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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: 10 K 3447/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
EStG § 12 Nr. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

10 K 3447/06

Tenor:

Die Einkommensteuer 2004 wird unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 16. Mai 2006 und Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2006 mit der Maßgabe herabgesetzt, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere 468,35 EUR als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit Aufwendungen, die anlässlich der Bewirtung von Arbeitnehmern desselben Arbeitgebers durch den Kläger entstanden sind, als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit zu berücksichtigen sind.

Der Kläger ist als angestellter Abteilungsleiter tätig. Hierfür erhält er ein festes Bruttogehalt. Daneben erhält er eine variable Vergütung (incentive), deren Einzelheiten jeweils für ein Geschäftsjahr von der Arbeitgeberin festgelegt werden. Die variable Vergütung gelangt nur bei entsprechender Erfolgswirksamkeit der vom Kläger geleiteten Abteilung zur Auszahlung. Sie verändert sich mit dem Grad der Erfolgswirksamkeit der Abteilung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag des Klägers Bezug genommen.

Für das Jahr 2002 war ein Betrag von ca. 20.000,-- EUR im Fall 100 %iger Zielerreichung ausgelobt. Die variablen Bezüge in den Jahren 2003 bis 2005 stellten sich wie folgt dar:

 JahrBrutto-Arbeitslohn lt. LSt-Bescheinigungdavon feste Bezüge lt. Vertragmithin variable BezügeAnteil variabler Bezüge
2003105.519,00 EUR79.761,48 EUR25.757,52 EUR24,41 %
2004108.456,00 EUR79.761,48 EUR28.694,52 EUR26,46 %
2005106.310,00 EUR79.761,48 EUR26.548,52 EUR24,97 %

Der Kläger richtete am 9. Dezember 2004 in der Gaststätte C in der Stadt L eine Weihnachtsfeier für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seiner Abteilung aus. An der Veranstaltung nahmen neben dem Kläger selbst ausschließlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der vom Kläger geleiteten Abteilung teil, die bei demselben Arbeitgeber wie der Kläger angestellt sind. Hierbei handelte es sich insgesamt um 21 Personen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 1 zum Schriftsatz der Kläger vom 24. August 2006 Bezug genommen.

Der Kläger wendete für die Bewirtung einen Betrag von 468,35 EUR auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bewirtungsrechnung (Anlage 2 zum vorgenannten Schriftsatz) Bezug genommen. Die Bewirtungsrechnung enthält den Hinweis "Rechnung für Weihnachtsfeier 2004", den Namen und die Anschrift des Klägers, die Anzahl und Benennung der verzehrten Speisen und Getränke, die Steuernummer des Gastwirten und die Unterschrift des Klägers.

Der Beklagte berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid für 2004 die Aufwendungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit.

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2006 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus:

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 9 Abs. 5 EStG dürften Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus beruflichem Anlass die Einnahmen nicht mindern, soweit sie 70 v.H. der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und berufliche Veranlassung nachgewiesen seien. Bewirte ein Arbeitnehmer andere Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers und sind die Aufwendungen im Grunde nach Werbungskosten, so seien die Kosten auch der Höhe nach voll abziehbar. Die Einschränkung des § 9 Abs. 5 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG greife dann nicht. Dies sei jedoch im vorliegenden Fall unerheblich, da bereits die formellen Voraussetzungen für den Abzug von Bewirtungsaufwendungen als Werbungskosten nicht erfüllt seien. Der Nachweis der Höhe und der beruflichen Veranlassung der Aufwendungen durch schriftliche Angaben zu Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie Höhe der Aufwendungen sei gesetzliches Tatbestandsmerkmal für den Abzug der Bewirtungsaufwendungen als Werbungskosten. Die zum Nachweis von Bewirtungsaufwendungen erforderlichen schriftlichen Angaben müssten zeitnah gemacht werden. Die erst mit Schreiben des Klägers vom 19. Juni 2006 eingereichte Teilnehmerliste des Weihnachtsessens sei somit unbeachtlich.

Mit der Klage tragen die Kläger vor:

Der Beklagte verkenne, dass es des detaillierten Nachweises im Fall der Bewirtung von Arbeitnehmern des selben Betriebs durch einen anderen Arbeitnehmer nicht bedürfe. Der Abzug der Werbungskosten unterliege gerade nicht den Beschränkungen des § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG. Zwar sei die Vorschrift wegen § 9 Abs. 5 EStG auf Werbungskosten sinngemäß anzuwenden. § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG erfasse jedoch nur Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass und Nichtbewirtungen aus jeglichem Anlass. Eine Bewirtung aus geschäftlichem Anlass liege nur vor, wenn Geschäftsfreunde des Arbeitgebers bewirtet werden. Bei einer Bewirtung von Arbeitnehmern des selben Arbeitgebers liege keine Bewirtung aus geschäftlichem Anlass vor.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuer 2004 unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 16. Mai 2006 und Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2006 mit der Maßgabe neu festzusetzen, dass weitere Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 468,35 EUR berücksichtigt werden,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger deshalb in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Der Beklagte hat zu Unrecht die geltend gemachten Bewirtungsaufwendungen nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen.

Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - liegen vor, wenn die Aufwendungen durch den Beruf veranlasst worden sind. Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs getätigt werden. Ein Werbungskostenabzug kommt jedoch nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn die Aufwendungen zwar dem Beruf fördern, daneben aber auch der Lebensführung dienen, es sei denn, dass der den Beruf fördernde Teil der Aufwendungen sich nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. z.B. Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 23. März 1984 VI R 182/81, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1984, 557, 558). In dem vorgenannten Urteil hat der Bundesfinanzhof weiter aufgeführt, dass Aufwendungen, die ein Arbeitnehmer mit feststehenden Bezügen zu Gunsten anderer, insbesondere ihm unterstellter Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers macht, in der Regel keine beruflich veranlassten Werbungskosten seien. Anders könnten jedoch die Verhältnisse liegen, wenn ein Arbeitnehmer variable Bezüge erhalte, die der Höhe nach vom Erfolg der Mitarbeiter und dem seiner Geschäftsstelle (Abteilung) abhängig seien. Leiste ein solcher Steuerpflichtiger Aufwendungen an ihm unterstellte Arbeitskollegen, um diese zu möglichst hohen Leistungen anzuspornen, weil seine Bezüge zu einem nicht unwesentlichen Teil von den Provisionen seiner Mitarbeiter abhängig seien, so könnten bei ihm beruflich veranlasste Werbungskosten aus dem Arbeitsverhältnis gegeben sein (vgl. auch Schmidt/Drenseck, EStG, 25. Auflage 2006, § 19 Rz. 60 "Bewirtung").

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze kommt der erkennende Senat im Streitfall zu dem Ergebnis, dass die Bewirtungsaufwendungen des Klägers beruflich veranlasst sind. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sind die Bezüge des Klägers zu ca. 25 % vom Erfolg seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abhängig. Bei diesem Prozentsatz kann nicht mehr von unwesentlichen Anteilen ausgegangen werden. In solch einem Fall muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass die Bewirtung, die ohne konkreten Bezug zu einem persönlichen Ereignis des Klägers (z.B. Geburtstag) stattgefunden hat, dazu diente, die Mitarbeiter für die im vergangenen Jahr geleistete Arbeit zu belohnen und anzuspornen, weiterhin diese Leistungen bzw. noch bessere zu erbringen.

Die Beschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen greift bei der Bewirtung durch einen Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers nicht ein (Drenseck, a.a.O.).

Entgegen der Auffassung scheitert im Streitfall der Werbungskostenabzug nicht an § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG ist nicht auf die Bewirtung von Arbeitnehmern durch einen Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers anwendbar. Die Vorschrift betrifft nur Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass. Hierunter fallen nach allgemeiner Auffassung reine betriebsinterne Arbeitnehmerbewirtungen nicht. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber bewirtet werden, sondern gleichermaßen für den Fall, dass sie von einem anderen Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers bewirtet werden. Für eine unterschiedliche Behandlung besteht kein Anlass. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass auch eine unangemessen hohe Bewirtung durch einen anderen Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers für die bewirteten Arbeitnehmer Arbeitslohn darstellt, da sie eine Belohnung für geleistete Arbeit darstellt.

Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen. Die Beteiligten haben einer Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht widersprochen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 FGO, 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

Ein Ruhen des Verfahrens ist im Streitfall nicht sinnvoll. Die Revisionsverfahren VI R 25/03 und VI R 77/04 sind nicht einschlägig. In ersterem ist § 4 Abs. 5 EStG überhaupt nicht angesprochen und in letzterem geht es um die Bewirtung von Kunden (und nicht Arbeitnehmern) des Arbeitgebers.



Ende der Entscheidung

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