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Gericht: Finanzgericht Köln
Beschluss verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 10 Ko 540/08
Rechtsgebiete: VV RVG


Vorschriften:

VV RVG Nr. 2400
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

10 Ko 540/08

Tenor:

Die der Erinnerungsgegnerin für das Verfahren 11 K 2969/06 einschließlich des Vorverfahrens zu erstattenden Kosten werden auf 2.854,17 € festgesetzt.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens haben der Erinnerungsführer zu 2/9 und die Erinnerungsgegnerin zu 7/9 zu tragen.

Gründe:

I. Der verstorbene Ehemann der Erinnerungsgegnerin betrieb ein Gewerbe "Betrieb von Taxis und Mietwagen mit Fahrer". Die Gewinnermittlung erfolgte durch Bestandsvergleich. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde u.a. aufgrund von Mängeln in der Kassenführung die Nichtordnungsmäßigkeit der Buchführung festgestellt. Insbesondere waren die Schichtzettel der Fahrer trotz entsprechender Hinweise in vorangegangenen Prüfungen nicht aufbewahrt worden (BP-Bericht vom 3. Februar 2006). Die Prüfungsfeststellungen und die sich daraus ergebenden steuerrechtlichen Konsequenzen wurden mit der Steuerberaterin X und dem jetzigen Bevollmächtigten der Erinnerungsgegnerin am 14. November 2005 an Amtsstelle ausführlich besprochen. Dabei wurden den Vertretern der Erinnerungsgegnerin auch Zusammenstellungen der ermittelten Fahrleistungen und der Kalkulation überlassen. Mit Bescheiden vom 13. Februar 2006 nahm der Erinnerungsführer schließlich die zuvor bereits angekündigte Vollschätzung der Besteuerungsgrundlagen vor.

Im Einspruchsverfahren gegen die aufgrund der Schätzung ergangenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 trat der jetzige Bevollmächtigte für den verstorbenen Ehemann der Erinnerungsgegnerin auf und machte geltend, die Kalkulation sei unzutreffend. Die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung seien unklar und weder mitgeteilt noch ausreichend begründet worden. Der bei der Kalkulation zugrunde gelegte Bruttoerlös i.H.v. 1,76 DM je gefahrenen Kilometer sei ebenso überhöht wie der Anteil der Besetzt-Kilometer von 50%. Ein weiterer Fehler ergebe sich daraus, dass für die Fahrzeuge keine Privatfahrten berücksichtigt worden seien. Jedenfalls zwei näher bezeichnete Fahrzeuge seien vom Sohn und der Erinnerungsgegnerin genutzt worden. Auf anschließende Bemühungen des Erinnerungsführers, die Angelegenheit im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens zu erörtern, reagierte der Bevollmächtigte nicht. Der Einspruch blieb deshalb ohne Erfolg.

Im anschließenden Klageverfahren 11 K 2969/06 wegen Umsatzsteuer für die Jahre 2001 bis 2003 führte der verstorbene Ehemann der Erinnerungsgegnerin sein Begehren fort. Im zugehörigen Aussetzungsverfahren wurde eine unzumutbare Härte der Vollziehung wegen der angespannten finanziellen Situation geltend gemacht.

Im Anschluss an einen umfangreichen Erörterungstermin vom 30. August 2006 verständigten sich die Beteiligten auf Vorschlag des Berichterstatters darauf, einen Brutto-Erlös von 1,60 DM für jeden gefahrenen Kilometer zugrundezulegen. Zur anschließenden Hauptsacheerledigung kam es allerdings erst, nachdem in anschließenden Schriftsätzen noch wechselseitig Argumente und Berechnungen ausgetauscht worden waren. Die Kosten des Verfahrens wurden im Beschluss vom 28. Juni 2007 schließlich dem Erinnerungsführer zu 66% und dem verstorbenen Ehemann der Erinnerungsgegnerin zu 34% auferlegt.

Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 13. Juli 2007 beantragte der Bevollmächtigte, die zu erstattenden Kosten mit 2.275,42 € festzusetzen, wobei er allerdings irrtümlich keine Kosten für das Einspruchsverfahren berücksichtigte. Nachdem der Erinnerungsführer mit Schreiben vom 20. August 2007 Einwendungen geäußert hatte, beantragte der Bevollmächtigte am 18. September 2007, die zu erstattenden Kosten mit 3.509,02 € festzusetzen, wobei er nunmehr auch die Erstattung einer 2,5 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG begehrte.

Im vorliegend streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. Januar 2008 setzte der Kostenbeamte die für das Verfahren 11 K 2969/06 insgesamt zu erstattenden Kosten auf 3.509,02 € fest.

Der Erinnerungsführer hält den Ansatz einer 2,5 Geschäftsgebühr für nicht nachvollziehbar. Der Gebührenrahmen betrage nach Nr. 2400 VV RVG 0,5 bis 2,5. Der Bevollmächtigte habe im Vorverfahren lediglich das Einspruchsschreiben gefertigt. Eine weitere Tätigkeit sei nicht erfolgt. Da eine umfangreiche Tätigkeit des Bevollmächtigten im Vorverfahren nicht festgestellt werden könne, sei maximal eine 0,5 Geschäftsgebühr erstattungsfähig.

Die Erinnerungsgegnerin macht geltend, für die Schwierigkeit einer Angelegenheit sei auf die Kenntnisse eines durchschnittlichen und nicht spezialisierten Rechtsanwalts abzustellen. Vor diesem Hintergrund sei Steuerrecht eine Spezialmaterie von besonderer Schwierigkeit. Dies gelte insbesondere, wenn komplexe Schätzungen angegriffen würden. Die Ausschöpfung des Gebührenrahmens sei daher gerechtfertigt.

II. Die Erinnerung ist nur teilweise begründet.

1. Dem Bevollmächtigten steht für das Betreiben des Vorverfahrens eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV RVG zu.

a) Die Vergütung für außergerichtliche Tätigkeiten richtet sich seit der Neuregelung des Kostenrechts zum 1. Juli 2004 durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BGBl I 2004, 718, 788) nach Teil 2 des Vergütungsverzeichnisses (VV) in der Anlage zum RVG. Die Gebühr für die Vertretung im Einspruchsverfahren zur Nachprüfung eines Verwaltungsakts ist in den Nr. 2400 bzw. 2401 VV RVG geregelt. Nach Nr. 2400 VV RVG erhält der Anwalt für die Vertretung im Einspruchsverfahren für alle mit der außergerichtlichen Rechtsbesorgung in dieser Angelegenheit anfallenden Tätigkeiten (vgl. BT-Drucks. 15/1971, 206) eine Geschäftsgebühr in Form einer Rahmengebühr von 0,5 bis 2,5.

b) Gemäß § 14 Abs. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Für die Bemessung der Geschäftsgebühr ist allerdings zusätzlich die Erläuterung zu Nr. 2400 VV RVG zu berücksichtigen, in der zur konkreten Bemessung der Geschäftsgebühr ergänzend ausgeführt wird, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur verlangt werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

c) Der insgesamt weite Rahmen der Gebühr sollte eine flexiblere Gestaltung ermöglichen, weil die seit Geltung der Neuregelung im Vorverfahren allein anfallende Geschäftsgebühr das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und der Teilnahme an Besprechungen sowie das sonstige Mitwirken abgelten sollte, im Gegensatz zur früheren Rechtslage also weder eine zusätzliche Besprechungsgebühr noch eine Beweisaufnahmegebühr vorgesehen ist. Diese Vereinheitlichung macht eine Einordnung der unterschiedlichen außergerichtlichen Vertretungsfälle in den zur Verfügung stehenden größeren Gebührenrahmen erforderlich und zwingt zwangsläufig auch zu einer Neubestimmung des "Normalfalls" (vgl. BT-Drucks. 15/1971, 206). Vor diesem Hintergrund heißt es in der Gesetzesbegründung weiter, dass die Bemessung der Gebühr mit 1,3 den Regelfall bilden sollte. Durch dieses Regel-Ausnahme-Prinzip sollte der unter Geltung der BRAGO verbreiteten Übung entgegengewirkt werden, bei den zu erstattenden Kosten regelmäßig die früher maximal mögliche 10/10-Gebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) auszuschöpfen. Wenn Umfang oder Schwierigkeit der Angelegenheit nicht über dem Durchschnitt liegen, wird die Schwellengebühr von 1,3 zur Regelgebühr (BT-Drucks. 15/1971, 150 bzw. 206). Ferner wird ausgeführt, dass nach der Neuregelung eine zusätzlich geführte Besprechung keine weitere Gebühr auslöse, sondern allenfalls im bestehenden Rahmen zu einer Erhöhung der Geschäftsgebühr führen könne, wobei allerdings ein einzelnes kurzes Telefongespräch allenfalls ausnahmsweise ins Gewicht falle.

d) Im Streitfall ist dem Bevollmächtigten zuzugeben, dass für die Schwierigkeit einer Angelegenheit auf die Kenntnisse eines durchschnittlichen und nicht spezialisierten Rechtsanwalts abzustellen ist und ebenso, dass es sich beim Steuerrecht um eine häufig schwierige Spezialmaterie handelt, so dass die Angelegenheit, auch wenn es sich um eine bloße Schätzung der Besteuerungsgrundlagen im Hinblick auf eine nicht ordnungsmäßige Buchführung handelt, vom Schwierigkeitsgrad her durchaus mit überdurchschnittlich eingestuft werden kann. Es kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Umfang der vom Bevollmächtigten im Vorverfahren erbrachten Tätigkeit nicht einmal ansatzweise an einen durchschnittlichen Bearbeitungsumfang heranreicht. Ein durchschnittlicher Arbeitseinsatz erfordert mindestens die Beantwortung von Erörterungsschreiben und ein Eingehen auf die Argumente des anderen Teils. Letzteres erfolgte im Streitfall erst nach dem Gelangen in das für den Bevollmächtigten kostenrechtlich interessante Klageverfahren mit der Möglichkeit einer Kostenerstattung, die im Vorverfahren nicht vorgesehen ist. Auch eine den Arbeitsaufwand des Bevollmächtigten erhöhende Besprechung bzw. ein entsprechendes Telefonat hat im Einspruchsverfahren nicht stattgefunden, so dass es insgesamt bei der Schwellengebühr von 1,3 bleiben muss.

e) Die zu erstattenden Kosten berechnen sich demnach wie folgt:

 Einspruchsverfahren (Streitwert: 35.411 €; Gebühr: 902 €)  
1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV RVG1.172,60 €
Pauschale für Post- und Telekommunikation20,00 €
Klageverfahren (Streitwert: 35.411 €; Gebühr: 902 €)  
1,6 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG1.443,20 €
anzurechnen die Hälfte der Geschäftsgebühr ./.586,30 €
(Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV) 
1,2 Terminsgebühr Nr. 3202 VV RVG1.082,40 €
1,3 Erledigungsgebühr1.172,60 €
Pauschale für Post- und Telekommunikation20,00 €
Summe4.324,50 €
zu erstatten deshalb (66%)2.854,17 €

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO. Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis ( Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.

Ende der Entscheidung

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