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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: 10 K 4703/02
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 17 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Ermittlung eines Veräußerungsverlustes nach § 17 EStG streitig.

Der Kläger war seit dem 15. Dezember 1994 mit Geschäftsanteilen in Höhe von 49.000,- DM an der G-GmbH, deren Stammkapital 50.000,- DM betrug, beteiligt. Seit dem 01.01.1999 war er alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Die Anschaffungskosten für die Anteile betrugen 50.000,- DM. Mit notariellem Vertrag vom 27. Dezember 1999 veräußerte er seine Beteiligung für 35.000,- DM. Wegen der finanziellen Lage der G-GmbH wird auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 1999, der auch die Zahlen zum 31. Dezember 1998 enthält, verwiesen.

Die G-GmbH war zu 50 % an der Q-GmbH beteiligt. Die Q-GmbH war durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom November 1997 gegründet worden und hatte ihre Tätigkeit zum 01.01.1998 aufgenommen. Ihr Stammkapital betrug 50.000,- DM. An diesem war neben der G-GmbH ein fremder Dritter zu ebenfalls 50 % beteiligt. Am 20. April 1998 erfolgte die Eintragung in das Handelsregister.

Der Kläger übernahm mit Erklärungen vom 26. Februar 1998 und 4. Februar 1999 Bürgschaften für Verbindlichkeiten der Q-GmbH über insgesamt 300.000,- DM gegenüber der Bank L. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bürgschaftsurkunden Bezug genommen. Vereinbarungen zwischen der Q-GmbH und dem Kläger über das Eingehen der Bürgschaften gab es nicht. Vielmehr hat der Kläger diese nach seinem Sachvortrag übernommen, da die Bank L nicht bereit war, ohne die Bürgschaftsübernahmen der Q-GmbH Kredite zu erteilen. Hinsichtlich der finanziellen Lage der Q-GmbH wird auf den Jahresabschluss zum 31.12.1999, der auch die Vorjahreszahlen enthält, Bezug genommen.

Danach erwirtschaftete die Q-GmbH in 1998 einen Verlust in Höhe von 283.000,- DM und in 1999 einen Verlust in Höhe von 199.000,- DM. Sie wurde anschließend wegen Vermögensverfalls liquidiert.

Der Kläger wurde in 1999 in Höhe von 130.000,- DM aus den für die Q-GmbH eingegangenen Bürgschaften in Anspruch genommen. In 2000 wurde er für weitere Verbindlichkeiten über 14.849,72 DM in Anspruch genommen. Nach seinem unbestrittenen Vortrag ist der Rückgriffsanspruch gegen die Q-GmbH wegen deren Vermögenslosigkeit wertlos.

Die Kläger machten in der Einkommensteuererklärung für 1999 einen Veräußerungsverlust des Klägers aus § 17 EStG in Höhe von 159.849,72 DM geltend. Der Beklagte berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid vom 2. Januar 2002 nur einen Verlust in Höhe von 15.000,- DM (35.000,- DM ./. 50.000,- DM). Den hiergegen eingelegten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2002 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus:

Der Kläger sei nicht selbst an der Q-GmbH beteiligt gewesen. Für die G-GmbH habe die Bürgschaftsübernahme keinen eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt.

Mit der Klage tragen die Kläger vor:

Der Kläger habe nur die Bürgschaft für Verbindlichkeiten der Q-GmbH übernommen, um den Wert seiner Beteiligung an der G-GmbH zu erhalten. Die G-GmbH, die im Wesentlichen nur als Komplementär GmbH fungiert habe, hätte selber keine Bürgschaftsübernahme erklären können, da sie selber nicht über entsprechende Vermögenswerte verfügt habe.

Der Beklagte hat während des Klageverfahrens den Einkommensteuerbescheid mit Bescheid vom 30. März 2004 geändert. Dieser Bescheid ist Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1999 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 30. März 2004 die Einkommensteuer 1999 auf 0,- EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise Vertagung, um die finanzielle Situation der G-GmbH bzw. der Q-GmbH überprüfen zu können;

äußerst hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er trägt ergänzend zur Einspruchsentscheidung vor:

Die Aufwendungen könnten im Streitfall nicht als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden, da die Bürgschaftsübernahme keinen eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt habe. Das Eigenkapitalersatzrecht komme nur im Verhältnis Gesellschafter und Gesellschaft zur Anwendung und gelte nicht für Dritte. Außerdem könne eine Krise der Q-GmbH nicht allein durch Bilanzen nachgewiesen werden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid in Gestalt des Änderungsbescheids vom 30. März 2004 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger deshalb in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Der Beklagte hat zu Unrecht die Aufwendungen in Höhe von 144.849,- DM, die dem Kläger aus der Inanspruchnahme für die für Schulden der Q-GmbH übernommenen Bürgschaften entstanden sind, nicht als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns/-verlusts nach § 17 des Einkommensteuergesetzes - EStG - berücksichtigt.

Zu den bei der Ermittlung eines Veräußerungsverlustes gemäß § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigenden Anschaffungskosten einer Beteiligung gehören auch nachträgliche Aufwendungen, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. nur Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 9/98, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1999, 817, 818).

Der erkennende Senat ist zunächst mit dem Finanzgericht Düsseldorf (Urteil vom 17. Oktober 2005 XI K 2558/04 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 110, BFH Az.: VIII R 66/05) der Auffassung, dass die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft auch dann zu nachträglichen Anschaffungskosten führen kann, wenn auf die Bürgschaft nicht die Regeln des Eigenkapitalersatzrechts anzuwenden sind. Das Finanzgericht Düsseldorf weist zutreffend darauf hin, dass die Regeln des Eigenkapitalersatzrechts dem Schutz der Gläubiger der Kapitalgesellschaft dienen, wohingegen die Besteuerung u.a. sich nach dem Grundsatz der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit richtet. Tätigt jemand Aufwendungen im Zusammenhang mit einer steuerpflichtigen Tätigkeit, so müssen diese Aufwendungen steuermindernd berücksichtigt werden.

Selbst wenn man aber der bisher ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs folgt, sind im Streitfall die Aufwendungen des Klägers aus der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen.

Die Bürgschaft ist im Streitfall durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, da sie eigenkapitalersetzenden Charakter hat.

Zwar weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass das Eigenkapitalersatzrecht nach §§ 32 a und b des GmbH-Gesetzes - GmbHG - regelmäßig nur auf Finanzierungsmaßnahmen eines Gesellschafters Anwendung findet. Bereits nach § 32a Abs. 2 und 3 GmbHG sind dem Gesellschafter jedoch bestimmte Dritte und deren Finanzierungsmaßnahmen gleichgestellt. Auf diese Weise sollen Darlehen erfasst werden, die zwar nicht rechtlich, aber wirtschaftlich von einem Gesellschafter stammen (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §§ 32a/b, Rn. 61).

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist ein solcher Dritter auch der mittelbare Gesellschafter zumindest in dem Fall, dass er die unmittelbare Gesellschafterin beherrscht (ebenso FG München, Urteil vom 21.04.2006 8 K 1923/04, EFG 2006, 1244 mit Anmerkung Müller). Dies trifft im Streitfall zu. Der Kläger war bei Übernahme der ersten Bürgschaft zu 98 % an der unmittelbaren Gesellschafterin beteiligt, im Zeitpunkt der zweiten Bürgschaftsübernahme war er deren alleiniger Gesellschafter. Außerdem war er alleiniger Geschäftsführer der unmittelbaren Gesellschafterin.

Nach Auffassung des erkennenden Senats spricht für die steuerliche Gleichbehandlung von Finanzierungsmaßnahmen eines mittelbaren Gesellschafters mit Finanzierungsmaßnahmen eines unmittelbaren Gesellschafters, dass bei der Frage der Beteiligungshöhe nach § 17 Abs. 1 EStG unstreitig mittelbare und unmittelbare Beteiligungen zusammengerechnet werden. Können aber mittelbare Beteiligungen erst zur Anwendung des § 17 EStG und damit zur Steuerverhaftung der unmittelbaren Beteiligung führen, ist auf der anderen Seite nicht einzusehen, dass Finanzierungsmaßnahmen eines mittelbaren Gesellschafters anders behandelt werden sollen als Finanzierungsmaßnahmen eines unmittelbaren Gesellschafters.

Dieses Ergebnis wird bestätigt durch einen Vergleich mit dem Fall, dass der Kläger auf seinen Rückgriffsanspruch, den er aus der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft gegenüber der Hauptschuldnerin erlangt hatte, dieser gegenüber verzichtet hätte. In diesem Fall lägen zwei mittelbare verdeckte Einlagen vor (vgl. hierzu Gosch/Roser, KStG, 2005, § 8 Rz. 115). Es läge eine verdeckte Einlage des Klägers in die G-GmbH und eine verdeckte Einlage der G-GmbH in die Q-GmbH vor. Denn die Gewährung der Vermögensvorteile an die Q-GmbH ist geeignet, den Wert der Beteiligung der G-GmbH an der Q-GmbH zu erhöhen, wodurch auch der Wert der Beteiligung des Klägers an der G-GmbH erhöht wird (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 9. September 1996 VIII R 159/85, BStBl II 1987, 257, 259). Eine verdeckte Einlage in das Vermögen einer GmbH erhöht unstreitig die Anschaffungskosten der GmbH-Geschäftsanteile. Es gibt keine Argumente dafür, den Verzicht auf den Rückgriffsanspruch anders zu behandeln als den Nichtverzicht auf einen wertlosen Rückgriffsanspruch.

Die Bürgschaftsübernahme durch den Kläger stellt im Streitfall eine eigenkapitalersetzende Finanzierungsmaßnahme dar.

Hierzu hat der 10. Senat des Bundesfinanzhofs mit Urteil vom 31. Mai 2005 X R 36/02 (BStBl II 2005, 707) zutreffend ausgeführt, dass eine Bürgschaft, gleichviel, ob sie erst in der Krise der GmbH oder bereits vor deren Eintritt gewährt wurde und krisenbestimmt oder nicht krisenbestimmt war, eigenkapitalersetzenden Charakter besitzt. Der erkennende Senat stimmt dieser Auffassung, die alleine dem Bürgschaftscharakter gerecht wird, zu (vgl. ebenso bereits Finanzgericht Köln, Urteil vom 09.10.1997 2 K 442/95, EFG, 1998, 738).

Der eigenkapitalersetzende Charakter ist aber auch dann zu bejahen, wenn man dem VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 9/98, BStBl II 1999, 817, mit dem er das vorerwähnte Urteil des Finanzgerichts Köln mit nicht überzeugenden Gründen, da eine Bürgschaft von ihrem Charakter her immer für den Fall der Krise bestimmt ist, aufgehoben hat) folgt. Die Q-GmbH befand sich im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme in der Krise. Dies ist für die zweite im Februar 1999 übernommene Bürgschaft nicht zweifelhaft. Die Q-GmbH hatte zum 31.12.1998 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von über 233.000,- DM. Der Verlust des Vorjahres belief sich auf ca. 283.000,- DM. Bei dem, was an Aktivvermögen bei der Q-GmbH vorhanden war, hätte ein fremder Dritter unter den gleichen Bedingungen wie der Kläger (Unentgeltlichkeit der Bürgschaftsübernahme, keine Stellung von Sicherheiten durch die GmbH) nicht eine Bürgschaft für Schulden der GmbH übernommen.

Entsprechendes gilt für die im Februar 1998 übernommene Bürgschaft. Hier kommt hinzu, dass es sich wohl um eine Finanzplanbürgschaft handelt, da bereits vor Eintragung der GmbH in das Handelsregister erkennbar war, dass diese ohne eine entsprechende Bürgschaft ihren Geschäftsbetrieb nicht in dem vorgesehenen Umfang aufnehmen kann.

Der Rückgriffsanspruch des Klägers gegen die Q-GmbH war aufgrund deren Vermögenslosigkeit wertlos.

Die Frage der steuerlichen Berücksichtigung von sog. Drittaufwand spielt im Streitfall keine Rolle. Der Kläger hat eigene Aufwendungen gehabt, die er steuerlich berücksichtigt wissen will. Ein Fall von Drittaufwand läge nur vor, wenn die G-GmbH Aufwendungen des Klägers als eigene geltend machen wollte (vgl. hierzu Finanzgericht Münster, Urteil vom 11. September 2003 14 K 1360/03, EFG 2004, 262 mit Hinweisen auf die BFH-Urteile vom 12. Dezember 2000).

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1996 VIII B 71/96 (BStBl II 1997, 290) nicht einschlägig. In dem vom BFH entschiedenen Fall ging es um die Bürgschaftsübernahme durch den GmbH-Gesellschafter für Schulden einer Kommanditgesellschaft, an der die GmbH nicht beteiligt war. Im Streitfall geht es demgegenüber um die Bürgschaftsübernahme durch einen mittelbaren Gesellschafter.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 FGO, 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Der Senat lässt nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Die grundsätzliche Bedeutung betrifft zum einen die Frage, ob Aufwendungen eines mittelbaren Gesellschafters zu Gunsten der Gesellschaft, an der er mittelbar beteiligt ist, zu nachträglichen Anschaffungskosten hinsichtlich seiner Anteile an der Gesellschaft, an der er unmittelbar beteiligt ist, führen können. Zum anderen soll dem Bundesfinanzhof Gelegenheit gegeben werden, den Widerspruch zwischen der Rechtsprechung des 8. und 10. Senats hinsichtlich des eigenkapitalersetzenden Charakters von Bürgschaften zu beseitigen.

Ende der Entscheidung

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