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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 25.09.2008
Aktenzeichen: 10 K 2443/07
Rechtsgebiete: EStG, SGB III
Vorschriften:
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c | |
EStG § 62 Abs. 1 | |
EStG § 63 Abs. 1 S. 2 | |
EStG § 70 Abs. 2 | |
SGB III § 38 Abs. 2 | |
SGB III § 38 Abs. 3 |
Finanzgericht Köln
Tenor:
Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 14. Mai 2007 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2007 werden für die Monate Oktober bis November 2005 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten nach Rücknahme der Klage für die Monate ab Juni 2007 jetzt noch darüber, ob der Klägerin das Kindergeld für ihre Tochter K für die Monate Oktober 2005 bis Mai 2007 zusteht.
Die im Juli 1983 geborene Tochter K der Klägerin war nach Abbruch ihrer Ausbildung zur Fachkraft für Brief- und Frachtverkehr seit dem 4. März 2003 zunächst bei der Arbeitsvermittlung als arbeitsuchend gemeldet und bezog Arbeitslosengeld. Ihre andere, im Jahr 1985 geborene Tochter C hatte die Klägerin seit dem 30. November 2004 als ausbildungssuchend gemeldet. Nach vorausgegangener, zwischenzeitlich bestandskräftiger Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate ab November 2003 (Kindergeld-Akte, Bl. 243) beantragte die Klägerin im Juni 2005 erneut Kindergeld für K, die auch im Jahr 2005 ALG II bezog und lt. Bescheinigung der Agentur für Arbeit der Stadt D vom 23. Juni 2005 seit diesem Tag ebenfalls ausbildungssuchend gemeldet ist.
Auf die Bitte der Familienkasse, auch etwaige Nachweise über eigene Bemühungen um einen Ausbildungsplatz vorzulegen, antwortete die Klägerin mit dem Hinweis auf die Meldung bei der Berufsberatung (Kindergeld-Akte, Bl. 276, 278). Eine erneute Aufforderung der Familienkasse im August 2005, Nachweise über eigene Bemühungen um einen Ausbildungsplatz zu übersenden, beantwortete die Klägerin mit der Übersendung einer Bewerbung um eine Ausbildungsstelle als Glaserin vom 3. August 2005. Daraufhin bewilligte die Familienkasse das Kindergeld für K mit Bescheid vom 24. Oktober 2005 für die Monate ab Juni 2005.
Zum 22. September 2005 wurde K aus der Berufsberatung abgemeldet. Anschließend war sie lediglich bei der Arbeitsvermittlung als arbeitsuchend gemeldet. Im August 2006 wurde von der Arbeitsvermittlung ein Bewerberprofil erstellt. In der Folgezeit erschien K zu Terminen der Arbeitsvermittlung wiederholt nicht unter Hinweis auf Arbeitsunfähigkeit wegen unterschiedlichster Erkrankungen (Kindergeld-Akte, Bl. 301). Ein letzter persönlicher Kontakt zur Arbeitsvermittlung (Bearbeiter: B) von K erfolgte in Begleitung ihrer Mutter im Januar 2007, bei welchem sich ergab, dass auch die Zahlungen von ALG II Ende 2006 eingestellt worden waren, weil angeforderte Kontoauszüge nicht vorgelegt wurden; im März 2007 wurde K auch aus der Liste der Arbeitsvermittlung abgemeldet (Kindergeld-Akte, Bl. 286, 287).
Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 14. Mai 2007 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für K für die Monate ab Oktober 2005 auf der Grundlage von § 70 Abs. 2 EStG auf. Außerdem forderte sie das nach ihrer Ansicht für den Zeitraum von Oktober 2005 bis einschließlich Mai 2007 überzahlte Kindergeld von 3.080 € zurück (20 Monate; Kindergeld-Akte, Bl. 289).
Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, K habe sich ausbildungssuchend gemeldet und auch telefonisch sowie schriftlich beworben. Sie sei seit ca. 2 Jahren gesundheitlich angeschlagen und habe öfters Arzttermine wahrnehmen müssen.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2007). Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass K seit September 2005 nicht mehr bei der Berufsberatung als ausbildungssuchend geführt sei. Auch anderweitige Nachweise über eine ernsthafte Ausbildungssuche seien nicht vorgelegt worden.
Die Klägerin macht geltend, K lebe nach wie vor in ihrem Haushalt. K habe keine Berufsausbildung beginnen können, weil sie in den letzten Jahren gesundheitlich nicht in der Lage gewesen sei, längerfristig einer Beschäftigung nachzugehen. Sie sei allerdings auch in den Monaten nach Oktober 2005 ausbildungssuchend gemeldet gewesen und wiederholt bei Herrn B erschienen, von dem sie im Juni 2006, August 2006, Dezember 2006 und Januar 2007 Einladungen erhalten habe. Sie habe diese Termine allerdings wegen periodisch wiederkehrender Erkrankungen im Bereich der Verdauungsorgane, des Herzens sowie der Halswirbelsäule nicht wahrnehmen und auch keine Ausbildung aufnehmen können. Insoweit wird Bezug genommen auf GA Bl. 30 ff., aus denen sich ein Überblick über die diversen Erkrankungen, die zahlreichen Beschwerden und die geringe Belastbarkeit von K, aber kein echter Befund ergibt.
Die Klägerin beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 14. Mai 2007 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Für die Monate ab Oktober 2005 seien weder Bemühungen um einen Ausbildungsplatz nachgewiesen worden noch sei K bei der Berufsberatung als ausbildungssuchend geführt gewesen. Die entgegenstehende Angabe der Klägerin treffe nicht zu. K sei im Jahr 2006 lediglich bei der Arbeitsvermittlung als arbeitsuchend geführt worden. Der Unterschied sei der Klägerin im Hinblick auf die Meldungen ihrer anderen Tochter als ausbildungssuchend durchaus bekannt gewesen.
Mit Schreiben des Gerichts vom 28. Juli 2008 wurde die Klägerin auf Bedenken gegen die Erfolgsaussichten der Klage hingewiesen, weil K in den Monaten nach September 2005 nicht mehr ausbildungssuchend gemeldet gewesen sei und auch kein fortbestehendes Interesse an einem Ausbildungsplatz bekundet habe. Die Klageschrift gehe insoweit von falschen Voraussetzungen aus. Es seien lediglich Kontakte zur Arbeitsverwaltung im Hinblick auf die Fortzahlung von ALG II dokumentiert.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nur für die Monate bis einschließlich November 2005 begründet; für die übrigen Monate bis einschließlich Mai 2005 ist sie unbegründet, weil es an einem Berücksichtigungstatbestand fehlt. Die Meldung bei der Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit weist zwar das ernsthafte Bemühen des Kindes um einen Ausbildungsplatz auch ohne den Vortrag eigener Bewerbungsbemühungen nach, die Meldung wirkt jedoch nur drei Monate fort. Nach Ablauf dieser Frist muss sich das Kind erneut ausbildungssuchend melden, da sonst der Kindergeldanspruch entfällt.
1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 27. Lebensjahr (bzw. das 25. Lebensjahr ab 2007) noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen kann.
2. Zweck der Vorschrift ist die Gleichstellung von Kindern, die noch erfolglos einen Ausbildungsplatz suchen, mit solchen Kindern, die bereits einen Ausbildungsplatz gefunden haben, da in typisierender Betrachtung davon ausgegangen werden kann, dass dem Kindergeldberechtigten auch in diesen Fällen regelmäßig Unterhaltsaufwendungen für das Kind erwachsen (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BFH/NV 2008, 1740).
a) Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat. Dabei ist zwar grundsätzlich jeder Ausbildungswunsch des Kindes zu berücksichtigen, seine Verwirklichung darf jedoch nicht an den persönlichen Verhältnissen scheitern. Ein ernsthaftes Bemühen ist deshalb nicht gegeben, wenn das Kind sich um einen Ausbildungsplatz bewirbt, für den es die objektiven Anforderungen nicht erfüllen kann (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BFH/NV 2008, 1740; ferner BFH-Beschluss vom 24. Januar 2008 III B 33/07, BFH/NV 2008, 786).
b) Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets beim Arbeitsamt bzw. bei der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben. Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor. Außerdem liegt es auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (BFH-Beschluss vom 21. Juli 2005 III S 19/04 (PKH), BFH/NV 2005, 2207; Hollatz, EFG 2008, 141).
c) Nachgewiesen werden kann das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz z.B. durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist. In diesem Sinne sind auch die Merkblätter Kindergeld zu verstehen. Darin ist ausgeführt, dass der Ausbildungsplatzmangel auch hinreichend belegt ist, wenn das Kind bei der Berufsberatung des Arbeitsamtes als Bewerber für einen Ausbildungsplatz oder für eine Bildungsmaßnahme geführt wird. Bei der Meldung als Ausbildungssuchender ist zu beachten, dass eine Berücksichtigung mit dem Status "Bewerber" und nicht nur "ratsuchend" nachgewiesen werden muss, wobei die Behörde allerdings verpflichtet ist, die schriftlichen oder persönlichen Nachfragen zu dokumentieren (FG Köln, Urteile vom 11. November 2004 10 K 5425/03, EFG 2005, 455 und vom 22. September 2005 10 K 5182/04, EFG 2006, 68).
Die Registrierung beim Arbeitsamt gilt jedoch nicht zeitlich unbeschränkt als Nachweis, sondern ist in ihrer Wirkung auf drei Monate beschränkt. Gemäß § 38 Abs. 3 SGB III ist die Ausbildungsvermittlung zwar grundsätzlich durchzuführen, "bis der Ausbildungssuchende in Ausbildung, schulische Bildung oder Arbeit einmündet oder sich die Vermittlung anderweitig erledigt hat oder solange der Ausbildungssuchende dies verlangt". Nach § 38 Abs. 2 SGB III kann die Ausbildungsvermittlung jedoch die Vermittlung einstellen, solange der Ausbildungssuchende nicht ausreichend mitwirkt. Das ausbildungssuchende Kind muss daher zumindest alle drei Monate gegenüber der Ausbildungsvermittlung sein Interesse an einer weiteren Vermittlung von Ausbildungsstellen kundtun. Zwar sieht § 38 Abs. 3 SGB III - anders als § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III für Arbeitsuchende - eine Einstellung durch Zeitablauf nicht ausdrücklich vor. Dennoch ist wegen des offensichtlichen Zeitbezugs der Regelung nach Ablauf der Dreimonatsfrist ohne weitere Kontaktaufnahme bei der Ausbildungsvermittlung zu vermuten, dass das Kind an der Vermittlung eines Ausbildungsplatzes nicht mehr interessiert ist und die Dienstleistungen der Agentur für Arbeit nicht mehr in Anspruch nehmen will. § 38 Abs. 2 SGB III setzt wegen der bestehenden Eigenverantwortung des Ausbildungssuchenden bei der Vermittlung von Ausbildungsstellen auch nicht voraus, dass der Betroffene über die Rechtsfolgen fehlender Mitwirkung belehrt wird (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BFH/NV 2008, 1740).
d) Über die Meldung bei der Ausbildungsvermittlung hinaus kann das Bemühen um einen Ausbildungsplatz auch durch Suchanzeigen in der Zeitung, durch direkte schriftliche Bewerbungen an Ausbildungsstätten und ggf. darauf erhaltene Zwischennachrichten oder Absagen glaubhaft gemacht werden (FG Köln, Urteile vom 11. November 2004 10 K 5425/03, EFG 2005, 455 und vom 22. September 2005 10 K 5182/04, EFG 2006, 68).
2. Im Streitfall wurden weder ernsthafte eigene Bemühungen der Tochter um einen Ausbildungsplatz vorgetragen noch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit darüber vorgelegt, dass K im Streitzeitraum als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert war. Die Klägerin ist bereits zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden, dass K nach September 2005 nicht mehr ausbildungssuchend gemeldet gewesen ist und auch kein fortbestehendes Interesse an einem Ausbildungsplatz bekundet hat. Es sind im Hinblick auf die Fortzahlung von ALG II lediglich Kontakte zur Arbeitsverwaltung dokumentiert, zu der auch der namentlich benannte Bearbeiter B gehörte. Die Klägerin muss sich zurechnen lassen, dass ihre Tochter nicht spätestens im November 2005 erneut bei der Agentur für Arbeit vorstellig geworden ist, um ihr ernsthaftes Bemühen um einen Ausbildungsplatz zu dokumentieren bzw. sich nicht um weitere Ausbildungsplätze bemüht hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
Ende der Entscheidung
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