeschlossen sein. Die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde könne nicht durch eine eidesstattliche Versicherung, die lediglich ein Mittel der Glaubhaftmachung, aber nicht des Beweises sei, widerlegt werden. Die bloße Behauptung, ein Schriftstück sei zu einem bestimmten Termin in den Hausbriefkasten des Finanzamtes eingeworfen worden, könne deshalb kein geeigneter Gegenbeweis sein. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei daher wegen Verfristung abzulehnen.

Die fehlende Aufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung in den angefochtenen Bescheiden könne keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen. § 164 Abs. 1 Satz 1 AO stelle die Aufnahme des Vorbehaltsvermerks in einen Steuerbescheid in das nach § 5 AO pflichtgemäß, jedoch ohne Begründungspflicht auszuübende Ermessen der Finanzbehörde. Folglich bedürfe die Nichtaufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung noch um so weniger einer besonderen Begründung, weil der Erlass vorbehaltloser Steuerbescheide die gesetzliche Regel bilde. Die Verpflichtung zur Aufnahme des Nachprüfungsvorbehalts in allen Schätzfällen sei weder aus dem Gesetz abzuleiten noch den geltenden Verwaltungsvorschriften zu entnehmen. Aus der fehlenden Begründungspflicht, die als lex specialis eine Einschränkung des § 121 Abs. 1 AO enthalte und nicht nur die Aufnahme der Nebenbestimmung, sondern erst recht für deren Nichtbeifügung gelte, ergebe sich zugleich, dass die Finanzverwaltung bei der Entscheidung über die Aufnahme frei sei. Dies gelte auch, wenn es sich um Schätzungsveranlagungen handle. Die Interessen des Steuerpflichtigen würden zum einen durch die Änderungsvorschriften und zum anderen durch die Anfechtungsmöglichkeiten des Schätzungsbescheides hinreichend geschützt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht die Einsprüche als unzulässig verworfen und den Klägern keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die angefochtenen Bescheide wurden den Klägern am 7.11.2005 bekannt gegeben und damit wirksam.

Ein Verwaltungsakt wird gemäß § 124 Abs. 1 AO gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Dies ist bei schriftlicher Bekanntgabe der Zeitpunkt, in dem der Verwaltungsakt dem Inhaltsadressaten zugegangen ist, d.h. derart in seinen Machtbereich gelangt ist, dass die Kenntnisnahme ihm normalerweise möglich ist und nach den Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs auch erwartet werden kann (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 122 AO Rz. 7). Dies war - unstreitig - am 7.11.2005 mit dem Einwurf in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten der Fall.

Dem Wirksamwerden des angefochtenen Bescheids im Zeitpunkt der Bekanntgabe steht nicht entgegen, dass die Bekanntgabe eine Woche vor dem im Bescheid angegebenen Datum erfolgte. Dies hat nicht zur Folge, dass der Bescheid als nicht oder jedenfalls nicht vor dem 14.11.2005 existent anzusehen wäre.

Ein Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Inhalt eines Verwaltungsakts ergibt sich aus dem sog. Ausspruch (Entscheidungssatz, Tenor). Nicht zum Inhalt eines Verwaltungsakts im Sinne des § 119 AO gehört neben der Begründung und der Rechtsbehelfsbelehrung insbesondere das Datum des Verwaltungsakts (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 119 AO Rz. 7). Wie sich aus § § 119 Abs. 3 und 157 Abs. 1 AO ergibt, muss der Steuerbescheid selbst kein Datum enthalten. Das Datum des Bescheides hat (nur) die Funktion, die vom Finanzamt vorgenommene Steuerfestsetzung zeitlich zu fixieren und in diesem Sinne den Bescheid zu kennzeichnen (vgl. BFH-Urteile vom 19.12.1985 I R 7/82, BStBl II 1985, 485, undvom 3.5.2001 III R 56/98, BFH/NV 2001, 1135). Für die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts kommt es nicht auf das in dem Bescheid ausgewiesene Datum, sondern ausschließlich auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe (Zugang am 7.11.2005) an. Dass die Versendung der Bescheide ausweislich des (offensichtlich vordatierten) Stempelaufdrucks auf dem Eingabewertbogen erst an dem (vom Rechenzentrum vorgegebenen) Datum (14.11.2005) erfolgen sollte, ist unerheblich. Im Streitfall ist nicht ernstlich zweifelhaft und durch den ausgefüllten Stempelaufdruck dokumentiert, dass der Beklagte die Schätzungsbescheide mit dem bekannt gegebenen Inhalt absenden wollte und damit mit Bekanntgabewillen handelte. Dass die Absendung vor dem vorgesehenen Termin erfolgte, spielt bereits deshalb keine Rolle, weil die Finanzbehörde den Bescheid ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe mit dem erklärten Inhalt gegen sich gelten lassen muss; soll das Bekanntgegebene nicht gelten, muss dies dem Betroffenen spätestens gleichzeitig mit der Bekanntgabe mitgeteilt werden (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 124 AO Rz.14).

Der am 14.12.2005 beim Beklagte eingegangene Einspruch wurde verspätet eingelegt. Wie der Beklagte zutreffend berechnet hat, endete die einmonatige Rechtbehelfsfrist am 7.12.2005. Die Rechtsbehelfsfrist begann gemäß § 108 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 187 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Tages der Bekanntgabe, d.h. am 8.11.2005. Die vorzeitige Bekanntgabe des Bescheides hatte nicht zur Folge, dass die Rechtsbehelfsfrist später begann. Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung ist der Einspruch "innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts" einzulegen (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO). Da der Steuerbescheid kein Datum zu enthalten braucht, anhand dessen es dem Adressaten möglich ist, mit Hilfe der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung ohne Berücksichtigung weiterer Umstände die Frist zu berechnen, beginnt die Rechtsbehelfsfrist auch dann zu laufen, wenn ein Steuerbescheid ohne Datum ergangen ist. Ist eines angegeben, so ist damit - wie der Streitfall anschaulich verdeutlicht - nicht in jedem Fall sichergestellt, dass es mit dem Datum der Aufgabe zur Post übereinstimmt. Deshalb kommt in Zweifelsfällen stets dem Datum des Poststempels entscheidende Bedeutung zu (vgl. BFH-Urteile vom 18.7.1986 III R 216/81, BFH/NV 1987, 12,vom8.4.1987 X R 69/81, BFH/NV 1988, 72, undvom 29.3.1990 V R 19/85, BFH/NV 1992, 783). Eine Verlängerung der Rechtsbehelfsfrist auf ein Jahr (§ 356 Abs. 2 AO) scheidet ebenfalls aus. Denn die Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht unrichtig. In ihr wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die einmonatige Einspruchsfrist mit Ablauf des Bekanntgabetages beginnt und bei Zustellung mit Zustellungsurkunde Tag der Bekanntgabe der Tag der Zustellung ist.

Den Klägern kann wegen der Versäumung der Einspruchsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

Es kann offen bleiben, ob die Tatsachen zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 AO vorgetragen und glaubhaft gemacht wurden, denn der Antrag ist unbegründet.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist, einzuhalten. Dabei ist das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Kläger haben nicht glaubhaft gemacht, dass die Frist ohne Verschulden ihres früheren Bevollmächtigten versäumt wurde.

Bei Beteiligung rechtskundiger Prozessvertreter kann eine Fristversäumung nur dann als entschuldigt angesehen werden, wenn sie durch die äußerste, den Umständen angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 24.1.2005 III B 34/04, BFH/NV 2005, 720). Der frühere Bevollmächtigte der Kläger hat entweder ohne Ermittlungen zum Datum der Zustellung unterstellt, dass die Bekanntgabe jedenfalls nicht vor dem im Bescheid ausgewiesenen Datum erfolgt sein könne, oder ihm ist ein Fehler bei der Berechnung der Rechtsbehelfsfrist unterlaufen. In beiden Fällen hat er schuldhaft gehandelt.

Zu den Sorgfaltspflichten eines Bevollmächtigten gehört, insbesondere wenn die Rechtsbehelfsfrist (zulässigerweise) bis zum Ende ausgenutzt werden soll, die Überprüfung der Art und des Zeitpunkts der Bekanntgabe (vgl. BFH-Urteil vom 17.3.1994 V R 136/92, BFH/NV 1995, 465). Dass der Schätzungsbescheid nicht mit einfachem Brief, sondern mit Postzustellungsurkunde bekannt gegeben wurde, ergibt sich bereits aus dem Stempelaufdruck auf dem Bescheid. Eine korrekte Fristberechnung ist in diesem Fall nur möglich, wenn der Umschlag des Schriftstücks, auf dem ausweislich der Zustellungsurkunde der Tag der Zustellung vermerkt war, hinzugezogen wird. Wäre dies geschehen, wäre ohne weiteres aufgefallen, dass der Bescheid bereits am 7.11.2005 zugestellt wurde und die Rechtsbehelfsfrist folglich früher endete. Wenn der Bevollmächtigte diese, für eine ordnungsgemäße Fristenberechnung erforderliche Ermittlung unterließ und sich allein auf das Datum des Bescheides verließ, ist dies zwar nachvollziehbar, kann ihn aber nicht entschuldigen. Denn als Bevollmächtigtem, von dem grundsätzlich die Kenntnis des Verfahrensrechts erwartet wird (vgl. Gräber/Stapperfend, § 56 FGO Rz. 20 "Rechtsirrtum über Verfahrensfragen"), musste ihm bekannt sein, dass das Datum des Bescheides nicht mit dem Datum der Bekanntgabe gleichgesetzt werden kann. Dass diese Daten nicht übereinstimmen, ist insbesondere dann nicht auszuschließen, wenn - wie bei der Bekanntgabe durch förmliche Zustellung - kein automatischer Versand durch das Rechenzentrum erfolgen kann.

Wenn der Bevollmächtigte zwar das Datum der Zustellung ermittelt, seiner Berechnung der Rechtsbehelfsfrist aber dennoch das Datum des Bescheides zugrunde gelegt hat, weil er dies für ausschlaggebend hielt, stellt dies einen Irrtum über das Verfahrensrecht dar, der ihn als rechtskundigen Bevollmächtigten nicht entschuldigen kann.

Dass die angefochtenen Bescheide nicht mit dem Vorbehalt der Nachprüfung versehen wurden, führt weder zur Nichtigkeit der angefochtenen Bescheide noch hat dies Einfluss auf die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Wie der Beklagte zutreffend dargelegt hat, bestand weder eine gesetzliche Verpflichtung noch eine innerdienstliche Weisung, Schätzungsbescheide unter den Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen.

Der Beklagte hat daher zu Recht die Einsprüche als unzulässig verworfen.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen; der Senat hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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