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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: 10 K 1356/05
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 | |
EStG § 12 Nr. 1 S. 2 |
Finanzgericht Köln
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten materiell-rechtlich über die Verfassungsmäßigkeit der 1%-Regelung.
Der Kläger ist Steuerberater. Seinen Gewinn ermittelte er im Streitjahr 2003 durch Einnahme-/Überschussrechnung mit 88.942 EUR. Als Firmenwagen bediente sich der Kläger eines im Oktober 1997 für rd. 42.000 DM erworbenen Peugeot 406 (Rechnung RbSt-Akte). Die Einkünfte des Klägers wurden im Einkommensteuerbescheid vom 17. November 2004 zunächst erklärungsgemäß berücksichtigt; die Einkommensteuer wurde mit 14.104 EUR festgesetzt.
Mit seinem Einspruch wandte sich der Kläger zunächst gegen die Kürzung/teilweise Nichtberücksichtigung von Sonderausgaben. Bei dieser Gelegenheit erklärte er, er halte die 1%-Regelung für verfassungswidrig und habe die Kfz-Kosten daher pauschal mit 35% der angefallenen Kosten angesetzt. Der Beklagte erklärte daraufhin, die private Kfz-Nutzung sei nach Maßgabe der 1%-Regelung zu erfassen, nach der sich ein Privatanteil von unstreitig 2.232 EUR (RbSt-Akte) ergab, sodass der Gewinn nach Ansicht des Beklagten wegen des vom Kläger angesetzten Privatanteils (816 EUR) auf 90.358 EUR zu korrigieren war. Mit Schreiben vom 20. Januar 2005 wies der Beklagte nochmals darauf hin, dass sich unter Berücksichtigung der vom Kläger im Sonderausgaben-Bereich begehrten Änderungen und der Ermittlung der privaten Kfz-Nutzung nach der 1%-Regelung eine Verböserung ergeben würde. Da der Kläger an seinem Einspruch festhielt, wurde die Einkommensteuer entsprechend der Ankündigung des Beklagten mit Bescheid vom 3. März 2005 auf 14.300 EUR erhöht. Der aufrechterhaltene Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 12. April 2005 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit seiner noch vor Ergehen der Einspruchsentscheidung am 3. April 2005 beim FG Köln eingegangenen "Sprungklage" wehrt sich der Kläger nur noch gegen die Anwendung der 1%-Regelung. Der Kläger hält diese Regelung für verfassungswidrig, weil sie nur innerhalb der Abschreibungsdauer des PKW zu einem halbwegs brauchbaren Ergebnis führe. Nach Ablauf der Abschreibungsdauer von fünf Jahren führe die 1%-Regelung hingegen zu einer Übermaß-Besteuerung. Die vom Gesetz vorgesehene Alternative, nämlich die Führung eines Fahrtenbuchs, sei faktisch nicht vorhanden, weil die Fahrtenbücher von der Finanzverwaltung in aller Regel nicht anerkannt würden. Die Betriebsprüfer würden sich offen damit rühmen, jedes Fahrtenbuch "kaputtmachen" zu können. Der Steuerbürger ersticke mehr und mehr unter der Besteuerung nach Formalvorschriften, die nichts mehr mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu tun habe.
Der Kläger beantragt,
1. den Einkommensteuerbescheid vom 3. März 2005 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2005 dahin zu ändern, dass die privaten Kfz-Kosten mit 35% der insgesamt angesetzten Kfz-Kosten berücksichtigt werden, hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens, um eine Entscheidung des BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der 1%-Regelung einzuholen, äußerst hilfsweise die Zulassung der Revision,
2. den Beklagten zu verurteilen, Auskunft über den prozentualen Anteil der im Endeffekt wirklich anerkannten Fahrtenbücher zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 12. April 2005 mitgeteilt, das er der Erhebung der Klage als Sprungklage nicht zustimme; die Einspruchsentscheidung erging am gleichen Tage.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist zulässig. Die zunächst gemäß § 44 FGO mangels Vorverfahren unzulässige Klage ist zwischenzeitlich durch den Erlass der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2005 in die Zulässigkeit hineingewachsen. Denn es genügt, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG vorliegen (grundlegend BFH-Urteil vom 17. Mai 1985 III R 213/82, BFHE 143, 509, BStBl II 1985, 521; vgl. ferner BFH-Urteile vom 29. März 2001 III R 1/99, BFHE 194, 331BStBl II 2001, 432, vom 7. Juli 1992 VIII R 24/91, BFH/NV 1993, 461, vom 7. August 1990 VII R 120/89, BFH/NV 1991, 569; zur Sachurteilsvoraussetzung vgl. ferner BFH-Urteil vom 14. Juli 1992 VIII R 86/89, BFH/NV 1993, 38 , 39).
2. Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die private Nutzung zutreffend nach der typisierenden Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ermittelt. Die pauschale Bewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG verstößt auch bei bereits abgeschriebenen Fahrzeugen nicht gegen den Gleichheitssatz (FG Köln, Urteil vom 14. November 2002 10 K 4268/98, EFG 2003, 381).
a) Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs ist für jeden Kalendermonat mit 1% des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Abweichend davon kann die private Nutzung nach Satz 3 der Vorschrift mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.
b) Die pauschalierende sog. 1%-Regelung ist verfassungsgemäß.
aa) Der Senat lässt offen, ob der Gesetzgeber überhaupt verpflichtet wäre, den Abzug von Betriebsausgaben für ein Kfz zuzulassen, wenn der betriebliche Nutzungsanteil nicht durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nachgewiesen wird, oder ob er diese Aufwendungen gemäß dem Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt veranlasste Aufwendungen gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ganz vom Abzug ausschließen könnte. Jedenfalls darf der Gesetzgeber in solchen Fällen typisierende oder pauschalierende Regelungen für den Betriebsausgabenabzug treffen. Dies ist in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG geschehen. Der erkennende Senat macht sich insoweit die grundlegenden Ausführungen des III. Senats des BFH zur Verfassungsmäßigkeit widerlegbarer gesetzlicher Typisierungen zu Eigen (FG Köln, Urteil vom 14. November 2002 10 K 4268/98, EFG 2003, 381 unter Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 59/98, BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273 für einen Fall, in dem der Kläger die Nutzungsentnahme eines Gebrauchtwagens mit rd. 50% der ermittelten Gesamtkosten angesetzt hatte; ebenso BFH-Urteil vom 1. März 2001 IV R 27/00 BStBl II 2001, 403, BFH/NV 2001, 851 ).
bb) Ein Verstoß der Vorschrift gegen den Gleichheitssatz ist auch nicht feststellbar, soweit es um die Bewertung von Nutzungsentnahmen für Gebrauchtwagen geht. Der Gleichheitssatz gebietet im Gegenteil, den Maßstab des Listenpreises beizubehalten, gleichgültig, ob das Fahrzeug nach Jahren noch von einem Ersterwerber oder einem weiteren Gebrauchtwagenkäufer genutzt wird. Insoweit erweist sich die Regelung als folgerichtig und daher auch nicht willkürlich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gleichheitssatz. Hinzu kommt, dass der Steuerpflichtige jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, den privaten Nutzungsanteil den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend durch Führung eines Fahrtenbuchs zu ermitteln (BFH-Urteil vom 1. März 2001 IV R 27/00 BStBl II 2001, 403, BFH/NV 2001, 851 f ür einen Fall, in dem der Steuerpflichtige den Wert der Nutzungsentnahme für einen voll abgeschriebenen Gebrauchtwagen zwar auf der Grundlage der 1%-Regelung ermittelt hatte, dabei jedoch nicht vom Neuwagenpreis ausgegangen war, sondern seine tatsächlichen Anschaffungskosten zugrunde gelegt hatte; ferner BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 59/98, BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273).
c) Die hier streitige Vorschrift ist auch im Hinblick auf bereits abgeschriebene Fahrzeugen entgegen der Ansicht der Kläger nicht lückenhaft.
aa) Die Vorschrift war im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zum JStG 1996 vom 27. März 1995 (BT-Drucks. 13/901) und im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24. April 1995 (BT-Drucks. 13/1173) zunächst nicht enthalten. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens wurde über einen Vorschlag zur "Änderung der pauschal unterstellten Annahme in den Einkommensteuerrichtlinien (Abschnitt 118 Abs. 2 Satz 3), dass Geschäftsfahrzeuge, die ebenfalls privat genutzt werden, i.d.R. zu 65 bis 70 % geschäftlich genutzt werden, auf 50 %" diskutiert (BT-Drucks. 13/936, 15). Nachdem der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags diesen Antrag zunächst abgelehnt hatte (BT-Drucks. 13/1558, 9), empfahl der Finanzausschuss des Bundesrats am 23. Mai 1995 "zur Vereinfachung der Bewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs eine zwingende Regelung", nämlich die 1%-Regelung einzuführen (BR-Drucks. 171/2/95, 8). Die nunmehrige Bemessung der privaten Nutzungsentnahme betrieblicher Kfz ist im Bundestag Gegenstand gegenläufiger Initiativen von Bundestag und Bundesrat gewesen (BFH-Urteil vom 1. März 2001 IV R 27/00 BStBl II 2001, 403, BFH/NV 2001, 851).
bb) Der Senat verkennt nicht, dass die 1%-Regelung bei bereits abgeschriebenen Fahrzeugen jedenfalls in den Fällen zu einer unzutreffenden Besteuerung führt, in denen - wie im Streitfall - die Gesamtaufwendungen nur geringfügig höher sind als der 1%-Wert. Ein im Einzelfall unzutreffendes Ergebnis ist aber gerade die typische Folge einer gesetzlichen Typisierung, die jedenfalls dann zulässig ist, wenn der Steuerpflichtige die Möglichkeit hat, seinen tatsächlichen Aufwand durch Führung eines Fahrtenbuchs zu ermitteln, zumal es sich bei den Fahrzeugkosten eines auch privat genutzten Fahrzeugs um grundsätzlich nichtabziehbare gemischte Aufwendungen handelt. Der Senat teilt nicht die Ansicht des Bevollmächtigten, dass Fahrtenbücher in aller Regel nicht anerkannt werden. Denn er hat bereits in mehreren Fällen Fahrtenbücher anerkannt.
d) Angesichts der inzwischen wiederholt bestätigten gesetzlichen Regelung sieht der Senat keinen Anlass, das Verfahren auszusetzen, um eine Entscheidung des BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Frage ihrer Verfassungsmäßigkeit einzuholen.
e) Auch der Antrag, den Beklagten zu verurteilen, Auskunft über den prozentualen Anteil der im Endeffekt wirklich anerkannten Fahrtenbücher zu erteilen, hat keinen Erfolg. Für einen solchen Antrag sieht der Senat keine Anspruchsgrundlage. Der Beklagte könnte ohnehin nur Auskunft über die in seinem Zuständigkeitsbereich nicht anerkannten Fahrtenbücher geben. Selbst wenn sich dabei ergeben würde, dass Fahrtenbücher vom Beklagten in aller Regel nicht anerkannt würden, so wäre auch dies für das Begehren des Klägers nicht hilfreich, weil sich aus einer solchen Erhebung nicht ergäbe, ob die Fahrtenbücher grob fehlerhaft sind und deshalb zu Recht nicht anerkannt werden oder weil der Beklagte unzumutbar hohe Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit stellt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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