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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 23.01.2007
Aktenzeichen: 1 K 334/02
Rechtsgebiete: AO, InsO, KO


Vorschriften:

AO § 191 Abs. 1
AO § 47
AO § 48 Abs. 1
AO § 48 Abs. 2
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 134
KO § 32
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

1 K 334/02

Tenor:

Der Haftungsbescheid vom 6.10.2000, sowie die Einspruchsentscheidung vom 17.12.2001 werden aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Tatbestand:

Der Kläger war zu 50 % an der S - Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt. Weiterer Beteiligter war, ebenfalls mit einem Anteil von 50 %, Herr C. Gegenstand der GbR war ausschließlich die Vermietung des Grundstücks N-Str.. Zwischen der G-GmbH (Organgesellschaft) und der GbR (Organträger) bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft i.S.d. § 2 Absatz 2 UStG.

Die GmbH war Inhaberin einer Forderung i.H.v. DM 223.884,- DM gegen die F-GmbH. Mit Erklärung vom 2.3.1999 erklärte die GmbH gegenüber dem Beklagten, sie trete ihre Forderung gegenüber der F-GmbH i.H.v. DM 223.894, 39 "zur Tilgung seiner bestehenden Rückstände an Steuern und steuerlichen Nebenleistungen ab". Die Abtretung erfolge nicht an Erfüllungs statt, sondern nur zahlungshalber. Die Erklärung ist durch Herrn C als Vertreter der GmbH unterzeichnet; eine Unterschrift durch den Abtretungsempfänger ist nicht erfolgt.

Am 12.3.1999 erfolgte eine Überweisung der GmbH i.H.v. DM 157.000,- an den Beklagten. Dieser buchte die Zahlung auf rückständige Steuerschulden der GbR. Mit Schreiben vom 16.4.1999 teilte er Herrn C mit, die Zahlung sei entsprechend der erteilten Anweisung auf die Steuernummer 202/5712/0087 (GbR) gebucht worden. Eine Umbuchung auf Steuerschulden der GmbH komme nicht in Betracht, da die Zahlung für die GbR erfolgt sei und keine Überzahlung vorliege.

Am 22.3.1999 wurde für die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt; Zur Begründung wurde vorgetragen es sei Zahlungsunfähigkeit der GmbH gemäß § 17 InsO gegeben. Mit Beschluss vom 30.4.1999 wurde das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO) eröffnet. Es wurde ein Insolvenzverwalter bestellt.

Noch Ende März 1999 verfügte der Kläger über zwei Lebensversicherungen. Diese hatten Rückkaufswerte i.H.v. insgesamt etwa 680.000,- DM. Herr C verfügte ebenfalls über eine Lebensversicherung. Diese hatte einen Rückkaufwert i.H.v. etwa 290.000,-. Diesen Versicherungen standen im März 1999 keine Schuldposten gegenüber, welche eine Befriedigung des Beklagten i.H.v. DM 26.656,- ausgeschlossen hätte. .

Zu Lasten des Grundstücks N-Str. ließ der Beklagte im April und Mai 1999 Zwangssicherungshypotheken eintragen. Zugunsten der Kreissparkasse bestanden Grundschulden in Höhe von mindestens 2.085.000,- DM.

Am 9.6.2000 machte der Insolvenzverwalter der GmbH gegenüber dem Beklagten seine "generellen Anfechtungsansprüche geltend". Insbesondere machte er seine Rechte nach §§ 130 Absatz 1 Nr. 1; 131 Absatz 1 Nr.1 InsO geltend und forderte den Betrag von DM 157.000,- zurück.

Am 5.7.2000 zahlte der Beklagte den geforderten Betrag an den Insolvenzverwalter aus.

Mit Bescheiden jeweils vom 6.10.2000 nahm der Beklagte den Kläger, sowie Herrn C als Haftungsschuldner gemäß §§ 421, 427 BGB i.V.m. §§ 44, 191 AO für Umsatzsteuern der GbR ab Oktober 1998 in Anspruch. Die Haftungssumme belief sich jeweils auf 186.792,- DM. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Haftungsbescheid vom 6.10.2000 verwiesen.

Mit Einspruchsentscheidung jeweils vom 17.12.2001 erfolgte eine Teilabhilfe; die Haftungssumme belief sich danach jeweils auf DM 26.656 DM. Im übrigen wurde der Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte führte aus, die Steuerschuld der GbR sei nicht erfüllt worden. Die Inanspruchnahme des Klägers sei zu Recht erfolgt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 17.12.2001 verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage. Er trägt vor, durch die Abtretungserklärung vom 2.3.1999 sei gegenüber dem Beklagten Erfüllung der Steuerschulden i.H.v. 157.000,-DM eingetreten. Zwischen dem damaligen Steuerberater I und dem Bearbeiter des Beklagten sei zuvor ("Ende Februar") eine entsprechende Vereinbarung erfolgt. Danach habe der Beklagte die Abtretung der Forderung der GmbH gegenüber der F-GmbH als Erfüllung für die Steuerschulden der GbR akzeptiert. Spätestens durch die Zahlung der GmbH sei Erfüllung eingetreten. Selbst wenn keine Erfüllung eingetreten sei, so sei jedenfalls die Inanspruchnahme des Klägers ermessenswidrig. Der Beklagte habe vorrangig die GmbH als Organgesellschaft in Anspruch nehmen müssen.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid aufzuheben,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Er ist der Auffassung eine Abtretung an Erfüllungs statt sei schon deswegen nicht erfolgt, weil der Vordruck die Vereinbarung enthalte, die Abtretung Dritten gegenüber nicht offen zu legen. Auch die Zahlung durch die GmbH habe keine Erfüllung herbeigeführt. Denn die Auszahlung an den Insolvenzverwalter sei zu Recht erfolgt, da dieser ein Anfechtungsrecht nach den §§ 130,131 bzw. nach § 134 InsO gehabt habe. Er ist weiter der Auffassung auf die Vermögensverhältnisse der Gesellschafter im Zeitpunkt der Zahlung durch die GmbH komme es für das Merkmal der Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO nicht an.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Absatz 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO)).

Nach § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Diese Vorschrift erfasst auch die Haftung nach bürgerlichem Recht.

St. Rspr., vgl. BFH-Urteile vom 23. März 1998 II R 7/95, BFH/NV 1998, 1329;vom 2. Februar 1994 II R 7/91, BStBl II 1995, 300.

Der Beklagte hat den Kläger zu Unrecht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen.

Die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner setzt stets voraus, dass eine Steuerschuld besteht. Der vom Beklagten angenommene Steueranspruch gegenüber der GbR bestand im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides nicht; der Anspruch war bereits (endgültig) erloschen.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§ 47 Abgabenordnung (AO)). Die Leistungen können auch durch Dritte bewirkt werden (§ 48 Absatz 1 AO). Dritte können sich vertraglich verpflichten für Leistungen i.S.d. § 48 Absatz 1 AO einzustehen (§ 48 Absatz 2 AO).

Die Steuerschuld der GbR ist durch die Leistung eines Dritten, nämlich durch die Zahlung der GmbH an den Beklagten, erloschen. Der Anspruch des Beklagten ist endgültig erloschen; er konnte nicht durch wirksame Anfechtung des Insoelvenzverwalters wiederaufleben.

Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, so lebt seine Forderung wieder auf (§ 144 Absatz 1 Insolvenzordnung (InsO)).

Die von der GmbH erbrachte Leistung war jedoch nicht anfechtbar.

Die Leistung war insbesondere nicht gemäß § 131 Absatz 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Anfechtbar ist danach eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.

Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht gegeben, denn der Beklagte war nicht Insolvenzgläubiger i.S.d. § 131 InsO. Das Finanzamt war nicht Insolvenzgläubiger der GmbH, sondern ausschließlich Gläubiger der GbR.

Die Leistung der GmbH war dem Beklagten gegenüber auch nach § 134 InsO nicht anfechtbar. Zwar hängt die Begründetheit eines Anfechtungsanspruchs nicht davon ab, dass der Verwalter die Anfechtung "erklärt" oder sich ausdrücklich auf einen bestimmten, zutreffenden Anfechtungsgrund berufen hat. Die Insolvenzanfechtung verfolgt das Ziel, dass der Anfechtungsgegner den erworbenen Gegenstand wieder der Masse zuführen muss, auf die Nennung des einschlägigen Anfechtungstatbestandes kommt es nicht an.

S. BGH-Urteil vom 11.12.2003, IX ZR 336/01, n.v.

Jedoch sind die materiellrechtlichen Anforderungen des § 134 InsO nicht erfüllt. Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn sie ist früher als 4 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden (§ 134 Absatz 1 InsO).

Nach ständiger Rechtsprechung zu den §§ 32 KO , 134 InsO ist eine Leistung dann als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung des Empfängers gegenübersteht, die dem aufgegebenen Vermögenswert entspricht. Hierüber entscheidet grundsätzlich das objektive Verhältnis der ausgetauschten Werte.

S. BGH-Urteil vom 09.11.2006 , IX ZR 285/03, DB 2007, 106, m.w.N.

Besteht die Leistung, die angefochten wird, in der Tilgung einer fremden Schuld, so liegt die Gegenleistung des Empfängers, dessen Forderung gegen einen Dritten bezahlt wird, in der Regel darin, dass er mit der Annahme der Leistung seine Forderung gegen seinen Schuldner verliert. Der Zahlungsempfänger hat in einem solchen Falle nämlich in der Regel nichts unentgeltlich erhalten, sondern eine Gegenleistung, bestehend im Verlust seiner (werthaltigen) Forderung, erbracht,

S. BGH-Urteil vom 3.3.2005, IX R 441/00, DB 2005, 1216,

wenn dies auch zu Gunsten eines anderen als des an ihn Leistenden geschehen ist.

S. BGH-Urteil vom 15.4.1964, VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298.

In einem solchen Falle ist daher grundsätzlich nicht der Empfänger der Leistung, sondern dessen Schuldner, gegen den die Forderung des Empfängers der Leistung aufgrund derselben erloschen ist, der richtige Anfechtungsgegner für eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Zuwendung

S. BGH-Urteil vom 15.12.1982, VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679, m.w.N.

Jedoch kann eine Rechtshandlung ausnahmsweise gegenüber dem Gläubiger angefochten werden, wenn die erfüllte Forderung wertlos war. Denn eine Leistung zur Deckung der Schuld eines Dritten ist dann unentgeltlich, wenn die Forderung gegen den Dritten wirtschaftlich ohne Wert ist,

s. BGH-Urteile vom 15.12.1982, VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679, m.w.N. undvom 15.4.1964, VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298.

Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte die Leistung nicht unentgeltlich erlangt. Dabei kann dahingestellt bleiben ob der Beklagte die Forderung mit Erfolg aus dem Vermögen der GbR, welche gemäß § 13a Absatz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz als Unternehmerin Steuerschuldnerin hinsichtlich der Umsatzsteuer war, hätte befriedigen können, was angesichts der vorgelegten Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung nicht naheliegend ist.

Denn die Leistung an den Beklagten ist schon deswegen nicht unentgeltlich erfolgt weil der Beklagte mit Entgegennahme der Zahlung die ihm zur Verfügung stehende Möglichkeit, sich aus dem Vermögen der Gesellschafter zu befriedigen, verloren hat.

Vgl. zum Verlust von Sicherungseigentum bzw. eines Anspruchs gegen den Bürgen BGH-Urteil vom 15.4.1964, VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298.

Dem Beklagten stand -bis zur Zahlung durch die GmbH- die Möglichkeit offen, gegen die Gesellschafter der GbR für deren rückständige Steuerschulden nach dem Rechtsgedanken der §§ 421 , 427 BGB bzw aufgrund einer analogen Anwendung des § 128 HGB persönlich vorzugehen.

Vgl. BFH-Beschluss vom 7.10.2004 VII B 46/04 BFH/NV 2005, 827.

Dem Kläger, sowie dem Mitgesellschafter Herrn C standen zu diesem Zeitpunkt in Form der Lebensversicherungen, mit den die Forderung des Beklagten übersteigenden Rückkaufswerten, auch Vermögensgegenstände zur Verfügung, welche auch nach Abzug der bestehenden Verbindlichkeiten zur Befriedigung des Beklagten ausgereicht hätten. Diese Befriedigungsmöglichkeit hat der Beklagte bei Zahlung durch die GmbH verloren.

Weitere Anfechtungstatbestände sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, da Gründe i.S.d. § 115 FGO nicht ersichtlich sind.



Ende der Entscheidung

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