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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 12.09.2005
Aktenzeichen: 8 K 5677/01
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 35
AO 1977 § 69
EStG § 41a
AO 1977 § 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger als faktischer Geschäftsführer der G GmbH (im folgenden GmbH) wegen rückständiger Lohnsteuer 11 und 12/1998 sowie 1/1999 in Höhe von 42.796,93 DM gemäß §§ 34, 35, 69 der Abgabenordnung (AO) haftet.

Der im Jahr 1944 geborene Kläger ist von Beruf .... Er war laut notariellem Gesellschaftsvertrag vom 15.12.1981 alleiniger Geschäftsführer der nach ihm benannten GmbH. Das Stammkapital von 50.000,- DM hielten zunächst der Kläger und die Zeugin G1, seine Ehefrau. Gesellschaftszweck der GmbH war .... Mit notariellem Vertrag vom 19.04.1984 übernahm der Kläger die Geschäftsanteile der Zeugin G1. Mit notariellem Vertrag vom 15.11.1988 wurde das Stammkapital der GmbH auf 100.000,- DM erhöht. Der Zeuge S, geborener H, war seit seinem 16. Lebensjahr zunächst als Praktikant und Auszubildender einer der durchschnittlich 16 Arbeitnehmer der GmbH. Mit Beschluss vom 06.02.1992 wurde der Kläger als Geschäftsführer der GmbH abberufen und der Zeuge S, der die Gesellenprüfung als ... ein Jahr zuvor bestanden hatte und zu diesem Zeitpunkt 23 Jahre alt war, zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. In dem Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte vom 01.02.1992 ist vermerkt, dass der Kläger als kaufmännischer Betriebsleiter mit den Obliegenheiten Kundenbetreuung und kaufmännische Auftragsabwicklung eingestellt worden war. Sein monatliches Gehalt betrug 6.800,- DM. Die dem Kläger im Jahr 1991 erteilte Pensionszusage der GmbH blieb laut Vertrag bestehen. Laut Geschäftsführervertrag zwischen der GmbH und dem Zeugen S vom 01.02.1992 wurde der Zeuge mit Wirkung vom 01.02.1992 zum Geschäftsführer der GmbH bestellt. Laut § 3 des Vertrages erhielt der Zeuge eine Vergütung in Höhe von 3.300,- DM, monatlich zzgl. 52,- DM vermögenswirksame Leistungen. Im November hatte er zusätzlich Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehalts. Des weiteren wurde dem Zeugen S eine Tantieme abhängig von dem Jahresergebnis der GmbH zugesagt. Im Krankheitsfall oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung an der Geschäftsführertätigkeit war die Geschäftsführervergütung für die Dauer von 6 Wochen weiterzuzahlen. Auf den Vertrag im Übrigen wird verwiesen.

Mit notariellen Verträgen vom 18.08.1994 wurde das Stammkapital der GmbH erhöht auf 300.000,- DM. Mit notariellen Verträgen gleichen Datums übertrug der Kläger als alleiniger Gesellschafter an die Zeugin G1, seine Ehefrau, in Höhe von 75.000,- DM, an die Zeugin T, seine Tochter, in Höhe von 45.000,- DM und an den Zeugen S in Höhe von 15.000,- DM die entsprechenden Gesellschaftsanteile schenkweise. Der Kläger war damit zu 50 %, die Zeugin G1 zu 30 %, die Zeugin T zu 15 % und der Zeuge S zu 5 % an der GmbH beteiligt. In den Berichten vom 29.07.1994 und 09.04.1997, erstellt anlässlich von Lohnsteueraußenprüfungen bei der GmbH für Zeiträume, in denen der Zeuge S bereits Geschäftsführer der GmbH war, werden als Auskunftspersonen gegenüber der Finanzverwaltung der Kläger und der Steuerberater der GmbH, der Zeuge U, benannt. In dem Bericht vom 28.06.1994 ist der Kläger auch als gesetzlicher Vertreter der GmbH benannt. Für die Veranlagungszeiträume 1993, 1994 und 1995 fand bei der GmbH eine allgemeine Betriebsprüfung (Bericht vom 16.06.1998) statt. Im Rahmen der Prüfung waren Auskunftspersonen der Zeuge U sowie der Kläger. Der Kläger und der Zeuge U nahmen auch an der Schlussbesprechung teil. Die Betriebsprüfung hatte geänderte Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1995, jeweils vom 24.08.1998, zur Folge. Hierdurch entstanden folgende Zahllasten: 1993: 205.624,30 DM, 1994: 6.620,40 DM und 1995:128.064,60 DM. Mit Bescheid vom 31.08.1998 erfolgte eine Abrechnung zur Umsatzsteuer 1996. Hieraus erwuchs der GmbH eine Umsatzsteuerzahllast in Höhe von 9.961,60 DM.

Am 02.02.1999 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH gestellt. Antragsteller war der Zeuge S, der zu diesem Zweck jedenfalls in Begleitung von Rechtsanwalt O beim Insolvenzgericht erschien. Am 17.02.1999, eingetragen im Handelsregister am 26.02.1999, wurde Frau Rechtsanwältin L zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.04.1999 (AG - ... -) eröffnet. In ihrem Gutachten und Bericht über die vorläufige Verwaltung in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der GmbH vom 25.03.1999, auf den verwiesen wird, stellte die vorläufige Insolvenzverwalterin fest, dass ihr zur Erstellung des Gutachtens der Alleingesellschafter der GmbH, der Kläger, zur Verfügung gestanden habe. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der GmbH führte sie aus, dass bei Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung die GmbH neben dem Alleingesellschafter und dessen Ehefrau noch 18 Arbeitnehmer beschäftigt habe. Die GmbH habe erstmals im Jahr 1997 mit Verlust gearbeitet. Der Grund für die wirtschaftliche Fehlentwicklung und damit auch für das vorliegende Insolvenzeröffnungsverfahren sei maßgeblich in der Geschäftsbeziehung der GmbH zu der Q gesellschaft mbH, ..., zu suchen. Dieses Unternehmen sei Großauftraggeberin für diverse Bauvorhaben gewesen, deren Volumen zuletzt zwischen 70 und 80 % des aktuellen Auftragsbestandes der GmbH ausgemacht hätte. Zahlungsschwierigkeiten der Q gesellschaft seien im Jahr 1997 aufgetreten. In Abstimmung mit der GmbH solle bereits zum Jahreswechsel 1996/1997 eine Rechnungslegung nur verzögert erfolgt sein. Zuletzt habe die Q gesellschaft Zahlungszusagen nicht einhalten können. Das Amtsgericht A... habe schließlich mit Beschluss vom 21.01.1999 zu Geschäftsnummer ... das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Q gesellschaft am 08.02.1999 eröffnet. Der Gesellschafter Q habe sich am 16.12.1998 für die Ansprüche der GmbH gegenüber der Q gesellschaft aus dem Bauvorhaben S ... selbstschuldnerisch verbürgt. Derzeit bestünden Ansprüche in Höhe von rund 700.000,- DM der GmbH gegenüber der Q gesellschaft mbH. Dieser Forderungsausfall führe zur Illiquidität der GmbH.

Nach Aktenlage verklagte die GmbH die Q gesellschaft wegen einer Scheckforderung in Höhe von 50.000,- DM. In der Klagebegründung der Rechtsanwälte O und O vom 06.01.1999 ist auf Seite 2 ausgeführt, am 16.12.1998 habe die Q gesellschaft an die GmbH einen Verrechnungsscheck in Höhe von 50.000,- DM ausgestellt. Dieser Scheck sei nicht eingelöst worden. Es werde um nächstmögliche Terminierung gebeten, da die Q gesellschaft mbH nach eigenen Angaben zur Zeit zahlungsunfähig sei und zu befürchten stehe, dass die GmbH ansonsten leer ausgehe.

Am 13.01.1999 schrieb ein Zulieferer der GmbH, die Firma L1, an die GmbH wegen eines Wechselprotestes über 200.000,- DM vom 06.01.1999, Bezogener Q gesellschaft mbH, .... Die Firma L1 teilte der GmbH mit, der ihr von der GmbH als Aussteller übergebene Wechsel vom 02.10.1998 über 200.000,- DM, der am 02.01.1999 fällig gewesen sei, sei von der Q gesellschaft nicht eingelöst und am 06.01.1999 zu Protest gegangen. Auf der Kopie der Wechselprotesturkunde befindet sich eine Unterschrift des Klägers in Vertretung für die GmbH.

Bei der E Bank hatte die GmbH eine Kontokorrentkreditlinie in Höhe von 300.000,- DM. Mit Schreiben vom 22.06.2001 teilte die E Bank dem Beklagten mit, im Zeitraum von November 1998 bis Januar 1999 sei die Kontoführung der GmbH nicht auffällig gewesen. Die von ihr, der E Bank, eingeräumte Linie sei flexibel in Anspruch genommen worden. Tageweise Überziehungen seien vorgekommen, jedoch kurzfristig wieder in den vereinbarten Rahmen zurückgeführt worden. Retouren seien in diesem Zeitraum nicht veranlasst worden. Mit Schreiben vom 11.05.2001 teilte die E Bank dem Beklagten mit, in einem Gespräch vom 05.02.1999 habe Herr G dem damals zuständigen Firmenkundenbetreuer mitgeteilt, dass er am 01.02.1999 Insolvenzantrag gestellt habe. In diesem Zusammenhang habe Herr G eine handschriftliche Aufstellung über die Lastschriften der letzten 6 Wochen präsentiert mit der Bitte, diese "wegen Widerspruch" zurückzugeben. Dieser Bitte habe man entsprochen. Wegen des Insolvenzantrages seien die Kreditverhältnisse mit der GmbH am 08.02.1999 gekündigt worden. Aus einem weiteren Schreiben der E Bank vom 27.04.1999 an den Kläger bezüglich einer Bürgschaftsinanspruchnahme wegen einer selbstschuldnerischen, unbefristeten und unbegrenzten Bürgschaft vom 16.08.1984 zugunsten der GmbH teilte die E Bank dem Kläger mit: "Bekanntlich haben wir das Kreditverhältnis mit oben genannter Firma mit Wirkung zum 28.02.1999 gekündigt".

Ausweislich der Vollstreckungsakte I der GmbH wurde am 16.12.1998 eine erste Mahnung wegen der Umsatzsteuernachforderungen 1993 bis 1996 an die GmbH versandt. Aus einem Schreiben vom 25.01.1999 des Beklagten geht hervor, dass diesbezüglich angebotene Raten nicht gezahlt wurden und ein Stundungsantrag vom 01.12.1998 abgelehnt werde. Am 01.02.1999 wurde eine Kontopfändung gegenüber der E Bank ... ausgebracht über die Umsatzsteuernachforderung 1993 bis 1996. Auf die ihr am 10.02.1999 zugestellte Pfändung erwiderte die Bank am 25.02.1999, eigene Ansprüche gegen die GmbH in die Steuerschulden übersteigender Höhe zu haben. Eine Auswertung der Steuerakten durch die Vollstreckungsstelle am 16.03.1999 ergab laut Aktenvermerk, dass wegen fehlender Vollstreckungsmöglichkeiten des Innendienstes eine Zuschreibung VB (Vollziehungsbeamter) erfolgen solle.

Mit Schreiben an die Insolvenzverwalterin, zur Kenntnis an den Beklagten übersandt, teilte der Rechtsanwalt Q1 des Zeugen S am 07.05.1999 mit, der Zeuge S sei allein deshalb Geschäftsführer der GmbH geworden, damit der Kläger bei Rechtsstreitigkeiten vor Gericht als Zeuge auftreten könne. Sämtliche Geschäftsführeraufgaben habe der Kläger jedoch weiter vorgenommen. Noch Weihnachten 1998 habe der Kläger sich auf Rechnung der GmbH einen neuen Huyndai Sportwagen gekauft. Dezember/Januar 1998/1999 hätten sich Vorräte im Wert von 100.000 bis 200.000 DM in den Geschäftsräumen der GmbH befunden. Von der Firma L1 und einer weiteren Firma seien im Dezember bzw. Januar 1998/1999 ... bezogen worden, die für die vorhandenen Baustellen überhaupt nicht benötigt worden seien. Nach der Insolvenzanmeldung, erfolgt durch den Zeugen S in Begleitung des Klägers und des für die GmbH tätigen Rechtsanwalts O, habe der Kläger dem Zeugen S angeboten, in seinem neuen Unternehmen, der G2-GmbH, gegründet von dem Zeugen T1 und der Zeugin G1, mitzuarbeiten. Die neue GmbH arbeite mit denselben Arbeitnehmern weiter wie die alte GmbH und auch zwischen Herrn Q, der wieder auf die Beine gekommen sei, und der GmbH bestünden Verbindungen. Es müsse auch bezweifelt werden, dass die Außenstände der GmbH bei der Firma Q tatsächlich 700.000 DM betragen hätten. Schon bei viel geringeren Rückständen von Kunden sei es üblicherweise Praxis des Klägers gewesen, die Arbeiten auf der Baustelle umgehend einzustellen. Der Vorgang habe eine "satte strafrechtliche Relevanz". Hinsichtlich der daraufhin erfolgten fruchtlosen Bemühungen des Beklagten, den Sachverhalt zu überprüfen, wird auf die Vollstreckungsakte III verwiesen. Die Körperschaftsteuerstelle des Beklagten fragte am 24.06.2002 bei der Insolvenzverwalterin an, ob sie erklären könne, woher bei Vorräten im Wert von über 3.590.615 DM laut Buchführung der GmbH zum 31.12.1997 und 31.12.1998 und Umsatzerlösen im Jahr 1998 in Höhe von rund 2,3 Mio. DM aus der Verwertung der Vorräte lediglich 35.103,45 DM erzielt worden seien. Hierauf erwiderte die Insolvenzverwalterin am 01.07.2002, die Vorräte 1997 und 1998 seien bei Eröffnung des Insolvenzverfahren verbraucht gewesen. Bereits am 07.12.1999 hatte die Insolvenzverwalterin dem Beklagten telefonisch mitgeteilt, der Kläger habe die für die Materialbewertung erforderliche Bestandsaufnahme für sie vorgenommen.

Mit Haftungsvoranfrage vom 26.07.1999 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er sei tatsächlicher Geschäftsführer der GmbH gewesen. Als solcher habe er nach § 35 AO alle Pflichten zu erfüllen gehabt, die der Gesellschaft oblagen. Insbesondere sei er dafür verantwortlich gewesen, die Steuern den gesetzlichen Vorschriften entsprechend zu entrichten. Der nominell eingetragene Geschäftsführer H werde gleichfalls in Haftung genommen. Den am 20.10.1999 erlassenen Haftungsbescheid über 70.511,04 DM änderte der Beklagte mit Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 05.01.2000, auf den verwiesen wird. Danach haftete der Kläger für offene Lohnsteuer aus dem Zeitraum 11 und 12/1998 und 1/1999 in Höhe von 42.796,93 DM. Die in der Haftungssumme enthaltenen Lohnsteuerbeträge 11/98 (18.421,32 DM) und 12/98 (13.087,16 DM) waren im Lastschriftverfahren am 20.11.1998 bzw. 22.01.1999 zunächst eingezogen worden und auf Veranlassung des Klägers, wie dargelegt, im Februar 1999 wieder zurückgebucht worden.

Die Zahlung des der Lohnsteueranmeldung 1/99 entsprechenden, in dem Haftungsbescheid vom 20.10.1999 enthaltenen Lohnsteuerbetrages 1/99 in Höhe von 13.628,14 DM im Lastschriftverfahren wurde von der Bank Ende Februar wegen fehlender Deckung des Kontos der GmbH abgelehnt. Die Zahlung des in dem geänderten Haftungsbescheid vom 05.01.2000 enthaltenen Lohnsteuerbetrages für 1/99 in Höhe von 7.436,- DM erfolgte nicht. Allerdings tilgte die GmbH entsprechend einem Schreiben des Zeugen U vom 25.01.2000 an den Beklagten noch am 14.01.1999 offene Lohnsteuer 1993 in Höhe von 70.000,-DM.

Auf die Lohnjournale der GmbH für den Zeitraum 11/98 bis 1/99 wird verwiesen. Auch gegenüber dem Zeugen S erließ der Beklagte einen Lohnsteuerhaftungsbescheid, zuletzt in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.05.2001. Das hiergegen gerichtete Klageverfahren 2 K 3602/01 wurde wegen Nichtaufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter des Zeugen aus dem Gerichtsregister gelöscht. Auf die Prozessakte wird verwiesen.

Gegen den geänderten Bescheid vom 05.01.2000 legte der Kläger Einspruch ein und trug vor, als die Lohnsteuer im November 1998 am 20.12.1998 und für Dezember 1998 am 22.01.1999 abgebucht worden sei, habe sich das Konto der GmbH im vorgesehenen Limit bewegt. Die Löhne und Gehälter für den Januar 1999 seien bereits nur teilweise zu ca. 50 % ausgezahlt worden. Der Haftungsbescheid sei ersatzlos aufzuheben.

Mit Einspruchsentscheidung vom 05.09.2001 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger sei faktischer Geschäftsführer der GmbH gewesen. Dies folge schon daraus, dass er eine Bankvollmacht der GmbH inne gehabt habe. Mangels vorgelegter Unterlagen könne die Aufgabenverteilung in der GmbH nicht bestimmt werden. Deshalb hafte der Kläger neben dem nominellen Geschäftsführer H. Der Kläger habe auch seine Pflichten als faktischer Geschäftsführer verletzt. Zum einen habe er veranlasst, dass die bereits per Lastschrift eingezogenen Lohnsteuern November und Dezember 1998 zurückgebucht wurden. Die Löhne für Januar 1999 seien zwar gekürzt ausgezahlt worden, die darauf entfallenden gekürzten Steuerabzugsbeträge seien jedoch nicht abgeführt worden.

Der vom Kläger gestellte Aussetzungsantrag bezüglich des Lohnsteuerhaftungsbetrages für 11/98 bis 1/99 wurde mit Beschluss vom 03.01.2002 (Az. 8 V 6316/01) abgelehnt.

Auf den Beschluss wird verwiesen .

Mit der vorliegenden Klage trägt der Kläger ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen vor, die Frage nach seiner Stellung als faktischer Geschäftsführer sei unter Berücksichtigung folgender Zusammenhänge im Anschluss an den gerichtlichen Aussetzungsbeschluss erneut zu würdigen und zu beurteilen: Der Zeuge S sei bereits im Alter von 16 Jahren in die Dienste der GmbH getreten. Im Laufe der nachfolgenden Jahre habe sich zwischen dem Zeugen S und der Familie des Klägers eine familiär geprägte Beziehung entwickelt. Die Stellung des Zeugen in der GmbH habe sich bereits während der gesamten 90er Jahre in starkem Maße von der eines bloßen Mitarbeiters abgehoben. Mitte/ Ende der 90er Jahre habe der Zeuge bei den Eheleuten G eine einem eigenen Sohn sehr nahekommende Stellung eingenommen. Da er sich als zuverlässiger Mitarbeiter erwiesen habe, sei er in die Rolle des potentiellen Unternehmensnachfolgers hineingewachsen. Deshalb sei er auch im Jahr 1992 zum Geschäftsführer der GmbH berufen worden. Zwei Jahre später habe er, der Kläger, dem Zeugen einen 5 %igen Anteil an den GmbH-Geschäftsanteilen geschenkt. Er habe beabsichtigt, in den Folgejahren die ihm noch verbliebene 50 %-Beteiligung an der GmbH ebenfalls schenkweise anteilig auf seine Mitgesellschafter zu übertragen. Dem Zeugen S sollte hierbei ein Teilanteil von weiteren 30 % zugewendet werden. Auf diese Weise habe man das bereits Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre in Aussicht genommene Vorhaben realisieren wollen, den Zeugen S als einen mit einem starken eigenen Geschäftsanteil ausgestatteten Geschäftsführer der GmbH aufzubauen. Angesichts der erfolgten und weiter geplanten Schenkungen von Gesellschaftsanteilen an der bis Ende 1998 erfolgreich betriebenen GmbH stelle sich die eher begrenzte Höhe der dem Zeugen S bis Ende der 90er Jahre gezahlten Tätigkeitsvergütung in einem anderen Licht dar. Zur Aufgabenverteilung innerhalb der GmbH sei zu bemerken, dass im Jahr 1998, Anfang 1999 die Tätigkeit von ihm, dem Kläger, im Unternehmen der GmbH sich beschränkt habe auf den Einkauf, die Überwachung der von der GmbH unterhaltenen Baustellen und die Abwicklung des technischen Schriftverkehrs mit Auftraggebern und Lieferanten. Überweisungen bzw. Zahlungsanweisungen (einschließlich Ausstellung von Schecks) seien von ihm nicht veranlasst worden. Der gesamte Zahlungsverkehr habe in dieser Zeit in den Händen der Zeugin T gelegen. Deren Ehemann, der Zeuge T1, sei zuständig für die Auftragsannahme und die Unterzeichnung der hierbei im Namen der GmbH abzuschließenden Werkverträge gewesen. Dies alles könnten bezeugen die Herren S und T1 sowie Frau G1 und Frau T. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Vortrag dahingehend korrigiert, dass der Zeuge T1, der sich im Gegensatz zu der Zeugin nicht mit "..." schreibe, zwar ein Angestellter der GmbH gewesen sei, nicht jedoch sein Schwiegersohn und Ehemann seiner Tochter, der Zeugin T.

Dass er auch über eine Bankvollmacht verfügt habe, habe allein darin begründet gelegen, dass er, der Kläger, sich zu seiner Zeit als Geschäftsführer der GmbH persönlich für die Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der E Bank verbürgt habe. Auch habe er sämtliche Kreditverträge der GmbH zu dieser Zeit unterschrieben. Um die Kreditengagements gegenüber der E Bank nicht zu gefährden, habe er nach Beendigung des Geschäftsführermandats seine eigene Bevollmächtigung gegenüber der Bank unberührt gelassen. Nach seiner Abberufung habe er sich eigener Aktivitäten im Finanzbereich enthalten. Derartige Aktivitäten seien grundsätzlich in die Zuständigkeit des Geschäftsführers gefallen und seien faktisch wahrgenommen worden von der Zeugin T. Der Zeuge S habe in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH eine ausdrückliche Vollmacht gegenüber der E Bank nicht benötigt. Der Zeugin T sei eine derartige Bankvollmacht erteilt worden. Nachdem der Insolvenzantrag am 02.02.1999 vom Zeugen S gestellt worden sei, sei der Zeuge bis auf weiteres nicht mehr gesehen worden. Unter diesen Umständen sei ihm die Rolle als Ansprechpartner der vorläufigen Insolvenzverwalterin und auch der E Bank aufgrund seiner Stellung als Mehrheitsgesellschafter mehr oder minder zwangsläufig zugefallen.

Die Nichtabführung der ordnungsgemäß angemeldeten Lohnsteuerbeträge 11/1998 bis 1/1999 beruhe nicht auf einem grob fahrlässigem Verschulden. Zum Zeitpunkt der Anmeldung der Lohnsteuer sei nicht ersichtlich gewesen, dass eine Rückbuchung durch die Bank erfolgen würde. Das bei der E Bank geführte Geschäftskonto der Steuerschuldnerin sei mit einem Betrag von 100.000,- DM im Soll geführt worden. Der GmbH sei seitens der E Bank ein Dispositionskreditrahmen von 300.000,- DM eingeräumt worden, so dass mit der Einlösung der Lastschriften zu rechnen gewesen sei. Nachdem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden sei, habe die E Bank das Kreditverhältnis unter sofortiger Fälligstellung sämtlicher gewährter Kredite am 08.02.1999 gekündigt. Die GmbH habe die Auszahlung der Löhne regelmäßig durch eine Abschlagzahlung zwischen dem 22. und 25. des jeweiligen Monats geleistet. Der restliche Betrag sei sodann, nachdem die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden festgestellt worden war, regelmäßig spätestens bis zum 15. des Folgemonats ausgezahlt worden. Deshalb sei es im Monat Januar auch nicht zu einer gekürzten Auszahlung der Löhne gekommen, die GmbH habe vielmehr im Monat Januar 1999 die gewöhnlichen Abschlagszahlungen an ihre Arbeitnehmer geleistet. Die Liquidität sei zu diesem Zeitpunkt völlig ausreichend gewesen, um sowohl die Löhne, als auch die hierauf entfallenden Steuerabzugs- und Sozialversicherungsbeträge zu zahlen. Lediglich die Restzahlung der Löhne für den Monat Januar sei unterblieben, da zu dem betreffenden Auszahlungszeitpunkt Mitte Februar 1999 bereits Insolvenzantrag gestellt worden war, nachdem sich Forderungen über ca. 700.000,- DM gegenüber einem Kunden, der Q gesellschaft mbH, nicht als werthaltig erwiesen hatten. Insoweit liege der Fall vor, dass eine Verpflichtung des Geschäftsführers der GmbH zur Absonderung und Bereitstellung der später abzuführenden Lohnsteuer zum Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne wegen Liquiditätsschwierigkeiten nicht gegeben gewesen sei. Der Umstand, dass die Forderung gegen die Firma Q wertberichtigt werden musste, sei nicht bereits am 06.01.1999 ersichtlich gewesen. Der Wechsel der Firma Q sei von der GmbH an eine Firma L1 indossiert und begeben worden. Die GmbH habe erst um den 23.01.1999 davon erfahren, dass dieser Wechsel zu Protest gegangen war, nachdem die Firma L1 den Wechselregress geltend gemacht habe. Dies könne bewiesen werden durch Herrn X von der Firma L1. Für die GmbH habe daher keine Verpflichtung bestanden, bei Auszahlung der Abschlagszahlungen die Lohnsteuerabzugsbeträge abzusondern, da im Hinblick auf die ungekündigte und nicht ausgeschöpfte Kreditlinie bei der E Bank AG davon ausgegangen werden konnte, dass die Lohnsteuerbeträge bei Fälligkeit vom Geschäftskonto der GmbH eingezogen werden konnten. Ferner habe der Geschäftsführer der GmbH nach Kenntnis von dem erfolgten Wechselprotest innerhalb der Frist des § 64 GmbHG Insolvenzantrag gestellt, so dass auch insoweit keine schuldhafte Pflichtverletzung vorliege. Des weiteren trägt der Kläger vor, bezüglich Lohnsteuer 1999 seien im Fälligkeitszeitpunkt der Lohnsteuerzahlung für Januar 1999 am 15.02.1999 die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung - InsO - erfüllt. Bereits am 06.02.1999 habe die E Bank die Rückbuchung der Lohnsteuerzahlungen für die Monate November und Dezember 1998 veranlasst. Dies sei entgegen dem bisherigen Vortrag auf seine, des Klägers, Initiative erfolgt. Spätestens über diese Rückbuchung, die dem Beklagten jedenfalls vor dem 15.02.1999, d. h. vor dem Tag der Fälligkeit der Lohnsteuer für 1999, bekannt geworden sei, habe der Beklagte Kenntnis erlangt von der Zahlungsunfähigkeit der GmbH. Aus dem BGH-Urteil vom 22.01.2004 - IX ZR 39/03 (NJW 2004, 1444) folge, dass die Voraussetzungen einer Anfechtbarkeit nach §§ 130 ff InsO auch in Bezug auf Lohnsteuerzahlungen zu bejahen seien und die vom Bundesfinanzhof bisher vertretene Ansicht, dass die an das Finanzamt abzuführende Lohnsteuer beim Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zuzurechnendes Treuhandvermögen bilde, nicht aufrecht erhalten werden könne. Dies wiederum habe zur Folge, dass die haftungsrechtliche Privilegierung von Lohnsteuerzahlungen keinen Bestand haben könne. Dies habe des weiteren zur Folge, dass - auch wenn man bezüglich der Lohnsteuer Januar 1999 nicht von einem Anfechtungsrecht der Insolvenzverwalterin ausgehe - die Lohnsteuerhaftungsbeträge aus dem Zeitraum November 1998 bis Januar 1999 keinen anderen Maßstäben unterlägen, als die in ständiger Rechtsprechung vom BFH zur Umsatzsteuerhaftung vertretenen Grundsätze beinhalteten. Danach hafte der Kläger für die Lohnsteuerschulden der GmbH im Haftungszeitraum nur quotal. Da die Lohnsteuer zur Summe der bezahlten Steuerverbindlichkeiten gemäß Abschnitt 2.2 des Berechnungsbogens zur Umsatzsteuerquote hinzuzuziehen seien, würde es bei der Berechnung des Steuerberaters O bleiben, wonach eine Haftungsquote von 0 % vorliege. Sollte man diese Auffassung nicht teilen, werde darauf hingewiesen, dass er, der Kläger, nach erfolgter Insolvenzantragstellung am 02.02.1999 der Auffassung gewesen sei, dass er nur durch Rückbuchung der für November und Dezember 1998 bezahlten und durch Nichtbezahlung der für Januar 1999 fälligen Lohnsteuerbeträge Haftungsrisiken der Geschäftsführung und ggfls. auch der Gesellschafter der GmbH wegen Gläubigerbenachteiligung hätte vermeiden können. Dabei sei zu beachten, dass die Insolvenzordnung gerade neu in Kraft getreten gewesen sei, als die GmbH in die Insolvenz gegangen sei. Entsprechend groß seien die Unsicherheiten in der praktischen Umsetzung und Handhabung der Insolvenzordnung gewesen. Durch die Rückbuchung der Lohnsteuer bzw. Nichtbezahlung der Lohnsteuer habe der Kläger auch keinen persönlichen Vorteil erlangt. Die zurückgeholten Lohnsteuerbeträge November und Dezember 1998 seien im Ergebnis der Insolenzmasse und damit der Gesamtheit der Gläubiger der GmbH zugute gekommen.

Der Kläger beantragt,

den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 20.10.1999, abgeändert durch Bescheid vom 05.01.2000, sowie die Einspruchsentscheidung vom 05.09.2001 aufzuheben,

hilfsweise, die Revisionszulassung.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags verweist der Beklagte auf die Einspruchsentscheidung. Er bleibt dabei, dass der Kläger als faktischer Geschäftsführer der GmbH für die in dem geänderten Haftungsbescheid geltend gemachten Lohnsteuerbeträge haftet. Betreffend die Lohnsteuer 1/99 habe der Kläger bereits vor Auszahlung der Löhne von den drohenden Liquiditätsschwierigkeiten wegen des Wechselprotests der Firma Q GmbH gewusst. Er wäre verpflichtet gewesen, die Löhne gekürzt auszuzahlen, sollte zu diesem Zeitpunkt Illiquidität gedroht haben. Habe Illiquidität nicht gedroht, sei der Kläger erst recht verpflichtet gewesen, die Lohnsteuer abzuführen. Im Hinblick auf die vom Kläger angeführte BGH-Rechtsprechung führt er an, dass ein kausaler Schadenserfolg bei der Nichterrichtung der Lohnsteuer in dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Steuer wegen der Nichtleistung ausfällt. Später hinzutretende eventuelle Ereignisse, wie ein Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters, änderten daran nichts. Die BGH-Rechtsprechung zum Insolvenzrecht finde im übrigen auf die Lohnsteuerhaftung keine Anwendung. Die auf der neueren BGH-Rechtsprechung basierende andere Rechtsauffassung zum Treuhandcharakter der Lohnsteuern sei bisher nicht vom BFH bestätigt worden. Vielmehr liege dort eine Beschwerde gegen einen Beschluss des Finanzgerichts Köln vom 04.04.2005, Az. 4 V 6141/04 zur Entscheidung vor.

Der Senat hat am 22.08.2005 beschlossen, Beweis zu erheben über die Frage, welche Aufgaben der Kläger im Haftungszeitraum bei der G GmbH wahrgenommen hat durch Vernehmung der Frau G1, der Frau T, des Herrn T1 sowie des Herr S als Zeugen.

Der Senat hat die Steuerakten der G GmbH und die Einkommensteuerakten des Klägers sowie die Prozessakten 8 K 5514/01 und 2 K 3602/01(Haftung Lohn- und Umsatzsteuer S) zum Verfahren beigezogen. Auf die Prozessakte in Sachen 8 K 5395/01 (Haftung Umsatzsteuer) des Klägers wird verwiesen.

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme wird verwiesen.

Gründe

A.

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht als Haftungsschuldner für die rückständige Lohnsteuer der GmbH für den Zeitraum 11 und 12/1998 sowie 1/99 in zutreffender Höhe in Anspruch genommen.

I.

Die von den Arbeitslöhnen der Arbeitnehmer für diesen Zeitraum einzubehaltende Lohnsteuer war von der GmbH als Arbeitgeberin spätestens am 10.Tag nach Ablauf des Lohnsteueranmeldungszeitraums, hier bis zum 10.12.1998, 10.01.1999 bzw. 10.02.1999 dem Beklagten anzumelden und an diesen abzuführen (§ 41 a Abs. 1 EStG).

Dies ist unstreitig nicht geschehen. Zwar sind die Lohnsteuerbeträge 11 und 12/1998 zunächst im Wege der Einzugsermächtigung am 20.11.1998 bzw. am 20.01.1999 vom Konto der GmbH abgebucht worden, jedoch am 05.02.1999 wieder zurückgebucht worden. Damit sind die Lohnsteuerschulden 11 und 12/98 trotz der erteilten Einzugsermächtigung tatsächlich nicht getilgt worden (BFH-Beschluss vom 19.03.1999 VII B 158/98, BFH/NV 1999, 1304). Die Lohnsteuer 1/99 konnte wegen der dem Kläger bekannten fehlenden Kontendeckung und der Kündigung der Bankverbindung nicht eingezogen werden.

II. Die steuerliche Verpflichtung einer GmbH zur Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer hat der Geschäftsführer der GmbH zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 AO i. V. m. § 35 Abs. 1 GmbHG). Dabei wird dem formellen Geschäftsführer gemäß § 34 AO der faktische Geschäftsführer einer GmbH gemäß § 35 AO gleichgestellt (vgl. BFH-Urteil vom 10.05.1989 I R 121/85, BFH/NV 1990, 7 m.w.N.). Ferner kann ein Nachfolgegeschäftsführer auch für die von seinem Vorgänger nicht an das Finanzamt abgeführten Steuern nach §§ 69, 34 Abs. 1 AO haften (BFH-Urteil vom 17.01.1989 VII R 88/86, BFH/NV 1990, 71). Der Kläger war seit seiner Abberufung als formeller Geschäftsführer der GmbH bis zum 02.02.1999 deren faktischer Geschäftsführer; danach war er ab dem 03.02.1999 der Nachfolgegeschäftsführer des vormals formellen Geschäftsführers der GmbH S.

Die faktische Geschäftsführung durch den Kläger in dem oben benannten Zeitraum und damit auch im Haftungszeitraum 10.12.1998 bis 02.02.1999 und danach als Nachfolgegeschäftsführer bis zum 10.02.1999 ergibt sich nach Aktenlage, bestärkt durch das Ergebnis der Beweisaufnahme anlässlich der mündlichen Verhandlung.

1.

Danach ist der Kläger nach seiner Abberufung als formeller Geschäftsführer der GmbH mit dem Anschein, Geschäftsführer der GmbH zu sein, nach außen aufgetreten. Der Zeuge S war Vorarbeiter und als zumindest zeitweilig potentieller Unternehmensnachfolger des Klägers formeller Geschäftsführer, ohne für den Senat erkennbar - bis auf die Unterzeichnung der Steuererklärungen der GmbH und die Insolvenzantragsstellung - Geschäftsführeraufgaben mit Außenwirkung wahrgenommen zu haben. Dies oblag allein dem Kläger, der deshalb als faktischer Geschäftsführer der GmbH seit seiner Abberufung im Jahr 1992 bis zum 02.02.1999 einzuordnen ist.

Für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten hat, kommt es auf das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens an. Danach ist es allerdings nicht erforderlich, dass der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft - über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus - durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat (BFH-Urteil vom 10.05.1989 I R 121/85, a.a.O. und BGH-Urteil vom 27.06.2005, II ZR 113/03, ZIP 2005,1414).

Um zu beurteilen, wer die Aufgaben des Geschäftsführers in der GmbH nach der Abberufung des Klägers als formeller Geschäftsführer wahrgenommen hat, ist von den von einem Geschäftsführer wahrzunehmenden Aufgaben in der GmbH auszugehen. In der GmbH gab es entsprechend dem Vortrag des Klägers und der Zeugen folgende Führungsaufgaben zu erledigen: Akquisition, Vertragsabschluss, Reklamation, mündlicher und schriftlicher kaufmännischer sowie technischer Kontakt mit Architekten und Lieferanten, Einkauf, Bauleitung, Büroleitung, Rechnungs- und Finanzwesen, Mitarbeiterbetreuung, Durchführung von Lagebesprechungen.

Die Wahrnehmung dieser Aufgaben war zur Überzeugung des Senats wie folgt geregelt:

Einmütig und deshalb auch glaubhaft sind die Aussagen bezüglich der Aufgaben des Zeugen T1, der danach für die Akquisition, Vertragsabschlüsse, die Verhandlung mit Architekten, den Einkauf (Arbeitsvorbereitung), die Bauleitung sowie die Mitarbeiterbetreuung (Vertragsabschlüsse) als leitender Mitarbeiter zuständig gewesen ist.

Große Übereinstimmung besteht auch darin, dass die Zeugin G1 die für die Büroleitung, das Rechnungs- und Finanzwesen sowie die Mitarbeiterbetreuung (Vertragsabschluss) zuständige Mitarbeiterin war. Auch wenn beide Zeugen ihre Aufgaben sehr selbständig erfüllt haben, hat der Senat keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Zeugen dabei als Geschäftsführer der GmbH nach außen aufgetreten sind.

Bezüglich der Zeugin T hat der Senat keine Zweifel, dass sie entsprechend ihrer Aussage entgegen dem schriftsätzlichen Vortrag des Klägers lediglich ihre Ausbildung zur technischen Zeichnerin bei der GmbH absolviert hat. Bezüglich der Aufgaben des Zeugen S in der GmbH hat sich folgendes ergeben:

Der Kläger verweist lediglich darauf, dass der Zeuge S in die Rolle als potentieller Unternehmensnachfolger hineinwachsen sollte und deshalb schenkweise zu 5 % am Gesellschaftskapital beteiligt wurde sowie zum Geschäftsführer der GmbH berufen worden sei, der er auch bis zu seiner letzten Amtshandlung, der Stellung des Insolvenzantrags am 02.02.1999, geblieben sei. Der Zeuge habe die Steuererklärungen der GmbH unterschrieben. Welche konkreten weiteren Aufgaben der Zeuge als Geschäftsführer wahrnahm, teilt der Kläger nicht mit. Seine ursprüngliche Behauptung, der Zeuge sei für den Zahlungsverkehr der GmbH über die Zeugin T zuständig gewesen, bestätigt diese nicht. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung diesen Vortrag auch fallen gelassen. Wegen ihrer familiären und/oder weiteren beruflichen Beziehungen zum Kläger (G3 GmbH) haben die Zeuginnen T und G1 ein starkes Interesse, die Rolle des Zeugen S in der GmbH nicht unterzubewerten. Der Senat hält die Aussagen der Zeuginnen daher für glaubhaft.

Die Aussage der Zeugin T, die erklärt, der Zeuge S sei auf den Baustellen unterwegs gewesen und am Abend ins Büro gegangen, ohne präzisieren zu können, was der Zeuge dort gemacht hat, gibt keinen Anhaltspunkt für eine Geschäftsführertätigkeit des Zeugen. Den Zeitpunkt der für die GmbH wichtigen Bestellung des Zeugen S als Geschäftsführer vermag die Zeugin auch nicht richtig zu benennen. Die Zeugin G1 sagt aus, der Zeuge S habe auf den Großbaustellen gearbeitet, die der Kläger kontrolliert habe, und bestätigt damit seine bloße Vorarbeiterstellung.

Die weiteren Charakteristika der Position des Zeugen S in der GmbH waren laut Aussage der Zeuginnen G1 und T, dass er als guter Arbeiter die Sympathie des Klägers hatte, der ihn gern als Schwiegersohn und Unternehmensnachfolger neben seiner Frau und seiner Tochter gesehen hätte, das zeitweise Verhältnis zu der Tochter des Klägers, der Zeugin T, und die bis heute bestehende, nicht genau einzuordnende alte Bekanntschaft mit der Zeugin G1.

Diese Eigenschaften sind jedoch nicht geeignet, aus dem Zeugen S mehr als den bloß formellen Geschäftsführer der GmbH zu machen.

Das fehlende Erinnerungsvermögen des Zeugen T1 an die Rolle des Zeugen S in der GmbH und die Aussage des Zeugen, niemand habe in der GmbH das letzte Wort gehabt, machen den Zeugen T1 insofern unglaubwürdig, denn er erinnert sich ausgesprochen präzise an die Aufgabenverteilung in der GmbH, sofern nicht der Zeuge S oder der Kläger betroffen sind. Laut Aussage der Zeugin G1 ist der Zeuge T1 eloquent und führte die Verhandlungen für die GmbH mit den Architekten und Auftraggebern. Dass der Zeuge bei seiner Aussage betreffend die Geschäftsführerrolle in der GmbH entgegen seiner sonstigen Art einsilbig und ohne Erinnerungsvermögen war, führt der Senat auf sein starkes Interesse als Mitgeschäftsführer der G3 zurück, dem Kläger, der dort ebenfalls beschäftigt ist, nicht zu schaden. Als weiteren Hinweis auf die nur partielle Glaubwürdigkeit des Zeugen bewertet der Senat seinen Versuch, dem Eindruck entgegenzutreten, es habe im Vorfeld der Beweisaufnahme Absprachen zwischen dem Kläger und dem Zeugen S gegeben, durch seine Aussage, er habe mit dem Zeugen S, den er zuletzt vor zwei Wochen getroffen hat, nicht über die anstehende Beweisaufnahme gesprochen.

Mit der eindeutigen Aussage der Zeugin G1, der Zeuge S habe auf den Großbaustellen vom Kläger kontrolliert gearbeitet, stimmt der detaillierte Vortrag des Zeugen S in den gegen seine Haftungsinanspruchnahme durchgeführten Verfahren überein, er habe nach der Einsetzung zum formellen Geschäftsführer weiterhin als Geselle auf den Baustellen gearbeitet, ohne Geschäftsführeraufgaben zu übernehmen. Die nunmehrige Aussage des Zeugen S entspricht dem insofern teilweise, wenn er aussagt, er sei im Jahr 1992 zum Vorarbeiter befördert worden, eine Beförderung, deren Sinn sich dem Senat angesichts der bereits Anfang des selben Jahres erfolgten Bestellung zum Geschäftsführer nur erschließt, wenn der Zeuge lediglich formeller Geschäftsführer der GmbH war. Die weitere Aussage des Zeugen, er sei auf den großen Baustellen für die Arbeitseinteilung, die Einstellungen, Kündigungen und Gehaltsbesprechungen zuständig gewesen sowie bei Betriebsprüfungen der GmbH hinzugezogen worden, hält der Senat angesichts der glaubhaften Zeugenaussage der Zeugin G1, der ausweichenden Aussage des Zeugen T1 und dem Vortrag des Klägers zur Aufgabenverteilung innerhalb der GmbH sowie dem vormaligen Vortrag des Zeugen S in eigener Sache für unglaubhaft. Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass der nervös und labil wirkende Zeuge S anlässlich seiner Zeugenaussage mehrmals mit unklarer Zielrichtung gelogen hat oder dies versucht hat und deshalb bezüglich seiner Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung weitgehend unglaubwürdig war. So hat der Zeuge neben der oben geschilderten, den anderen Zeugenaussagen und seinem eigenen vorherigen Vortrag widersprechenden Darstellung seiner Aufgaben in der GmbH bis zum 02.02.1999 ebenfalls entgegen den übereinstimmenden und glaubhaften Aussagen der Zeugen T1 und G1 vorgetragen, er habe nach dem 02.02.1999 noch für ca. drei Monate bei der GmbH gearbeitet, um wenig später auszuführen, mit dem für die GmbH tätigen Kläger seit dem Konkursverfahren keinen Kontakt mehr gehabt zu haben. Während er zunächst in seinem eigenen Haftungsverfahren behauptet hatte, der Kläger habe ihm angeboten, bei der G3 GmbH zu arbeiten, streitet der Zeuge ein derartiges Angebot in seiner Zeugenaussage nunmehr ab. Behauptete er in seinem eigenen Verfahren noch, er habe in Begleitung von dem Kläger und Rechtsanwalt O den Insolvenzantrag für die GmbH gestellt, sagt er nunmehr aus, der Kläger sei nicht anwesend gewesen. Auch behauptet er wiederholt, mit dem Zeugen T1 über den Termin zur Beweisaufnahme im vorliegenden Verfahren gesprochen zu haben, um konfrontiert damit, dass der Zeuge T1 dies, wenn insofern auch unglaubwürdig, abstreitet, sodann zu erklären, er habe die Zeugin G1 kürzlich getroffen und vermöge sich wegen seines volltrunkenen Zustandes an das mit ihr geführte Gespräch nicht zu erinnern.

Haben demnach die Zeugen G1, T1 und T keine Geschäftsführeraufgaben wahrgenommen und beschränkte sich die Geschäftsführertätigkeit des Zeugen S darauf, neben dem Insolvenzantrag die Steuererklärungen der GmbH zu unterschreiben, bleibt nur noch der Kläger als der die Mitarbeiter, das Finanzwesen und die Arbeit koordinierende, das letzte Wort habende und so auch nach außen auftretende (faktische) Geschäftführer der GmbH. Dies hat er auch durch seinen eigenen, sich ergänzenden Vortrag im Laufe der Verfahrens unbeabsichtigt bestätigt. So hat der Kläger zu seiner Rolle in der GmbH nach Abgabe der nominellen Geschäftsführung mit Schriftsatz vom 03.06.2005 vorgetragen, er sei in der GmbH im Jahr 1998 und 1999 für den Einkauf, die Bauleitung und die Abwicklung des technischen Schriftverkehrs mit Auftraggebern und Lieferanten zuständig gewesen. Mit Schriftsatz vom 24.09.2001 hatte der Kläger bereits angegeben, er sei als kaufmännischer Betriebsleiter bei der GmbH angestellt und habe sich um die kaufmännische Auftragsabwicklung und Kundenbetreuung zu kümmern gehabt. Der Zeuge T1 hat bekundet, der Kläger sei im Innendienst tätig gewesen, die Zeugin G1 hat seine Außendiensttätigkeit auf den Großbaustellen bestätigt. Laut Aussage des Zeugen S war der Kläger des weiteren für Reklamationen zuständig. Nach Aktenlage besaß der Kläger zudem stets eine Bankvollmacht über die Konten der GmbH. Als Auskunftsperson und Teilnehmer der Schlussbesprechungen nach Betriebsprüfungen wird allein der Kläger neben dem Steuerberater der GmbH, dem Zeugen U, in den Berichten vom 29.07.1994, 09.04.1997 und 16.06.1998 benannt. In dem Bericht vom 28.06.1994 ist der Kläger sogar als gesetzlicher Vertreter der GmbH benannt. Sein Angestelltengehalt war mehr als doppelt so hoch wie das des formellen Geschäftsführers der GmbH, des Zeugen S. Gegen die Behauptung des Klägers, er habe sich bis 1999 aus dem Berufsleben sukzessive zurückgezogen und die Geschäftsführung dem Zeugen S überlassen, spricht sein nachweislich seit 1994 sicherlich nicht unbegründet von der GmbH kontinuierlich erhöhtes Gehalt (1994: 82.100,- DM, 1998: 127.282,- DM) sowie seine weitere berufliche Tätigkeit bei der G3 GmbH. Zudem hat der Kläger den am 06.01.1999 in Protest gegangenen Wechsel gegenüber der Firma L1 über 200.000,- DM für die GmbH unterschrieben. Dieser Wechsel war von hoher Bedeutung für die wirtschaftliche Existenz der GmbH.

2.

Als der Zeuge S nach dem 02.02.1999 die formelle Geschäftsführung der GmbH durch sein Verschwinden niedergelegt hatte, ist der Kläger mit Gesellschaftermehrheit sogar zum regulären Geschäftsführer bestellt worden. Hierzu war eine Eintragung ins Handelsregister nicht erforderlich, da sie nur deklaratorischen Charakter hat (Rüsken in Klein, 8. Aufl., AO, § 34 Tz. 6 m. w. N.). Der Senat hält bezüglich des Verschwindens des Zeugen S und der darin zu erkennenden Amtsniederlegung nach dem 02.02.1999 die mit dem klägerischen Vortrag übereinstimmenden klaren Zeugenaussagen T1 und G1 für maßgeblich. Die den Zeitraum ab Insolvenzeröffnung betreffende unklare Aussage des Zeugen S über seinen Verbleib ist insofern zu vernachlässigen. Der Senat hat als Ergebnis der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger den Zeugen S, nachdem dieser bei der G3 GmbH nicht zu den ihm vom Kläger nach Insolvenzantragsstellung gebotenen Bedingungen mitarbeiten wollte, fallengelassen hat, zumal sich die Zeugin T für ihren Ehemann entschieden hatte und mit dem Zeugen T1 und der Zeugin G1 neue Geschäftsführer für die neue GmbH zur Verfügung standen. Hieraus erklärt sich neben dem zeitweisen Verschwinden auch die selbst jetzt unverkennbare Verbitterung des Zeugen und sein gesellschaftlicher Abstieg ab 1999.

III. Nach § 69 Satz 1 AO haftet der GmbH-Geschäftsführer im Sinne der §§ 34 Abs. 1, 35 AO, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge von gesetzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht erfüllt werden.

1.

Hier liegt die Pflichtverletzung des Klägers bezüglich der Lohnsteuer 11 und 12/98 darin, dass er die im Wege der Einzugsermächtigung vom Konto der GmbH bereits eingezogenen, am 10.12.1998 und 10.11.1999 fällige Lohnsteuer durch den von ihm persönlich erfolgten Widerruf der Einzugsermächtigung am 05.02.1999 rückgängig gemacht hat. Bezüglich der Lohnsteuer 1/99 liegt die Pflichtverletzung darin, dass der Kläger die gekürzte Lohnsteuer nicht zum Fälligkeitszeitpunkt am 10.02.1999 entrichtet hat. Der Senat hat entgegen den unsubstantiierten Behauptungen im Klageverfahren, im Januar seien arbeitsvertragskonforme ungekürzte Lohnabschlagszahlungen erfolgt, die Überzeugung gewonnen, dass die Löhne eines Teils der Arbeitnehmer der GmbH entsprechend den Ausführungen des Klägers im außergerichtlichen Verfahren wegen des Liquiditätsengpasses der GmbH gekürzt ausgezahlt worden sind, so dass die zunächst angemeldete Lohnsteuer in Höhe von 13.628,40 DM bei handschriftlicher Neuerstellung des Lohnjournals nachträglich auf lediglich 7.436,- DM zu korrigieren war.

Aber auch wenn die Arbeitslöhne im Januar ungekürzt zur Auszahlung gekommen sein sollten, wäre eben darin eine gemäß § 69 S.1 AO beachtliche Pflichtverletzung des Klägers zu erkennen, da die drohende Zahlungsunfähigkeit der GmbH für ihn zum Zeitpunkt der von ihm behaupteten Lohnauszahlung zwischen dem 22.01. und 25.01.1999 entgegen seinem Vortrag nicht überraschend war (BFH-Beschluss vom 21.12.1998 VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745 m. w. N.; Loose in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 69 Tz. 40 m. w. N.). Schon im Scheckforderungsprozess gegen die Q GmbH hatte die GmbH am 06.01.1999 nämlich ausgeführt, ihr sei bekannt, dass die Q GmbH, ihre Hauptschuldnerin, zahlungsunfähig sei. Die Zahlungsunfähigkeit der Q GmbH, die, wie die Insolvenzverwalterin in ihrem vorläufigen Bericht festgestellt hat, die Zahlungsunfähigkeit der GmbH zur Folge hatte, kündigte sich seit dem Jahr 1997 an. Folgt man den Ausführungen des Zeugen S in seinem eigenen Haftungsverfahren hat der Kläger die ihm verbleibende Zeit bis zur Stellung des Insolvenzvertrages am 02.02.1999 sogar genutzt, um bereits im Dezember und Januar die Geschäftsaufnahme der G3 GmbH als Ersatzunternehmen für die GmbH zu deren Lasten vorzubereiten. Unter dem 13.01.1999 hatte die L1 AG der GmbH zudem mitgeteilt, ein Wechsel der Firma Q GmbH über 200.000,- DM sei nicht eingelöst worden. Mit Beschluss vom 21.01.1999 des Amtsgerichts Aachen wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Q GmbH eröffnet. Auch wusste der Kläger bei Lohnauszahlung, dass der nach seinem Vortrag zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschöpfte Kontokorrent bei der E Bank wegen des in Protest gegangenen Wechsels der Q GmbH über 200.000,- DM nicht reichen würde, um neben den fälligen Umsatzsteuerforderungen der GmbH aufgrund der Betriebsprüfung für die Jahre 1993 bis 1995 die offene Lieferantenrechnung der Firma L1 zu begleichen.

2.

Die in der Nichtabführung der Lohnsteuer 11/98 bis 1/99 zu erkennende Pflichtverletzung ist schuldhaft. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung stellt die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt regelmäßig zumindest eine grob fahrlässige Verletzung der Geschäftsführerpflichten dar (BFH-Beschlüsse vom 08.05.2001 VII B 252/00, BFH/NV 2001, 1222 und vom 21.12.1998 VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745).

Ein Entschuldigungsgrund liegt nicht vor. Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Geschäftsführers zur Steuerzahlung gemäß § 69 AO entfällt nicht dadurch, dass sie (möglicherweise) mit Schadenersatzverpflichtungen gegenüber der GmbH gemäß §§ 43, 64 Abs. 2 GmbHG oder § 823 Abs.2 BGB iVm § 266 StGB konkurriert. Für den Fall, dass der Geschäftsführer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung der GmbH die gekürzten Steuerabzugsbeträge im Hinblick auf eine ihm drohende Ersatzpflicht nicht an das Finanzamt abführt, sondern für eine spätere Befriedigung des Finanzamts bereit hält, mag seine Pflichtverletzung entschuldbar sein (BFH-Urteil vom 20.04.1993 VII R 67/92, BFH/NV 1994, 142 und Beschluss vom 21.12.1998 VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745). Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, weil der Kläger die Lohnsteuerbeträge 11/98 bis 1/99 nicht zum Zwecke der späteren Befriedigung des Finanzamtes bereit gehalten hat.

Auch entschuldigt den Geschäftsführer nicht, dass die Abführung der Lohnsteuer an das Finanzamt eine nach §§ 129 ff Insolvenzordnung - InSO - anfechtbare Rechtshandlung dargestellt hätte. Die Interessen der Gläubigergesamtheit werden vom Insolvenzverwalter im Rahmen des insolvenzrechtlichen Anfechtungsrechts unabhängig von den steuerrechtlichen Pflichten des Geschäftsführers des Schuldners im Vorfeld der Insolvenz wahrgenommen (vgl. BFH-Beschluss vom 21.12.1998 VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745, Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 24.05.2005 1 K 2361/04, EFG 2005, 1238; BGH-Urteile vom 21.01.1997 VI ZR 338/95, ZIP 1997, 412; vom 10.07.2003 IX ZR 89/02, ZIP 2003, 1666 und vom 22.01.2004 IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513).

Ein vom Geschäftsführer als Entschuldigungsgrund anführbarer gesellschafts- oder strafrechtlich relevanter Schuldvorwurf scheidet nach Auffassung des Senats im übrigen schon deshalb aus, weil bei pflichtgemäßer Lohnsteuerabführung eine Einzahlung in eine staatliche Kasse erfolgt, in deren Folge kein endgültiger Vermögensschaden bei den Insolvenzgläubigern eintreten kann. Bei begründeter Anfechtung durch den Insolvenzverwalter sind der Insolvenzmasse und damit den Insolvenzgläubigern die bei dieser Kasse eingezahlten Lohnsteuerbeträge 100 %-ig sicher, und damit - das mag der vorliegende Insolvenzfall veranschaulichen - in vielen Fällen wesentlich sicherer, als wenn die GmbH die einbehaltenen Lohnsteuerbeträge wegen einer hypothetisch drohenden Insolvenz und einer hieraus resultierenden eventuell drohenden Anfechtung erst gar nicht an die Finanzkasse abführt, sondern unabgesondert in ihrem Vermögen behält.

3.

Die schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers durch die Nichterfüllung der Lohnsteuer 11/98 bis 1/99 zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt ist kausal für den beim Beklagten eingetretenen Steuerausfall. Die Erfüllung des Haftungstatbestands des § 69 AO erfordert neben einer schuldhaften Pflichtverletzung das Bestehen eines haftungsbegründenden ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Fehlverhalten des Vertreters gemäß §§ 34, 35 AO und dem Eintritt der Steuerausfalls als Vermögensschaden (BFH-Urteil vom 05.03.1991 VII R 93/88, BStBl II 1991, 678 m. w. N.).

Dieser Ursachenzusammenhang ist zu bejahen, wenn die Pflichtverletzung allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet ist, den Steuerausfall zu verursachen. Besteht - wie im Streitfall bezüglich der Lohnsteuer 1/99 - die Pflichtverletzung in einem Unterlassen, muss, um die Ursächlichkeit bejahen zu können, die unterbliebene Handlung hinzugedacht werden mit dem Ergebnis, dass der Schaden ohne das Unterlassen nicht eingetreten wäre (BFH-Urteil vom 17.11.1992 VII R 13/92, BStBl II 1993, 471).

Hier ist offensichtlich, dass bei einem Belassen der Einzugsermächtigung die Lohnsteuer 11 und 12/98 fristgerecht abgeführt worden wäre und bei einer Entrichtung der zu kürzenden Lohnsteuer 1/99 am 10.02.1999 der Steuerausfall verhindert worden wäre.

a.

Die Kausalität der Nichtabführung der Lohnsteuer durch den Kläger für den Steuerausfall beim Beklagten entfällt nicht deshalb, weil der Steuerausfall - hätte der Kläger die Lohnsteuerbeträge bei Fälligkeit bezahlt - im Sinne einer Reserveursache bzw. hypothetischen Schadensursache (nicht im Sinne eines rechtmäßigen Alternativverhaltens) durch eine insolvenzrechtliche Anfechtung gleichfalls entstanden wäre (offengelassen: BFH-Beschlüsse vom 11.08.2005 VII B 244/04, JURIS; und vom 19.11.2002 VII B 191/01, BFH/NV 2003, 442; eher zustimmend BFH-Beschluss vom 21.12.1998 VII B 175/98 a. a. O.; vgl. Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 24.05.2005, 1 K 2361/04 a. a. O.; entgegen FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.08.2004, 1 V 49/03, EFG 2005, 2 und FG des Saarlands, Beschlüsse vom 20.12.2004, 2 V 385/04, EFG 2005, 680 und vom 22.03.2005, 2 V 354/04, EFG 2005, 1091; Valentin, EFG 2005, 1093; BGH-Urteile vom 14.11.2000 VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80 und vom 18.04.2005 II ZR 61/03, ZIP 2005, 1026).

Zwar liegen nach Auffassung des erkennenden Senats die Voraussetzungen für ein Bargeschäft gemäß § 142 InsO nicht vor.

Nach dieser Vorschrift scheidet eine Anfechtbarkeit nach § 130 InsO von vornherein aus, wenn es sich bei der Abführung der geschuldeten Lohnsteuer um ein Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO handeln würde und eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 InsO ausgeschlossen werden könnte. Eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 InsO dürfte bei Steuerzahlungen zwar generell ausscheiden. Allerdings teilt der erkennende Senat die vom BGH mit Urteil vom 22.01.2004 (IX ZR 39/03, a. a. O.) vertretene Ansicht, dass nur Leistungen des Steuerschuldners, für die dieser aufgrund einer Parteivereinbarung mit dem Finanzamt eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen erhalten hat, als Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO angesehen werden können. Der Steuerschuldner hat aber mit dem Finanzamt weder eine Vereinbarung getroffen noch von ihm eine Gegenleistung erhalten und zahlt die Lohnsteuer unabhängig von seinen steuerrechtlichen Pflichten gemäß § 41 a Abs. 1 EStG zur Lohnsteuereinbehaltung und -abführung aus seinem Vermögen.

Die Annahme, dass die Reserveursache in Gestalt des Anfechtungsrechts des Insolvenzverwalters zwingend zu demselben Steuerausfall führt wie die pflichtwidrige Nichtabführung der Steuer durch den Geschäftsführer bei Fälligkeit, ist nach Auffassung des erkennenden Senats jedoch, auch wenn kein Bargeschäft vorliegt, unzutreffend. Die Reserveursache der Anfechtung müsste mit derselben Sicherheit zu dem Steuerausfall führen wie die Pflichtverletzung des Geschäftsführers.

Das ist aber nicht der Fall.

Zum einen steht zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung nicht fest, dass es zur Ausübung des Anfechtungsrechts durch den Insolvenzverwalter kommt, da nicht sicher ist, ob das Insolvenzverfahren überhaupt eröffnet wird; seine Eröffnung könnte mangels Masse abgelehnt werden.

Zum anderen ist bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Ausübung des Anfechtungsrechts durch den Insolvenzverwalter nicht ausgeschlossen, dass das Finanzamt bei der Verteilung eine vollständige oder eine quotale Befriedigung der Lohnsteuerschuld erfährt.

b.

Unabhängig von diesen Erwägungen liegen nach Auffassung des erkennenden Senats die Voraussetzung für ein Anfechtungsrecht weder nach § 130 Abs. 1 Nr. 1, Abs.2 InsO alter Fassung - aF - für die Lohnsteuerbeträge 11 und 12/98 noch nach § 130 Abs. 1 Nr. 2, Abs.2 InsO aF für den Lohnsteuerbetrag 1/99 vor, denn der Beklagte kannte weder die Zahlungsunfähigkeit der GmbH noch wusste er vom Eröffnungsantrag bei Fälligkeit der Lohnsteuer 11/98 bis 1/99.

Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuerbeträge 11 und 12/98 zum 10.12.1998 und 10.01.1999 mag die GmbH im Sinne des § 17 InsO bereits zahlungsunfähig gewesen sein trotz des zunächst erfolgten Einzugs der Lohnsteuerbeträge von ihrem Bankkonto, da die GmbH zu diesem Zeitpunkt bereits nicht in der Lage war, fällige Zahlungsverpflichtungen gegenüber weiteren Gläubigern zu erfüllen (vgl. nur den Wechselprotest vom 06.01.1999 wegen der Forderung der Firma L1 und die wegen des Widerrufs der Einzugsermächtigung am 05.02.1999 in den dem Widerruf vorangegangenen sechs Wochen ausgefallenen Gläubiger). Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer 1/99 am 10.02.1999 war die GmbH in jedem Fall zahlungsunfähig (zur Abgrenzung von Zahlungsstockung/-unfähigkeit: BGH-Urteil vom 24.05.2005, IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426).

Der Beklagte kannte jedoch ausweislich der Steuerakten der GmbH weder die Zahlungsunfähigkeit der GmbH bei Fälligkeit der Lohnsteuer 11/98 bis 1/99 noch den Eröffnungsantrag vom 02.02.1999. Erst am 25.02.1999 erhielt er eine negative Drittschuldnerauskunft auf seine erste gegenüber der GmbH ausgebrachte Pfändungsmaßnahme. Noch am 16.03.1999 wusste er laut einem Aktenvermerk nichts vom Eröffnungsantrag vom 02.02.1999. Auch kannte der Beklagte ausweislich der vorliegenden Steuerakten der GmbH keine Umstände, die gemäß § 130 Abs.2 InsO aF zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den erfolgten Eröffnungsantrag schließen ließen. Der Stundungsantrag betreffend die Umsatzsteuer 1993-1995 vom 01.12.1998, die nicht erfolgten Ratenzahlungen und die fehlende Lohnsteuerabführung 11/98-1/99 bei Fälligkeit reichen hierzu nach Auffassung des Senats nicht, zumal noch am 14.01.1999 Lohnsteuer 1993 in Höhe von 70.000,-DM getilgt worden ist und der Widerruf der Einzugsermächtigung betreffend die Lohnsteuer 11 und 12/98 erst am 05.02.1999 erfolgte und dem Beklagten nach Aktenlage unbekannt war.

c.

Hypothetische Schadensursachen sind im übrigen nach bisher allgemein herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur kein Problem der Kausalität, sondern eine Frage der Schadenszurechnung (vgl. hierzu BGH-Urteil vom 07.06.1988 IX ZR 144/87, ZIP 1988,1060, m.w.N.; Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 24.05.2005, 1 K 2361/04 a. a. O.; Heinrichs in Palandt, 63. Aufl., Vorbem. v § 249 Rdnr. 96, m.w.N.). Dass der durch die haftungsbegründende Nichtabführung der Lohnsteuer real bewirkte Steuerausfall später durch einen anderen Umstand herbeigeführt worden wäre, kann nämlich an der Kausalität der realen Ursache nichts ändern. Ob dieser andere hypothetische Umstand beachtlich ist und zur einer Entlastung des Schädigers führt, ist eine Wertungsfrage und richtet sich nach dem Schutzzweck der Norm.

Der Schutzzweck der Norm des § 69 AO und des § 41 a EStG ist es, das Lohnsteueraufkommen in besonderer Weise zu schützen. Gegen diesen Schutzzweck wird verstoßen, wenn den Geschäftsführer einer GmbH die bloß potentielle Anfechtungsmöglichkeit durch einen Insolvenzverwalter im hypothetischen Fall einer Insolvenzeröffnung bereits bei insolvenzrechtlicher Zahlungsunfähigkeit davon befreit, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers, die er einzubehalten hat, an das Finanzamt abzuführen.

Eine allein aus insolvenzrechtlicher Sicht vorgenommene Koppelung der öffentlich-rechtlichen Pflicht des Arbeitgebers bzw. seines verantwortlichen Vertreters an eine hypothetische Anfechtbarkeit im Insolvenzverfahren ist zudem, wie unter III. 2. gezeigt, wegen des unabhängig von den steuerrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers und seiner Vertreter im Sinne §§ 34, 35 AO durchsetzbaren insolvenzrechtlichen Anfechtungsrechts zur Verhinderung von Gläubigerbenachteiligungen überflüssig.

4.

Der Kläger haftet in voller Höhe für die auf die von ihm für den Zeitraum 11/98 bis 1/99 ausgezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer, denn bei der Lohnsteuer gelten die Grundsätze der anteiligen Tilgung von Steuerschulden in anderer Art und Weise als bei der Umsatzsteuer. Während bei der Umsatzsteuer der Vertreter des Steuerschuldners nur verpflichtet ist, bei Zahlungsschwierigkeiten die Umsatzsteuer im gleichem Umfang zu tilgen wie die Verbindlichkeiten anderer Gläubiger (vgl. Loose in Tipke/Kruse, a. a. O., § 69 Tz 34 m. w. N.), bemisst sich die Haftungsquote bei der Lohnsteuer nur nach dem möglichen Umfang einer anteiligen Befriedigung des Finanzamts und der Arbeitnehmer, mithin nach der auf die tatsächlich ausgezahlten (Netto-) Löhne zu entrichtenden Lohnsteuer (Rüsken in Klein a. a. O., § 69 Tz 28,31). Denn die abzuführende Lohnsteuer ist nach Ansicht des BFH ein Teil des vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer geschuldeten Brutto-Arbeitslohns, den der Arbeitgeber "gewissermaßen treuhänderisch" für den Arbeitnehmer und den Steuerfiskus einzuziehen habe (st. Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteile vom 20.04.1982 VII R 96/79, BStBl II 1982,521; vom 12.07.1988 VII R 108-109/87, BFH/NV 1988, 764 und Beschluss vom 08.05.2001 VII B 252/00, BF/NV 2001, 1222).

Hieran ändert sich nach Auffassung des erkennenden Senats nichts durch die Rechtsprechung des BGH, erfolgt mit Urteil vom 22.01.2004 (IX ZR 39/03 a. a. O.).

Die vom Kläger unter Hinweis auf dieses Urteil begehrte Anwendung der umsatzsteuerrechtlichen Grundsätze der anteiligen Tilgung von Steuerschulden auch auf die Lohnsteuer wäre im Streitfall entscheidungserheblich. Sie führte angesichts der im Verfahren 8 K 5395/01 nachgewiesenen Zahlen im Berechnungsbogen zur Umsatzsteuerquote im vorliegenden Lohnsteuerhaftungszeitraum 10.12.1998 bis 10.02.1999 wegen der im Haftungszeitraum erfolgten Lohnsteuertilgung in Höhe von 70.000,- DM unstreitig zur einer Haftungsquote von 0,- DM.

Nach Auffassung des erkennenden Senats sind die Ausführungen des BGH in dem Urteil vom 22.01.2004 allein im Hinblick darauf erfolgt, dass eine ein Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters begründende Gläubigerbenachteiligung im Insolvenzverfahren auch dann zu bejahen ist, wenn Lohnsteuerzahlungen durch den Arbeitgeber an die Finanzverwaltung in kritischer Zeit gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 Gesamtvollstreckungsordnung erfolgt sind. Dem insolvenzrechtlichen Anfechtungsrecht kann in diesem Fall nach zutreffender Auffassung des BGH nicht entgegen gehalten werden, dem Arbeitnehmer stünde ein auf einem Treuhandverhältnis zum Arbeitgeber beruhendes, in der Insolvenz zu beachtendes Aussonderungsrecht entgegen. Dem entspricht, dass das Finanzamt aufgrund der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Arbeitgebers gemäß § 41 a Abs. 1 EStG, die Lohnsteuer gleichsam treuhänderisch einzubehalten und abzuführen, nach zutreffender Auffassung des BGH ebenfalls kein das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters verhinderndes Vorzugsrecht hat. Es ist bezüglich der Haftungsschuld Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO. Dass das Treuhandverhältnis des Arbeitgebers gegenüber dem Finanzamt und dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die vom Arbeitgeber gemäß § 41a Abs. 1 EStG einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer keine in der Insolvenz des Arbeitgebers das Finanzamt oder die Arbeitnehmer schützende, weil bevorrechtigende Rechtsposition darstellt, besagt jedoch gerade nicht, dass der BGH das vom BFH in ständiger Rechtsprechung betonte öffentlich-rechtliche Treuhandverhältnis des Arbeitgebers gegenüber dem Finanzamt, das der BFH zur Begründung der besonderen Lohnsteuerhaftungsquote heranzieht, negiert hat. Dieses Treuhandverhältnis ist im Gegenteil durch die Rechtsprechung des BGH mittelbar bestätigt worden.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

C.

Die Revision war im Hinblick auf die im Urteil angeführte divergierende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, des Bundesgerichtshofs und der Finanzgerichte zum Verhältnis des Insolvenz- und Steuerrechts bei der Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber bzw. durch dessen Vertreter gemäß §§ 34,35 AO in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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