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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 21.08.2008
Aktenzeichen: 7 K 3380/06
Rechtsgebiete: UStG
Vorschriften:
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 | |
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 2 | |
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 3 | |
UStG § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 |
Finanzgericht Köln
Tenor:
Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom .........2006 wird die Umsatzsteuer 2002 auf ...,66 € und die Umsatzsteuer 2003 auf .....,43 € herabgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterle-gung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht Leistungen von im Ausland ansässigen Musikern an das vom Kläger betriebene Orchester als umsatzsteuerpflichtig behandelt hat.
Der Kläger ist alleiniger Inhaber, Betreiber und Leiter des Orchesters "........... ......." (Orchester). Der Kläger ist zudem Schlagzeuger dieses Orchesters.
Gemäß einer Bescheinigung der Bezirksregierung ... vom ......1998 erfüllt das Orchester die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) genannten staatlichen und kommunalen Einrichtungen.
Der Kläger nimmt daher für das Orchester seit dem Veranlagungszeitraum 1999 die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG in Anspruch.
Zur Durchführung von Konzerten, sonstigen Veranstaltungen und Tourneen sowie für die Herstellung von Tonträgeraufnahmen verpflichtet der Kläger die für den jeweiligen Zweck benötigten Musiker aus dem Kreis der ihm in Deutschland und den benachbarten europäischen Ländern bekannten Musiker. Der Kläger vereinbart mit den von ihm engagierten Musikern für deren Tätigkeit Honorare für freiberufliche Mitarbeit und zahlt diese in Form von sogenannten Gutschriften an die Musiker aus.
Mit Schreiben vom .......2001 beantragte der Kläger beim Beklagten die Erteilung einer verbindlichen Auskunft bezüglich der Frage, ob in den an den Kläger gerichteten Honorarrechnungen dieser Musiker Umsatzsteuer ausgewiesen werden müsse, oder ob die betreffenden Leistungen als umsatzsteuerfrei anzusehen seien, bzw. welcher Steuersatz im Falle einer Umsatzsteuerpflicht dieser sonstigen Leistungen anwendbar sei.
Mit Schreiben vom ......2001 wurde der Antrag des Klägers auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vom Beklagten abgelehnt. Dabei wies der Beklagte darauf hin, dass angesichts der vorgetragenen Konstellation bei jedem einzelnen Musiker festgestellt werden müsse, ob er gegebenenfalls die Bedingungen für eine Steuerfreiheit oder eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes erfülle.
Im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2002 und 2003 wurden die vom Kläger in diesen Jahren i.H.v. ......,00 € bzw. .....,00 € unstreitig in Anspruch genommenen sonstigen Leistungen von im Ausland ansässigen Musikern nicht aufgeführt, da der Kläger insoweit davon ausging, dass diese sonstigen Leistungen als umsatzsteuerfrei im Sinne des § 4 Nr. 20 a UStG anzusehen seien.
Den Umsatzsteuererklärungen des Klägers für die Streitjahre 2002 und 2003 wurde seitens des Beklagten zugestimmt.
Im Rahmen einer für die Jahre 2002 bzw. die Voranmeldungen I - IV/2003 angeordneten Umsatzsteuersonderprüfung gelangte der Beklagte gemäß Umsatzsteuersonderprüfungsbericht vom ......2004 zu der Feststellung, dass das Orchester des Klägers für seine Konzerte im Ausland ansässige Künstler engagiert habe, deren Entgelte im Prüfungszeitraum 2002 ......,00 € bzw. im Prüfungszeitraum 2003 .....,00 € betragen hätten.
Die ausländischen Künstler seien als Unternehmer im Sinne des § 13 b Abs. 1 Nr. 1 UStG anzusehen, da sie sonstige Leistungen erbrächten, deren ermäßigte Umsatzsteuer mit Ausstellung der Rechnungen entstehe. Das Orchester des Klägers schulde die Umsatzsteuer hieraus nach § 13 b Abs. 2 UStG. Die hierauf entfallende Umsatzsteuer betrage .....,22 € für das Streitjahr 2002 und ...,57 € für das Streitjahr 2003.
Auf der Grundlage dieses Umsatzsteuersonderprüfungsberichts änderte der Beklagte gemäß § 164 Abs. 2 AO am ......2004 bzw. am ......2005 die erstmaligen Umsatzsteuerbescheide und erhöhte die festzusetzende Umsatzsteuer für 2002 von ...,66 € um .....,22 € auf .....,88 € und für 2003 von .....,86 € um ...,57 € auf .....43 €.
Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb in beiden Bescheiden bestehen.
Die vorgenannten Umsatzsteueränderungsbescheide wurden bestandskräftig.
Mit Schreiben vom ......2005 beantragte der Kläger die Änderung der Umsatzsteuerbescheide für 2002 und 2003 gemäß § 164 Abs. 2 AO.
Dabei wies der Kläger darauf hin, dass dem Orchester eine Bescheinigung für die Befreiung von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG der Bezirksregierung ... vorliege. Diese Bescheinigung gelte nicht nur für das Orchester als Einheit sondern für jeden einzelnen Künstler im Rahmen seines Auftritts mit diesem Orchester.
Im Anschluss an die Umsatzsteuersonderprüfung habe hingegen der Kläger die Umsatzsteuer auf die Vergütungen an die Mitglieder des Orchesters gemäß § 13 b UStG an den Beklagten abgeführt.
Da die Tätigkeit der Musiker des Orchesters nicht der Umsatzbesteuerung unterliege, werde seitens des Klägers beantragt, die zuviel gezahlte Umsatzsteuer i.H.v. insgesamt .....,81 € für die Jahre 2002 und 2003 zu erstatten.
Dies wurde seitens des Beklagten mit Schreiben vom ......2005 abgelehnt.
Am 13.02.2006 beantragte der Kläger erneut eine Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2002 und 2003 gemäß § 164 Abs. 2 AO.
Dabei verwies er auf eine nunmehr vorliegende, am .......2006 ergangene Bescheinigung der Bezirksregierung ..., in der unter anderem folgendes ausgeführt wird:
"Entsprechend ihrem Antrag hebe ich meine Bescheinigung vom .......2005 rückwirkend zum .......2005 auf.
Es ergeht folgender neuer Bescheid:
Ihrem Antrag entsprechend bescheinige ich, dass nachfolgend genannte Künstler (siehe beglaubigte Kopie) in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des ................ Orchesters, die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen, wie die in § 4 Nr. 20 a des Umsatzsteuergesetzes genannten staatlichen und kommunalen Einrichtungen."
In der Anlage befindet sich eine Auflistung der Mitglieder des Orchesters. Die Liste umfasst insgesamt 105 Namen.
Im Hinblick auf diese vorgelegte Bescheinigung beantragte der Kläger erneut, ihm die seiner Ansicht nach zuviel gezahlte Umsatzsteuer für die Jahre 2002 und 2003 i.H.v. insgesamt .....,81 € zu erstatten.
Dies wurde vom Beklagten mit Schreiben vom ......2006 abgelehnt. Dabei stellte sich der Beklagte auf den Standpunkt, dass die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 a UStG nur dann gewährt werden könne, wenn für jeden Künstler eine separate Bescheinigung vorgelegt werde. Mit dieser Bescheinigung treffe der Künstler die Entscheidung, dass alle seine Auftrittsleistungen steuerfrei seien. Er habe damit kein Wahlrecht, bestimmte Auftritte als steuerfrei, zum Beispiel für seine Tätigkeit im .............., und andere als steuerpflichtig zu behandeln. In der vorgelegten Bescheinigung werde jedoch diese Beschränkung der Steuerfreiheit aufgeführt. Dort heiße es, dass die Steuerfreiheit nur insoweit für die Künstler gelte, als diese in ihrer Eigenschaft als Mitglied des .......... Orchesters tätig würden. Die vorgelegte Bescheinigung könne daher nicht anerkannt werden, da diese der einheitlichen Behandlung sämtlicher Umsätze der Künstler zuwider laufen würde.
Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom ......2006 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Im Rahmen der Einspruchsentscheidung wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Im Rahmen seiner hiergegen fristgerecht erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass er als selbständiger Musiker tätig sei. Mit einer Vielzahl weiterer Künstler habe er ein Orchesters gegründet. Die jeweiligen Musiker stünden bei ihm im Rahmen einer selbständigen Dienstleistung unter Vertrag.
Der Kläger sei von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 20 a UStG befreit. Der Beklagte habe sich im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung auf den Standpunkt gestellt, dass die bei dem Kläger unter Vertrag stehenden ausländischen Musiker unter den Regelungsbereich des § 13 b Abs. 1 Nr. 1 UStG fallen würden, da keine Gleichstellungsbescheinigungen der zuständigen Landesbehörde hätten vorgelegt werden können.
Im Rahmen eines Antrags auf Änderung der Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 AO habe der Kläger eine Sammelbescheinigung nach § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG vorgelegt. Diese Sammelbescheinigung sei jedoch vom Beklagten nicht anerkannt worden. Der Beklagte stütze sich dabei auf die Rechtsauffassung, dass zum einen für jeden Musiker eine gesonderte Bescheinigung habe erteilt werden müssen. Zum anderen beinhalte der Verwaltungsakt der zuständigen Landesbehörde eine Einschränkung dahingehend, dass nur die Umsätze im Zusammenhang mit dem betreffenden Orchester unter dem Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 20 a UStG fielen.
Dieser Rechtsstandpunkt des Beklagten sei jedoch unzutreffend. Die durch die zuständige Landesbehörde ausgestellte Sammelbescheinigung sei vom Beklagten zu berücksichtigen. Es handele sich dabei um einen Grundlagenbescheid. Dem Beklagten stünden keine Einwendungen gegen einen solchen Grundlagenbescheid zu. Der Bescheid entfalte vielmehr Bindungswirkung mit dem Inhalt, mit dem er bekannt gegeben worden sei.
Vor diesem Hintergrund gehe es im anhängigen Klageverfahren nur und ausschließlich um die Rechtsfrage, ob für die betreffenden Künstler eine wirksame Bescheinigung erteilt worden sei. Dies sei nach Auffassung des Klägers der Fall. Dabei sei es unmaßgeblich, dass die Bescheinigung in Form eines Sammelbescheids und nicht in Gestalt Form von jeweils einzelnen Urkunden erteilt worden sei.
Soweit der Beklagte die Auffassung vertrete, die betreffende Bescheinigung müsse einen Hinweis auf die Gesamttätigkeit des Einzelkünstlers beinhalten, so sei dies unzutreffend. Ein Künstler, der im privatwirtschaftlichen Bereich tätig sei, könne eine Vielzahl von unterschiedlichen Leistungen erbringen, die jeweils gesondert im Sinne der Gleichheit zu prüfen seien. In diesem Sinne habe die zuständige Landesbehörde sich demjenigen Aufgabenbereich zugewandt, der durch die jeweiligen Künstler gegenüber dem Kläger erbracht werde. Im Rahmen dieser spezifischen Tätigkeit würden die betreffenden Künstler als Mitglieder des Orchesters des Klägers die gleichen Aufgaben wie ein öffentlich-rechtliches Orchester erbringen.
Die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde umfasse alle im Orchester des Klägers mitwirkenden Künstler. Dies reiche für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG aus.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom ......2006 die Umsatzsteuerbescheide für 2002 und 2003 vom ......2004 sowie vom ......2005 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2002 von .....,89 € auf ...,66 € und die Umsatzsteuer für 2003 von .....,43 € auf .....,43 € herabgesetzt wird, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
im Unterliegensfall,
die Revision zuzulassen.
Er steht auf dem Standpunkt, dass die vorliegende Bescheinigung der Bezirksregierung ... nicht den Anforderungen des § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG entspreche. Denn vorliegend enthalte die betreffende Bescheinigung der Bezirksregierung ..., unabhängig davon, dass es sich um eine Sammelbescheinigung für sämtliche Musiker des .............. Orchesters handele, eine Einschränkung. Sie bescheinige nicht, dass der jeweilige Musiker mit der Gesamtheit seiner Auftrittsleistungen umfassend die gleichen kulturellen Aufgaben erfülle wie die in § 4 Nr. 20 a Satz 1 UStG genannten öffentlichen Einrichtungen. Vielmehr enthalte die Bescheinigung eine solche Gleichstellung nur, soweit die dort genannten Künstler in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des ............ Orchesters tätig würden.
Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 20 a UStG beinhalte jedoch kein Wahlrecht, bestimmte Auftrittsleistungen als steuerfrei, andere hingegen - freiwillig, oder weil insoweit keine Erfüllung vergleichbarer kultureller Aufgaben stattfinde - als steuerpflichtig zu behandeln, sondern komme zwingend nur dann zur Anwendung, wenn der Einzelkünstler mit seiner Gesamttätigkeit die vergleichbaren kulturellen Aufgaben erfülle. Letzteres sei der für die Auftragnehmer des Klägers erstellten Bescheinigung gerade nicht zu entnehmen. Vielmehr werde in dieser Bescheinigung dem jeweiligen Einzelkünstler die erhebliche Eigenschaft nur zuerkannt, soweit er Auftrittsleistungen für das Orchester des Klägers erbringe. Die Bescheinigung treffe gerade keine Aussage zu der Gleichwertigkeit insgesamt.
Die Leistungen der in Rede stehenden Musiker gleichwohl als steuerfrei zu behandeln, widerspräche Zweck und Anforderungen des § 4 Nr. 20 a UStG, der gleichartige Einrichtungen nur ganz oder gar nicht von der Umsatzsteuer befreie, wenn ihnen insgesamt eine den öffentlichen Einrichtungen vergleichbare kulturelle Stellung zukomme. Dass dies jedoch der Fall sei, lasse sich der vorliegenden Bescheinigung gerade nicht entnehmen, so dass diese auch nicht die Wirkung eines Grundlagenbescheides bezüglich der gleichen kulturellen Aufgabenerfüllung zukomme, sondern lediglich feststelle, dass die Musiker des ........... Orchesters über die von § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG geforderte Eigenschaft für einen Teilbereich ihrer Arbeit verfügten, nämlich soweit sie für den Kläger Musikerleistungen erbrächten.
Da im Streitfall eine Gleichwertigkeitsbescheinigung im Sinne des § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG für die vom Kläger beschäftigten ausländischen Musiker nicht vorliege, würden deren Leistungen als steuerpflichtige sonstige Leistungen unter den Anwendungsbereich des § 13 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG fallen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Zu Unrecht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die vom Kläger bezogenen Leistungen der ausländischen Musiker für das von ihm betriebene Orchester nicht der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG unterliegen.
I.
Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 - 3 UStG fallenden Umsätzen sind nach § 4 Nr. 20 a Satz 1 UStG unter anderem die Umsätze von Orchestern steuerfrei, soweit sie Einrichtungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände sind. Das gleiche gilt gemäß § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG für Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in Satz 1 bezeichneten Einrichtungen erfüllen. Die in § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG erwähnte Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde ist materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung der in der Vorschrift bezeichneten Umsätze. Die Bescheinigung ist ein mit dem Widerspruch anfechtbarer Verwaltungsakt. Der Verwaltungsakt wird in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er denjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, bekannt gegeben wird. Er wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird. Die Bescheinigung kann auch rückwirkend für einen Zeitraum vor ihrer Ausstellung erteilt werden (vgl. BFH-Urteil vom 24.09.1998 V R 3/98, BStBl II 1999, 147). Nach der Rechtsprechung des BFH ist für die Beurteilung der steuerfreien Leistung der in der Bescheinigung angegebene Zeitraum maßgeblich (vgl. BFH-Beschluss vom 06.12.1994 V B 52/94, BStBl II 1995, 913). Dieser Betrachtungsweise entsprechen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Zweck und Systematik der Vorschrift des § 4 Nr. 20 a UStG. Die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift steht nicht zur Disposition des Steuerpflichtigen. Die Verbindung der übrigen Voraussetzungen der Steuerbefreiung mit der Bescheinigung einer allgemeinen Verwaltungsbehörde soll deren Fachwissen für die Finanzbehörde nutzbar machen. Dies dient dem Zweck, die Wettbewerbsgleichheit zwischen den in § 4 Nr. 20 a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen der öffentlichen Hand mit den in § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG beschriebenen gleichartigen Einrichtungen anderer Unternehmer herzustellen. Diese Unternehmer sollen mit ihren Umsätzen nicht mit Steuer belastet werden, aber auch nicht berechtigt sein, die damit zusammenhängenden Vorsteuern abzuziehen.
Das Tätigwerden der für die Erteilung der Bescheinigung zuständigen Landesbehörde ist somit nicht lediglich eine verwaltungsinterne Mitwirkungshandlung einer Behörde, die der Willensbildung des zur Entscheidung über die Steuerbefreiung berufenen Finanzamts dient. Der Erteilung oder Versagung der Bescheinigung kommt vielmehr rechtserhebliche Wirkung gegenüber dem Steuerpflichtigen zu, denn sie wirkt sich auf die rechtlichen Interessen des Steuerpflichtigen im Hinblick auf seine Steuerpflicht aus. Dabei bindet die Bescheinigung Finanzbehörden und Finanzgerichte gleichermaßen. Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörden ist als Grundlagenbescheid gemäß § 171 Abs. 10 AO für das Finanzamt und das Finanzgericht verbindlich, soweit es um die Frage geht, ob die Einrichtungen als solche die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen erfüllen. Sie bindet das Finanzamt und das Finanzgericht aber nicht für die Frage, ob die Einrichtung eine gleichartige Einrichtung anderer Unternehmer ist (vgl. Oelmaier in Sölch/Ringleb, Stand April 2008, § 4 Nr. 20 UStG Rn. 30 ff.).
Für die Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 a UStG ist kein Antrag des Unternehmers erforderlich. Mit der Einräumung eines Antragsrechts würde dem Unternehmer letztlich die Möglichkeit eröffnet, auf die Steuerbefreiung zu Gunsten eines Vorsteuerabzugs zu verzichten. Dies wäre mit der Regelung des § 9 unvereinbar, der ein Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 20 a UStG nicht vorsieht. Die Bescheinigung ist daher auch auf Ersuchen des Finanzamts zu erteilen (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.05.2006 10 C 10/05, BFH/NV, Beilage 2007, 132 sowie vom 11.10.2006 10 C 7/05, 10 C 4/06, BFH/NV, Beilage 2007, S. 322 u. 325).
II.
1. Im Streitfall kann sich die Steuerfreistellung der von den ausländischen Künstlern für das Orchester des Klägers erbrachten Leistungen allerdings nicht aus der Bescheinigung vom ........1998 ergeben. Diese Bescheinigung ist ausdrücklich für das Orchester des Klägers, dem ............ Orchester, in seiner Gesamtheit ausgestellt worden und bescheinigt, dass dieses Orchester die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt, wie die in § 4 Nr. 20 a Satz 1 UStG genannten staatlichen und kommunalen Einrichtungen. Mit dieser Bescheinigung wird mithin alleine die Gleichstellung des ............. Orchesters und seiner Orchestergesamtleistung nach außen gegenüber dem Auftraggeber des jeweiligen Konzerts bzw. der Aufnahme auf einen Tonträger bescheinigt. Diese Bescheinigung hat hingegen keine Aussagekraft für die kulturelle Bedeutung der musikalischen Einzelleistung des jeweiligen Musikers.
2. Anders verhält es sich jedoch mit der Bescheinigung vom ......2006, in der ausdrücklich die in der Anlage zu dieser Bescheinigung genannten Künstler in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des ............ Orchesters hinsichtlich der Erfüllung der kulturellen Aufgaben gleichgestellt werden mit den in § 4 Nr. 20 a Satz 1 UStG genannten staatlichen und kommunalen Einrichtungen.
Diese Bescheinigung bezieht sich ausdrücklich nicht auf die Ausgangsleistungen des ....... ......... Orchesters an seine jeweiligen Auftraggeber. Diese Bescheinigung bezieht sich vielmehr gerade auf diejenigen Eingangsleistungen, die von den jeweils einzelnen Musikern an das ............ Orchester erbracht werden.
Die Bescheinigung vom .......2006 enthält zwar keine Angabe darüber, ab welchem Zeitpunkt sie konkret Wirkung entfaltet.
Dies würde nunmehr zwei Auslegungsmöglichkeiten gestatten. Zum einen könnte daraus geschlossen werden, dass die Bescheinigung insoweit erst mit Wirkung ihrer Ausstellung ab dem ......2006 die Gleichstellungswirkung entfalten soll.
Andererseits enthält die Bescheinigung auch keine konkrete Angabe, dass sie erst mit Wirkung ihrer Ausstellung oder einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten soll.
Enthält die Bescheinigung daher keine konkrete Angabe zum Zeitpunkt, ab dem die betreffenden Künstler in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des ............. Orchesters die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen, wie die in § 4 Nr. 20 a Satz 1 UStG genannten staatlichen und kommunalen Einrichtungen, so lässt dies auch die Interpretation zu, dass dann unabhängig von einer zeitlichen Einschränkung die betreffenden Künstler jedenfalls für den ganzen Zeitraum, in dem sie für das ............ Orchester tätig gewesen sind, mit den staatlichen und kommunalen Einrichtungen hinsichtlich der Erfüllung kultureller Aufgaben gleichgestellt werden sollen. Die Bescheinigung würde die Gleichstellung dann allein sachlich/gegenständlich mit der Tätigkeit der betreffenden Künstler für das ..........Orchester verknüpfen und würde sich allein hieraus die zeitliche Eingrenzung ergeben und nicht aus einer datenmäßigen Festlegung. Soll heißen, solange und soweit die betreffenden Künstler im .......... Orchester mitwirken, gilt auch die ausgesprochene Gleichstellung.
Für die zuletzt genannte Auslegung der Bescheinigung vom .......2006 spricht sich der erkennende Senat aus. Denn die am .......2006 erteilte Bescheinigung enthält keine zeitliche Beschränkung, ab wann sie Geltung beanspruchen soll bzw. dass sie nicht auch für einen rückwirkenden Zeitraum gelten soll. Die betreffende Bescheinigung verhält sich allein in sachlicher, gegenständlicher Hinsicht dahingehend, dass die betreffenden Künstler, soweit sie für das ............ Orchester tätig geworden sind, die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen wie die in § 4 Nr. 20 a Satz 1 UStG genannten staatlichen und kommunalen Einrichtungen. Dies spricht nach Auffassung des erkennenden Senats in entscheidender Weise dafür, dass die Bescheinigung vom .......2006 in zeitlicher Hinsicht keine Beschränkung auf einen Zeitraum ab dem .......2006 enthält, sondern allein in sachlicher, gegenständlicher und inhaltlicher Hinsicht sich auf die Tätigkeit der Künstler für das ........... Orchester bezieht und mithin auch auf zurückliegende Zeiträume, in denen die Künstler für dieses Orchester tätig gewesen sind, ihre Wirkung entfalten soll.
Da, wie bereits dargestellt, nach der ständigen Rechtsprechung des BFH eine Bescheinigung im Sinne des § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG auch mit Rückwirkung ausgestattet werden kann, bestehen auch von daher gegen die vom Senat festgestellte Wirkungsweise der Bescheinigung vom .......2006 keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3. Soweit der Beklagte demgegenüber eingewandt hat, dass die Bescheinigung vom ..........2006 bereits deshalb keine steuerbefreiende Wirkung entfalten könne, da sie sich auf die Tätigkeit der Künstler im Orchester des Klägers beschränke und nicht die gesamte Tätigkeit der betreffenden Künstler erfasse, was für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG erforderlich wäre, so ist dieser Einwand nicht durchgreifend.
Dem erkennenden Senat ist insoweit nicht einsichtig, warum insoweit nicht steuerbefreite und steuerpflichtige Umsätze ein und desselben Künstlers nebeneinander stehen können.
So bestehen nach Auffassung des erkennenden Senats weder in sachlicher noch in gesetzessystematischer Hinsicht Bedenken dagegen, dass der einzelne Künstler, soweit er für das ............ Orchester tätig ist, als Einrichtung anzusehen ist, die die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt, wie die in § 4 Nr. 20 a Satz 1 UStG genannten staatlichen und kommunalen Einrichtungen, während der betreffende Künstler hingegen bei anderen Darbietungsformen im Rahmen von Soloauftritten, anderweitigen konzertanten Aufführungen oder Schallplatten- und CD-Einspielungen wiederum als Einrichtung anzusehen ist, die bei dieser Tätigkeit eben nicht die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt, wie die in § 4 Nr. 20 a Satz 1 UStG genannten staatlichen und kommunalen Einrichtungen.
Die Rechtsauffassung des Beklagten, wonach insoweit nur eine einheitliche Tätigkeit, entweder als steuerbefreit oder steuerpflichtig des jeweiligen Künstler denkbar ist, vermag der erkennende Senat nicht zu teilen. Sie wird auch insbesondere nicht dem Umstand gerecht, dass der jeweilige Künstler im Rahmen seiner Darbietungen in einem bestimmten Orchester unter Umständen ganz anderen ästhetischen und künstlerischen und damit kulturellen Ansprüchen gerecht werden kann, als bei seinem Tätigwerden für andere Orchester oder als Solist. Die Annahme einer einheitlichen Gesamttätigkeit des Künstler, die entweder insgesamt als kulturell gleichstehend oder insgesamt als nicht gleichstehend bewertet werden kann, scheint dem Senat vielmehr der Lebenswirklichkeit nicht gerecht zu werden.
Dies im übrigen um so mehr, als nach der neueren Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 03.04.2003 Rs. C 144/00, BStBl II 2003, 679) auch als Einzelkünstler auftretende Solisten als Einrichtungen im Sinne des Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe N der 6. EG-Richtlinie und mithin auch des § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG anzusehen sind.
III.
Waren daher die an den Kläger in den Streitjahren 2002 und 2003 seitens der ausländischen Künstler erbrachten Leistungen als steuerfrei anzusehen, so war der Kläger auch nicht verpflichtet, die hierauf entfallende Umsatzsteuer i.H.v. .....,22 € in 2002 sowie i.H.v. ...,57 € in 2003 abzuführen.
Die festzusetzende Umsatzsteuer für 2002 vermindert sich daher von ........,89 € um .....,22 € auf ...,66 € und für 2003 von .....,43 € um ...,57 € auf ......,43 €.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
V.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 Nr. 1 ZPO.
VI.
Die Revision wird zugelassen.
Da bislang hinsichtlich der Frage, inwieweit eine zu ihrem Geltungszeitraum keine ausdrückliche Aussage enthaltene Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 20 a Satz 2 UStG auch rückwirkende Kraft entfaltet, bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, ist die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geboten.
Ende der Entscheidung
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