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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: 10 K 4515/03
Rechtsgebiete: HGB, EStG


Vorschriften:

HGB § 255 Abs. 2
EStG § 7 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

10 K 4515/03

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 15. April 2002 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 4. August 2003 mit der Maßgabe geändert, dass bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 99.215,-- DM berücksichtigt werden.

Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen des Klägers auf das vermietete Grundstück U-Str. in der Stadt C sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen darstellen oder als nachträgliche Herstellungskosten nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung - AfA - als Werbungskosten absetzbar sind.

Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks U-Str. in der Stadt C.

Das als Zweifamilienhaus bewertete Grundstück ist seit 1993 vermietet. Die Mieterin nutzt das Grundstück teils zu eigenen Wohnzwecken und teils zu betrieblichen Zwecken (psychotherapeutische Praxis). Die Wohnräume befinden sich dabei im Erdgeschoss und im Obergeschoss. Die Praxisräume sind im Untergeschoss.

Im Rahmen einer vom Gericht am 29. November 2006 durchgeführten Ortsbesichtigung ergab sich folgendes:

Es gibt zwei Eingänge zu dem Haus. Zunächst wurde der linke Eingang als Praxiseingang genutzt. Man ging dann sofort die Treppe herunter und kam nach einem Vorraum in einen größeren Raum, der bis 1999 als Behandlungsraum genutzt wurde. Heute wird dieser Raum privat genutzt. Dieser Raum war früher durch zwei Türen mit dem Büroraum verbunden (in der vom Beklagtenvertreter überreichten Skizze mit "Vorräte" bezeichnet). Durch diesen mussten die Patienten gehen, wenn sie im ersten Trakt auf die Toilette wollten. Durch die rechte Eingangstür kam man über eine Treppe ebenfalls in das Untergeschoss. Nach einer Diele kam man in den mit "Vorräte" bezeichneten Raum. Dabei handelte es sich vor 1999 um den Büroraum der Mieterin. In diesem stand und steht ihr einziger Schreibtisch. Patienten wurden in diesem Raum nur ausnahmsweise behandelt. Dieser Raum hatte eine Tür nach außen in den Garten. Auf der rechten Seite des Raumes befand sich zu 2/3 eine kleinere Mauer. Der dahinter befindliche Raum wurde als Aktenraum und zur Aufbewahrung von Büchern genutzt.

Wegen der Einzelheiten der Räumlichkeiten wird auf das Protokoll über die Ortsbesichtigung sowie die vom Beklagtenvertreter eingereichte Skizze (Blatt 93 der Gerichtsakten) Bezug genommen.

Im Rahmen der 1999 durchgeführten und hier streitbefangenen Bauarbeiten wurde die Zwischenwand abgerissen. Nunmehr wird der gesamte Raum als Büro und Behandlungsraum genutzt. Die Praxisräume befinden sich somit nunmehr ausschließlich auf der rechten Hausseite.

Der Kläger machte bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Jahre 1999 Gesamtkosten in Höhe von 101.239,51 DM als Erhaltungsaufwendungen geltend. Aus den Baurechnungen ergeben sich folgende durchgeführte Gewerke:

 Abtragen des Erdreichs und Erstellen einer Tür - Fensteröffnung 3,80 x 2,00 m. 
Einfassung des Geländers mit Winkelsteinen und anschließende Verfüllung mit Erdreich. 
Isolierung und Abdichtung der Außenwand. 
Einbau eines Stützträgers. 
Abriss von Innenwänden. 
Erstellung von Gipskartonständer- und Vorsatzwänden im Innenbereich einschließlich Unterkonstruktion und Wärmedämmung. 
Summe dieser Rohbauarbeiten56.373,-- DM.
Einbau einer Fensteranlage 3,8 x 1,98 m5.668,-- DM
Einbau einer Heizungsanlage für die Praxis12.266,34 DM
Verlegen von Eichendielen und Wandverkleidungen, Regal und Terrassenboden15.950,-- DM
Elektroarbeiten1.500,-- DM
Nicht näher beschriebene Sanierungsarbeiten4.222,-- DM.

Der Beklagte sah die durchgeführten Baumaßnahmen als nachträgliche Herstellungskosten an und ließ die Kosten nur im Rahmen der Abschreibung nach § 7 Abs. 4 EStG zum Abzug zu.

Den gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 15. April 2002 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 4. August 2003 als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit der Klage trägt der Kläger vor:

In dem Mietvertrag vom 25. November 1993 mit Nachtrag vom 13. Januar 1996 sei für die gesamte Wohn- und Praxisfläche eine Mietraumfläche von 158,44 qm angegeben. Der größere Raum (in einer Anlage mit P3 gekennzeichnet) sei zunächst ausschließlich für Wohnzwecke genutzt worden, indem dort ein Hobbyraum bzw. ein Kinderspielzimmer untergebracht gewesen sei. Gleichzeitig sei dieser Raum bereits als Archiv und Abstellraum für die Praxis mitgenutzt worden. Die Mieterin habe sodann im Laufe der Zeit den Raum P3 umgewidmet und weit überwiegend als Archiv- und Abstellraum für ihren Praxisbedarf genutzt. Eine Nutzung als Nebenraum für Wohnzwecke entfiel, weil sich erhebliche Feuchtigkeitsschäden an der Gartenseite bemerkbar gemacht hätten, die dann auch eine umfassende Sanierung erforderten. Diese unverzichtbare Sanierung habe zu den Aufwendungen geführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 10. November 2003 nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1999 mit der Maßgabe zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 99.215,-- DM berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Senat hat nach vorherigem Hinweis an die Beteiligten den Rechtsstreit gemäß § 6 FGO auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Der Einzelrichter hat am 29.11.2006 eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Dabei bekundete die Zeugin, dass in dem Raum "Vorräte" es bei Hochwasser erhebliche Wasserprobleme gab, da das Wasser die Böschung herunterlief und durch die vorhandene Tür in den Raum kam. Um dieses Problem zu beseitigen, seien die Baumaßnahmen in 1999 durchgeführt worden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1999 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Die streitigen Baumaßnahmen stellen entgegen der Auffassung des Beklagten sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen dar und sind nicht als nachträgliche Herstellungskosten zu qualifizieren.

Nach § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB - liegen Herstellungskosten u.a. bei einer über den ursprünglichen Zustand des betreffenden Wirtschaftsguts hinausgehenden wesentlichen Verbesserung vor. Eine Verbesserung ist in diesem Sinne wesentlich, wenn über die zeitgemäße Erneuerung hinaus nach objektiven Maßstäben der Gebrauchswert des Wirtschaftsguts im ganzen deutlich erhöht wird. Dies ist der Fall, wenn die Veränderungen zu einer höherwertigen Nutzbarkeit des Wirtschaftsguts führen, durch die Maßnahmen somit ein höheres "Nutzungspotential" des Wirtschaftsguts geschaffen wird (vgl. Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 25. Januar 2006 I R 58/04, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2006, 707 mit Rechtsprechungsnachweisen). Dies ist vor dem Hintergrund der betrieblichen Zielsetzung des Unternehmens zu beurteilen und zu bejahen, wenn das Wirtschaftsgut so verändert wird, dass die bisherige Nutzbarkeit nicht nur erhalten, sondern verbessert, aber auch, wenn eine andere Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit des Wirtschaftsguts geschaffen wird.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen im Streitfall keine nachträglichen Herstellungskosten vor.

Dies ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts insbesondere daraus, dass die Baumaßnahmen ganz wesentlich dadurch verursacht wurden, dass Wasser in den Büroraum der Mieterin eindrang und deshalb die Nutzbarkeit des Mietobjekts erheblich eingeschränkt war. Zur Wiederherstellung der normalen Nutzbarkeit musste der Kläger diesen Schaden beseitigen. Die über die Schadensbeseitigung hinausgehenden Baumaßnahmen waren nicht so wesentlich, dass sie zu einer Wesensänderung des Mietobjekts geführt hätten. Der Abbruch der kleinen Zwischenwand in dem Raum "Vorräte" war eine unwesentliche Baumaßnahme. Die einzige wesentliche bauliche Veränderung bestand darin, dass die Tür in dem Raum "Vorräte" herausgenommen und durch eine größere Fensteranlage ersetzt wurde. Diese Baumaßnahme führt jedoch allein nicht zu einer über den bisherigen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung des gesamten Objekts. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich um eine Baumaßnahme lediglich im Untergeschoss des Objektes handelt und die übrigen Räumlichkeiten unverändert geblieben sind. Hinzu kommt, dass die Baumaßnahme zur Beseitigung der "Wasserprobleme" erforderlich wurde.

Entgegen der Auffassung des Beklagten führt die Verlegung der Praxis, die zunächst sowohl im linken als auch im rechten Teil des Hauses über Räumlichkeiten verfügte, allein in den rechten Teil des Hauses nicht zur Annahme von nachträglichen Herstellungskosten. Für den Kläger hat sich durch die Baumaßnahme keine neue betriebliche Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit ergeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO, 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.



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