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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 13.09.2000
Aktenzeichen: 14 K 5167/97
Rechtsgebiete: UStG
Vorschriften:
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7c |
Finanzgericht Köln
Tatbestand:
Die Klägerin befaßt sich u.a. mit der Erstellung von Computer-Software für Wirtschaftsunternehmen. Aufgrund Vertrags mit der A Lebensversicherungs AG (A) vom 23. September 1993 übernahm sie die Erstellung von Spezialsoftware für deren Betrieb. In dem Vertrag heißt es u.a.:
"Vertrag über die Erstellung eines EDV-Anwendungssystems für die Passive Rückversicherung in der Lebensversicherung
...
§ 1
Auftragsgegenstand und -ziel
Der AN erstellt für den AG eine Spezial-Software zur maschinellen, vollautomatischen Abwicklung aller Komponenten der Passiven Rückversicherung des AG. Dem Auftrag liegt die in der Zeit vom 24.11.1992 bis zum 31.01.1993 gemeinsam erstellte und als Anlage beigefügte Analyse und Planung zugrunde. Das System ist insgesamt nach modernem, aber erprobtem Stand der Wissenschaft und Technik mit dem Ziel eines hohen Grades an Automatisierung, leicht modifizierbaren Standardablauf, Erweiterungsfähigkeit, einheitlicher und anwenderfreundlicher Benutzeroberflächen, hoher Verfügbarkeit und bei dem gegebenen Umfeld annehmbarer Anwortzeit herzustellen; das System muß effizient und robust sein.
Die Verwaltung und Bereitstellung der Daten für das Rückversicherungsgeschäft hat automatisch ohne Einflußnahme des Sachbearbeiters im LV-Online-Betrieb für insbesonders folgende Aktivitäten abzulaufen:
Neuzugänge von Versicherungen
Änderungen von Versicherungen
Abgänge von Versicherungen
unterjährige und jährliche Bestandsbearbeitung
Des weiteren ist ein RV-Dialogsystem aufzubauen, das - soweit definitionsgemäß zulässig - dem Sachbearbeiter beabsichtigte, manuelle Eingriffe für bestimmte Verträge erlaubt und darüber hinaus für Auskünfte und Auswertungen zur Verfügung steht.
Neue Tarife und neue Rückversicherungsvereinbarungen müssen problemlos in das System integrierbar sein.
Für die Bearbeitung aller rückversicherungsrelevanten Vorgänge ist der Aufbau einer Bestandsverwaltung incl. einer auch für die Bearbeitung von Schadenfällen auswertbaren Bestandshistorie durchzuführen. Bisher vereinfachte, pauschalierte Vertrags- und Bestandsbearbeitungen sind durch exakte Lösungen innerhalb der laufenden Verarbeitung zu ersetzen.
Das System soll in seiner Grundausprägung so angelegt sein, daß es auch außerhalb der Gegebenheiten bei dem AG anwend- und modifizierbar ist.
§ 2
Leistungsbeschreibung und Vorgehensweise
Der Auftrag ist im Rahmen der bereits angesprochenen Anlage zu erfüllen, insbesondere sind folgende nachstehend schlagwortartig aufgeführten Leistungen zu erbringen:
Erstellung einer Schnittstelle LV-System zum RV-System Beschreibung und Definition der Schnittstelle für Online- und Batch-Bearbeitung zur Übernahme von Daten aus dem LV-Bestand in den RV-Bestand
RV-Bestand und -Historie Definition, Satzaufbau, Modellierung, Bestandsaufbau, Bestandsführung
Tabellenverwaltung über TAB-SYS Definition, Satzaufbau für
Rückversicherer
Geschäftsvorfälle
RV-Tarife
Maximalkontrolle
Datenträgeraustausch
Auswertungen unter rückversicherungstechnischen Gesichtspunkten, z.B.
Abrechnungen
Statistiken
Dialoge
RV-Findung
Prüfung
Maximalkontrolle
Bestimmung RV-Daten
Berechnung RV-Werte
Abschlußarbeiten
Rekapitulation
Prolongation
Auswertungen
Bestandauswertungen
Abwicklung mit Zessionar
Exzedentenmeldung
Überweisung
Schadenmeldung
Abschluß
Schadeneinschluß
Gewinnanteile
Depot
Retrozession
Test
Modultest
Integrationstest
Prototyping
Qualitätssicherung ab Beginn Feinkonzept
Dokumentation Erstellung einer Komplettdokumentation erfolgt nach A-Standard
Schulung/Einarbeitung der A-Mitarbeiter
Unter Berücksichtigungen der Besonderheiten im Hause der AG wird bei der Abwicklung des Projekts wie folgt vorgegangen:
DV-Feinkonzept
Konzeption und Erstellung von Programmspezifikationen
Erstellen eines Prototypen zur Beschreibung und Festlegung der Benutzeroberfläche (Mensch-Maschinen-Schnittstelle)
Festlegung von Qualitätssicherungsmaßnahmen
Festlegung der Projektabwicklung
Programmierung
Baustein-Codierung
Baustein-Test
Integration und Systemtest
Bausteinintegration
Systemtest
Verfahrenseinführung
Einführungsvorbereitung
Zur effizienten Abwicklung der Arbeiten werden bewährte Methoden und Hilfsmittel eingesetzt. Dazu gehören insbesondere:
..-Projektmanagement Verfahren
Qualitätssicherung
Im Hinblick auf technische Rahmenbedingungen ist für die Systemumgebung folgendes verbindlich: Hardware IBM 9021-900; die Programmierung erfolgt in Cobol II, DC-Monitor ist IMS-DC, Online-Programme werden über VKS realisiert, das wiederum die Online-Architektur vorgibt, als Datenbanksystem werden IMS-DB und DB 2 eingesetzt. Im Systementwurf ist der Einsatz von DB 2 als Zielsystem unter Berücksichtigung des Mengengerüstes und der Performance vorgesehen. Die Dokumentation richtet sich am DV-Handbuch der A aus. die im A ... und im A ... dokumentierten Daten, Funktionen und Abläufe werden als Basis für das System genutzt.
Primäre Schnittstellen außerhalb des Systems sind folgende Drittsysteme: Kundensystem ...
...
§ 5
Vergütung
Die Vergütung für den AN beträgt pauschal
DM 1.114.048,- zzgl. MWST.
Spesen, Reisekosten und sonstige Aufwendungen, insbesondere die im ...-Entwiclungs-Zentrum (EZ) zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten mit Infrastruktur, sind mit dieser Vergütung abgegolten. Gleiches gilt bis zur Abnahme für die Kosten von Funktionsprüfungen, Tests und Fehlersuche.
...
§ 11
Gewährleistung
Der AN gewährleistet, daß das erstellte System die im Vertrag vereinbarten Anforderungen an das Programm, insbesondere nach Maßgabe der in §§ 1 und 2 definierten Aufgabenstellung, Zielsetzung und Leistung, erfüllt.
...
§ 15
Eigentums- und Nutzungsrecht
Soweit an den Arbeitsergebnissen des AN Eigentumsrechte entstehen, gehen diese im Rahmen dieses Vertrages auf den AG über. Der AN bedarf der schriftlichen Zustimmung des AG, wenn er für den AG erstellte Programme oder andere Unterlagen anderweitig verwendet.
Der AG erhält mit Abnahme der Leistung das unwiderrufliche, unbeschränkte und ausschließliche sowie übertragbare Recht, die im Rahmen dieses Vertrages erbrachten Erstellungsleistungen auf sämtliche Arten zu nutzen. Der AN garantiert die Freiheit von Rechten Dritter an diesen Leistungen.
Zum Zwecke der Ausübung der vorgenannten uneingeschränkten Eigentums- und Nutzungsrechte übergibt der AN spätestens bei Abnahme alle einschlägigen Unterlagen, insbesondere den dem System zugrundeliegenden Quellcode.
..."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Umsatzsteuerakte des Beklagten verwiesen.
Mit Bescheid vom 26. September 1995 unterwarf der Beklagte diesen Umsatz der Klägerin dem vollen Umsatzsteuersatz und lehnte es auch in der Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 1997 ab, die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG zu gewähren.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage vom 7. Juli 1997. Die Klägerin macht geltend: Ihr stehe der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG zu, da die Leistung gegenüber der A in der Einräumung und Übertragung von Rechten bestanden habe, die sich aus dem Urheberrecht, insbesondere § 69 a i.V.m. §§ 11, 15, 23 und 31 UrhG ergeben. Mit § 15 des Vertrages ergäben. Mit § 15 des Vertrages seien die Urheberrechte vollständig und unter Ausschluß des Urhebers übertragen worden. Die A habe besonderen Wert auf Anpassung und Erweiterung des Software-Systems gelegt. Auch sei die Übertragung auf andere Firmen bzw. Firmenteile ihres Konzerns möglich gewesen. Aus Rechtsprechung und Literatur ergebe sich, daß der ermäßigte Steuersatz zwar nicht für die Lieferung von Standardsoftware, wohl aber für die Erstellung von speziell auf die Bedürfnisse des Kunden abgestellte Betriebssoftware zu gewähren sei, jedenfalls wenn sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sei. Dies sei vorliegend der Fall, da es sich um ein umfangreiches, erhebliche Schöpferkraft erforderndes Werk gehandelt habe.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerveranlagung des Jahres 1993 mit der Maßgabe zu ändern, daß auf den Teilbetrag der Bemessungsgrundlage des Jahres 1993 mit dem Wert von DM 1.114.048 § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG angewendet und die Umsatzsteuer des Jahres 1993 (gerundet) auf DM 6.697.379 festgesetzt wird.
Der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, Hauptgegenstand des streitigen Vertrags sei die Erstellung von Spezialsoftware und die spezielle Funktionalität für den Betrieb der A gewesen. Die mögliche Verwertung von Urheberrechten an den Programmen habe demgegenüber, wenn sie überhaupt bedacht worden sei, ganz im Hintergrund gestanden und sei in der Hauptleistung untergegangen. Dies zeige auch die Systematik des Vertrags, der keine gesonderte Vergütung für urheberrechtliche Leistungen vorsehe und die Übertragung der Quellcodes auch erst ganz am Ende, also nach Regelung der Hauptpflichten vorsehe.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG für den streitigen Umsatz. Die Ermäßigung des Steuersatzes gilt für Leistungen, die in der Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten bestehen, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben. Der Senat geht zugunsten der Klägerin davon aus, daß aufgrund des Vertrags vom 23. September 1993, insbesondere aufgrund von § 15 dieses Vertrages tatsächlich eine Einräumung bzw. Übertragung von urheberrechtlich geschützten Positionen stattgefunden hat, indem der A die Quellcodes und alle "Eigentums- und Nutzungsrechte" an einem Computerprogramm übertragen wurden, von dem es aufgrund seiner Aufwendigkeit und Komplexität naheliegt, daß es das "Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung seines Urhebers" ist (siehe § 69 a Abs. 3 UrhG).
Jedoch tritt bei der erforderlichen Gesamtwürdigung der vertraglichen Leistung der Klägerin der Anteil, der in der Übertragung urheberrechtlich geschützter Positionen besteht, gegenüber der im übrigen erbrachten Leistung soweit zurück, daß dieser Anteil das umsatzsteuerliche Gepräge der gesamten Leistung nicht maßgeblich bestimmen kann. Dabei kann, ähnlich wie im BFH-Urteil vom 19. November 1998 V R 19/98, BFH/NV 1999, 836, dahinstehen, ob dieser Anteil und die Leistungen im übrigen so ineinander greifen, daß von einer einheitlichen Leistung gesprochen werden muß, in der der urheberrechtliche Anteil untergeht oder ob der urheberrechtliche Anteil - mit demselben Ergebnis - als unselbständige Nebenleistung zu werten ist. Jedenfalls tritt der urheberrechtliche Anteil zurück, da er im Vergleich zur Hauptleistung, nämlich der Erstellung und betriebsfähigen Einrichtung des Programms als nebensächlich erscheint und diese Hauptleistung, mit der er eng zusammenhängt und mit der er üblicherweise zusammen vorkommt, wirtschaftlich ergänzt und abrundet.
Siehe dazu das oben zitierte BFH-Urteil.
Diese Beurteilung ergibt sich aus einer Würdigung des Gesamtvorgangs, insbesondere des zugrundeliegenden Vertrags vom 23. September 1993. Dieser Vertrag stellt schon in der Überschrift, vor allem aber in den §§ 1 und 2 ganz vorwiegend darauf ab, für die A ein robustes und betriebssicheres System zu entwickeln und betriebsfähig zu installieren. Insbesondere § 2 des Vertrags enthält dazu genaue Bestimmungen des Projekts und der höchst speziellen Gegebenheiten, auf die dabei abzustellen ist. Die zusätzliche Übetragung von urheberrechtlich geschützten Positionen rundet diese Hauptleistung wirtschaftlich lediglich ab. Es leuchtet ein und entspricht üblicher Gestaltung solcher Verträge, daß die A sich insbesondere für den Fall absichern will und muß, daß das Software-System in einiger Zeit neuen betrieblichen und technischen Gegebenheiten angepaßt werden muß. In diesem Falle muß sie berechtigt und ggfls. unter Rückgriff auf die Quellcodes in der Lage sein, diese Anpassung durch Bearbeitung und Erweiterung der bestehenden Programme vornehmen zu lassen, ohne hieran durch fortbestehende Urheberrechte der Klägerin ge- oder wirtschaftlich behindert zu sein. Dies ist insbesondere für den Fall wichtig, daß die Klägerin nach längerer Zeit selbst für die entsprechenden Anpassungsaufträge nicht mehr zur Verfügung stünde. Ferner kann auch dem Vortrag der Klägerin gefolgt werden, daß der A auch daran gelegen war, die Grundausprägung des Programms evtl. auch für andere Zweige oder Unterfirmen ihres Konzerns zu nutzen (wofür auch der letzte Absatz des § 1 des Vertrags spricht). Beide Gesichtspunkte sichern die Möglichkeit zukünftiger Anpassung auf geänderte oder erweiterte Nutzung und ergänzen und sichern so die gegenwärtig erbrachte Hauptleistung der Erstellung des betriebsfähigen Systems.
In dieselbe Richtung weist auch der Umstand, daß der Vertrag alle Leistungen und Gegenleistungen beschreibt und bestimmt und erst zum Schluß - systematisch unter den Nebenbestimmungen - von "Eigentums- und Nutzungsrechten", bezeichnenderweise jedoch auch hier nicht ausdrücklich von Urheberrechten spricht. Zur Auslegung wichtig erscheint hier insbesondere auch der Umstand, daß der Vertrag für die Einräumung der "Eigentums- und Nutzungsrechte" gemäß § 15 keine gesondere Gegenleistung festsetzt.
Siehe das oben zitierte BFH-Urteil, das diesen Umstand ebenfalls als wesentliches Indiz wertet.
Eine andere Wertung erschiene bei Auftraggebern geboten, die ihrerseits mit Software handeln und deshalb auf die Übertragung von Urheberrechten zentral angewiesen sind. Würde etwa die Klägerin einen Subunternehmer mit der Erstellung von Basissoftware für eine Vielzahl von ihr auszuführende Aufträge beauftragen, so stünde für diesen Umsatz das Urheberrecht der Subunternehmer sicherlich im Zentrum. Von einem großen Versicherungsunternehmen dagegen ist davon auszugehen, daß es ihm ganz vorwiegend um die Befriedigung seiner geschäftsspezifischen Belange, d.h. um die Einrichtung eines auf ihn zugeschnittenen Programmkomplexes geht, das sekundär womöglich noch auf ähnlich ausgerichtete Unternehmen seines Konzerns übertragen werden kann. Die Übertragung von Urheberrechten hat in diesem Zusammenhang nur sekundäre, nur dienende Funktion.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Der Senat läßt die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zu, da er die Frage, in welchen Fällen die Übertragung von Urheberrechten an Computer-Software als wesentlicher Bestandteil der Erstellungleistung gelten kann, insbesondere auch mit Rücksicht auf den BFH-Beschluß vom 13. März 1997 V B 120/96, BFH/NV 1997, 814, der einer abweichenden Wertung zuzuneigen scheint, für grundsätzlich klärungsbedürftig hält.gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Az.d.BFH: V R 14/01
Ende der Entscheidung
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