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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 22.06.2006
Aktenzeichen: 10 K 3478/02
Rechtsgebiete: EStG 1992-2004


Vorschriften:

EStG 1992-2004 § 10 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Umfinanzierung eines Darlehens eine Lebensversicherung steuerschädlich verwendet wurde, so dass die Zinsen aus der Lebensversicherung einkommensteuerpflichtig werden.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Seit 1987 sind die Eigentümer des vermieteten Grundbesitzes L-Straße. Der ursprüngliche Nettokaufpreis dieses Grundbesitzes in Höhe von 1.354.681,- DM wurde bei Kauf des Objektes zum Teil über ein Darlehen bei der T-AG fremdfinanziert und durch eine Lebensversicherungspolice derselben Anstalt abgesichert.

Im Jahre 1998 belief sich die Valuta des Darlehens auf 1.000.000,- DM. Dieses Darlehen wurde durch ein neues Darlehen bei der X-Bank sowie private Gelder abgelöst. Im einzelnen wurde die Umschuldung wie folgt finanziert:

Restvaluta des alten Darlehens bei der T-AG 1.000.000,- DM.

Neues Darlehen bei der X-Bank über 1.000.000,- DM mit zwei Auszahlungen über

 insgesamt897.416,67 DM
Private Gelder109.642,77 DM
Summe (einschließlich Zinsen)1.007.049,44 DM.

Die Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung an die X-Bank erfolgte in Höhe des auszuzahlenden Nettodarlehensbetrages. Insoweit wird auf die Abtretungserklärung vom 4. September 1998 Bezug genommen.

Im Zeitpunkt der Umschuldung betrug die voraussichtliche Auszahlungssumme der Lebensversicherung, die im Jahre 2013 fällig sein wird, 604.285,- DM.

Vor der Auszahlung des neuen Darlehens in Höhe von 1.000.000,- DM wurde hiervon ein Disagio in Höhe von 10 % (100.000,- DM) einbehalten. Vereinbart wurde die Tilgung eines Darlehensanteils im Jahre 2013 in Höhe von 480.000,- DM durch die abgetretenen Lebensversicherungsansprüche.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass mit der Umschuldung auch das Disagio finanziert wurde, so dass die Lebensversicherung steuerschädlich verwendet wurde. Er erließ deshalb am 7. Februar 2001 einen Bescheid, in welchem die Steuerpflicht der Zinsen aus der abgetretenen Lebensversicherung festgestellt wurde.

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2002, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurück.

Mit der Klage tragen die Kläger vor:

Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung der steuerschädlichen Verwendung von Lebensversicherungen dem Vertrauensschutz insoweit Rechnung getragen, als einem Versicherungsnehmer, der seine Lebensversicherung bereits vor dem Stichtag im Jahre 1992 konkret beliehen hatte, die alte Rechtslage zu Gute komme. Deshalb lasse die Finanzverwaltung zu, in sog. Altfällen Darlehen nach dem 14. Februar 1992 unter Einsatz von Ansprüchen aus Lebensversicherungen steuerunschädlich ganz oder teilweise umzuschulden. Das Bundesministerium der Finanzen habe diesem Vertrauensschutzgesichtspunkt in dem Schreiben vom 15. Juni 2000 (BStBl I 2000, 1118) Rechnung getragen. In Tz. 72 dieses Schreibens werde ausgeführt, dass es bei Darlehen, die vor dem 14. Februar 1992 entstanden seien und durch ein neues Darlehen abgelöst werden, für die Handhabung der Lebensversicherungen nicht steuerschädlich sei, wenn das Ablösungsdarlehen die Restvaluta des umgeschuldeten Darlehens nicht übersteige und die Versicherungsansprüche vereinbarungsgemäß nur bis zu dieser Höhe der Sicherung oder Tilgung des Ablösungsdarlehens dienten. Hierbei handele es sich um eine Sonderregelung für Altfälle, die nicht durch einen Rückgriff auf die verschärften Bedingungen der Neufälle ausgehebelt werden dürfe.

Wegen der weiteren Begründung wird auch auf den Schriftsatz der Kläger vom 14. Juni 2006 Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid vom 7. Februar 2002 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2002 aufzuheben;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung führt er ergänzend zur Einspruchsentscheidung aus:

Bei der Umschuldung eines Darlehens fehle es grundsätzlich an dem Merkmal der ausschließlichen und unmittelbaren Verwendung der Darlehenssumme für begünstigte Anschaffungs-/Herstellungskosten eines langlebigen Wirtschaftsgutes. Die Finanzverwaltung verstehe die Regelung in dem BMF-Schreiben vom 15. Juni 2000 als Billigkeitsregelung, um einen Steuerpflichtigen nicht für immer an einen Darlehensgeber zu binden. Soweit die Erstfinanzierung steuerunschädlich möglich war, sollen keine negativen Folgen nur deshalb eintreten, weil dieses Darlehen umgeschuldet werde. Im vorliegenden Fall entspreche zwar die Restvaluta des Altdarlehens exakt der Valuta des neuen Darlehens. Maßgeblich sei aber nicht allein eine betragsmäßige Übereinstimmung, sondern es müsse natürlich auch gewährleistet sein, dass das neue Darlehen dazu diene, die Restvaluta des Altdarlehens abzulösen.

Die Kläger hätten das Darlehen aber nur zu 90 % zur Fortführung des alten Darlehens genutzt, im übrigen hätten sie den Kredit genutzt, um damit neue Finanzierungskosten zu bezahlen. Im Ergebnis liege nur eine Teilumschuldung vor, bei der das neue Darlehen aufgestockt werde, um damit erstmalig schädliche Aufwendungen zu finanzieren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger deshalb in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Der Beklagte hat zu Unrecht die Steuerpflicht der Zinsen aus der streitigen Lebensversicherung festgestellt.

Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass nach der Gesetzeslage die Umschuldung steuerschädlich ist, wenn mit dem Umschuldungsdarlehen auch ein Disagio finanziert wurde. Denn mit dem Steueränderungsgesetz 1992 vom 25. Februar 1992 (Bundesgesetzblatt I 1992, 297, Bundessteuerblatt I 1992, 146) wurde § 10 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - mit der Maßgabe eingeführt, dass der Einsatz von Lebensversicherungen als Sicherheit für aufgenommene Darlehen grundsätzlich steuerschädlich ist. Diese Vorschrift gilt für alle Verträge, die nach dem 13. Februar 1992 abgeschlossen wurden, vgl. § 52 Abs. 13a Satz 4 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1992.

Die Finanzverwaltung hat aber aus Billigkeitsgründen in dem BMF-Schreiben vom 15. Juni 2000 die Umschuldung eines sog. Altdarlehens für steuerunschädlich erklärt. Beschränkt die Finanzverwaltung im Billigkeitswege die Anwendung des Gesetzes, hat sie diese Einschränkung grundsätzlich gleichmäßig auf alle Steuerpflichtigen anzuwenden. Das Gericht ist dabei an die Auslegung der Billigkeitsregelung durch die Finanzverwaltung gebunden. Nur wenn die vom Finanzamt im konkreten Einzelfall vorgenommene Auslegung zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt, darf das Gericht die von der Billigkeitsregelung beabsichtigte Lösung seiner Entscheidung zugrunde legen. Diesen Ausnahmefall sieht der erkennende Senat im Streitfall als gegeben an.

Zwar trifft die Auffassung des Beklagten zu, dass durch die Umschuldung und die Besicherung des neuen Darlehens durch die Lebensversicherung auch das Disagio abgedeckt wurde, da keine Rangfolge der Tilgung vereinbart wurde. In solch einem Fall werden nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zunächst die Zinsen und Kosten, und erst zuletzt die Hauptforderung getilgt, vgl. § 367 BGB. Selbst wenn diese Vorschrift nicht zur Anwendung kommen sollte, käme allenfalls eine gleichmäßige Tilgung von Haupt- und Nebenforderungen zum Tragen, was auch steuerschädlich wäre.

Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Finanzverwaltung bei der erstmaligen Finanzierung begünstigter Anschaffungs- oder Herstellungskosten es nicht beanstandet, wenn das Darlehen auch bankübliche einmalige Finanzierungskosten (wozu unstreitig auch ein Disagio gehört) umfasst und die Versicherungsansprüche vereinbarungsgemäß höchstens bis zur Höhe der mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Tilgung oder Sicherung des Darlehens dienen (Tz. 15 des BFH-Schreibens vom 15. Juni 2000). Diese Voraussetzungen für eine steuerunschädliche Verwendung der Lebensversicherung liegen im Streitfall vor. Das Ablösungsdarlehen übersteigt nicht die Restvaluta des umgeschuldeten Darlehens und die Versicherungsansprüche sind vereinbarungsgemäß nur bis zur Höhe des Nettoauszahlungsbetrages abgetreten worden. Hinzu kommt, dass im Streitfall die Auszahlungssumme im Zeitpunkt der Auszahlung unstreitig bei weitem nicht den Nettobetrag des Darlehens erreichen wird. In diesem Fall ist für den Senat kein Grund ersichtlich, weshalb dieser Altfall anders behandelt werden sollte, als ein Neufall. Wird ein Neufall von der Finanzverwaltung trotz verschärfter Gesetzeslage als steuerunschädlich behandelt, so muss dies erst recht für die Umschuldung eines Altdarlehens dienen, das zu einem Zeitpunkt aufgenommen wurde, als der Einsatz von Lebensversicherungsverträgen noch keinen Beschränkungen unterlag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 FGO, 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zu, unter welchen Voraussetzungen die Umschuldung eines Altdarlehens steuerunschädlich vorgenommen werden kann.

Ende der Entscheidung

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