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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 12.03.2009
Aktenzeichen: 10 K 4227/08
Rechtsgebiete: EStG, JFDG
Vorschriften:
EStG § 32 Abs. 4 | |
JFDG § 1 Abs. 1 | |
JFDG § 6 | |
JFDG § 10 |
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin das Kindergeld für ihre im Juni 1989 geborene Tochter T zusteht.
T erwarb im Juni 2008 die allgemeine Hochschulreife. Das Kindergeld wurde der Klägerin gemäß der eingereichten Schulbescheinigung bis einschließlich Juli 2008 ausgezahlt.
T beabsichtigte, ein sozialpädagogisches Studium aufzunehmen. Voraussetzung für den Bachelor-Studiengang soziale Arbeit an der KFH in O ist ein dreimonatiges Vorpraktikum im sozialen Bereich (Kindergeld-Akte, Bl. 74, 106). Das Praktikum kann in sozialen Diensten und Einrichtungen von anerkannten oder ihnen gleichgestellten Trägern im Sozialwesen absolviert werden, sofern der Einsatz im sozialen Bereich und die Anleitung durch eine Fachkraft sichergestellt sind. Im Ausland erworbene Praktika sind nach Abs. 3 der Regelung zu berücksichtigen, wenn sie allgemein anerkannt sind oder ihre Gleichwertigkeit durch das Ministerium für Innovationen, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes NRW festgestellt worden ist.
Bereits im Mai 2008 (Kindergeld-Akte, Bl. 76) schloss T mit der Organisation "N" mit Sitz in der Stadt L eine Vereinbarung, in der sich T verpflichtete, in der Zeit vom 28. Juli 2008 bis zum 15. April 2009 im Rahmen eines 9-monatigen Volontariats in einem Kinderheim in Südafrika zu arbeiten. Gemäß Bescheinigung der Organisation N vom 5. Juni 2008 (Kindergeld-Akte, Bl. 67) erhält T für diese Tätigkeit kein Taschengeld. Bei der Organisation N handelt es sich nach deren Internetseite (...) um eine private Agentur, die in erster Linie Au-pair-Aufenthalte vermittelt. Die Bescheinigung war ausdrücklich nicht als eine solche über die Leistung eines freiwilligen sozialen Jahres bezeichnet, sondern mit "Freiwilligen-Arbeit in Südafrika; Volontär im sozialen Bereich". Danach sollte T während ihres Aufenthalts für Ihren weiteren beruflichen Werdegang wichtige Erfahrungen sammeln. Nähere Angaben sollten sich aus dem Einladungsschreiben des Projekts ergeben, welches allerdings nicht vorgelegt wurde. Wegen der von N zu erbringenden bzw. erbrachten Leistungen wird auf die Angaben auf der Internet-Seite genommen.
Bei der Entsendeorganisation "N" handelt es sich unstreitig nicht um einen behördlich zugelassenen Träger eines freiwilligen sozialen Jahres, und zwar weder i.S. des Gesetzes zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten vom 16. Mai 2008 noch i.S. des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres vom 15. Juli 2002. Dies hat auch auch die Klägerin selbst mit E-Mail vom 21. August 2008 ausgeführt (Kindergeld-Akte, Bl. 81), nachdem die Beklagte einen Nachweis der Anerkennung von "N" als Entsendeorganisationen durch das BMZ gefordert hatte. Ebenso wenig ist die Organisation "N" allgemein anerkannt oder ihre Gleichwertigkeit durch das Ministerium für Innovationen, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes NRW festgestellt worden i.S. des Abs. 3 der Richtlinie der KFH des Landes NRW.
Bereits Mitte Juli 2008 beantragte die Klägerin die Fortzahlung des Kindergeldes. T wolle das von ihr geplante Studium mit einem "freiwilligen sozialen Jahr" vorbereiten. Nach der Rückkehr aus Südafrika werde sich ein dreimonatiges Praktikum in einem Altenpflegeheim in der Stadt P anschließen (Kindergeld-Akte, Bl. 73). Eine Bescheinigung des Seniorenstifts der Stadt P über die Aufnahme des Praktikums nach der Rückkehr aus Südafrika liegt vor (Kindergeld-Akte, Bl. 85).
Mit dem Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 1. September 2008 machte die Klägerin geltend, die Tätigkeit von T in dem Waisenhaus in Südafrika diene der Vorbereitung des sozialpädagogischen Studiums; es handle sich damit um eine praktische Tätigkeit, die selbst eine Maßnahme der Berufsausbildung darstelle. Das Vorpraktikum sei Voraussetzung für den Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit an der KFH in NRW. T erhalte kein Geld für ihre Tätigkeit und trage die ihr entstehenden Kosten selbst. Die Entsendeorganisation "N" erfülle dieselben Voraussetzungen wie anerkannte Entsendeorganisationen, so dass jedenfalls die Voraussetzungen eines freiwilligen sozialen Jahres vorlägen. Die Organisation "N" habe mitgeteilt, dass 60% der durch ihre Organisation vermittelten Volontäre Kindergeld bezögen. Stelle man daneben auf den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "Weltwärts" ab, könne es nicht darauf ankommen, ob die Entsendeorganisationen vom BMZ anerkannt sei oder nicht. Entscheidend sei, dass die Organisation "N" dieselben Voraussetzungen erfülle wie andere anerkannte Entsendeorganisationen.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte die Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2008 aus: Die Zeit in Südafrika könne nicht als freiwilliges soziales Jahr berücksichtigt werden, weil der Freiwilligendienst nicht auf einer Vereinbarung mit einer anerkannten Entsendeorganisation beruhe. Es handle sich auch nicht um eine Maßnahme der Berufsausbildung, weil diese Maßnahme nicht Voraussetzung für die Aufnahme des Studiengangs sei. Nach der Studienordnung sei lediglich das dreimonatige Praktikum im Anschluss an die Zeit in Südafrika in der Zeit von Mai bis Juli 2009 in der Stadt P erforderlich.
Mit der Klage hält die Klägerin unter Bezugnahme auf ihren Vortrag im Vorverfahren an ihrem Begehren fest. Das Kindergeld sei bereits unter dem Gesichtspunkt der Berufsausbildung zu gewähren. Das Auslandspraktikum von T und ebenso das dreimonatige Praktikum im Altenpflegeheim seien Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums. Beide Praktika dienten den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen, die als Grundlagen für das sozialpädagogische Studium erforderlich seien. Jedenfalls leiste T ein freiwilliges soziales Jahr ab und sei deshalb für das Kindergeld zu berücksichtigen. Der von der Familienkasse in Bezug genommene Newsletter sei nicht maßgeblich. Außerdem habe die Familienkasse gegen ihre Informationspflicht verstossen. Wäre die Klägerin richtig informiert worden, hätte T die Entsendevereinbarung mit einer anderen - anerkannten - Organisation abgeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 1. September 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2008 zu verpflichten, das Kindergeld für T für die Monate ab August 2008 bis April 2009 zu gewähren,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte bezieht sich auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
1. Das Kindergeld für T für die Monate August des April 2009 konnte mangels Anerkennung der Entsendeorganisation "N" nicht für ein Kind im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres gewährt werden.
a) Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG in der für die streitbefangenen Monate ab August 2008 gültigen Fassung wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, u.a. dann berücksichtigt, wenn es ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes vom 16. Mai 2008 (BGBl. I 2008, S. 842 - JFDG -) oder einen Freiwilligendienst im Sinne des Beschlusses Nr. 1719/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2006 zur Einführung des Programms "Jugend in Aktion" (ABl. EU Nr. L 327 S. 30) oder einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 14b des Zivildienstgesetzes (ZDG) oder einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "weltwärts" im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leistet.
b) Im Streitfall erfüllt der Freiwilligendienst von T in dem Waisenhaus in Südafrika diese Voraussetzungen nicht.
aa) Zwar ist die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres gemäß § 6 JFDG nach wie vor auch im Ausland möglich, erforderlich ist jedoch nach Abs. 2 der Vorschrift die Begleitung der Maßnahme durch einen gemäß § 10 JFDG zugelassenen Träger. Bereits § 1 Abs. 1 JFDG verlangt für die Förderbarkeit eines Jugendfreiwilligendienstes neben der nach wie vor erforderlichen Unentgeltlichkeit (zulässig sind nur Unterkunft und Verpflegung sowie ein angemessenes Taschengeld), dass der Dienst von einem nach § 10 JFDG zugelassenen Träger durchgeführt wird. Neben den dort bereits gesetzlich zugelassenen Trägern kann die zuständige Landesbehörde weitere Träger eines freiwilligen sozialen Jahres im Ausland unter den Voraussetzungen des Abs. 3 zulassen.
Im Streitfall fehlt es unstreitig an der danach erforderlichen Zulassung. Deshalb kann der Dienst von T - unabhängig von den möglicherweise durchaus ehrenvollen Vorstellungen des Kindes bei der Vereinbarung mit der Entsendeorganisation (§ 11 JFDG) - auch für die Gewährung von Kindergeld nicht als förderungswürdig angesehen werden. Denn bei den in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG in Bezug genommenen Vorschriften des JFDG handelt es sich nicht um eine bloße Rechtsfolgenverweisung, die eine Zulassung der Entsendeorganisation für die Durchführung des freiwilligen sozialen Jahres im Ausland durch die zuständige Landesbehörde entbehrlich machen würde. Es handelt sich vielmehr um eine Rechtsgrundverweisung mit der Folge, dass alle Voraussetzungen des JFDG, also auch das Erfordernis der Zulassung, erfüllt sein müssen, um die Kindergeldberechtigung zu begründen (vgl. zur bis Juni 2008 gültigen Rechtslage nach dem Gesetz zur Förderung des freiwilligen sozialen Jahres - FSJG - FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 2008 4 K 157/06, zur Veröffentlichung bestimmt, Nieder sächsisches FG, Urteile vom 13. Oktober 2005 14 K 364/03, DStRE 2007, 750 , vom 27. August 2007 16 K 359/06, EFG 2008, 225, FG München Urteil vom 26. September 2007 10 K 3094/06, EFG 2008, 304, FG Münster, Urteil vom 24. Oktober 2006 6 K 1734/05 Kg, EFG 2007, 1610, FG Hessen, Urteil vom 31. Oktober 2005 12 K 863/04, [...]; ferner BFH-Beschluss vom 29. November 2005 III B 53/05, BFH/NV 2006, 718).
Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte der Neuregelung. Die Gesetzesänderung hat ihre Grundlage in einem Beschluss des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) aus dem Jahr 2007, mit dem "Weltwärts"-Programm einen geförderten Freiwilligendienst in Entwicklungsländern einzuführen, um jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, Erfahrungen in einem Entwicklunsgland zu sammeln, mit dem Ziel, Verständnis und Engagement für die Welt zu fördern. Mit dem Erfordernis der Zulassung des Trägers soll sichergestellt werden, dass die Entsendeorganisation fachlich, personell und organisatorisch in der Lage ist, die in der "Weltwärts"-Richtlinie festgelegten Qualitätsstandards zu erfüllen.
bb) Auch eine Berücksichtigung von T im Rahmen eines entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes "Weltwärts" ist nicht möglich. Die ab Juli 2008 gültige Neufassung § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG sieht über die Berücksichtigung im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres hinaus eine zusätzliche Berücksichtigung von Kindern im Rahmen eines entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes "Weltwärts" im Sinne der Richtlinie des BMZ vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) vor, auch ohne dass ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des JFDG vorliegt. Abschn. 8 dieser "Weltwärts"-Richtlinie macht dies jedoch von einer Anerkennung von Entsendeorganisationen durch das BMZ nach der Vorprüfung durch das "Weltwärts"-Sekretariat abhängig, die in einem "schlanken Antragsverfahren" vorgesehen ist. Jede Entsendeorganisationen kann zu diesem Zweck einen Antrag beim BMZ stellen. Unstreitig liegt im Streitfall eine solche Anerkennung nicht vor. Auch eine Aussetzung des Verfahrens war nicht geboten, weil sich weder auf der Internetseite Anhaltspunkte für einen entsprechenden Antrag der Entsendeorganisation "N" finden noch die Klägerin die Stellung eines solchen Antrags durch "N" vorgetragen hat. Auf der Internetseite von "N" findet sich lediglich der Hinweis, dass für die Durchführung des "Weltwärts"-Programms auch private Träger und Nichtregierungsorganisationen eingesetzt eingesetzt werden. Als solche Organisation wird dort etwa der "B - e.V." genannt, nicht aber "N" selbst. Für Zwecke der Kindergeldfestsetzung können jedoch nur solche Freiwilligendienste berücksichtigt werden, die mit anerkannten Entsendeorganisationen vereinbart wurden.
cc) Eine analoge Anwendung der Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG ist ebenfalls nicht möglich, weil es an der dazu erforderlichen Gesetzeslücke fehlt. Denn die ausdrücklichen Bezugnahmen auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des JFDG und des Beschlusses Nr. 1719/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2006 zur Einführung des Programms "Jugend in Aktion" (ABl. EU Nr. L 327 S. 30) sowie des § 14 b ZDG oder der Richtlinie des BMZ vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) für den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "Weltwärts" machen deutlich, dass Sachverhaltskonstellationen, in denen - wie im Streitfall - die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bezugsnormen nicht erfüllt sind, nach dem Willen des Gesetzgebers keinen Anspruch auf Kindergeld auslösen sollen. Es entspricht daher gerade dem gesetzgeberischen Willen, für Freiwilligenprogramme, die die Voraussetzungen dieser in Bezug genommenen Gesetze bzw. Normen nicht erfüllen, die kindergeldrechtliche Förderung zu versagen (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 2008 4 K 157/06, zur Veröffentlichung bestimmt, betreffend die Regelungen nach dem FSJG).
Das Fehlen einer Gesetzeslücke wird auch dadurch bestätigt, dass der BFH bereits im Jahr 2005 eine Nichtzulassungsbeschwerde für unbegründet gehalten hat, mit der der Beschwerdeführer die Zulassung der Revision erstreiten wollte, nachdem das FG einen Berücksichtigungstatbestand wegen Nichtanerkennung der Entsendeorganisation für ein Kind abgelehnt hatte, das vor Aufnahme einer sozialpädagogischen Ausbildung unentgeltlich in einem Waisenhaus im Ausland arbeitete (BFH-Beschluss vom 29. November 2005 III B 53/05, BFH/NV 2006, 718 auf die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Hessischen FG vom 13. Januar 2005 3 K 2664/04, DStRE 2005, 1006). Auch der Umstand, dass im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde eine Bescheinigung vorgelegt worden war, nach der die Organisation zwischenzeitlich als Träger eines "Anderen Dienstes im Ausland" i.S. des § 14b Abs. 1 und 3 des ZDG anerkannt war, änderte daran nichts.
dd) Die Klägerin kann schließlich auch aus dem Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG keinen Kindergeldanspruch herleiten. Selbst wenn ihr Vortrag, dass für 60 % der mit N reisenden Kinder Kindergeld gewährt werde, zutreffen sollte, könnte ihr gegenüber kein Kindergeld festgesetzt werden. Denn Verwaltungen und Gerichte sind selbst dann nicht befugt, ein Gesetz allgemein oder im Einzelfall zu suspendieren, wenn eine Norm in zahlreichen Fällen nicht befolgt wird (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1989 VIII R 82/86, BFHE 156, 543; BStBl II 1989, 836). Art. 3 Abs. 1 GG fordert lediglich Gleichheit vor dem Gesetz, also Gleichheit im Recht. Eine Gleichheit im Unrecht kann es dagegen nicht geben (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 1967 1 BVR 176/65, BVerfGE 21, 245; ebenso bereits FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 2008 4 K 157/06, zur Veröffentlichung bestimmt, betreffend die Regelungen nach dem FSJG).
2. Der Freiwilligendienst von T in den Monate August bis April 2009 erfüllte schließlich auch nicht den Berücksichtigungstatbestand der Berufsausbildung.
a) Der Berücksichtigungstatbestand "für einen Beruf ausgebildet" i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG umfasst nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BFH alle auf den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen gerichteten Maßnahmen, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, unabhängig davon, ob sie in einer Studien- oder Ausbildungsordnung vorgeschrieben sind. Dabei steht den Eltern und dem Kind von Verfassungs wegen ein weiter Entscheidungsspielraum bei der Gestaltung der Ausbildung zu. Vor dem Hintergrund der Grenze schädlicher Einkünfte und Bezüge nach § 32 Abs. 4 Sätze 2 ff. EStG ist es auch nicht erforderlich, dass die Ausbildungsmaßnahme Zeit und Arbeitskraft des Kindes in überwiegendem Umfang in Anspruch nimmt (BFH-Urteil vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469 unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701 und VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710; vgl. ferner BFH-Beschluss vom 29. November 2005 III B 53/05, BFH/NV 2006, 718).
Allerdings ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "für einen Beruf ausgebildet wird", dass hierunter nicht jeder Auslandsaufenthalt zu fassen ist, der zu einer Verbesserung der Kenntnisse in der jeweiligen Landessprache führt. Der Erwerb der Fremdsprachenkenntnisse kann nicht dem ausbildungswilligen Kind allein überlassen; vielmehr müssen Ausbildungsinhalt und Ausbildungsziel von einer fachlich autorisierten Stelle vorgegeben werden. Sprachaufenthalte im Ausland können deshalb nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie entweder mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden (z.B. Besuch eines Colleges oder einer Universität) oder von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt. Letzteres wird regelmäßig nur dann angenommen, wenn der theoretisch-systematisch Sprachunterricht mindestens 10 Unterrichtsstunden wöchentlich umfasst. Bildungsmaßnahmen in einem Umfang von weniger als 10 Unterrichtsstunden wöchentlich wurden nur anerkannt, wenn sie der üblichen Vorbereitung auf einen anerkannten Prüfungsabschluss dienen und das Kind den Prüfungsabschluss anstrebt (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710: 6 Unterrichtsstunden als Grenzfall; ferner BFH-Urteil vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469, nach welchem ein Geschichtskurs im Umfang von 2 1/2 Zeitstunden je Woche diese Anforderungen weder in inhaltlicher noch in zeitlicher Hinsicht erfüllt; vgl. ferner BFH-Beschluss vom 31. August 2006 III B 39/06, BFH/NV 2006, 2256).
b) Im Streitfall konnte der Freiwilligendienst von T danach nicht als Maßnahme der Berufsausbildung anerkannt werden. Der Freiwilligendienst war zunächst nicht als Voraussetzung für den Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit an der KFH in NRW vorgeschrieben. Die notwendige Voraussetzung eines Vorpraktikum im sozialen Bereich wird durch das dreimonatige Praktikum im Altenpflegeheim erfüllt, welches T im Anschluss an den Freiwilligendienst im Ausland ableisten will. Nach den Studienrichtlinien der KFH bestehen sogar erhebliche Zweifel, ob ein Freiwilligendienst im Ausland über eine nicht anerkannte Entsendeorganisation überhaupt berücksichtigungsfähig wäre. Daran ändert sich weder etwas dadurch, dass der Freiwilligendienst möglicherweise förderlich für das geplante sozialpädagogische Studium von T war, noch dadurch, dass T die Entsendevereinbarung möglicherweise mit einer anderen - anerkannten - Organisation abgeschlossen hätte, wenn die Nichtanerkennung von "N" ihr oder ihren Eltern bekannt gewesen wäre.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil ähnliche Sachverhaltskonstellationen in dem beim BFH anhängigen Revisionsverfahren III R 61/06 gegen das Urteil des Niedersächsischen FG vom 13. Oktober 2005 14 K 364/03 für die in Großbritannien ansässige Wohlfahrtorganisation "M" und im Verfahren III R 33/07 gegen das Urteil des FG Münster vom 24. Oktober 2006 6 K 1734/05 Kg (EFG 2007, 1610) zu entscheiden sind.
Ende der Entscheidung
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