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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 11.06.2008
Aktenzeichen: VO Nr. 1408/71/EWG, EStG
Rechtsgebiete: VO Nr. 1408/71/EWG, EStG
Vorschriften:
VO Nr. 1408/71/EWG Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) | |
EStG § 62 ff. |
Finanzgericht Köln
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt für sein in Polen lebendes Kind T, geb. 00.00.1992, Kindergeld. Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und arbeitete in der Zeit vom 6.6.2006 bis 28.2.2007 im Auftrag seines polnischen Arbeitgebers in Deutschland. Er war abhängig beschäftigt und in Polen sozialversicherungspflichtig. Mit Bescheid vom 12.9.2007 lehnte die Beklagte seinen Antrag auf Kindergeld ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 24.10.2007 abgelehnt. Hiergegen erhob der Kläger beim beschließenden Senat Klage.
Zur Begründung trägt der Kläger nunmehr vor, dass zwar im vorliegenden Fall die VO Nr. 1408/71 grundsätzlich Anwendung finde. Im Rahmen dieser Verordnung seien jedoch nicht Art. 13 ff. der VO anwendbar, sondern die der Art. 73 ff. Der alleinige Zweck der VO Nr. 1408/71 und der hierauf ergangenen Durchführungsverordnung DVO 574/72, "nämlich die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu erleichtern, würde unterlaufen, wenn ein Wanderarbeiternehmer und sein Arbeitgeber gezwungen werden könnten, in zwei Mitgliedstaaten Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen" (EuGH, Rs. A.A. Ten Holder, S. 1824). Danach bezwecke die VO 1408/71 die Erleichterung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dadurch, indem sie den Erlass mitgliedschaftlicher Vorschriften zum Zwecke der Abschottung ihrer Arbeitsmärkte verbiete. Sie solle aber gerade nicht die mit der Freizügigkeit verbundenen Vorteile für die jeweiligen Arbeitnehmer, welche in den jeweiligen Mitgliedstaaten für diese gewährt werden, verhindern. Die "Kollisionsregeln" der Art. 13 ff. der VO stellen ein geschlossenes System dar, welches den einzelnen Mitgliedstaaten verbieten, die Freizügigkeit der (Wander-) Arbeitnehmer durch Schaffung einzelner mitgliedsstaatlicher Vorschriften zu behindern. Im vorliegenden Fall gehe es aber nicht um Sozialleistungen für den einzelnen Arbeitnehmer; vielmehr seien allein Fragen hinsichtlich der Gewährung von Familienleistungen maßgeblich. Das vom Kläger begehrte deutsche Kindergeld sei als Familienleistung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 h der VO anzusehen. Die Frage, inwieweit etwaige Kollisionen dieser Leistungen in einzelnen Mitgliedstaaten zu regeln seien, bestimme sich jedoch nicht nach den Art. 13f des Titels II der VO Nr. 1408/71, sondern expressis verbis nach dem Titel II "Besondere Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten" und hier Kapitel 7 der vorgenannten Verordnung: Familienleistungen und Beihilfen für Arbeitnehmer und Arbeitslose. Hierfür spreche zunächst die VO-Systematik, wonach besondere Vorschriften den allgemeinen Vorschriften vorgingen. Zum anderen ermögliche ein solcher Aufbau dem Verordnungsgeber die Möglichkeit, für jede einzelne von der VO 1408/71 zu erfassende soziale Leistung spezielle Regelungen zu treffen. Von dieser speziellen Regelungsmöglichkeit aufgrund der Rechtsnorm-Systematik habe der EU-Verordnungsgeber mit den in Titel III enthaltenen Regelungen ausdrücklich Gebrauch gemacht. Das FG Hamburg habe in seinem Urteil vom 20.4.2004 (III 425/02) ausgeführt, dass die Vorschriften der Art. 72 ff. der VO mit deren Kapitel 7 als Spezialregelungen den §§ 62 ff. EStG vorgehen würden, weil zu den Familienleistungen das Kindergeld gehöre. Soweit der BFH in seiner Entscheidung vom 13.8.2002 rechtsfehlerhaft die Artikel des Titels II der VO Nr. 1408/71 angewandt habe, habe er dies nunmehr in seinem Beschluss vom 24.9.2007 richtiggestellt: "Nach Art. 73 VO Nr. 1408/71 hat ein Arbeitnehmer, der in einem Mitgliedstaat arbeitet, für seine Familienangehörigen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, als ob die Familienangehörigen im Gebiet des Beschäftigungsstaates wohnen (III S 14/07). Auf den vorliegenden Fall angewandt bedeute dies, dass der Kläger, der in Deutschland tätig gewesen sei, für seine in Polen wohnenden Familienangehörigen (Kinder) Anspruch auf Familienleistungen nach den deutschen Rechtsvorschriften, mithin §§ 62 ff. EStG, habe. Etwaige Kumulierungen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten würden in Art. 76 der VO abschließend geregelt. Der BFH habe in seiner Entscheidung vom 24.9.2007 dazu Folgendes ausgeführt:
"Art. 76 Nr. 1408/71 regelt die Konkurrenzfälle, in denen Familienleistungen im Wohnland der Kinder aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen sind ... Die Fälle, in denen die Familienleistungen im Wohnland der Kinder nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhängen, werden von Art. 10 VO Nr. 574/72 erfasst. Nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 574/72 ruht der Anspruch auf Familienleistungen im Wohnland der Kinder bis zur Höhe der im Beschäftigungsland aufgrund innerstaatlicher Vorschriften oder nach Art. 73 VO Nr. 1408/71 geschuldeten Familienleistungen."
Damit entspreche der BFH in vollem Umfang einer späteren Entscheidung des EuGH vom 7.7.2005 C-153/03. Des Weiteren weise der BFH ausdrücklich darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die Konkurrenzregeln nur die Einschränkung der Kumulierung von Beihilfen bezwecken. Der Arbeitnehmer könne sich quasi den Mitgliedstaat, indem er beschäftigt sein will, dahingehend aussuchen, dass dieser Mitgliedstaat für seine Familienangehörigen die höchsten Familienleistungen zahle. Nur eine solche Betrachtungsweise verhelfe der vom EU-Vertrag beabsichtigten Freizügigkeit der (Wander-) Arbeitnehmer zu ihrer vollen Wirksamkeit und ermögliche den Mitgliedstaaten zugleich, durch Schaffung attraktiver Anreize Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten anzulocken. Es bestehe lediglich das Gebot, dass der Arbeitnehmer nicht in beiden Mitgliedstaaten jeweils die Familienleistungen in voller Höhe begehren könne. Aufgrund dessen sei es auch nicht möglich, dass der Kläger die in Polen gewährte Familienbeihilfe von dem in Deutschland zustehenden Anspruch aus § 66 EStG in Abzug bringe; vielmehr ruhe nach der VO Nr. 574/72 der Anspruch des Klägers auf Familienleistungen in Polen bis zur Höhe der in Deutschland aufgrund der innerstaatlichen Vorschriften des EStG geschuldeten Familienleistungen.
Da im Streitfall die Familienleistungen in Polen nicht von einer Erwerbstätigkeit abhängen, bestimme sich der Anspruch des Klägerin nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 574/72 i.V.m. §§ 62 ff. EStG. Dies entspreche auch einer Entscheidung des FG Düsseldorf (Urteil vom 17. 8.2000 Az. 10 K 3879/98, EFG 2000, 1339). Zur Begründung habe sich das FG Düsseldorf auf die Rspr. des EuGH berufen, wonach die Verordnung nicht zu einem Verlust führen dürfe, die allein nach dem innerstaatlichen Recht eines Mitgliedstaates erworben worden sei.
Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass der BFH in seinem Urteil vom 13.8.2002 die Petroni-Entscheidung des EuGH falsch verstanden habe. Insoweit werde auch auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache M.E.S. Luijten (Rs. 60/85) hingewiesen. Zudem habe die Familienkasse L in einem beim Finanzgericht Düsseldorf anhängigen Verfahren (15 K 4827/07) bei vergleichbarem Sachverhalt den geltend gemachten Anspruch vollumfänglich anerkannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 25.3.2008 verwiesen.
Mit Schreiben vom 16. Mai 2008 weist der Prozessbevollmächtigte auf die von der Verwaltung erlassenen "Hinweise zur Anwendung der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und 574/72 (DVO) im Bereich Familienleistungen" hin. Er vertritt die Ansicht, dass die Beklagte hiernach ihren bisherigen Rechtsstandpunkt nicht aufrechterhalten könne.
Mit Schreiben vom 7. Juni 2008 wiederholt der Kläger seine Rechtsansicht, dass die Kindergeldleistungen in den spezielleren Vorschriften der Art. 73 ff. der VO geregelt seien. Er trägt zudem vor, dass sein damaliger Arbeitgeber eine polnische Zeitarbeitsfirma gewesen sei. Der deutsche Arbeitgeber habe u.a. die Stellung von Quartieren übernommen. Hinsichtlich einer "Miete" sei die Berücksichtigung allein wirtschaftlich in der Entlohnung erfolgt; ein Abschluss eines gesonderten Mietvertrages sei nicht erfolgt. Der Kläger sei daher nicht mit einem entsandten Arbeitnehmer i.S. einer Tätigkeit auf Montage vergleichbar. Vielmehr sei er als Bauarbeiter nur für seine von vornherein absehbare Tätigkeit in Deutschland in Polen formal angestellt worden. Sowohl vor als auch nach der hier maßgeblichen Beschäftigung in Deutschland sei er arbeitslos gewesen. Die Ausführungen der Beklagten, wonach beim Kläger eine dauerhafte (arbeitsrechtliche) Beziehung zu seinem polnischen Arbeitgeber vorgelegen habe, seien daher unrichtig.
Soweit die Beklagte auf einen etwaigen Ausschluss der hier begehrten Leistung nach § 65 EStG verweise, gehe diese Ansicht fehl. Aufgrund des bestehenden Anwendungsvorrangs der Art. 73 ff. könne die (weitere) Konkurrenzvorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht zur Anwendung kommen. Dies werde mittlerweile auch von der Literatur und einem Teil der Rechtsprechung angenommen (Pust in Littmann/Bitz/Pust, "Das Einkommensteuerrecht", § 65 Rn. 11; FG Münster, EFG 2000, 878; Korn, EStG, § 65 Rn. 10). Da nach den hier maßgeblichen Vorschriften ein etwaiger Anspruch des Klägers auf vergleichbare Leistungen in Polen ruhe und der Ausschlusstatbestand des § 65 EStG nicht zur Anwendung komme, seien sowohl die Rechtsgrundlage als auch die Höhe des polnischen Kindergeldes nicht streitentscheidend.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 12.9.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2007 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Kindergeld in Höhe von insgesamt 1.386 EUR zu zahlen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung beruft sich die Beklagte zunächst auf den Inhalt ihrer Einspruchsentscheidung. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die EG-VO dem deutschen Recht vorgehe. Der Kläger unterliege nach Art. 14 Nr. 1 a) EG-VO allein den polnischen Rechtsvorschriften. Die EWG-Verordnung Nr. 1408/71 sei als supranationales Recht vorrangig vor dem EStG anzuwenden. Selbst wenn die EG-VO keine Anwendung finden würde und der Kläger nachweisen könnte, dass er unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei, würde die Regelung des § 65 EStG dazu führen, dass ein Anspruch vollumfänglich ausgeschlossen wäre. Da in Polen unstreitig Kindergeld für das Kind T gezahlt worden sei, bestehe auch unter diesem Gesichtspunkt kein Kindergeldanspruch.
Richtig sei zwar, dass innerhalb der Gemeinschaft für Wanderarbeitnehmer verschiedene Sonderrechte gelten würden. Der Kläger sei jedoch kein Wanderarbeitnehmer sondern ein entsandter Arbeitnehmer, für den allein die Regelung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. a VO (EWG) 1408/71 maßgeblich sei. Danach unterliege eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehöre, abhängig beschäftigt werde und die von diesem Unternehmen in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates entsandt werde, weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaates, sofern (im Falle der Regelung des Buchst. a) die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 12 Monate nicht überschreite. Eine Entsendung werde dann angenommen, wenn der Arbeitnehmer während seiner Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat noch eine arbeitsrechtliche Bindung zu dem Unternehmen mit Betriebsstätte im ersten Mitgliedstaat habe und diesem Unternehmen unterstehe. Genauso liege der Fall hier.
Soweit der Kläger auf das Verfahren 15 K 4827/07 des FG Düsseldorf verweise, sei anzumerken, dass der Sachverhalt in diesem Verfahren ein anderer gewesen sei. In diesem Fall sei der Kläger nicht entsandt worden, sondern bei einem deutschen Arbeitgeber sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (Bl. 3 und 19 der FG-Akte) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die Beklagte hat zu Recht darauf abgestellt, dass nach der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 das deutsche Kindergeldrecht und damit die §§ 62 ff. EStG ausgeschlossen sind.
1. Der hier nach §§ 62 ff. EStG unterstellte Anspruch des Klägers auf Kindergeld wird durch das europäische Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen.
Das deutsche Kindergeld fällt nach st. Rspr. in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71. Es ist eine Familienleistung i.S. des Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung (Urteil des BVerfG vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, HFR 2004, 1139). Der Kläger unterliegt als Arbeitnehmer auch dem persönlichen Geltungsbereich der VO.
Die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf Kindergeld zusteht, ist demzufolge nach den Bestimmungen des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 zu entscheiden. Die Art. 13 bis 17a des Titels II der VO legen fest, welche Rechtsvorschriften auf Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, anwendbar sind. Sie bilden nach der st. Rspr. des EuGH ein geschlossenes System von Kollisionsnormen und bezwecken, dass die Betroffenen (zu einem bestimmten Zeitpunkt) nur einem System der sozialen Sicherheit unterliegen, so dass die Kumulierung anwendbarer Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden (vgl. EuGH-Urteil vom 10. Juli 1986 Rs. 60/85, EuGHE 1986, 2365, Randnr. 12; Urteil des BSG vom 15. Dezember 1992 10 RKg 18/91, NVwZ 1993, 919; BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 61/00, BStBl II 2002, 869). Art. 13 ff. der VO nimmt daher dem nationalen Gesetzgeber die Befugnis, Geltungsbereich und Anwendungsvoraussetzungen seiner Rechtsvorschriften im Hinblick darauf zu bestimmen, welche Personen ihnen unterliegen und in welchem Gebiet sie ihre Wirkung entfalten. Unterliegt ein Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften eines anderen EU-Mitgliedstaates, ist nach dem o.g. Grundsatz in Deutschland weder Kindergeld noch Differenzkindergeld zu zahlen (vgl. Beschluss des BVerfG vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, HFR 2004, 1139; vgl. FG Niedersachsen Urteil vom 24. Januar 2008 1 K 83/07 nv [...] mwN). Dieser Grundsatz widerspricht entgegen der Ansicht des Klägers nicht der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 21. Oktober 1975 in der Rechtssache 24/75, Petroni, SLG. 1975, 1149), wonach die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 nicht zum Verlust von Ansprüchen führen darf, die allein nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates erworben worden sind. Dieser Grundsatz betrifft nämlich nicht die Regeln für die Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften, sondern die Gemeinschaftsregeln über die Kumulierung von Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten (EuGH-Urteil vom 10. Juli 1987 C-60/85, EUGHE 1986, S. 2365).
Im Streitfall unterfällt der Kläger den polnischen Rechtsvorschriften. Gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) der EWG-VO Nr. 1408/71 unterliegt ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaates von einem Unternehmen beschäftigt wird, dem er gewöhnlich angehört, und von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates entsandt wird, weiterhin den Rechtvorschriften des ersten Staates, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und er nicht einen anderen Arbeitnehmer ablöst, für den die Entsendungszeit abgelaufen ist. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Der Kläger war während seiner Tätigkeit in Deutschland vom 6.6.2006 bis 28.2.2007 für fast neun Monate weiterhin als Arbeitnehmer seiner polnischen Firma beschäftigt. Dass der Kläger vor und nach seiner Tätigkeit in Deutschland in Polen arbeitslos gewesen war, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass der Kläger von seinem polnischen Arbeitgeber zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung nach Deutschland geschickt worden ist. Weiterhin sollte die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreiten. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass der Kläger eine Person abgelöst hat, für welche die Entsendungszeit abgelaufen war. Damit ist im vorliegenden Fall die Anwendung der Vorschriften des X. Abschnitts des EStG über das Kindergeld auf den Kläger ausgeschlossen, da der Kläger nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) der EWG-VO 1408/71 nur den polnischen Rechtsvorschriften unterliegt.
Entgegen der Ansicht des Klägers begründet Art. 73 EWGV 1408/71 auch keine selbständige Anspruchsgrundlage für Familienleistungen dergestalt, dass der Kläger sich aussuchen kann, welchem Recht er unterliegen will. Art. 73 der Verordnung orientiert sich vielmehr an den allgemeinen in Art. 13 ff. enthaltenen Zuständigkeitsregeln, und zwar auch dann, wenn die Familienangehörigen, für die Familienleistungen beansprucht werden, nicht in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind (vgl. BSG-Urteil vom 15. Dezember 1992 10 RKg 18/91, NVwZ 1993, 919).
Der Ausschluss des deutschen Kindergeldrechts wird auch nicht durch die sog. "Antikumulierungs"-Vorschriften eingeschränkt oder aufgehoben (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juni 2005, Rs. C-543/03 (Dodl und Oberhollenzer), Sammlung der Rechtsprechung 2005 Seite I-05049).
Art. 76 der EWG-VO 1408/71 ist bereits deshalb nicht anwendbar, da der Anspruch auf Kindergeld nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhängig ist.
Einschlägig ist vielmehr Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Unabhängig von der Frage, ob Art. 10 der DVO Nr. 574/72 nur dann als Kollisionsnorm einschlägig ist, wenn andere Personen als der Arbeitnehmer ebenfalls Anspruch auf die Familienleistung haben (so BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412) oder auch in Bezug auf den Arbeitnehmer selbst gilt (so EuGH in der Rechtssache Dodl und Oberhillenzer, Rn. 58), greift diese Kollisionsnorm nur dann ein, wenn der Arbeitnehmer auch in seinem Wohnsitzstaat einer Beschäftigung nachgeht, d.h. es also um die Frage geht, welcher von zwei oder mehreren Beschäftigungsstaaten für die Gewährung der Familienleistungen zuständig ist (FG Köln, EuGH-Vorlage vom 10. August 2006 10 K 4830/05, EFG 2006, 1606). Eine solche Kumulierung liegt aber nicht vor, da der Kläger nach Art. 14 der VO 1408/71 nur den sozialen Regelungen des polnischen Rechts unterliegt.
Die Nichtgewährung des deutschen Kindergeldes verstößt auch nicht gegen den europarechtlichen Gleichheitssatz, an dem die Vorschriften der VO (EWG) 1408/71 und 574/72 zu messen sind (FG München Urteil vom 15. Februar 2007 5 K 661/06, [...] nv).
2. Gründe für die Revisionszulassung sind nach Ansicht des erkennenden Senats im Hinblick auf die Entscheidungen des BFH vom 13. August 2002 (VIII R 61/00, BFHE 200, 205; VIII R 97/01, BFHE 200, 211; VIII R 70/99, BFH/NV 2003, 29) nicht gegeben. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch aus dem Beschluss des BFH vom 24. September 2007 (III S 14/07 (PKH), BFH/NV 2008, 67) nicht erkennbar, dass der BFH von seinen in den Urteilen vom 13. August 2002 genannten Grundsätzen abweichen will. In dem der Entscheidung des BFH vom 24. September 2007 zugrundeliegenden Sachverhalt hatte sowohl die Antragstellerin einen Kindergeldanspruch nach deutschem Recht als auch ihr in Schweiz beschäftigter Ehemann einen Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften der Schweiz. Insoweit sind die Konkurrenzregeln der Art. 73 und 76 der VO 1408/71 von Bedeutung. Im Streitfall besteht aber -wie oben dargestellt- kein Kindergeldanspruch nach dem EStG. Es liegt daher kein Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen gemäß den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates und den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Familienangehörigen wohnen, vor. Insoweit fehlt es an einer Divergenz zum Urteil des EuGH vom 7. Juli 2005 C-153/03, Sammlung der Rechtsprechung 2005 Seite I-06017 vor.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
4. Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 FGO).
Ende der Entscheidung
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