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Gericht: Finanzgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.05.2007
Aktenzeichen: 10 K 1690/07
Rechtsgebiete: EStG, AuslAnsprG, GG, SGB XII


Vorschriften:

EStG § 52 Abs. 61a S. 2
EStG § 62 Abs. 2 Nr. 3
AuslAnsprG Art. 2
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
GG Art. 100 Abs. 1 S. 1
SGB XII § 82
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

10 K 1690/07

Tenor:

Das Verfahren wird gemäß Artikel 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt.

Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 62 Abs. 2 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, S. 2915, 2916) insoweit mit dem GG vereinbar ist, als die Gewährung von Kindergeld im Falle eines gestatteten oder geduldeten Aufenthalts aus humanitären Gründen von über drei Jahren noch von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c und Nr. 3 EStG).

Gründe:

Das Verfahren betrifft die Nichtgewährung von Kindergeld für die Monate ab Januar 2005 an Ausländer, die sich tatsächlich bereits seit mehreren Jahren legal (gestattet oder geduldet) im Bundesgebiet aufhalten, weil sie die zusätzlichen Voraussetzungen für die Kindergeldgewährung gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht erfüllen. Das vorlegende Gericht hält die der Versagung zugrunde liegende Regelung für verfassungswidrig.

I. Bis zum Ende des Jahres 1989 wurde Kindergeld gleichermaßen an deutsche und ausländische Familien gezahlt. Die Kindergeldgewährung war allein davon abhängig, dass die Familien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten. Ab 1990 wurde der Kindergeldanspruch für Ausländer von einer einjährigen Wartefrist und einer günstigen Aufenthaltsprognose abhängig gemacht. § 1 Abs. 3 BKGG lautete in der ab 1991 gültigen Fassung: "Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten, haben einen Anspruch nach diesem Gesetz nur, wenn sie nach den §§ 51, 53 oder 54 AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können, frühestens jedoch für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten ununterbrochenen Aufenthalt von einem Jahr."

In der vom BVerfG mit Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97, 1 BvL 6/97 (BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114) für verfassungswidrig erklärten Neuregelung des § 1 Abs. 3 BKGG durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S. 2353) für die Jahre 1994 und 1995 hieß es demgegenüber: "Ein Ausländer hat einen Anspruch nach diesem Gesetz nur, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. ..." Der Besitz einer Aufenthaltsbefugnis oder eine bloße Duldung berechtigten danach nicht zum Bezug von Kindergeld. Ziel der Neuregelung war es, den Kindergeldanspruch auf Ausländer zu begrenzen, von denen zu erwarten war, dass sie auf Dauer in Deutschland blieben (BTDrucks 12/5502).

Seit der Systemänderung des Kindergeldrechts durch das JahresStG 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I S. 1250) war der Anspruchsausschluss von Ausländern ohne Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis in § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG und in § 1 Abs. 3 Satz 1 BKGG geregelt. Danach hing der Anspruch eines Ausländers auf Kindergeld davon ab, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG 1990) oder Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG 1990) war. Eine Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG 1990), Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG 1990) oder eine Duldung (§§ 55, 56 AuslG 1990) berechtigten - ebenso wie bei der Vorgängerregelung - hingegen nicht zum Bezug von Kindergeld. Zudem hatte der Gesetzgeber Sonderregelungen zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums von Familien eingefügt. Zur historischen Entwicklung des Kindergeldrechts für Ausländer im Einzelnen verweist der vorlegende Senat auf die Darstellung im BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97, 1 BvL 6/97 (BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114).

Das BVerfG hat in dem o. a. Beschluss vom 6. Juli 2004 entschieden, dass § 1 Abs. 3 Satz 1 BKGG in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I 1993, 2353), durch den Ausländer von Kindergeld ausgeschlossen wurden, die lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis waren, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der betreffende Ausländer seinen ausländerrechtlichen Status nicht beeinflussen könne, befand das BVerfG, dass eine an der Art des Aufenthaltstitels ausgerichtete Differenzierung zwischen ausländischen Eltern nicht durch Gründe von hinreichendem Gewicht gerechtfertigt sei. Denn der Gesetzgeber dürfe bei der Bestimmung der Art und Weise des Familienleistungsausgleichs nicht allein aus fiskalischen Erwägungen eine Gruppe von Personen, gegenüber denen der Staat aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG grundsätzlich zu einem Ausgleich verpflichtet sei, von einer bestimmten Leistung ausschließen, die anderen gewährt werde. Bei Ausländern, die legal in Deutschland lebten, sei unabhängig von der Art des Aufenthaltstitels zu berücksichtigen, dass sie - wie auch Deutsche - in gleicher Weise durch die persönlichen und finanziellen Aufwendungen bei der Kindererziehung belastet seien. Soweit es Ziel der gesetzlichen Neuregelung gewesen sei, Kindergeld nur solchen Ausländern zu gewähren, die sich auf Dauer in Deutschland aufhalten, sei die Regelung ungeeignet, dieses Ziel zu erreichen, weil einerseits diejenigen, die über eine Aufenthaltsbefugnis verfügten, sich nicht typischerweise nur kurzfristig in Deutschland aufhielten, andererseits eine Aufenthaltserlaubnis auch befristet bei kurzfristigem Aufenthalt erteilt werde. Ebenso hat der EuGHMR mit Urteil vom 25. Oktober 2005 in der Sache 59140/00 (DStR 2006, 1404, BFH/NV 2006, Beilage 3, 357) entschieden, dass der Ausschluss von im Inland lebenden Ausländern ohne Aufenthaltsberechtigung vom deutschen Kindergeld gegen das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber in seinem Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97, 1 BvL 6/97 (BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114) eine Frist bis zum 1. Januar 2006 gesetzt, die verfassungswidrige Norm durch eine Neuregelung zu ersetzen. Andernfalls sollte auf alle noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren das bis zum 31. Dezember 1993 geltende Recht anzuwenden sein, d.h., das BKGG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. I 1990, 1354).

Die nächste grundlegende Änderung erfuhr § 62 Abs. 2 EStG im Zusammenhang mit der Ablösung des AuslG 1990 mit Wirkung vom 1. Januar 2005 durch das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1950, 2007), durch welches sich die Systematik der Aufenthaltstitel vollständig geändert hat, ohne dass allerdings klar geregelt wurde, welche der alten und neuen Aufenthaltstitel sich entsprechen sollten (vgl. BTDrucks 16/1368, S. 8). Die ebenfalls für Monate ab Januar 2005 gültige Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG erlaubte die Gewährung von Kindergeld - auch bei langjährigem gestatteten oder geduldeten Aufenthalt in der BRD - nur an solche Ausländer, die im Besitz

1. einer Niederlassungserlaubnis,

2. einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit,

3. einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und 2, den §§ 31, 37, 38 AufenthG oder

4. einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu einem Deutschen oder zu einer von den Nummern 1 bis 3 erfassten Person waren.

Diese vom Gesetzgeber nach Veröffentlichung des BVerfG-Beschlusses vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97, 1 BvL 6/97 selbst als verfassungsrechtlich bedenklich eingestufte Fassung des § 62 Abs. 2 EStG beanspruchte allerdings nur Gültigkeit für die Kindergeldmonate Januar bis Dezember 2005, und dies auch nur in Fällen bestandskräftiger oder rechtskräftiger Entscheidungen. Für alle noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossenen Kindergeldmonate des Jahres 2005 wurde diese Regelung hingegen durch Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 (AuslAnsprG - BGBl I 2006, 2915, BStBl I 2007, 62) vom Gesetzgeber selbst kassiert. Nach dieser Fassung des § 62 Abs. 2 EStG, die auch Gegenstand des Vorlagebeschlusses ist, hängt die Kindergeldberechtigung von nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern, die nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b EStG sind, sondern denen lediglich eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges im Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG erteilt worden ist (Aufenthaltstitel gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG) nunmehr davon ab, dass sie sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten und darüber hinaus im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sind, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG). Die Regelung ist mit Wirkung vom 1. Januar 2006 in Kraft getreten, erfasst aber darüber hinaus alle Sachverhalte, bei denen das Kindergeld - wie auch im Streitfall - noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG).

Zur Gesetzesbegründung heißt es in der BT-Drucks. 16/1368 S. 8 im Anschluss an die Feststellung, dass die Rechtsgedanken des BVerfG-Beschlusses vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97, 1 BvL 6/97 (BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114) in gleicher Weise auch auf § 62 Abs. 2 EStG i. d. F. JStG 1996 zuträfen, die Neufassung berücksichtige nicht "... Das Problem der Geduldeten (so genannte Kettenduldungen), die erwerbstätig sind ...". Das BVerfG habe die Zielsetzung des Gesetzgebers, Familienleistungen nur für die ausländischen Staatsangehörigen vorzusehen, die sich voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten, nicht beanstandet, sondern lediglich die Eignung der gesetzlichen Regelung zur Erreichung dieses Ziels (ebenso BFH-Urteil vom 15. März 2007 III R 93/03, zur Veröffentlichung bestimmt, Homepage des BFH vom 9. Mai 2007; FG Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2007 10 K 5107/05 Kg, EFG 2007, 600). Deshalb hat der Gesetzgeber die Zielsetzung der vom BVerfG beanstandeten Regelung unverändert beibehalten (BT-Drucks. 16/1368 S. 8). Weiter heißt es dort: "Von einem voraussichtlich dauerhaften Aufenthalt in Deutschland kann bei Personen ausgegangen werden, die über eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis verfügen. Da nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes grundsätzlich jede Aufenthaltserlaubnis einer Verfestigung zugänglich ist, muss bei Personen, die über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen, ein weiteres Indiz hinzukommen, das einen voraussichtlich dauerhaften Aufenthalt in Deutschland plausibel erscheinen lässt. Dieses wird vor allem die Ausübung einer Erwerbstätigkeit bzw. der Umstand sein, dass eine Erwerbstätigkeit erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. ..." In der Gegenäußerung der Bundesregierung wird diesbezüglich weiter ausgeführt: "... Neben der Art der erteilten Aufenthaltserlaubnis ist eine Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein sinnvoller Anknüpfungspunkt für diese Prognose. Eine Erwerbstätigkeit oder die Berechtigung dazu stellen ein starkes Indiz für eine Integration in den Arbeitsmarkt und dementsprechend für die Perspektive eines dauerhaften Aufenthalts in Deutschland dar (BT-Drucks. 16/1368 S. 14). In diesen Fällen solle die Gewährung nicht dem Aufenthaltstitel, sondern dem Aufenthaltsrecht folgen, wie das etwa bei anerkannten Flüchtlingen durch die Genfer Flüchtlingskonvention vorgeschrieben sei (so die Ausführungen zu den Gesetzestatbeständen im Einzelnen, BT-Drucks. 16/1368 S. 9).

II. Die Klägerin ist Staatsbürgerin der Elfenbeinküste. Sie hatte im Jahr 1999 einen Deutschen geheiratet und lebt seitdem in der BRD. In der Folgezeit bemühte sich die Klägerin um eine Aufenthaltserlaubnis. Seit August 2002 hält sich auch der 1988 geborene Sohn (K) der Klägerin aus einer früheren Verbindung im Inland auf. Noch vor der Klärung des aufenthaltsrechtlichen Status der Klägerin reichte der Ehemann die Scheidung ein. Seit Oktober 2002 lebt K im Haushalt der Klägerin.

Vor dem Hintergrund des anhängigen Scheidungsverfahrens erließ die Ausländerbehörde am 19. November 2002 eine Ausweisungsverfügung gegen die Klägerin, die weder über eine Aufenthaltserlaubnis noch eine Aufenthaltsberechtigung verfügte. Die Ausweisungsverfügung wurde allerdings aus humanitären Gründen nicht vollzogen. Im April 2003 wurde der Klägerin eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erteilt, die später bis September 2003 verlängert wurde.

Im April 2003 bzw. Juni 2003 beantragte die Klägerin Kindergeld für K. Der Kindergeldantrag wurde mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 15. August 2003 abgelehnt. Ein Anspruch auf Kindergeld für Ausländer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland bestehe nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG nur, wenn diese im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Aufenthaltserlaubnis seien. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2004).

In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte erklärt, er wisse aus eigener Anschauung, dass das Kind auch noch nach Januar 2005 im Haushalt der Mutter in Deutschland gelebt habe, da sich die Wohnung der Klägerin in dem Haus befunden habe, in welchem er auch seine Kanzlei betrieben hatte. Später sei die Klägerin umgezogen, lebe aber seines Wissens auch ab September 2005 immer noch in der BRD. Er habe seit einiger Zeit keinen Kontakt mehr zur Klägerin und könne deshalb nicht bestätigen, dass die Klägerin zwischenzeitlich entweder einer Erwerbstätigkeit nachgehe oder Arbeitslosengeld beziehe.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Da nicht festgestellt werden könne, dass die Klägerin einer Erwerbstätigkeit nachgehe, seien auch die Voraussetzungen der rückwirkend anzuwendenden Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG für die Gewährung von Kindergeld nicht gegeben. Angesichts des klaren Gesetzeswortlauts ergebe sich etwas anderes auch nicht daraus, dass die Ausweisung der Klägerin auf unbestimmte Zeit nicht möglich sei.

III. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich, weil die wortgetreue Anwendung des § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c und Nr. 3 EStG i. d. F. des Art. 2 des AuslAnsprG vom 13. Dezember 2006 zur Ablehnung des für die Monate ab Januar 2005 beantragten Kindergelds führen würde. Zwar hält die Klägerin sich seit 1999 zumindest geduldet im Bundesgebiet auf, eine erlaubte Erwerbstätigkeit oder der Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Mutterschaftsgeld in dieser Zeit ist allerdings nicht feststellbar, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Eine verfassungskonforme Einschränkung der Ausschlussvorschrift des § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c und Nr. 3 EStG etwa dahin, dass die Gewährung von Kindergeld im Falle eines gestatteten oder geduldeten Aufenthalts aus humanitären Gründen von über drei Jahren nicht noch von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird, kommt angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift und der Gesetzesbegründung nicht in Betracht.

Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift ist daher entscheidungserheblich. Zwar hat der vorlegende Senat die Anwendung der Vorschrift auf vor dem 1. Januar 2005 verwirklichte Sachverhalte (Altfälle) in seinem Urteil vom 9. Mai 2007 10 K 983/04 (zur Veröffentlichung bestimmt; Revision zugelassen) abgelehnt, ohne sie dem BVerfG vorzulegen und das beantragte Kindergeld gewährt. Er hat sich jedoch im Hinblick auf die Verwerfungskompetenz des BVerfG für Rechtsnormen nur deshalb für berechtigt gehalten, in Altfällen selbst durchzuentscheiden, weil das BVerfG bereits eine Entscheidung zu der im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängerregelung in § 62 Abs. 2 EStG i. d. F. des JStG 1996 getroffen hatte (zur wesentlichen Übereinstimmung der für verfassungswidrig erklärten Norm mit § 62 Abs. 2 EStG i. d. F. des JStG 1996 vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2007 III R 93/03, zur Veröffentlichung bestimmt, Homepage des BFH vom 9. Mai 2007; Gesetzesbegründung zur Neuregelung BT-Drucks. 16/1368 S. 8). § 62 Abs. 2 EStG i. d. F. des JStG 1996 war trotz § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG i. d. F. des Art. 2 des AuslAnsprG vom 13. Dezember 2006 Prüfungsmaßstab für bis einschließlich Dezember 2004 verwirklichte Sachverhalte, da der Gesetzgeber mit der Anwendungsregelung in nicht hinnehmbarer Weise eine verfassungsgerichtliche Regelungsfrist umgangen hat (FG Köln, Urteil vom 9. Mai 2007 10 K 983/04, zur Veröffentlichung bestimmt unter Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 1. Juni 2004 IX R 35/04, BStBl II 2005, 26).

Hinsichtlich der Monate ab Januar 2005 hält der vorlegende Senat allerdings eine Vorlage an das BVerfG im Hinblick auf die Neufassungen des § 62 Abs. 2 EStG durch das AufenthG vom 30. Juli 2004 mit Wirkung vom 1. Januar 2005 einerseits und durch Art. 2 des AuslAnsprG vom 13. Dezember 2006 andererseits für zwingend geboten, da sich beide Regelungen an völlig neuen Aufenthaltstiteln orientieren und dem BVerfG noch nicht zu Entscheidung vorgelegen haben.

IV. Der III. Senat des BFH (BFH-Urteil vom 15. März 2007 III R 93/03, zur Veröffentlichung bestimmt, Homepage des BFH vom 9. Mai 2007) und auch das FG Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2007 10 K 5107/05 Kg (EFG 2007, 600) halten sowohl die Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG durch Art. 2 des AuslAnsprG vom 13. Dezember 2006 als auch die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG über die rückwirkende Erstreckung des Anwendungsbereichs auf Altfälle für verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Neufassung berücksichtige die Vorgaben des BVerfG und die Systematik der Aufenthaltstitel durch das AufenthG vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1950). Mit der Beurteilung des Anspruchs lediglich geduldeter Ausländer habe sich das BVerfG nicht befasst. Es lägen auch dann hinreichende Gründe für eine Differenzierung zwischen bloß geduldeten Ausländern und solchen mit den in § 62 Abs. 2 EStG genannten Aufenthaltstiteln vor, wenn sich die Ausländer über einen längeren Zeitraum in der Bundesrepublik aufhielten und erwerbstätig seien. Während nämlich die herkömmlichen Aufenthaltstitel i.S. des AuslG 1990 bzw. des AufenthG einen rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik begründeten und regelmäßig als Vorstufe eines Daueraufenthalts anzusehen seien, gelte dies bei einer bloßen Duldung nicht (BFH-Urteil vom 15. März 2007 III R 93/03, a.a.O).

V. Im Gegensatz dazu hält der vorlegende Senat sowohl die Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG durch Art. 2 des AuslAnsprG vom 13. Dezember 2006 als auch die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG für verfassungswidrig.

1. Die Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG durch Art. 2 des AuslAnsprG vom 13. Dezember 2006 ist zunächst unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein Gestaltungsspielraum zu. Für den Gesetzgeber ergeben sich aber aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97, 1 BvL 6/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 m.w.N.).

b) Der hierbei zu berücksichtigende Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG von Ehe und Familie enthält keine Beschränkung auf Deutsche. Strengere Anforderungen an die Rechtfertigung einer Differenzierung zwischen Personengruppen sind auch dann zu stellen, wenn der Einzelne das Vorliegen des Differenzierungsmerkmals nicht durch eigenes Verhalten beeinflussen kann, wie etwa auch den ausländerrechtlichen Status einer Person (BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97, 1 BvL 6/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 m.w.N.).

c) Durch die Neuregelung werden nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer, die lediglich im Besitz eines Aufenthaltstitels gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG sind, sowie langjährig geduldete Ausländer, die von der Neuregelung nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung gar nicht erfasst werden (BT-Drucks. 16/1368 S. 8), schlechter gestellt als Deutsche und Ausländer mit einem gemäß § 62 Abs. 2 EStG hinreichendem Aufenthaltstitel. Eine Verhinderung der Schlechterstellung der benachteiligten Gruppe ist in dem vorgelegten Gesetz auch dann nicht oder nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG vorgesehen, wenn sich die benachteiligten Ausländer tatsächlich bereits seit mehreren Jahren legal (gestattet oder geduldet) im Bundesgebiet aufhalten. In Fällen durchgehenden Bezugs von Sozialleistungen ändert sich das verfügbare Familieneinkommen durch die Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG im Ergebnis zwar nicht, weil Kindergeld, das zum anrechenbaren Einkommen im Sinne von § 82 SGB XII gehört, beim Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt ohnehin nicht an die Eltern, sondern im Wege des Erstattungsanspruchs an den subsidiär leistenden Sozialhilfeträger ausgezahlt wird (§ 104 SGB X). Da die Nichtzahlung des Kindergelds aber dazu führen kann, dass die betroffenen Familien auch insoweit auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen angewiesen sind, verringert die Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG ihre Chancen, einen verbesserten Aufenthaltsstatus zu erhalten (vgl. BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97, 1 BvL 6/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 m.w.N.).

d) Die Vereinbarkeit der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG hängt daher davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97, 1 BvL 6/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114). Dies ist jedoch auch hinsichtlich der Neuregelung nicht der Fall.

aa) Die Gesetzesbegründung sowie der III. Senat BFH (BFH-Urteil vom 15. März 2007 III R 93/03, zur Veröffentlichung bestimmt, Homepage des BFH vom 9. Mai 2007) und ebenso das FG Düsseldorf, Urteil vom 23. Januar 2007 10 K 5107/05 Kg (EFG 2007, 600) stellen darauf ab, dass das BVerfG im Beschluss vom 6. Juli 2004 das gesetzgeberische Ziel, Kindergeld nur noch solchen Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten sei, dass sie auf Dauer in Deutschland blieben, nicht beanstandet habe. Dieser Grundsatz wurde dementsprechend ausdrücklich auch als Zielsetzung der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG formuliert. Das BVerfG a.a.O. hat allerdings an keiner Stelle seines Beschlusses ausgeführt, dass diese Zielsetzung derart außer Frage steht, dass sie auch durch die Anknüpfung an Kriterien wie die des § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG verfolgt werden darf; vor allem hat es nicht bestätigt, dass Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

bb) Nach Ansicht des vorlegenden Senats hat das BVerfG gerade auch die Verhältnismäßigkeit von Ungleichbehandlung und rechtfertigendem Grund in Frage gestellt. So habe der Gesetzgeber zwar im Rahmen seines Gestaltungsspielraums neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Er dürfe jedoch bei der Bestimmung der Art und Weise des Familienleistungsausgleichs nicht allein aus fiskalischen Erwägungen eine Gruppe von Personen, gegenüber denen der Staat aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG grundsätzlich zu einem Ausgleich verpflichtet sei, von einer bestimmten Leistung ausschließen, die anderen gewährt werde. Der Ausschluss müsse vielmehr durch Gründe von besonderem Gewicht sachlich gerechtfertigt sein (BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97, 1 BvL 6/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114).

So sei das Kindergeld seit seiner Einführung zum teilweisen Ausgleich der wirtschaftlichen Belastung bestimmt gewesen, die Eltern durch die Sorge für ihre Kinder entsteht. Neben der steuerlichen Entlastungsfunktion habe es immer den Charakter einer allgemeinen Sozialleistung behalten, und zwar auch nach der Systemänderung durch das JStG 1996. Es behalte seine Funktion als Sozialleistung insbesondere dann, wenn - wie im Vorlagefall - keine oder nur eine geringe Einkommensteuer zu zahlen sei. Das Kindergeld als Sozialleistung sei für Eltern umso wichtiger, je niedriger ihr Einkommen und je höher ihre Kinderzahl sei. Zweck der Kindergeldzahlungen für die Gruppe der nicht steuerlich Begünstigten bleibe der Ausgleich der (im Vergleich zu Kinderlosen) verminderten finanziellen Leistungsfähigkeit der Familie. Deutsche, Ausländer mit einem gemäß § 62 Abs. 2 EStG hinreichendem Aufenthaltstitel und Ausländer ohne diese Aufenthaltstitel, die aber in Deutschland legal lebten, seien in gleicher Weise durch die persönlichen und finanziellen Aufwendungen bei der Kindererziehung belastet. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Möglichkeit zur ergänzenden Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt, weil dies einerseits die entstehende Ungleichbehandlung nicht auszugleiche und andererseits die Chance verschlechtern könne, einen verbesserten Aufenthaltsstatus zu erhalten. Deshalb bedürfe es im Lichte des sich für den Gesetzgeber aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden sozialstaatlichen Schutzauftrages besonders gewichtiger Gründe zur Rechtfertigung der entstehenden Ungleichbehandlung (BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97, 1 BvL 6/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114). Im Anschluss daran folgen die Ausführungen zur Ungeeignetheit der ausschließlichen Anknüpfung an den Aufenthaltstitel, um das gesetzgeberische Ziel zu erreichen, Kindergeld nur noch solchen Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten sei, dass sie auf Dauer in Deutschland blieben.

cc) Mit seiner Neuregelung knüpft der Gesetzgeber ungeachtet dieser Ausführungen nach wie vor in erster Linie wieder an den Aufenthaltstitel an, wenn sich auch durch das AufenthG die Struktur der Aufenthaltstitel grundlegend geändert hat. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass die Gründe, die etwa für eine bloße Duldung oder für die Erteilung der in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG genannten Aufenthaltstitel maßgeblich sind, nicht typischerweise von nur vorübergehender Natur sind. Nach wie vor ist es so, dass die Gründe, der Wegfall und der Zeitpunkt des Wegfalls des Aufenthaltszwecks ungewiss sind. Auch nach der Neuregelung können eine bloße Duldung oder die in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG genannten Aufenthaltstitel ohne weiteres eine Vorstufe zum Daueraufenthalt darstellen, was gerade auch die tatsächliche Fallgestaltung des Vorlagefalls aufzeigt. Die in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG genannten Aufenthaltstitel eignen sich deshalb nicht als Grundlage einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts in Deutschland und damit auch nicht als Abgrenzungskriterium bei der Gewährung von Kindergeld. Der Gesetzgeber stellt sich somit im Ergebnis nach wie vor nicht dem Phänomen, dass es eine große Anzahl von Ausländern gibt, die bereits seit vielen Jahren gestattet oder geduldet im Bundesgebiet leben. Deshalb wird die Ungleichbehandlung dieser Gruppe auch nicht durch die Privilegierung (Unterausnahme) der in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG genannten Aufenthaltstitel unter den tatsächlichen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG gerechtfertigt, zumal einige der nach den §§ 22 bis 26 des AufenthG vorgesehenen Aufenthaltstitel, bei denen ein Daueraufenthalt nicht zwingend zu erwarten ist (etwa § 22 AufenthG, § 23 Abs. 1 in anderen als Kriegsfällen), sich ohne weiteres ebenfalls zu einem Daueraufenthaltsfall verfestigen können. Die Vorlagefälle zeigen, dass auch ein bloß geduldeter Aufenthalt ohne entsprechenden Aufenthaltstitel, ohne Erwerbstätigkeit und trotz des Bezugs von Hilfe zum Lebensunterhalt gerade beim Vorhandensein von Kindern aus tatsächlichen Gründen so sehr verfestigt sein kann, dass ohne weiteres von einem Daueraufenthalt gesprochen werden kann. Jedenfalls wenn sich der gestattete oder geduldete Aufenthalt im Inland auf einen Zeitraum von drei oder mehr Jahren erstreckt, muss gerade beim Vorhandensein von Kindern davon ausgegangen werden, dass der betreffende Ausländer faktisch auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden kann. Ein Ausschluss vom Kindergeld für Ausländer, die sich - zumindest faktisch - mehr als drei Jahre legal im Inland aufhalten, ist eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, weil aufgrund der miteinzubeziehenden Wertungen der Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG - unabhängig von der Art des Aufenthaltstitels - zu berücksichtigen ist, dass diese Ausländer in gleicher Weise wie Deutsche und wie Ausländer mit hinreichendem Aufenthaltstitel durch die persönlichen und finanziellen Aufwendungen bei der Kindererziehung belastet sind.

Wenn an dem ursprünglichen gesetzgeberischen Ziel fest gehalten werden soll, Kindergeld nur noch solchen Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten ist, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben, kann die Kindergeldberechtigung bei tatsächlich verfestigten Daueraufenthalten von drei und mehr Jahren weder davon abhängen, ob angesichts des Aufenthaltstitels ursprünglich ein Daueraufenthalt zu erwarten oder nicht zu erwarten war noch von zusätzlichen Kriterien wie etwa einer Erwerbstätigkeit abhängig gemacht werden. Im Übrigen ist das zusätzliche Kriterium einer Erwerbstätigkeit, das allenfalls begrenzt geeignet ist, die Erwartung eines Daueraufenthalts zu stützen, jedenfalls ungeeignet, einen Daueraufenthalt auszuschließen. So sind Daueraufenthalte nicht nur in der häufigen Konstellation der Vorlagefälle denkbar, in denen der Lebensunterhalt durch Sozialleistungen sichergestellt wird, sondern auch in Fällen, in denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes einfach nicht erforderlich ist, weil der Unterhalt der Familie durch die Verwaltung eigenen Vermögens sichergestellt wird.

dd) Schließlich ist auch überhaupt nicht feststellbar, dass die Neuregelung Zuwanderungsanreize für - vermeintlich besonders kinderreiche - Ausländer vermindert. Denn es ist weder belegt noch nachvollziehbar, dass das Kindergeld Einfluss auf das Zuwanderungsverhalten der hier betroffenen Gruppe hat (BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97, 1 BvL 6/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114).

2. Über die Unvereinbarkeit der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG durch Art. 2 des AuslAnsprG vom 13. Dezember 2006 mit Art. 3 Abs. 1 GG hält der vorlegende Senat die ergänzende Anknüpfung an "eine berechtigte Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet", die die nach wie vor ungeeignete Anknüpfung an den Aufenthaltstitel ergänzen soll, für zu unbestimmt, um den Anforderungen des Art. 20 GG zu genügen.

a) Das EStG selbst enthält keine Definition des Tatbestandsmerkmals der Erwerbstätigkeit, das außerdem noch in § 4f EStG im Rahmen der Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten (bzw. § 33c EStG bis zu dessen Aufhebung durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006, BGBl I, 1091) verwendet wird. Nach der Rechtsprechung des BFH ist unter einer Erwerbstätigkeit eine auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Tätigkeit zu verstehen (BFH-Urteil vom 16. Mai 1975 VI R 143/73, BStBl II 1975, 537; ebenso die sozialrechtliche Rechtsprechung im Rahmen der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Erwerbstätigkeit, vgl. BSG-Urteil vom 30. März 2006 B 10 KR 2/04 R, SozR 4-5420 § 2 Nr 1, AUR 2006, 395). Bei Verwendung dieser Definition ist das Tatbestandsmerkmal der Erwerbstätigkeit allerdings vollständig ungeeignet, die Dauerhaftigkeit eines Aufenthalts im Inland zu bestätigen oder in Frage zu stellen.

Allerdings sieht das Bundessozialgericht - etwa soweit es um die Versicherungspflicht von Personen geht - rein vermögensverwaltende Tätigkeiten wie beispielsweise das Vermieten von Wohnungen grundsätzlich nicht als selbstständige Erwerbstätigkeit an. Für die Abgrenzung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit von anderen auf die Erzielung von Einnahmen gerichteten Handlungen (abgesehen von einer abhängigen Beschäftigung) sei auf § 15 SGB IV abzustellen, der an die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des EStG anknüpft. Damit macht die sozialrechtliche Rechtsprechung im Ergebnis wiederum das Einkommensteuerrecht zum maßgeblichen Bezugsrahmen für die Feststellung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit als solches (BSG-Urteil vom 30. März 2006 B 10 KR 2/04 R, SozR 4-5420 § 2 Nr 1, AUR 2006, 395).

b) § 2 Abs. 2 AufenthG greift für das Tatbestandsmerkmal der Erwerbstätigkeit auf die sozialrechtlichen Begriffsbestimmungen zurück. Danach ist unter dem Begriff der Erwerbstätigkeit die selbständige Tätigkeit des Ausländers bzw. seine Beschäftigung i.S. § 7 SGB IV zu verstehen. Als "Beschäftigung" in diesem Sinne ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis anzusehen. Das Sozialrecht unterscheidet dabei - wenn auch ohne einheitliche Terminologie - ferner zwischen ganztägiger und nicht ganztägiger Erwerbstätigkeit (etwa § 142 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) bzw. zwischen voller und nicht voller Erwerbstätigkeit (§ 1 Abs. 1 BErzGG), die vorliegt, wenn die wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden nicht übersteigt (§ 2 BErzGG). In den Begriffsbestimmungen des AufenthG heißt es in § 2 Abs. 3 weiter, dass der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert ist, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann, wobei allerdings Kindergeld Erziehungsgeld, Elterngeld oder solche öffentliche Mittel außer Betracht bleiben, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.

c) Die beklagte Familienkasse sieht das Tatbestandsmerkmal der Erwerbstätigkeit nur im Falle einer vollschichtigen Tätigkeit als gegeben an. Anders als das Sozialrecht sieht das EStG jedoch weder eine Unterscheidung zwischen ganztägiger und nicht ganztägiger Erwerbstätigkeit noch zwischen voller und nicht voller Erwerbstätigkeit vor. Bereits ein kleiner Ausschnitt aus dem Fallspektrum der beim vorlegenden Senat zur Entscheidung anstehenden Fälle verdeutlicht die mangelnde Bestimmtheit des Tatbestandsmerkmals der Erwerbstätigkeit ohne weitere Begriffsbestimmung. So erlaubt die Anknüpfung an den Begriff der Erwerbstätigkeit keine Entscheidung einer Fallkonstellation, in der etwa der Ausländer seit dem Zeitpunkt seiner Einreise in die BRD - etwa wegen Krankheit oder Behinderung - zu keinem Zeitpunkt erwerbsfähig war; der generelle Ausschluss dieser Gruppe vom Kindergeldbezug würde jedenfalls eine unzulässige Diskriminierung darstellen. Weiterhin fraglich ist die Beurteilung von Fällen, in denen der Lebensunterhalt der Familie ausschließlich durch vermögensverwaltende Tätigkeiten wie etwa die Erzielung von Kapital- oder Vermietungseinkünften sichergestellt wird. Des Weiteren bleibt unklar, ob es sich bei der Erwerbstätigkeit um eine Vollzeittätigkeit handeln muss oder ob eine Teilzeittätigkeit ausreicht. Ebenso ist unklar, ob eine Teilzeittätigkeit jedenfalls dann ausreichend ist, wenn sie geeignet ist, den Lebensunterhalt (etwa orientiert an den Sozialhilfesätzen) sicherzustellen, oder ob andersherum eine Vollzeittätigkeit dann nicht ausreichend ist, wenn - was bei minderqualifizierten Tätigkeiten häufig der Fall ist - der Lebensunterhalt mit dieser Tätigkeit nicht sichergestellt werden kann. Sollte eine Teilzeittätigkeit, die in der Lebenswirklichkeit in den allermeisten Fällen von Frauen ausgeübt wird, generell nicht ausreichend sein, würde dies wiederum die Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz in Frage stellen. Sollte eine Teilzeittätigkeit dagegen entweder grundsätzlich oder zumindest dann ausreichend sein, wenn das Entgelt zur Sicherstellung des Lebensunterhalts geeignet ist, drängt sich ferner die Frage auf, ob auch eine geringfügige Beschäftigung etwa im Rahmen von Minijobs ausreicht. Gerade hierbei sind häufig Fallkonstellationen zu beurteilen, in denen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts der Familie mehrere Minijobs nebeneinander ausgeübt werden. Darüber hinaus erlaubt die Anknüpfung an den unbestimmten Begriff der Erwerbstätigkeit keine Beurteilung von Fällen, in denen die ausländischen Eltern selbst eine eine Ausbildung machen, um möglicherweise später ein Arbeitsverhältnis eingehen zu können. Entschieden ist lediglich, dass ein bloßes Studium die Voraussetzungen einer Erwerbstätigkeit auch dann nicht erfüllt, wenn es einer auf Erwerb gerichteten Tätigkeit unmittelbar vorbereitend dient und den Tätigen überwiegend in Anspruch nimmt, weil das Studium selbst nicht auf die Erzielung von Einkünften gerichtet ist (BFH-Urteil vom 16. Mai 1975 VI R 143/73, BStBl II 1975, 537). Dies gilt allerdings nicht, wenn eine vollschichtige Ausbildung gegen Ausbildungsvergütung und damit gegen Entgelt ausgeübt wird.

d) Ungereimtheiten bei der Anknüpfung an den Begriff der Erwerbstätigkeit ergeben sich auch dann, wenn von ausländischen Eltern nur ein Elternteil in einem Arbeitsverhältnis steht und es zur Trennung der elterlichen Lebensgemeinschaft kommt. Der Kindergeldbezug ist in diesem Fall nur unproblematisch, solange das Kind im Haushalt des in einem Arbeitsverhältnis stehenden Elternteils lebt. Lebt das Kindergeld hingegen im Haushalt des anderen Elternteils - im Regelfall der Kindesmutter - ist das Kindergeld nach der Neuregelung ausgeschlossen. Damit würde die Kindergeldgewährung im Falle des Getrenntlebens bei sonst gleicher Sachverhaltskonstellation davon abhängen, ob das Kind im Haushalt des Vaters oder der Mutter lebt, was vor dem Hintergrund des tradierten Rollenverhältnisses gerade bei ausländischen Frauen eine Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts bedeuten würde.

e) Weitere Fragen ergeben sich für Fälle der Krankheit des Ausländers. Steht der Ausländer in einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis, ist unstreitig, dass auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall weiterhin zum Bezug von Kindergeld berechtigt. Ebenso ist unstreitig, dass bei einem erkrankten Bezieher von Arbeitslosengeld die Kindergeldberechtigung fortbesteht, weil dieser analog den Regelungen zur Lohnfortzahlung ebenfalls sechs weitere Wochen Arbeitslosengeld erhält. Ungeklärt ist jedoch, ob die Neufassung des Gesetzes den Kindergeldbezug ausschließen will, wenn nach Ablauf der 6-Wochen-Frist nur noch Krankengeld gezahlt wird.

3. Darüber hinaus verletzt die Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG durch Art. 2 des AuslAnsprG vom 13. Dezember 2006 auch Art. 25 GG. Danach sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets. Daraus ergibt sich eine Pflicht des Gesetzgebers, sich völkerrechtskonform zu verhalten. Dies hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung nicht getan. Denn er knüpft wie bereits in der Vorgängerregelung in erster Linie an den Aufenthaltstitel an, ohne sich dem Phänomen zustellen, dass es eine große Anzahl von Ausländern gibt, die bereits seit vielen Jahren gestattet oder geduldet im Bundesgebiet leben, obwohl der EuGHMR mit Urteil vom 25. Oktober 2005 in der Sache 59140/00 (DStR 2006, 1404, BFH/NV 2006, Beilage 3, 357) entschieden hat, dass der Ausschluss von im Inland lebenden Ausländern ohne Aufenthaltsberechtigung vom deutschen Kindergeld gegen das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt. Zur Begründung hat der EuGHMR ausdrücklich ausgeführt, dass keine hinreichenden Gründe zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Ausländern beim Kindergeldbezug in Abhängigkeit davon ersichtlich seien, ob sie über eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung verfügten oder nicht.

4. Auch die - im Vorlagefall allerdings nicht einschlägige - Erstreckung des Anwendungsbereichs auf alle vor dem 1. Januar 2005 verwirklichten Sachverhalte (Altfälle), bei denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG), ist nach Ansicht des vorlegenden Senats nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. GG) vereinbar und deshalb verfassungswidrig. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 9. Mai 2007 in der Sache 10 K 983/04.

Ende der Entscheidung

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