Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 15.05.2008
Aktenzeichen: 10 K 3926/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 9
EStG § 62 Abs. 1
EStG § 63 Abs. 1 S. 2
EStG § 74 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

10 K 3926/07

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte das Kindergeld für die Monate Januar bis Juni 2007 zurückverlangen durfte.

Die im März 1986 geborene Klägerin hatte im Anschluss an ihr Abitur im Juni 2005 die Auszahlung des Kindergelds an sich selbst beantragt. Sie befinde sich in Berufsausbildung und erhalte keine finanzielle Unterstützung von ihrer Mutter Frau M. Mit Bescheid vom 12. September 2005 gegenüber der Mutter der Klägerin zweigte die Beklagte das Kindergeld auf der Grundlage von § 74 Abs. 1 S. 3 EStG ab August 2005 in Höhe von monatlich 154 EUR an die Klägerin ab. Ein entsprechender Bescheid über die Abzweigung des Kindergelds erging auch gegenüber der Klägerin.

Im März 2006 begann die Klägerin eine Ausbildung zur Speditionskauffrau. Im April 2006 heiratete sie. Die Auszahlung des Kindergelds erfolge weiterhin an sie. Nach einer im August 2006 vorgelegten Ausbildungsbescheinigung sollte die Ausbildungsvergütung für die Monate Januar bis Juli 2007 jeweils 470 EUR (101,29 EUR ArbN-Anteil zur Sozialversicherung) und für die Monate August bis Dezember 2007 jeweils 550 EUR (118,53 EUR ArbN-Anteil zur Sozialversicherung) betragen. Außerdem sollte im Juni 2007 eine Sonderzahlung von 300 EUR (64,65 EUR ArbN-Anteil Sozialversicherung) erfolgen (Kindergeldakte, Bl. 217).

Im November 2006 setzte die Klägerin die Beklagte über ihre Eheschließung in Kenntnis und beantragte für ihre Mutter als Antragstellerin Kindergeld für ein verheiratetes Kind. Der Ehemann der Klägerin war zu dieser Zeit arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Die Beklagte nahm die Kindergeldzahlung an die Klägerin ab Dezember 2006 wieder auf, befristete diese aber bis Juni 2007 (Ende des Arbeitslosengeldbezugs durch den Ehemann der Klägerin). Gleichzeitig wies sie die Klägerin auf die Verpflichtung hin, insbesondere Einkommensänderungen ihres Ehemannes umgehend anzuzeigen (Kindergeldakte, Bl. 236).

Auf Nachfrage der Beklagten anlässlich des Auslaufens der Kindergeld-Befristung teilte die Klägerin im Juni 2007 mit, ihr Ehemann stehe seit dem 7. Mai 2007 in einem auf 5 Monate befristeten Arbeitsverhältnis. Sein monatlicher Nettoverdienst in den Monaten Mai bis zumindest September 2007 belief sich auf unstreitig 1.303 EUR (Brutto: 1.519 EUR bzw. 1.623 EUR; Verdienstbescheinigung Bl. 247). Für die Monate Januar bis einschließlich Mai 2007 hatte er monatlich jeweils 1177,50 EUR Arbeitslosengeld bezogen (Kindergeldakte, Bl. 248).

Bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge setzte die Beklagte den Nettoverdienst des Ehemannes der Klägerin für 8 Monate abzüglich des Arbeitnehmerpauschbetrags von 920 EUR mit 8.676 EUR an. Hinzugerechnet wurden 5.707,50 EUR Bezüge aus dem Arbeitslosengeld, die sich nach Abzug der Kostenpauschale von 180 EUR ergaben. Daraus ergab sich für den Beklagten ein Nettoeinkommen des Ehegatten von rd. 14.384 EUR. Unter Berücksichtigung der eigenen Einkünfte und Bezüge der Klägerin, die die Beklagte mit 5.095 EUR ermittelt hatte, ergaben sich zusammen mit den Ansprüchen der Klägerin auf Trennungsunterhalt gegenüber ihrem Ehemann Einkünfte und Bezüge in Höhe von insgesamt 9.740 EUR, sodass der Jahresgrenzbetrag für 2007 von 7.680 EUR nach Ansicht des Beklagten überschritten war (Kindergeldakte, Bl. 274). Mit Bescheid vom 9. August 2007 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Mutter der Klägerin für die Monate ab Januar 2007 auf. Gemäß der Rechtsprechung in Fällen der Abzweigung des Kindergelds forderte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom gleichen Tage zur Erstattung des nach ihrer Ansicht für den Zeitraum von Januar bis Juni 2007 überzahlten Kindergelds von 924 EUR auf.

Gegen diese Bescheide legten sowohl die Klägerin als auch ihre Mutter Einspruch ein. Zum einen sei unberücksichtigt geblieben, dass der Ehemann der Klägerin nur einen bis einschließlich September 2007 befristeten Arbeitsvertrag gehabt habe, sodass ihm danach nur Ansprüche auf Arbeitslosengeld zugestanden hätten. Außerdem lebe die Klägerin inzwischen von ihrem Ehemann getrennt, mit der Folge, dass jedenfalls ab August 2007 keine Bezüge der Klägerin mehr aus ehelichen Unterhaltsansprüchen berücksichtigt werden dürften.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidungen vom 18. September 2007). Im Klageverfahren verweist die Klägerin auf ihren Vortrag im Vorverfahren und trägt ergänzend vor, sie habe sich im Juli/August 2007 von ihrem Ehemann getrennt und erhalte keinen Unterhalt.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 13. März 2008 wurde die Klägerin gemäß § 79 b Abs. 2 FGO aufgefordert, Nachweise für die Behauptung vorzulegen, der Ehemann habe in den Monaten ab August 2007 keinen Trennungsunterhalt gezahlt. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass als Nachweis auch eine entsprechende Bestätigung des Ehemannes in Betracht komme. Außerdem sollte erklärt werden, in welcher Form die Klägerin nach der Trennung von ihrem Ehemann ab August 2007 den Anspruch auf Trennungsunterhalt geltend gemacht habe.

Daraufhin wurde jedoch weder eine Bestätigung des Ehemannes darüber vorgelegt, keinen Unterhalt gezahlt zu haben, noch wurde vorgetragen, welche Versuche die Klägerin unternommen habe, hinsichtlich des Trennungsunterhalts gegen ihren Ehemann vorzugehen. Übersandt wurde lediglich eine eidesstattliche Versicherung der Klägerin darüber, keinen Unterhalt erhalten zu haben und - ohne weitere Erläuterung - darüber, dass der Ehemann wegen bestehender Schulden zur Unterhaltsleistung nicht in der Lage gewesen sei. Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin keine Möglichkeit gesehen, Trennungsunterhalt zu erlangen.

Die Klägerin beantragt,

den angefochtenen Bescheid vom 9. August 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 18. September 2007 aufzuheben.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei das von ihrem Ehemann vor der Aufnahme der Beschäftigung bezogene Arbeitslosengeld in die Einkommensberechnung mit einzubeziehen. Eine mangelnde Leistungsfähigkeit des Ehegatten der Klägerin zur Zahlung von Trennungsunterhalt sei nicht nachgewiesen. Eine etwaige Forderung zur Rückzahlung des für den Monat Mai 2007 bezogenen Arbeitslosengelds sei ebenso wenig nachgewiesen wie eine möglicherweise abgeschlossene Vereinbarung auf Unterhaltsverzicht.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet, weil die Einkünfte und Bezüge der Klägerin, die sich im Jahr 2007 während des gesamten Jahres in Berufsausbildung befand, den maßgeblichen Jahresgrenzbetrag von 7.680 EUR überschreiten.

1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges Kind nur dann, wenn das Kind die Tatbestandsmerkmale des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG erfüllt (etwa Berufsausbildung) und seine zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeigneten Einkünfte und Bezüge den für das Streitjahr 2007 gültigen Jahresgrenzbetrag von 7.680 EUR nicht übersteigen (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).

2. Durch das Kindergeld soll eine verminderte Leistungsfähigkeit ausgeglichen werden, die auf Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber einem Kind beruht. Umgekehrt ergibt sich aus den Regelungen zur Berücksichtigung von Pflegekindern und ebenso aus § 74 EStG, dass das Erlöschen von Unterhaltspflichten ebenfalls grundsätzlich nicht unberücksichtigt bleiben darf. Deshalb setzt der Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges Kind nach inzwischen ständiger Rechtsprechung eine "typische Unterhaltsituation" der Eltern voraus; ein Fehlen dieser Unterhaltssituation führt zum Verlust des Kindergeldanspruchs (vgl. BT-Drucks 13/1558, 164; BFH-Urteil vom 2. März 2000 VI R 13/99, BFHE 191, 69, BStBl II 2000, 522).

Nach der Eheschließung des Kindes liegt eine entsprechende Unterhaltssituation grundsätzlich nicht mehr vor, weil ab diesem Zeitpunkt dem Kind in erster Linie der Ehepartner zum Unterhalt verpflichtet ist (§ 1608 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 1360, 1360a BGB). Deshalb besteht nach der Heirat nur noch eine nachrangige zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Einkommen des Ehepartners so gering ist, dass er zum (vollständigen) Unterhalt nicht in der Lage ist, das Kind ebenfalls nicht über ausreichende eigene Einkünfte verfügt und die Eltern deshalb weiterhin für das Kind aufkommen müssen (sog. Mangelfall). Ein solcher ist bei bei kinderlosen Ehen anzunehmen, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes einschließlich der Unterhaltsleistungen des Ehepartners unterhalb des steuerrechtlichen Existenzminimums liegen, das dem am Existenzminimum eines Erwachsenen ausgerichteten Jahresgrenzbetrag in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht (BFH-Urteile vom 19. April 2007 III R 65/06, BFH/NV 2007, 1753, vom 2. März 2000 VI R 13/99, BFHE 191, 69, BStBl II 2000, 522, und vom 23. November 2001 VI R 144/00, BFH/NV 2002, 482).

3. Die Unterhaltsleistungen des Ehepartners sind regelmäßig zu schätzen, weil sie im Allgemeinen sowohl in Geld- als auch in Sachleistungen bestehen. Nach der Rechtsprechung des BFH entspricht es der Lebenserfahrung, dass in einer kinderlosen Ehe, in der ein Ehegatte allein verdient und ein durchschnittliches Nettoeinkommen erzielt, dem nicht verdienenden Ehepartner ungefähr die Hälfte dieses Nettoeinkommens in Form von Geld- und Sachleistungen als Unterhalt zufließt. Verfügt das Kind auch über eigene Mittel, ist zu unterstellen, dass sich die Eheleute ihr verfügbares Einkommen teilen. Unterhaltsleistungen sind daher in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen den Einkünften des unterhaltsverpflichteten Ehepartners und den geringeren eigenen Mitteln des Kindes anzunehmen. Das gilt jedoch nur, soweit dem Ehepartner ein verfügbares Einkommen in Höhe des steuerrechtlichen Existenzminimums verbleibt (BFH-Urteil vom 19. April 2007 III R 65/06, BFH/NV 2007, 1753).

4. Danach ergibt sich im Streitfall folgende vorläufige Einkunfts-/Bezüge-Situation der Klägerin, die im Jahr 2007 ganzjährig in Berufsausbildung gewesen ist und in den Monaten Januar bis einschließlich Juli 2007 mit ihrem Ehegatten zusammengelebt hatte:

 I. Eigene Einkünfte bis 07/2007  
eigene Einkünfte (7 x 470)3.290 EUR
Sonderzahlung Juni300 EUR
 3.590 EUR
abzügl. anteil. Arbeitnehmerpauschbetrag (920 x 7/12)537 EUR
abzügl. Sozialversicherungsbeiträge (7 x 101,23)709,03 EUR
abzügl. Sozialversicherungsbeiträge Sonderzahlung Juni64,65 EUR
 2.279,32 EUR
II. Bezüge Familieunterhalt bis 07/2007  
1. Netto-Arbeitsentgelt Ehegatte nach dem Tag der Heirat 
Arbeitsverhältnis befristet von Mai bis September 2007 
3 x 1.303 EUR (Mai bis Juli 2007)3.909 EUR
abzügl. anteil. Arbeitnehmerpauschbetrag (920 x 3/5)552 EUR
 3.357 EUR
Bezüge Ehegatte nach dem Tag der Heirat 
Arbeitslosengeld 01 bis 05/2007 (5 x 1177,50)5.887,50 EUR
abzügl. Kostenpauschale (jährlich 180 EUR)180,00 EUR
 5.707,50 EUR
Netto-Einkommen Ehegatte nach dem Tag der Heirat 
somit insgesamt9.064,50 EUR
2. Berechnung der Bezüge für Januar bis Juli 2007 
Differenzbetrag (9.064,50 EUR ./. 2279,32 EUR)6.785,18 EUR
die Hälfte des Differenzbetrags als Bezug3.392,59 EUR
III. Einkünfte und Bezüge bis 07/2007 somit 5.671,91 EUR
IV. Eigene Einkünfte 08 bis 12/2007  
(5 x 550) 2.750,00 EUR
abzügl. anteil. Arbeitnehmerpauschbetrag (920 x 5/12) 383,00 EUR
abzügl. Sozialversicherungsbeiträge (5 x 118,53)592,65 EUR
hinzuzurechnen somit1.774,35 EUR
V. Einkünfte und Bezüge ohne Trennungsunterhalt somit 7.446,26 EUR

5. Ob der für 2007 gültige Jahresgrenzbetrag von 7.680 EUR überschritten ist, hängt deshalb davon ab, ob und inwieweit bei der Klägerin noch Bezüge aus Ansprüchen auf Trennungsunterhalt zu berücksichtigen sind.

a) Die für die Berücksichtigung von Familienunterhalt als Bezug geltenden Grundsätze sind für die Frage des Ansatzes von Trennungsunterhalt grundsätzlich entsprechend zu berücksichtigen. Dabei ist wegen des Primats des Zivilrechts allerdings nicht vom Familienunterhaltsanspruch gemäß §§ 1360 ff. BGB auszugehen, sondern von den Grundsätzen, die die Zivilrechtsprechung zum Trennungsunterhalt entwickelt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 7. März 2002 VIII B 180/01, BFH/NV 2002, 1289). Dies bedeutet einerseits, dass ein Anspruch auf Trennungsunterhalt nicht allein wegen kurzer Ehedauer entfällt, weil der Wegfall von Unterhaltsansprüchen wegen kurzer Dauer der Ehe erst die nachehelichen Unterhaltsansprüche betrifft, nicht aber den Anspruch auf Trennungsunterhalt. Andererseits ist für den Trennungsunterhalt nur der Betrag zu berücksichtigen, der über den zivilrechtlichen Selbstbehalt gegenüber Ehegatten von 1.000 EUR hinausgeht. Der von der Beklagten vertretenen generellen Zurechnung in Höhe des hälftigen Differenzbetrags folgt der erkennende Senat daher nicht.

b) Angesichts des Netto-Einkommens des Ehegatten von im Streitfall 1.303 EUR für August und September 2007 ist jedenfalls vom grundsätzlichen Bestehen eines Anspruchs auf Trennungsunterhalt auszugehen. In den Folgemonaten ab Oktober 2007 geht der erkennende Senat von einem monatlichen Arbeitslosengeld-Anspruch des Ehemannes in einer den Monaten Januar bis Mai 2007 entsprechenden Höhe aus, der die Selbstbehaltsgrenze von 1.000 EUR ebenfalls überschritt. Auch Anhaltspunkte für einen wirksamen Verzicht auf den Anspruch auf Trennungsunterhalt nach der Trennung der Klägerin von ihrem Ehemann bestehen nicht. Zwar hat die Klägerin im Jahr 2007 unstreitig keinen Trennungsunterhalt erhalten. Dies rechtfertigt jedoch trotz des Zuflussprinzips gemäß § 11 EStG nicht die Schlussfolgerung, dass Bezüge aus Trennungsunterhalt nicht zu berücksichtigen sind.

aa) Auch für den Ansatz von Bezügen aus Trennungsunterhalt ist entgegen der Ansicht der Familienkasse grundsätzlich das Zuflussprinzip maßgeblich (§ 11 Abs. 1 EStG), sodass Bezüge im Allgemeinen nicht auf den Zeitraum zu verteilen sind, für den sie gezahlt worden sind. Dabei ist im Kindergeldrecht grundsätzlich nicht auf den Zuflussmonat, sondern auf das Kalenderjahr insgesamt abzustellen, weil es sich bei dem Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG um einen Jahresbetrag handelt; Zu- und Abflüsse anderer Jahre als des zu beurteilenden bleiben außer Betracht. Eine Zuordnung von Bezügen zum jeweiligen Monat, auf welchen sie "entfallen" erfolgt nach § 32 Abs. 4 S. 8 EStG nur in den Jahren, in denen einzelne Monate als "Kürzungsmonate" herausfallen (BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 76/01 BFHE 199, 116, BStBl II 2002, 525 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, BT-Drucks. 13/3084, S. 20 und den bewusst unterschiedlich gefassten Wortlaut der Bestimmungen; ferner BFH-Urteile vom 1. März 2000 VI R 162/98, BFHE 191, 55, BStBl II 2000, 459, vom 11. Dezember 2001 VI R 5/00, BFHE 197, 408, BStBl II 2002, 205).

bb) Was Bezüge aus Ansprüchen auf Trennungsunterhalt angeht, stünde es allerdings bei einem bloßen Abstellen auf den Zufluss im Belieben des Kindes, den Kindergeldanspruch durch ein Nicht- oder verzögertes Geltendmachen des Trennungsunterhalts zur Entstehung zu bringen. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erfordert der Zufluss einer Kapitalforderung zumindest eine Gutschrift, und auch diese ist nur dann hinreichend, wenn der Berechtigte in der Lage ist, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen (BFH-Urteil vom 10. Juli 2001 VIII R 35/00, BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646 für den Zufluss aus einer Zinsgutschrift). Deshalb ist im Kindergeldrecht zusätzlich die Missbrauchsschranke des § 32 Abs. 4 S. 9 EStG zu beachten, die - unabhängig vom Zufluss - den Ansatz von Einkünften und Bezügen auch dann vorsieht, wenn das Kind in der Absicht, sich den Kindergeldanspruch zu erhalten, Vereinbarungen getroffen hat, die dazu führen, dass ein Anspruch auf Einkünfte und Bezüge nicht geltend gemacht werden kann.

cc) Ein kindergeldschädlicher Verzicht auf Unterhaltsleistungen setzt allerdings ein freiwilliges Verhalten voraus. Denn § 32 Abs. 4 S. 9 EStG dient lediglich der Missbrauchsabwehr und will verhindern, dass ein Kind eine Art Vertrag zu Lasten der Allgemeinheit in der Weise abschließen kann, dass es durch einen Verzicht auf einen ggf. geringfügigen Betrag dem Berechtigten den sonst nicht zustehenden Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag erhält. Die Vorschrift ist deshalb grundsätzlich nur dann einschlägig, wenn ein Verzicht auf Einkünfte oder Bezüge deshalb erfolgt, um dem Berechtigten den Anspruch auf Kindergeld bzw. auf den Kinderfreibetrag zu erhalten, also andere einleuchtende Gründe für einen solchen Verzicht nicht gegeben sind. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass ein Verzicht im Sinne dieser Vorschrift nicht stets einen Erlassvertrag nach § 397 BGB voraussetzt (BFH-Urteil vom 11. März 2003 VIII R 16/02, BFHE 202, 156, BStBl II 2003, 746).

dd) Für die Frage des Trennungsunterhalts folgert der erkennende Senat daraus, dass das Kind grundsätzlich gehalten ist, etwaige Ansprüche auf Trennungsunterhalt unverzüglich geltend zu machen. Denn es kann nicht Sache des Kindes sein, die Kindergeldberechtigung durch eine unterlassene/verzögerte Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs zur Entstehung zu bringen. Die Durchsetzungsbemühungen sind im Falle eines Streits um das Kindergeld auch entsprechend nachzuweisen. Lediglich dann, wenn das Kind Ansprüche auf Einkünfte und Bezüge aus einer Zwangslage heraus nicht geltend macht, ist § 32 Abs. 4 S. 9 EStG nicht einschlägig. Ein solcher Fall kann etwa angenommen werden, wenn Ansprüche auf Trennungsunterhalt nicht gerichtlich durchgesetzt werden, weil die Realisierbarkeit der Ansprüche gegenüber dem Ehegatten ausgeschlossen erscheint (Hessisches FG, Urteil vom 11. Dezember 2007 3 K 3174/05, zur Veröffentlichung bestimmt; Rev. eingelegt, Az. des BFH: III R 8/08 für den Abschluss eines Vergleichs im Rahmen eines Unterhaltsrechtsstreits). Von dieser Ausnahmesituation kann allerdings nicht ausgegangen werden, wenn nicht einmal der Versuch einer anwaltlichen Geltendmachung des Anspruchs auf Trennungsunterhalt unternommen wurde.

ee) Auch im Streitfall hat die Klägerin nicht einmal ansatzweise vorgetragen, welche Versuche sie - abgesehen von einer Anfrage beim Ehemann - unternommen hat, ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt durchzusetzen, obwohl sie im zivilrechtlichen Scheidungsverfahren anwaltlich vertreten ist. Eine Bestätigung des Ehemannes liegt ebenfalls nicht vor. Die bloße Angabe, dass der Ehemann der Klägerin wegen bestehender Schulden zur Unterhaltsleistung nicht in der Lage gewesen sei, reicht jedenfalls dann nicht aus, wenn nicht vorgetragen und nachgewiesen ist, dass es sich um gemeinschaftliche Schulden aus der Ehezeit handelt, die der Ehemann übernommen hat und die deshalb bei der Bemessung des Trennungsunterhalts ohnehin berücksichtigt werden müssten. Daher ist im Streitfall bei Ermittlung der Einkünfte und Bezüge der der Klägerin zustehende Trennungsunterhalt trotz des fehlenden Zuflusses gemäß § 32 Abs. 4 S. 9 EStG zu berücksichtigen.

Angesichts der Einkünfte und Bezüge der Klägerin, die bereits ohne Trennungsunterhalt 7.446,26 EUR betragen, ist der für das Streitjahr 2007 maßgebliche Jahresgrenzbetrag von 7.680 EUR unter Berücksichtigung des Trennungsunterhalts in jedem Fall überschritten, sodass die Beklagte das Kindergeld für die Monate Januar bis Juni 2007 zu Recht zurückgefordert hat. Dass der Anspruch auf Kindergeld bzw. auf einen Kinderfreibetrag nicht besteht, wenn dieser Grenzbetrag auch nur geringfügig überschritten wird, ist nach inzwischen ständiger Rechtsprechung verfassungsrechtlich unbedenklich (BFH-Urteile vom 11. März 2003 VIII R 16/02, BFHE 202, 156, BStBl II 2003, 746, vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566; Verfassungsbeschwerde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG-Beschluss vom 30. September 2002 2 BvR 1781/00, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2003, 76).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

7. Die Revision war zuzulassen, weil die Frage des Ausbleibens von Trennungsunterhalt bislang höchstrichterlich ungeklärt und deshalb grundsätzlich bedeutsam ist.



Ende der Entscheidung

Zurück