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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 06.12.2006
Aktenzeichen: 11 K 5825/04
Rechtsgebiete: EStG, LStDV VZ 2006


Vorschriften:

EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1
LStDV VZ 2006 § 1 Abs. 1 S. 1
LStDV VZ 2006 § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

11 K 5825/04

Tenor:

Unter Abänderung des Haftungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ..........2004 wird die Haftungssumme wie folgt festgesetzt

 Lohnsteuer1999-2002468.014,44 EUR
Solidaritätszuschlag1999-200225.740,79 EUR
Kirchensteuer ev1999-200221.060,65 EUR
Kirchensteuer rk1999-200221.060,65 EUR.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 71 % und dem Beklagten zu 29 % auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Haftungsinanspruchnahme wegen Lohnsteuer und die Einordnung bestimmter Mitarbeiter als Selbständige oder Arbeitnehmer der Klägerin.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft ein Unternehmen mit dem Gegenstand Befragungen für Markt- und Meinungsforschung. Sie führt Kundenzufriedenheitsbefragungen, Marktpotentialerhebungen und Meinungsbefragungen per Telefon und/oder Internet durch. Dazu verfügt sie über mehrere Telefonstudios mit einer Vielzahl von Telefonarbeitsplätzen und jeweils einem Arbeitsplatz für einen Supervisor. Sie beschäftigt je nach Auftragsvolumen ca. 900 bis 1000 Interviewer, die sie als freie Mitarbeiter behandelte und für die sie dementsprechend weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge einbehielt und abführte. Die Räume der Klägerin werden teilweise videoüberwacht. Der Status dieser Interviewer und deren Tätigkeit ergeben sich aus einer Arbeits- und Einweisungsanleitung. Eine Kopie dieser Anleitung, auf die ergänzend verwiesen wird, befindet sich in den Steuerakten des Beklagten (gesonderter blauer Hefter). Auszugsweise lautet diese wie folgt:

(...) 3. Interviewerin ..........

3.1. Was Sie mitbringen sollten

Neben der Motivation und Spaß an der Arbeit sind sprachliche Kompetenz und ein bißchen PC-Erfahrung unabdingbare Voraussetzung für die Tätigkeit als Telefoninterviewer. PC-Erfahrungen sollten Sie vorweisen können, weil wir unsere Befragungen computergestützt durchführen, d.h. dass Sie den Fragebogen auf dem Computer an Ihrem Studioplatz eingespielt bekommen und die Antworten Ihrer Interviewpartner in den Computer eingeben müssen. Die Befragungssoftware hierfür ist sehr benutzerfreundlich, dennoch sollten Sie mit grundlegenden Elementen wie Bildschirm, Tastatur und Menuführung vertraut sein. Unter sprachlicher Kompetenz verstehen wir die Fähigkeit, am Telefon stets freundlich und korrekt aufzutreten ohne dabei die Interessen der Befragung aus den Augen zu verlieren, sowie Flexibilität im Umgang mit verschiedenen gesellschaftlichen Zielgruppen. Denn erstens führen wir Befragungen verschiedener gesellschaftlicher Zielgruppen durch (z.B. Geschäftsleute oder Privatpersonen), zweitens wollen Sie etwas von Ihrem Interviewpartner (nämlich Zeit und Information) und drittens vertreten Sie am Telefon die .......... und ................ AG.

3.2. Was Sie bei uns lernen können

(...) Diese Fähigkeit, sich schnell und flexibel auf verschieden Zielgruppen einstellen zu können, können Sie durch die Feedback-Gespräche der Supervision ständig verbessern. Darüber hinaus lernen Sie bei uns das Arbeiten im Team. Zwar führen Sie die Interviews alleine durch, die Anbahnung von Gesprächsterminen mit Interviewpartnern erfolgt jedoch im Team, da häufig eine ganze Reihe von Anbahngesprächen nötig sind, bis es zur eigentlichen Durchführung des Interviews kommt. Das heißt: Sehr oft führen Sie Gespräche, in denen Sie die Zielperson zwar überzeugen an einem Interview teilzunehmen, jedoch das Interview nicht selber durchführen, weil die Zielperson erst später Zeit hat. Eine Kollegin von Ihnen wird also letztlich davon profitieren, wie gut Sie die Vorarbeit geleistet haben, genau so wie Sie immer wieder davon profitieren werden, dass Kolleginnen die Vorarbeit für Sie geleistet haben, und Sie nur noch das Interview durchführen müssen. (...)

4. Rahmenbedingungen

4.1. Ihre Bezahlung

Wir bezahlen einen leistungsorientiertes Stundenhonorar, das zwischen 14,- und 18,- DM liegt. Die Kriterien und Berechnungsgrundlagen entnehmen Sie bitte dem Kapitel "6. "Equal" - Die Stundenhonorarfestlegung". Außerdem bezahlen wir für Interviewerinnen, die eine bestimmte Zeit bei uns tätig waren, einen Treue-Aufschlag zum Stundenhonorar (s.6.4.).

4.2. Testzeit

Die Testzeit endet mit Erreichen einer Gesamttätigkeitszeit von 40 Stunden zu Beginn eines Abrechnungszeitraumes, jedoch nicht vor Ablauf von 30 Tagen. (...). Während der Testzeit verdienen Sie 14,00 DM pro Stunde.

4.3. Ihr Status

Als Telefoninterviewerin für die .............. & ................ AG arbeiten Sie freiberuflich auf Honorarbasis, d.h. wir bezahlen Ihnen Ihr Honorar ohne jeden Abzug von Steuer oder Versicherung aus. Für die Versteuerung Ihres Einkommens sind Sie als Honorarkraft selbst verantwortlich. Sofern Sie über einen längeren Zeitraum regelmäßig für uns tätig sind und bereit sind, sich auch als abhängiger Beschäftigter zu betätigen, besteht die Möglichkeit, Sie "auf Lohnsteuerkarte" anzustellen. In diesem Fall sind Sie auch sozialversichert. Die Entscheidung, ob freiberufliche Honorarkraft oder ob "mit Lohnsteuerkarte" richtet sich nach den arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Eine weitere Konsequenz aus Ihrem Status als Teilzeitkraft auf Honorarbasis ist, dass Sie keine Arbeit von uns einfordern, und wir Ihre Arbeitskraft nicht ohne Ihre Zustimmung einplanen können. An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass wir Ihnen keine Arbeit garantieren können. Branchenspezifische Anforderungen bringen es mit sich, dass die Auslastung der Telefonstudios nicht kontinuierlich gleich hoch ist. Aus diesem Sachverhalt resultiert unser flexibles Schichtensystem, das es Ihnen ermöglicht die Tage und Schichten, die Sie bei uns tätig sein möchten, selbst zu bestimmen.

4.4. Ihre Schichtzeiten

4.4.1. Zeiten und Vergabe der Schichten

Wochentag Schichten

Von bis

Mo - Fr 09:00 13:00 13:00 17:00 17:00 (16:00) 21:15

Samstag 10:00 14:00 14:00 18:00

Die Schichtenvergabe erfolgt jeweils Donnerstag um 15:00 Uhr mündlich oder telefonisch unter der gebührenfreien Vanity-Number (...)

Eine normale Schicht dauert vier Stunden und beinhaltet 20 Minuten bezahlte Pausenzeit. Ihnen stehen also pro Stunde 5 Min. Pausenzeit zu, die Sie sich belieb einteilen können. Für die Pause melden Sie sich bitte über den Menupunkt "Aktionen" mit "Pause" im System ab. Zeiten, in denen Sie "file exhausted" sind, Ihnen also für einen begrenzten Zeitraum keine Adressen zur Verfügung stehen, werden als Pausenzeiten betrachtet.

Es kann auch einmal vorkommen, dass wir Sie bitten etwas länger zu bleiben, um bei der Erreichung eines Tagesziels mitzuhelfen. Diese Anfragen erfolgen in der Regel sehr kurzfristig und sind daher nicht bindend.

ACHTUNG. UM EINE REIBUNGSLOSE EINARBEITUNG ZU GEWÄHRLEISTEN; MÜSSEN WIR DARAUF BESTEHEN; DASS SIE IN DEN ERSTEN VIER WOCHEN IHRER TÄTIGKEIT MINDESTENS 6 SCHICHTEN WAHRNEHMEN.

Danach steht es ihnen frei, jede Woche neue Termine mit uns zu vereinbaren. Sofern Sie z.B. studieren, können Sie Ihr Tätigkeitsvolumen danach ausrichten, ob Sie gerade mit Klausuren oder Hausarbeiten befasst sind, oder eine Phase haben, in der Sie gerne mehr Zeit bei uns tätig sein möchten. Die Anfangs- und Endzeiten der Schichten sind allerdings verbindlich. Außer während der Testzeit (s.o.) gibt es keine definierte Mindestzeit. Die Praxis zeigt jedoch, dass sich längerfristig bei weniger als einer Schicht pro Woche zu wenig Routine einstellt.

4.4.2. Absage von Schichten und Verspätungen

Sie haben die Möglichkeit vereinbarten Schichtterme abzusagen, sofern Ihnen einmal etwas dazwischen kommen sollte. Absagen müssen aber mindestens zwei Schichten vor Beginn einer vereinbarten Schicht erfolgen, da wir diese Zeit einkalkulieren müssen, um einen Ersatz zu finden. Falls Ihre Absage kurzfristiger erfolgt, gilt Ihr Fehlen als nicht entschuldigt. Für Verspätungen gilt das gleiche Verfahren.

4.4.3. Der Einsatzplan

Der Einsatzplan ist das Dokument, auf dem Sie die Studien, die Sie telefoniert haben, mit Anfangs- und Endzeiten notieren. Es ist wichtig, dass Sie sich bei Schichtende korrekt und vollständig austragen, da der Einsatzplan zugleich das Dokument ist, nach dessen Angaben wir Ihre geleistete Tätigkeitszeit erfassen.

Bevor Sie mit Ihrer Tätigkeit beginnen, müssen Sie die Anfangszeit auf dem Einsatzplan notieren und die für Sie vorgesehene Studie dort ablesen.

4.5. Ihre Ansprechpartner: Supervision und Studio-Administration

4.5.1. Die Supervision

Die Supervision umfasst folgende Aufgabenbereiche:

- Technische und inhaltliche Betreuung der InterviewerInnen währen einer Schicht

- Bewertungen von Interviews (Bewertungsprotokoll mit anschließendem Feedback)

Die Schichtleiter sind für Sie die ersten Ansprechpartner in allen Belangen des täglichen Schichtbetriebs, d.h. sie stehen Ihnen Rede und Antwort zu allen technischen und studienspezifischen Fragen. Die SupervisorInnen achten auf die Einhaltung studienspezifischer Belange und allgemeiner Regeln der Interviewführung. Zu diesem Zwecke verfolgen Sie einzelne Interviews audiovisuell mit, schreiben ein Bewertungsprotokoll (s.6.4.), das als Grundlage für die Bewertung Ihrer Interview-Qualität (s. 6.3.) dient und geben in jedem Fall ein Feedback zu jedem bewerteten Interview. So erhalten Sie die Möglichkeit anhand des Feedbacks Ihre Interview-Qualität ständig zu verbessern. (...)

4.8. Einige Regeln für den Aufenthalt im Telefonstudio

- Die Testversionen von Studien müssen vor dem ersten Einsatz auf einer Studie einmal gründlich durchgelesen werden, damit Sie mit dem Fragebogen vertraut sind.

- Bei Auffälligkeiten im Fragebogen informieren Sie bitte den Schichtleiter.

- Handys müssen vor betreten eines Telefonstudios ausgeschaltet sein

- Essen, Lesen, Rauchen und ähnliche Beschäftigungen sind nur in den Pausenräumen gestattet!

- Getränke dürfen nur in Form der kleinen 0,33 l wiederverschließbaren Wasserflaschen mit ins Studio genommen werden.

- Es dürfen keinerlei Veränderungen an den Computern und Bildschirmen vorgenommen werden.

- Da sich in den Höchstzeiten bis zu 240(!) Interviewerinnen am Tag in unseren Studios aufhalten, sind wir in Sachen "Ordnung und Sauberkeit" auf Ihre Mithilfe angewiesen. Bitte räumen Sie nach Schichtende den Arbeitsplatz auf, damit ein reibungsloser Schichtwechsel möglich ist.

- Bei Fragen wenden Sie sich bitte immer an einen Supervisorin. (...)

5. Die Befragung (...)

5.2. Wer wird befragt

5.2.1. Die Zielgruppen

Eine Zielgruppe ist der Kreis von Personen, über den die Ergebnisse einer Befragung eine Aussage treffen sollen. Dementsprechend wird vorher festgelegt, welche Personengruppen befragt werden dürfen. Bei allen Befragungen wird dem Interviewer vorgegeben, wer in einem Unternehmen oder einem Haushalt befragt werden soll. (...)

5.3. Wie wird befragt?

5.3.1. Die Befragungssoftware "Odin für Windows"

Das Interviewprogramm ODIN ermöglicht die Durchführung von computergestützten Interviews am Telefon. Der Rechner steuert den Ablauf des Interviews, prüft und benennt Fehler in der Eingabe. Er übernimmt für Sie die Adress- bzw. Terminverwaltung, d.h. er spielt die jeweilige Adresse zum gegebenen Zeitpunkt auf einen beliebigen Rechner wieder ein. Sie brauchen sich keine Gedanken über Fragebogenablauf, Filterführung, zulässige Wertebereiche und Plausibilitätsprüfungen zu machen und können sich ausschließlich auf das Interviewgespräch konzentrieren. Sie müssen lediglich die Angaben des Befragten eintippen. Prinzipiell gilt: jede Eingabe wird mit der ENTER-Taste abgeschlossen bzw. durch klicken mit der linken Maustaste auf "OK". (...)

5.4. Darauf müssen sie achten ! (...)

5.4.2. Neutralität

1. Der Text eines Fragebogens darf durch die InterviewerInnen nicht interpretiert oder erläutert werden.

2. Es wird niemals ein Fragenblock bzw. eine Frage selbstständig übersprungen, auch wenn der Interviewpartner nichts zu einem Thema sagen kann oder will. Es werden immer alle Fragen und Antworten vollständig vorgelesen! Ausnahmen gelten nur nach Absprache mit der Supervision. Wenn eine ZP Sie auffordert, einzelne Fragen oder Frageblöcke zu überspringen (z.B. "Da kann ich Ihnen eh nichts zu sagen."), müssen Sie erklären, dass die Repräsentativität einer Befragung nur dann gewährleistet sein kann, wenn jedem Interviewpartner jede Frage vorgelegt wird, und es Ihnen leider nicht erlaubt ist, Fragen auszulassen. Es lässt sich einfach nicht vorhersagen, ob ein Interviewpartner zu einem Thema nicht doch etwas sagen kann.

3. Es wird der Zielperson grundsätzlich keine Antwort suggeriert (also z.B.: "Wenn ich Sie richtig verstanden habe, meinen Sie, dass..."). Die Zielperson muss selbständig eine Antwort innerhalb der vorgegebenen Kategorien geben.

5.4.3 Weitere Regeln

- Es muss immer eine Antwort gegeben werden. Ohne gültige Antwort gelangen Sie nicht auf die nächste Bildschirmseite. Wenn eine Zielperson die Antwort auf eine Frage verweigert oder die Antwort nicht weiß, geben sie den entsprechenden Zahlencode ("w.n. / k.A.") ein oder klicken ihn mit der linken Maustaste an.

- Beachten Sie bitte unbedingt die eingespielten Intervieweranweisungen, wie z.B.: "INT: Nicht vorlesen!"

- Bei offenen Fragen und Mehrfachnennungen lassen Sie der Zielperson bitte Zeit, die Fragen in Ruhe zu beantworten, und fragen Sie intensiv nach ("Fällt Ihnen sonst noch etwas dazu ein?"). Fragen dieser Art sind mit einer einzelnen Antwort in der Regel nicht ausreichend beantwortet! (...)

- Sie sollten sich niemals auf Diskussionen mit der ZP einlassen. Wenn ein Gespräch die sachliche Ebene zu verlassen droht, weil die ZP über einen Sachverhalt stark verärgert ist, kann der ZP zur Klärung die Durchwahl der Supervision (.................) angeboten werden. Sollte eine ZP tatsächlich einmal ausfällig oder gar persönlich angreifen, kann das Gespräch jederzeit mit einer kurzen, sachlichen Floskel beendet werden (z.B. "Ich habe das Gefühl, wir finden da nicht mehr zueinander. Ich denke unter diesen Umständen ist es sinnvoll, dass Gespräch zu beenden.").

Von jeder Regel kann es studienbedingte Ausnahmen geben. Diese werden jedoch ausdrücklich für eine Studie bekannt gegeben. (...)

6. "Equal" - Die Stundenhonorarfestlegung

Wir bezahlen ein Stundenhonorar zwischen 14,- und 18,- DM. In welchem Bereich der Spanne zwischen 14,- und 18,- DM Ihr Honorar liegt, wird monatlich ermittelt. In die Berechnung Ihres Stundenhonorars fließen die drei Leistungsbereiche "Schlagzahl", "Ausschöpfung" und "Interviewqualität" zu gleichen Teilen ein (s. 6.1. bis 6.3.).

Übrigens: Bei der Berechnung der Punktzahlen für diese drei Bereiche orientieren wir uns immer am Durchschnitt aller InterviewerInnen. Wir machen keinerlei Leistungsvorgaben, in dem wir z.B. sagen "Soundsoviele Interviews werden auf einer Studie pro Stunde verlangt", sondern legen die tatsächlich erbrachte durchschnittliche Leistung aller InterviewerInnen zugrunde. (...)

6.3. Interviewqualität

Wie Sie inzwischen wissen, haben wir für ein gutes und korrektes Interview sehr klare Vorgaben definiert. Natürlich müssen wir auf die Einhaltung dieser Vorgaben achten, nicht zuletzt um glaubwürdig zu bleiben gegenüber unseren Kunden, denen wir einen bestimmten Qualitätsstandard versprechen. Die Interviewqualität wird von der Supervision audiovisuell mitverfolgt (oder auch einfach "gewatcht"). Über jedes "gewatchte" Interview wird ein Bewertungsprotokoll (s. 6.4. und 6.5.) erstellt. Neben der Qualitätssicherung dienen die Bewertungen in erster Linie dem Feedback Ihrer Tätigkeit. Jedes Mal, wenn das Bewertungsprotokoll eines Interviews von Ihnen erstellt wird, erhalten Sie ein mündliches Feedback durch die Supervisoren. (...)

6.6. Berechnung des Stundenhonorars

Die Abrechnung erfolgt immer am letzten Mittwoch vor dem 25. eines Monats. (...)

Im Jahr 2002 fand bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Prüfungszeitraum 01.05.1999 bis 30.06.2002 statt. Die Lohnsteuer-Außenprüfung kam u.a. zu dem Ergebnis, dass die Interviewer nicht selbständig tätig seien, sondern als Arbeitnehmer einzuordnen seien. Die Klägerin habe daher Lohnsteuer einbehalten müssen.

Den Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung folgend nahm der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom ........2002 für nicht abgeführte Lohnsteuer i.H.v. 733.752,72 EUR zuzüglich Nebensteuern in Haftung. Bei der Berechnung der Lohnsteuer wandte er in allen Fällen die Steuerklasse VI an. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Berichts über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom ........2002 und des Haftungsbescheids wird auf die Steuerakten des Beklagten (Lohnsteuerakte Arbeitgeber) verwiesen.

Die LVA führte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung zu sozialversicherungsrechtlichen Feststellungen nach §§ 7 ff. SGB IV durch. Das Ergebnis der Prüfung ergibt sich aus dem Schreiben vom 18.08.2003 an die Klägerin, das sich in den Steuerakten des Beklagten (Lohnsteuerakte Arbeitgeber) befindet und auf das ergänzend Bezug genommen wird. Die LVA kommt bei der Prüfung zu dem Ergebnis, dass für 10 geprüfte Interviewer die Voraussetzungen für eine abhängige Beschäftigung vorlägen. Aufgrund dieser stichprobenartig vorgenommenen Überprüfung sei zudem davon auszugehen, dass die übrigen Interviewer ebenfalls als abhängig Beschäftigte anzusehen seien, für die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu zahlen seien.

Der Einspruch gegen den Haftungsbescheid blieb weitgehend erfolglos. In der Einspruchsentscheidung kürzte der Beklagte die Lohnsteuer der Jahre 1999 bis 2002 um pauschal 10 % für die Fälle, in denen die Interviewer möglicherweise ihre Einkünfte bereits im Rahmen der eigenen Einkommensteuer-Veranlagung berücksichtigt haben. Der Beklagte setzte daher den Haftungsbetrag für Lohnsteuer auf 660.377,45 EUR zuzüglich Lohn-Nebensteuern fest.

Die Abweisung im übrigen begründete der Beklagte damit, dass es bei der Abgrenzung der selbständigen von der nichtselbständigen Tätigkeit auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankomme. Die für und gegen die Arbeitnehmereigenschaft sprechenden Kriterien seien gegeneinander abzuwägen. Dies berücksichtigt, sei die Arbeitnehmereigenschaft der Interviewer zu bejahen.

Entscheidendes, für die Arbeitnehmereigenschaft sprechendes Kriterium sei die Weisungsgebundenheit der Interviewer hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit. Die Interviewer hätten keine Möglichkeit, entscheidend auf Art und Umfang der Arbeitsausführung Einfluss zu nehmen. So würden beispielsweise die Fragebögen auf den PC eingespielt und die Interviewer hätten keine Abänderungsmöglichkeit. Die Fragen seien vorgegeben und in vorbestimmter Weise vorzutragen. Selbst die Betonung bei der Fragestellung sei vorgegeben. Der Interviewer schulde nicht den Arbeitserfolg, d.h. ein fertiges Werk , sondern die Arbeitsleistung. Dies ergebe sich aus den Ausführungen im Handbuch der Firma. Diese seien als Weisungen zu verstehen. Der Interviewer habe demnach den konkreten Auftrag, die Fragebögen in einer bestimmten Zeit und in den Räumlichkeiten der Klägerin zu erledigen. Zwar ergäben sich bestimmte Weisungen und Abläufe aus der Natur der Sache bzw. des Auftrags. So seien Interviewer in ihrer Einflussnahme auf die Befragungen eingeschränkt, weil ansonsten keine Vergleichbarkeit der Ergebnisse erzielt würde. Dennoch sei - im Gegensatz zu den Gegebenheiten im Streitfall - eine zu selbständigen Einkünften führende Aufgabenstellung denkbar, bei der der Interviewer sich selbst einbringen könne, indem er nämlich Art und Weise der Aufgabenerfüllung bestimme und ein Endprodukt schulde, ohne nach festen Regeln arbeiten zu müssen. Letztlich erbringe der Interviewer nur Teilleistungen in Bezug auf den der Klägerin erteilten Auftrag eines Kunden. Es werde vom einzelnen Interviewer kein fertiges Gesamtwerk geschuldet. Nach außen träten die Interviewer nicht auf. Zwischen ihnen und den Kunden werde kein irgendwie geartetes Vertragsverhältnis begründet. Die Interviewer entwickelten zudem kein eigenständiges Konzept und lieferten keine selbstgeschaffenen Werke, sondern sie erfüllten lediglich die Aufgabenstellung der Klägerin. Sie könnten nicht frei darüber entscheiden, ob sie einen Auftrag annähmen oder nicht. Auch die mögliche Nichtweiterbeschäftigung nach Ablauf des Auftrages berge kein für einen Selbständigen typisches Unternehmerrisiko. Der Arbeitnehmer könne auch aufgrund von Einzel- bzw. Kettenaufträgen tätig werden. Diesbezüglich sei jedoch von Bedeutung, dass die Interviewer keinerlei Vermögensrisiko trügen. Sie müssten keine Investitionen tätigen. Sämtliche Arbeitsmittel würden zur Verfügung gestellt. Selbst die Voraussetzung für die Erfüllung ihrer Aufgaben würden von der Klägerin durch Schulungen und weiterführende Seminare vermittelt. Dies sei im Bereich der selbständigen Tätigkeit nicht üblich. Dem Selbständigen werde ein Auftrag erteilt, weil er bereits über bestimmte Kenntnisse verfüge. Der Auftraggeber müsse nicht mehr selbst in den Auftragnehmer investieren. Das Risiko, bei schlechter Leistung oder geringer Leistung Entgeltabzüge zu bekommen, sei im Streitfall minimal. Die Interviewer bekämen mindestens einen Stundenlohn von 14,- DM und auch nach oben sei dieser bis maximal 18,- DM steigerbar.

Weitere Argumente gegen eine selbständige Tätigkeit seien die grundsätzlich festen Stundenlöhne, die sich lediglich aufgrund eines Bonussystems leicht erhöhten, das fehlende Unternehmerrisiko und die fehlende Unternehmerinitiative, das Vorhandensein nur eines Auftraggebers und die fehlende Selbständigkeit hinsichtlich Organisation und Durchführung der Tätigkeit. Insbesondere unterlägen die Interviewer der ständigen Kontrolle und Beobachtung der Supervisoren. Die Zeiten, in denen die Interviewer tätig würden, seien eng begrenzt und die Anfangs- und Endzeiten seien verbindlich festgelegt. Nicht nur die zu befragende Person und Gruppe werde festgelegt, sondern auch welcher Interviewer welche Person befragen solle.

Der fehlende Anspruch auf Urlaub, sonstige Sozialleistungen und Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall sei zwar grundsätzlich bei Arbeitnehmern unüblich. Bei der hier vorzunehmenden Gesamtwürdigung seien dies jedoch nur wenige Indizien für eine selbständige Tätigkeit, denen erheblich wichtigere Gründe entgegenstünden, die gegen eine selbständige Tätigkeit sprächen. Zudem seien die vorgenannten Ansprüche unabhängig von der vertraglichen Ausgestaltung. Sofern nach den sozialrechtlichen Verhältnissen ein Arbeitsverhältnis anzunehmen sei, bestehe auch ein Anspruch auf diese Leistungen. Auch dass die Klägerin den Interviewern die Möglichkeit gebe, den Umfang ihres Arbeitseinsatzes mitzubestimmen, spreche nicht gegen eine nichtselbständige Tätigkeit. Denn die Klägerin bediene sich insbesondere Studenten als Mitarbeiter. Dass sie auf die persönlichen Belange wie z.B. die Fertigung von Hausarbeiten etc. Rücksicht nehme, mache die Interviewer nicht zu Selbständigen, denn jeder Arbeitgeber habe im Hinblick auf die Bestimmung der Arbeitszeitgestaltung Spielraum. Die Arbeitszeit an sich sei jedoch durch die Schichten fest vorgegeben.

Dass die Interviewer letztlich in das Unternehmen fest eingegliedert seien und der besonderen Aufsicht der Klägerin unterlägen, könne wohl kaum bestritten werden. Die Interviewer hätten bei ihrer Arbeit keinen Entscheidungsspielraum hinsichtlich des Inhalts der Arbeit und würden zudem noch von Supervisoren ständig überwacht und geschult. Ferner würden die Interviewer ständig an die Einhaltung der Weisungen erinnert, selbst in Bezug auf das persönliche Verhalten am Arbeitsplatz. Sie seien räumlich als auch vom Arbeitsablauf her in den Betrieb der Klägerin fest eingegliedert. Dazu gehöre auch die bereits erwähnte Zurverfügungstellung von Fortbildungsmöglichkeiten und Arbeitsmitteln. Eine feste Eingliederung in den Betrieb, wie sie von der Rechtsprechung als ein wesentliches Merkmal der nichtselbständigen Tätigkeit gesehen werde, sei insbesondere auch bei einfachen Tätigkeiten wie im Streitfall eher zu bejahen. Dass die Arbeit der Interviewer besondere Fähigkeiten voraussetze, werde durch die Ausführungen im Handbuch widerlegt. Selbst wenn die Interviewer über besondere Fähigkeiten verfügten, so könnten sie diese aufgrund des fest vorgegebenen Arbeitsablaufes nicht einbringen.

Auch die nach dem Handbuch der Klägerin geforderte Teamarbeit spreche für eine nichtselbständige Tätigkeit.

Darüber hinaus verfügten die Interviewer über keine eigenen Geschäfts-/Büroräume, sie setzten kein eigenes Kapital ein, könnten Preise und Angebote nicht frei gestalten, machten keine Werbung und hätten kein Gewerbe angemeldet.

Die Landesversicherungsanstalt ............... (LVA) gehe ebenfalls von einer Arbeitnehmereigenschaft der Interviewer aus. Zwar habe das Sozialversicherungsrecht keine Bindungswirkung für das Steuerrecht. Eine Entscheidung zu Gunsten der Sozialversicherungspflicht sei jedoch ein starkes Indiz für die Bejahung eines Arbeitnehmerverhältnisses. Die Aussagen der Sozialversicherung deckten sich mit denen des Beklagten.

Die Klägerin sei auch zu Recht als Haftende nach § 191 Abgabenordnung (AO) für die hier in Frage stehenden Lohn- und Kirchensteuern und den Solidaritätszuschlag in Anspruch genommen worden. Seien von einer Lohnsteuer-Nachforderung - wie im Streitfall - mehr als 40 Arbeitnehmer betroffen, so sei die Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haftungsschuldner vor den Arbeitnehmern regelmäßig gerechtfertigt. Auch im Hinblick auf den Umfang sei die Haftungsinanspruchnahme gerechtfertigt. Der Beklagte habe auch nicht im einzelnen zu ermitteln, welcher Interviewer seine Einnahmen bereits im Rahmen seiner persönlichen Einkommensteuererklärung erklärt habe. Vielmehr müsse der Arbeitgeber, der gegen den Haftungsbescheid einwende, dass Arbeitnehmer den Arbeitslohn in der Einkommensteuererklärung angegeben hätten, dieses konkret dartun, und zwar bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung (Hinweis auf BStBl II 1992, 696). Solche Angaben fehlten trotz Aufforderung. Dennoch nehme der Beklagte insoweit einen Abschlag von 10 % vor.

Es sei auch richtigerweise die Lohnsteuerklasse VI der Ermittlung der Steuer- und damit auch der Haftungsschuld zugrunde gelegt worden. Insoweit werde auf das BFH-Urteil vom 12.01.2001 VI R 102/98 verwiesen, wonach bei Nichtvorlage einer Lohnsteuerkarte zur Vermeidung von Steuerausfällen immer diese Steuerklasse angenommen werde.

Die Klägerin hat am ........2004 Klage erhoben.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Interviewer selbständig tätig seien und daher eine Arbeitnehmereigenschaft zu verneinen sei.

Der Beklagte sei gemäß H 67 Lohnsteuer-Richtlinien 2002 (LStR 2002) verpflichtet, für die Feststellung, wer Arbeitnehmer sei, das Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Dem sei der Beklagte nicht mit der gebotenen Sorgfalt nachgekommen. Die Interviewer seien zunächst nicht weisungsgebunden im Sinne des H 67 LStR 2002 und der einschlägigen BFH-Rechtsprechung. Weisungsgebundenheit als solche sei kein Merkmal für eine Arbeitnehmereigenschaft. Vielmehr sei auch der freie Dienstnehmer vollständig an die sich aus der Sachnatur des Auftrags bzw. Dienstleistungsvertrages ergebenden Weisungen des Auftraggebers gebunden. Die spezifische Weisungsgebundenheit eines Arbeitnehmers zeichne sich hingegen durch die Bestimmung von Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit durch den Arbeitgeber aus. Damit seien zur Abgrenzung zwischen selbständig Tätigen und Arbeitnehmern nur solche Weisungen bzw. Weisungsrechte als Merkmale für eine Arbeitnehmereigenschaft fruchtbar zu machen, die sich nicht aus der Natur der Sache bzw. des Auftrags ergäben. Die den Interviewern von der Klägerin gemachten Vorgaben seien jedoch aus der Natur der Sache bedingt, da nur so ein Qualitätsstandard erreicht werden könne, der die Ergebnisse der Interviewer für die Marktforschung verwertbar mache.

Auch die Zurverfügungstellung von PC und Telefonen stelle kein Merkmal der Arbeitnehmereigenschaft dar, sondern sei auch bei Selbständigen, die für bestimmte Auftraggeber beschäftigt würden, üblich. Zudem sei die vorerwähnte Sicherung eines einheitlichen Qualitätsstandards auch von der zur Verfügung gestellten Hard- und Software abhängig.

Jeder Interviewer habe es durch seine eigene Entscheidung in der Hand, Aufträge anzunehmen oder nicht anzunehmen. Ein stärkeres Indiz für eine Weisungsungebundenheit gäbe es nicht. Die Interviewer seien vollkommen frei in ihrer Entscheidungsfreiheit, ob sie ihre Dienste der Klägerin anböten oder nicht. Die Klägerin habe keinerlei Anspruch darauf, dass die Interviewer für sie tätig würden. Hierin liege der gravierende Unterschied zu Arbeitsverhältnissen. Am Sitz der Klägerin in ........... beständen mehrere Marktforschungsinstitute. Dies führe zu einer hohen Nachfrage an Interviewern. Die allermeisten Interviewer seien für mehrere Institute tätig. Die Klägerin habe teilweise sogar Probleme, ausreichend Interviewer zu finden. Dies verdeutliche eine von ihr gefertigte Gegenüberstellung von Absagen und Zusagen aufgrund von Arbeitsangeboten der Klägerin (Bl. 114 u. 115 GA). Daher habe die Klägerin auch ein Bonussystem entwickelt, um Interviewer an sie zu binden.

Wenn einmal ein Auftrag angenommen worden sei, sei dieser nach bestimmten Vorgaben auszuführen. Dies entspreche der Qualitätssicherung, zudem habe auch ein Malermeister nach seiner Beauftragung den Auftrag anhand der Weisungen des Auftraggebers auszuführen. Dies habe mit arbeitsrechtlicher Weisungsgebundenheit nichts zu tun. Zu den vorgegebenen Arbeitszeiten und dem Schichtbetrieb sei zu sagen, dass naturgemäß in der Zeit der Nachtruhe von 22 Uhr bis 6 Uhr keine Telefoninterviews durchgeführt werden könnten. Im Rahmen der danach verbleibenden Zeit, innerhalb derer die Interviewer die von der Klägerin erteilten Aufträge erfüllen könnten, habe die Klägerin aus organisatorischen Gründen einen Schichtbetrieb eingerichtet. Die Einteilung in diese Schichten erfolge nicht durch Weisung der Klägerin, sondern in Absprache zwischen Interviewer und Klägerin. Die Interviewer teilten mit, wann und zu welchen Zeiten sie bereit seien, Aufträge anzunehmen. Soweit entsprechende Aufträge vorhanden seien, würden ihnen daraufhin - auch zeitlich - bestimmte Aufträge erteilt. Eine solche Vereinbarung sei bei Selbständigen auch üblich.

Die Interviewer trügen auch ein Unternehmensrisiko hinsichtlich der Erzielung von Gewinn aus dem Einsatz ihrer Arbeitskraft. Soweit und so lange sie sich nicht um die Erteilung von Einzelaufträgen bemühten und derartige Aufträge - soweit entsprechende Auftragsvolumina bei der Klägerin vorhanden seien - erhielten, erzielten sie keinen Gewinn aus ihrer Tätigkeit und das entsprechende Unternehmerrisiko verwirkliche sich zu ihren Lasten. Die Interviewer würden auf eigene Rechnung und Gefahr tätig. Falsch sei die Behauptung des Beklagten, dass die Interviewer nach außen im Namen und für Rechnung der Klägerin aufträten. Die Interviewer trügen alleine schon deswegen ein Unternehmerrisiko, weil bei Nichtannahme von Aufträgen die Vergütung vollständig ausfalle. Dazu gehöre auch das Risiko, nach Beendigung eines Auftrages nicht weiterbeschäftigt zu werden. Auch die Vereinbarung von Stundenhonoraren spreche ebenso wenig für eine Arbeitnehmereigenschaft wie die von dem Beklagten angeführte Notwendigkeit von Teamarbeit. Der Beklagte sehe die Teamarbeit darin, dass bei teilerledigten Interviews diese von anderen Interviewern unmittelbar fortgeführt werden könnten. Anhand dieser Feststellung werde jedoch nochmals deutlich belegt, dass die Verwendung einheitlicher Computerfragebögen auch erforderlich sei, um sicherzustellen, dass das Projekt auch von einer nicht kontinuierlich an diesem Projekt tätigen Vielzahl von freien Dienstleistern erbracht werden könne. Während der Tätigkeit seien die Interviewer in jedem Fall mit den von ihnen im Auftrag der Klägerin angerufenen Interviewpartnern alleine.

Ebenso wenig spreche für eine Arbeitnehmereigenschaft, dass es sich bei der Tätigkeit der Interviewer um eine einfache Tätigkeit handele. Die Tätigkeit sei technisch, methodisch und psychologisch durchaus komplex und bedürfe einer entsprechenden Einweisung durch die Auftraggeberin mittels der angebotenen Schulungen und schriftlichen Hinweise. Letztlich sei in Person der Interviewer Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko festzustellen. Dabei sei nicht auf das Verhältnis zwischen Interviewern und Interviewten, sondern zwischen den Interviewern und der Klägerin abzustellen. Hier herrsche weder Weisungsgebundenheit noch sei der Interviewer in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert. Es gebe keine Eingliederung in Organisationsstrukturen oder Betriebshierarchien.

Der Beklagte greife insbesondere auf den Kriterienkatalog in H 67 LStR 2002 und der dort zitierten BFH-Rechtsprechung zurück. Die danach vom Beklagten auch im Streitfall angeführten Merkmale zur Abgrenzung von selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit stünden jedoch nicht gleichwertig nebeneinander. Als Beispiel sei hier das Merkmal "Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Erfolges" herausgegriffen. Dieses Kriterium stelle lediglich ein sehr untergeordnetes Hilfskriterium dar, da die mit diesem Kriterium mögliche Abgrenzung nicht die zwischen einem Arbeitnehmer und einem freien Dienstnehmer sei, sondern - auch und insbesondere - die zwischen einem freien Dienstnehmer (§ 611 BGB) und einem Werkunternehmer (§ 631 BGB).

Wichtige Merkmale, die gegen eine Arbeitnehmereigenschaft sprächen, würdige der Beklagte nur am Rande und stelle diese als untergeordnete Merkmale dar. So hätten die Interviewer weder Anspruch auf Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch sonstige Sozialleistung.

Unabhängig von der fehlerhaften Behandlung der Interviewer als Arbeitnehmer durch den Beklagten sei der Haftungsbescheid in Form der Einspruchsentscheidung auch noch aus anderen Gründen fehlerhaft. Der Beklagte habe keinerlei Feststellungen dazu getroffen, in welchem Umfang die in Rede stehenden Interviewer den ihnen obliegenden steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen seien. Der Beklagte habe sich im Rahmen des von ihm eingeschlagenen Weges schon die Mühe machen müssen, zunächst das Volumen der von den Interviewern als Steuerschuldnern selbst entrichteten Einkommensteuer für die in Rede stehende Veranlagungszeiträume zu ermitteln, um es sodann von dem Betrag abzuziehen, für den er die Klägerin in Haftung nehme wolle. Das vom Beklagten für seine Verfahrensweise angeführte BFH-Urteil vom 24.01.1992 (BStBl II 1992, 696) sei im Streitfall nicht anwendbar. Während es bei dem Urteilssachverhalt feststehe, dass es sich um Arbeitnehmer handele, sei gerade dies im Streitfall der Hauptstreitpunkt. Insofern sei es der Klägerin überhaupt nicht möglich gewesen, bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens konkrete Angaben zu den steuerlichen Verhältnissen der einzelnen Personen zu machen. Zu diesen Angaben sei eben nur ein Arbeitgeber in der Lage, dem die steuerlich relevanten Unterlagen und Informationen seiner Arbeitnehmer vorlägen. Da aber die Klägerin nicht die Arbeitgeberin der Interviewer sei, könne die angezogene Entscheidung hier keine Anwendung finden.

Zu dem Passus unter 4.3. des Interviewerhandbuchs, wonach Interviewer unter bestimmten Bedingungen auch "auf Lohnsteuerkarte" beschäftigt werden könnten, sei anzumerken, dass es solche Arbeitsverhältnisse tatsächlich nicht gegeben habe.

Auch die durch die Ortbesichtigung am ......2005 gewonnenen Erkenntnisse stützten entgegen der Auffassung des Beklagten ausnahmslos die rechtliche Auffassung der Klägerin. Die Fotografien der Örtlichkeiten der Klägerin und die Erläuterung des Prüfers seien für die hier in Rede stehende Streitfrage nicht aussagekräftig, zumindest nicht im Sinne der Rechtansicht des Beklagten: Die Klägerin habe nie in Abrede gestellt, dass die Tätigkeit der Interviewer (und ihr Ablauf) streng schematisiert sei. Die Notwendigkeit dieser Schematisierung aus Gründen der Qualitätssicherung sei bereits geschildert worden. Es entspreche im übrigen der Üblichkeit, dass Auftragnehmer ihre Tätigkeit in dem vom Auftraggeber eindeutig vorgegebenen Rahmen unter dessen Kontrolle auszuführen hätten.

Sofern sich ein Interviewer im "Pausenstatus" befinde, müsse er sich eine Karte mit der Aufschrift "Pausenkarte" umhängen. Auch dies spreche nicht für den von dem Beklagten eingenommenen Standpunkt. Zum einen sei es eher ungewöhnlich, dass Arbeitnehmer eines Betriebes, die Pause machten, sich hierzu kennzeichneten. Zum anderen sei die Mitführung einer Pausenkarte eher der Ausweis eines Betriebsfremden, der damit zum Ausdruck bringe, sich in den Räumlichkeiten Dritter erlaubterweise aufzuhalten. Insofern seien auch die Interviewer der Klägerin nichts anderes als Besucher des Betriebs der Klägerin, die sich - wenn sie nicht am Bildschirm säßen - als im Betrieb der Klägerin aufenthaltsberechtigte Personen kenntlich zu machen hätten. Das Tragen der Pausenkarte gewinne insbesondere Bedeutung im Rahmen der Videoüberwachung der Flure in den Geschäftsräumen der Klägerin. Diese diene in erster Linie der Kontrolle des Zugangs von Fremden in den offenstehenden Fluren. Durch die Pausenkarte dokumentiere der Interviewer bei Verlassen der Interviewräume, dass er sich berechtigterweise in den übrigen Räumlichkeiten aufhalte, wobei dies erklärlich sei durch die von der Klägerin nicht übersehbare Anzahl der für sie tätigen Interviewer. Gerade weil der Interviewer - im arbeitsrechtlichen Sinne - nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert sei, sei die Maßnahme erforderlich.

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid des Finanzamts ............. über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer für den Zeitraum 1999 bis 2002 vom ........2002 - St.-Nr.: ............... - in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom .......2004 - ............... Nr.1RBSt. - sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Er halte nach wie vor daran fest, dass die Interviewer als Arbeitnehmer einzuordnen seien. Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und ergänzt diese wie folgt:

Auch die Feststellungen des Augenscheinsgehilfen des Gerichts bestätigten die Rechtsauffassung des Beklagten. Sie dokumentierten den vorgegebenen und streng kontrollierten Arbeitsablauf und die engen Regeln in der Firma der Klägerin. Dies werde auch durch die Notwendigkeit der Verwendung von sogenannten Pausenkarten belegt. Die bei der Klägerin vorgenommene Videoüberwachung spreche nicht gegen eine Arbeitnehmereigenschaft. Zwar sei bei Arbeitnehmern eine Videoüberwachung nicht erlaubt. Dieses Verbot beziehe sich jedoch auf Aufnahmen am Arbeitsplatz. Im Streitfall befänden sich die Videokameras jedoch in den Fluren. Diese Maßnahme diene nach Aussage der Klägerin weniger der Überwachung der Interviewer als der Kontrolle des Zugangs von Fremden. Im übrigen seien bei der Klägerin auch Personen beschäftigt, die von ihr unstreitig als Arbeitnehmer behandelt würden. Auch diese seien durch die Überwachungsmaßnahmen betroffen.

Das Gericht hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 20.07.2005 (Blatt 65 f. GA) durch Inaugenscheinnahme der Räumlichkeiten der Klägerin Beweis erhoben. Mit der Durchführung der Beweisaufnahme hat es den Gerichtsprüfer, Herrn ... beauftragt. Dieser hat das Ergebnis der Inaugenscheinnahme in einem Protokoll vom 24.10.2005 (Bl. 104-107 GA) und einer ergänzenden Bildmappe (Anlage zur GA) festgehalten. Auf beide Unterlagen wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist überwiegend unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht die Klägerin als Haftungsschuldnerin für die nicht abgeführte Lohnsteuer in Anspruch genommen. Nach § 42 d Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz in der Fassung der Streitjahre (EStG) haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Die Klägerin haftet nach dieser Vorschrift, weil sie Arbeitgeberin der Interviewer war. Diese erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (§ 19 EStG) als Arbeitnehmer der Klägerin.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) sind Arbeitnehmer Personen, die in öffentlichem oder privatem Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Ein Dienstverhältnis liegt gemäß § 1 Abs. 2 LStDV vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber (öffentliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvorstand) seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH lässt sich der daraus abzuleitende Arbeitnehmerbegriff nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen. Es handelt sich nicht um einen tatbestandlich scharf umrissenen Begriff, sondern um einen offenen Typus, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 09.11.2004 VI B 150/03, BFH/NV 2005, 347 m.w.N.). Die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausübt, ist daher anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Hierzu hat der BFH Kriterien beispielhaft aufgeführt, die für die Abgrenzung Bedeutung haben können (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BFHE 144, 225 , BStBl II 1985, 661 und BFH-Beschluss vom 09.11.2004 VI B 150/03, BFH/NV 2005, 347 m.w.N.; vgl. auch H 67 "Arbeitnehmer", LStR 2002). Diese Merkmale sind im konkreten Einzelfall jeweils zu gewichten und gegeneinander abzuwägen (vgl. BFH-Urteile vom 23. Oktober 1992 VI R 59/91, BFHE 170, 48, BStBl II 1993, 303 und vom 23. April 1997 VI R 12/96 , VI R 99/96 , BFH/NV 1997, 656 ). Die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit als selbständig oder unselbständig ist dagegen für die steuerrechtliche Beurteilung nicht bindend; sie kann allenfalls als Indiz gewertet werden (vgl. BFH vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534 und in BFH/NV 2005, 347, jew. m.w.N.; vgl. Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Rz. 4).

Nach diesen Grundsätzen, denen der Senat folgt, ergibt sich bei einer Abwägung der für und gegen eine selbständige Tätigkeit der Interviewer sprechenden Merkmale, dass diese Arbeitnehmer der Klägerin sind.

Die Interviewer tragen nicht das dem Bild eines Selbständigen entsprechende Unternehmerrisiko und entwickeln keine wesentliche Unternehmerinitiative. Ein Unternehmerrisiko trägt, wer sich auf eigene Rechnung und Gefahr betätigt und die Höhe der Einnahmen wesentlich durch eine Steigerung seiner Arbeitsleistung oder die Herbeiführung eines besonderen Erfolges beeinflussen kann; z.B. durch Anstellung selbstbezahlter Mitarbeiter (Drenseck in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 19 Rz 6 m. Nachw. aus der Rspr.). Zum Unternehmerrisiko gehört auch das Tragen eigener, im Zusammenhang mit der Betätigung entstehnder Aufwendungen (BFH-Urteil vom 24.07.1992 VI R 126/88, BFHE 169,154, BStBl II 1993, 155), aber auch die Möglichkeit, bei Krankheit oder Auftragsausfall keine Vergütung zu erhalten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 02.12.1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534).

Die Interviewer haben einen fest vorgegebenen Rahmenlohn zwischen 14 und 18 DM. Zwischen dieser Ober- und Untergrenze sind geringfügige Steigerungen möglich, auf die die Interviewer Einfluss haben können. Dieser geringe Einfluss führt jedoch nicht dazu, dass die Interviewer wesentliche Vergütungsverbesserungen durch ihren eigenen Einsatz erreichen könnten. Selbst bei außerordentlichem Einsatz können sie maximal einen Stundenlohn von 18 DM erreichen. Auch in der Möglichkeit, keinen Folgeauftrag zu bekommen bzw. nicht weiterbeschäftigt zu werden, liegt kein Unternehmensrisiko. Auch kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer gehen das Risiko ein, dass nach Ablauf der zunächst vereinbarten Beschäftigungszeit, insbesondere auch dann, wenn ihre Leistung für den Arbeitgeber nicht zufriedenstellend war, keine weitere Beschäftigung erfolgt. Die Interviewer tragen auch insoweit kein Unternehmerrisiko, als sie kein Investitionsrisiko haben. Die gesamten Arbeitsmittel und die Büroräume werden von der Klägerin zur Verfügung gestellt.

Die Interviewer entfalten auch keine nennenswerte Unternehmerinitiative. Unternehmerinitiative setzt voraus, dass der Unternehmer durch den Umfang seines Arbeitseinsatzes den Erfolg seiner Tätigkeit beeinflussen und seine Einkünfte steigern kann (vgl. BFH-Urteil vom 02.12.1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534 m.w.N.). Die Interviewer haben - ähnlich einem auf Stundenbasis beschäftigten Arbeitnehmer - lediglich die Möglichkeit, die Anzahl der Tätigkeitsstunden zu erhöhen. Einen Einfluss auf den Stundenlohn haben sie nur in sehr geringem Umfang. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass die Interviewer ihre Leistung weder direkt am Markt anbieten (z.B. durch Werbung), noch dass sie in größerem Umfange eigenständig Aufträge akquirieren können. Sie haben lediglich die Möglichkeit, sich bei der Klägerin auf den Dienstplan setzen zu lassen. Darin liegt ihre einzige Initiativmöglichkeit, die nicht vergleichbar mit der von einem Selbständigen erwarteten Unternehmerinitiative ist.

Die Interviewer sind darüber hinaus in erheblichem Umfang weisungsgebunden hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt ihrer Tätigkeit. Auch darin ist ein wichtiges Kriterium für ihre fehlende Selbständigkeit zu sehen (vgl. BFHUrteil vom 24.07.1992 VI R 126/88, BFHE 169, 154, BStBl II 1993, 155). Der Ort, an dem sie tätig werden, ist verbindlich in den Räumen der Klägerin vorgegeben. Der Inhalt der Tätigkeit ist exakt geregelt. Die Interviewer müssen sich starr an den von der eingesetzten Software vorgegebenen Fragenkatalog und die vorgegebenen Anweisungen halten. Ein Abweichen davon ist nicht möglich. Allerdings ist dies nach der Argumentation der Klägerin sachnotwendig, um die Qualität der Interviews zu sichern und daher nicht in die Beurteilung der Frage nach der Selbständigkeit der Interviewer einzubeziehen. Dieser Sichtweise kann der Senat jedoch nicht folgen. Zwar hat die Rechtsprechung, insbesondere die sozialgerichtliche Rechtsprechung, anerkannt, dass solche Vorgaben, wenn sie methodisch bedingt und der Natur der Sache nach nicht abänderbar sind, bei der Beurteilung außer Acht bleiben sollten (vgl. Urteil LSG NRW vom 02.02.2006 L 16 KR 253/04, nv, zu finden über jurisportal und BFHUrteil vom 02.12.1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534). Im Streitfall ist die Tätigkeit der Interviewer jedoch in einem solchen Maße von der Klägerin nach Inhalt und Arbeitsablauf vorgegeben, dass nicht mehr von einem selbständigen Tätigwerden die Rede sein kann. Die Interviewer können nur das ausführen, was ihnen die Software bzw. die Erfassungsmaske auf dem Bildschirm vorgibt. In Punkt 5.3.1. der Arbeitsanleitung, wo der diesbezügliche Ablauf geschildert wird, ist dementsprechend die Rede davon, dass die Interviewer sich "... keine Gedanken über Fragebogenablauf, Filterführung, zulässige Wertebereiche und Plausibilitätsprüfungen ..." machen müssen und der Interviewablauf alleine vom Computer gesteuert wird. Auf den so vorgegebenen Programmablauf und die Programmierung der Software haben sie keinerlei Einfluss. Ihr Tätigwerden wird derart fremdbestimmt, dass auch unter Berücksichtigung der methodisch bedingten Vorgaben schon begrifflich keine selbständige Tätigkeit mehr vorliegt.

Die Interviewer unterliegen zudem einer Supervision und ständigen Bewertung ihrer Tätigkeit (siehe Punkt 6.4.f. der Arbeitsanleitung). Neben der inhaltlichen Vorgabe der Tätigkeit haben sie auch genaue Regeln für den Aufenthalt im Telefonstudio zu beachten (siehe Punkt 4.8. der Arbeitsanleitung). Solche Regelungen sind arbeitnehmertypisch und entsprechen nicht dem Bild von einem Selbständigen.

Lediglich hinsichtlich der Zeit des Tätigwerdens verbleibt ihnen eine gewisse Freiheit. Jedoch beschränkt sich diese auch nur darauf, sich für mehr oder weniger Schichten im Dienstplan der Klägerin eintragen zu lassen. Die Schichten sind als Rahmen vorgegeben. Die insoweit geringere Weisungsgebundenheit ändert jedoch nichts am Ergebnis, dass insbesondere hinsichtlich des Ortes und des Inhalts der Tätigkeit eine Weisungsgebundenheit besteht und damit die Interviewer letztlich fest in die betriebliche Organisation der Klägerin eingebunden sind.

Der Eindruck einer organisatorischen Eingliederung wird noch dadurch verstärkt, dass nach dem äußeren Bild des Tätigwerdens der Interviewer diese eher einem auf Stundenbasis bzw. kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmer gleichen. Die zu verrichtende Tätigkeit ist nach dem Eindruck, den der Senat aus der Arbeitsanleitung und dem Vortrag der Beteiligten gewonnen hat, nicht besonders anspruchsvoll und nach geringer Einarbeitungszeit bereits möglich. Auch wenn eine unternehmerische Betätigung nicht notwendigerweise eine besondere berufliche Qualifikation voraussetzt, vielmehr auch einfachste Leistungen aufgrund von Werkverträgen erbracht werden können, stehen die Art der Arbeit und die Weisungsbefugnis des Auftraggebers auch insoweit in einem Wechselverhältnis zueinander, als bei einfachen Arbeiten schon organisatorische Dinge betreffende Weisungen den Beschäftigten in der Ausübung der Arbeit festlegen, und damit in den Organismus des Betriebes eingegliedert erscheinen lassen (BFH-Urteil vom 24.07.1992 VI R 126/88, BFHE 169, 154, BStBl II 1993, 155).

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin gemäß 4.3. der Arbeitsanleitung den Interviewern die Möglichkeit eröffnet, nach einem längeren Beschäftigungszeitraum in ein Angestelltenverhältnis zu wechseln. Damit gibt sie zu verstehen, dass die Interviewertätigkeit auch nach ihrer Auffassung als Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt werden kann. Dass sie diese Tätigkeit nur bereits länger beschäftigten Interviewern anbietet, ändert nichts daran, dass auch die kürzer beschäftigten Interviewer nichtselbständig tätig sind. Denn die Dauer der Beschäftigung ist kein Abgrenzungskriterium zwischen selbständiger und nichtselbständiger Arbeit. Zwar hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass entgegen der vorgenannten Passage in der Arbeitsanleitung eine Beschäftigung im Angestelltenverhältnis für Interviewer nicht durchgeführt worden sei. Dem wiederspricht jedoch das sich in den Steuerakten des Beklagten (Lohnsteuer-Außenprüfungsakte) befindliche Schreiben der Klägerin vom 02.11.2000 an ihre damalige Steuerberaterin, mit dem sie die Lohnsteuerkarte der Frau ......................... übersandte mit dem Zusatz, dass diese ab dem Monat November als Interviewerin auf Lohnsteuerkarte abgerechnet werde. Letztlich geht es aber nicht darum, ob die Klägerin Interviewer tatsächlich in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt hat. Vielmehr bringt die genannte Passage in den Arbeitsanleitungen zum Ausdruck, dass auch nach Ansicht der Klägerin die Interviewertätigkeit unselbständig ausgeführt werden kann.

Offen bleiben kann, ob durch die Regelung in Punkt 4.3. der Arbeitsanleitung ein Vertrag über eine freie Mitarbeit geschlossen oder dieser Status von der Klägerin einseitig vorgegeben wurde. Auch wenn zwischen den Beteiligten eine selbständige Tätigkeit vereinbart war, so ist die Bezeichnung der Tätigkeit im Streitfall ohne Belang. Da die Qualifikation des Tätigkeitsverhältnisses letztlich erst als Ergebnis der rechtlichen Prüfung feststeht, kann bei der im Rahmen dieser rechtlichen Überprüfung vorzunehmenden Gesamtwürdigung die Bezeichnung der Tätigkeit nur in Grenzfällen ausschlaggebend sein (vgl. BFH-Urteil vom 24.07.1992 VI R 126/88, BFHE 169, 154, BStBl II 1993, 155). Wegen des Überwiegens der für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechenden Merkmale liegt ein solcher Grenzfall hier jedoch nicht vor. Da der Wille der Klägerin und der Arbeitnehmer hinsichtlich der Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses daher im Streitfall nicht ausschlaggebend ist, ist auch das damit unmittelbar zusammenhängende Fehlen eines Urlaubsanspruchs, die Nichtfortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall und die fehlende Versicherung in der Sozialversicherung unerheblich.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der Frage, ob die Interviewer als Merkmal eines Dienstvertrages ihre Arbeitskraft oder aber als Merkmal eines Werkvertrages einen bestimmten Arbeitserfolg schulden. Insoweit stimmt der Senat der Klägerin zu, dass ein Dienstvertrag nicht notwendigerweise einen Arbeitnehmerstatus mit sich bringt und daher dieses Kriterium nicht weiter bedeutsam sein kann.

Sind damit nach der vorgenommenen Gesamtwürdigung die Interviewer als Arbeitnehmer anzusehen, so liegen auch die übrigen Voraussetzungen einer Haftungsinanspruchnahme der Klägerin vor.

Der Beklagte hat die Klägerin vor den Arbeitnehmern ermessensfehlerfrei für die nicht gezahlten Lohnsteuerbeträge in Haftung genommen. Die Inanspruchnahme der Arbeitgeberin vor den Arbeitnehmern ist nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, regelmäßig zulässig, wenn nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung viele Lohnsteuerbeträge aufgrund von im wesentlichen gleich liegenden Sachverhalten nachzuerheben sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.08.2005 VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30 und vom 24.01.1992 VI R 177/88, BFHE 167,359, BStBl II 1992, 696 m.w.N.).

Im Streitfall sind von der Lohnsteuernachforderung mehrere hundert Arbeitnehmer betroffen. Wären bei einer derartigen Zahl von Nacherhebungsfällen die Finanzämter regelmäßig verpflichtet, zunächst die Arbeitnehmer in Anspruch zu nehmen, so wäre das vom Gesetzgeber gewollte vereinfachte Verfahren der Lohnsteuererhebung an der Quelle erheblich beeinträchtigt (BFH-Urteil vom 24.01.1992 VI R 177/88, BFHE 167,359, BStBl II 1992, 696).

Zwar kann die Inanspruchnahme des Arbeitgebers vor den Arbeitnehmern im Einzelfalle dann nicht ermessensgerecht sein, wenn der Arbeitgeber spätestens bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens konkrete Angaben zu den steuerlichen Verhältnisses aller oder einzelner Arbeitnehmer macht und dabei insbesondere die für die einzelnen Arbeitnehmer zuständigen Finanzämter benennt und darlegt, dass deren Jahressteuerfestsetzungen noch bevorstehen (vgl. BFHUrteil vom 24.01.1992 VI R 177/88, BFHE 167/359, BStBl II 1992, 696). In diesen Fällen ist das Finanzamt unter Umständen gehalten, zunächst über Kontrollmitteilungen zu versuchen, die Lohnsteuer bei den ohnehin zu veranlagenden Arbeitnehmern zu erheben. Ob dies vor dem Hintergrund der zuvor geschilderten Verwaltungsvereinfachung durch den Steuerabzug an der Quelle auch bei dem Betrieb der Klägerin mit mehreren hundert Arbeitnehmern noch verlangt werden kann, kann dahingestellt bleiben, da jedenfalls die Klägerin bis zum Ende des Einspruchsverfahrens und auch im Klageverfahren solche Angaben nicht gemacht hat. Sie beruft sich zwar darauf, dass sie sich nicht als Arbeitgeberin angesehen habe, sondern von einem freien Mitarbeiterverhältnis ausgegangen sei. Darauf durfte sie jedoch im Streitfall nicht vertrauen. Die Einordnung einer Beschäftigung als selbständig oder nichtselbständig war in Fällen wie dem Streitfall schon immer Gegenstand umfangreicher rechtlicher Auseinandersetzungen mit sozialversicherungsrechtlichem und (lohn) steuerrechtlichem Hintergrund. Nur durch eine Betrachtung der Gesamtumstände des Einzelfalls konnte und kann eine Zuordnung zu dem ein oder anderen Bereich erfolgen. Die auch in den Streitjahren steuerlich beratene Klägerin konnte daher nicht sicher davon ausgehen, dass die von ihr vorgenommene Einordnung der Tätigkeit als selbständige, nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegende Tätigkeit, einer rechtlichen Überprüfung durch ein Gericht standhalten würde (vgl. Urteil FG Düsseldorf vom 24.02.1999 2 K 7576/95 H (L), zu finden in jurisportal). Zudem hätte sie die Möglichkeit gehabt, den Status der Interviewer im Rahmen einer Anrufungsauskunft nach § 42 e EStG zu klären. Doch auch wenn sie weiterhin von der Richtigkeit ihrer Einordnung überzeugt war, so hätten bei ihr spätestens im Rahmen der LohnsteuerAußenprüfung Zweifel aufkommen müssen.

Spätestens dann hätte sie die Möglichkeit gehabt, dem Beklagten entsprechende Unterlagen über die Arbeitnehmer vorzulegen.

Die Inanspruchnahme der Klägerin ist jedoch nicht in der vollen, vom Beklagten angenommenen Höhe begründet.

Grundsätzlich hat er zunächst zurecht die Lohnsteuerklasse VI der Berechnung der nachzuerhebenden Lohnsteuer zugrunde gelegt.

Es ist aber zu beachten, dass im Streitfall die Regelung des § 39 c Abs. 1 Satz 1 EStG, auf die sich der Beklagte in Anlehnung an das Urteil des BFH vom 12.01.2001 (VI R 102/98, BFHE 194, 372, BStBl II 2003, 151) stützt, nicht anwendbar ist. Diese Regelung, wonach der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach der Steuerklasse VI zu ermitteln hat, so lange der unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte schuldhaft nicht vorlegt oder die Rückgabe der ihm ausgehändigten Lohnsteuerkarte schuldhaft verzögert, gilt nach dem vorgenannten BFH-Urteil auch bei einer Nacherhebung von Lohnsteuer nach Ablauf des Kalenderjahres, für das die Lohnsteuerkarte galt.

Allerdings lagen bei dieser Entscheidung des BFH unstreitig Arbeitsverhältnisse vor. Daher kann nach Auffassung des Senats diese Rechtsprechung im Streitfall keine Anwendung finden. Denn hier haben die Vertragsparteien in aus ihrer Sicht noch vertretbarer Weise ein freies Mitarbeiterverhältnis angenommen. Eine schuldhafte Nichtvorlage der Lohnsteuerkarte i.S.d. § 39 c Abs. 1 Satz 1 EStG kann aber nur in den Fällen angenommen werden, in denen unstreitig ein Arbeitsverhältnis vorliegt oder bei verständiger Würdigung angenommen werden musste (a.A. wohl Urteil FG Düsseldorf vom 24.02.1999 2 K 7576/95 H (L), nv, zu finden über jurisportal).

Die Anwendung der Lohnsteuerklasse VI ist indessen weitgehend aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Denn bereits aus dem Vortrag der Klägerin geht hervor, dass die überwiegende Mehrzahl der Interviewer auch noch weitere Arbeitsverhältnisse ausübten. Damit ist aufgrund der Nichteinbehaltung von Lohnsteuer durch die Klägerin ein Steuerausfall zu befürchten, der die Anwendung der Steuerklasse VI für die überwiegende Zahl der Interviewer rechtfertigt. Die Klägerin hat auch nicht die Möglichkeit wahrgenommen, durch nachträgliche Vorlage der Lohnsteuerkarten eine Berechnung der Lohnsteuer nach günstigeren Steuerklassen zu erreichen.

Für die geringe Zahl der Fälle, in denen keine weiteren Beschäftigungsverhältnisse bestanden und die Einkünfte zumeist unter oder knapp über dem Grundfreibetrag lagen, ist jedoch die Berechnung nach der Steuerklasse VI nicht sachgerecht. Da die Klägerin keine diesbezüglichen Daten mitgeteilt hat, ist eine entsprechende Reduzierung der Haftungsschuld im Schätzungswege vorzunehmen.

Nicht mehr in die Haftungsschuld einzubeziehen sind ferner diejenigen Beträge, die die Arbeitnehmer vor Abschluss des Einspruchsverfahrens im Rahmen ihrer Veranlagung auf die Steuerschuld bereits geleistet haben. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Arbeitgebers als Haftungsschuldner, konkret und unter Darlegung der Einzelheiten darzutun, dass die der Haftung zugrunde gelegten Löhne ganz oder zum Teil von den Arbeitnehmern bereits versteuert worden sind. Soweit sich während des Klageverfahrens konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vor Ergehen der Einspruchsentscheidung bereits Zahlungen auf die der Haftungsschuld zugrunde liegende Steuerschuld geleistet worden sind, so ist es vom Gericht weiter aufzuklären, inwieweit solche Zahlungen geleistet worden sind (BFH-Urteil vom 24.01.1992 VI R 177/88, BFHE 167, 359, BStBl II 1992, 696).

Im Streitfall haben sich solche konkreten Anhaltspunkte zwar nicht ergeben. Insbesondere hat die Klägerin insoweit keinerlei Nachweise erbracht. Der Senat geht jedoch davon aus, dass ein nicht nur geringer Teil der Interviewer Einkommensteuerveranlagungen hat durchführen lassen. Dies dürfte insbesondere in den Fällen anzunehmen sein, in denen bei einem zweiten Beschäftigungsverhältnis Lohnsteuer einbehalten wurde und aufgrund der insgesamt geringen Einkünfte der zumeist studierenden Interviewer bei einer Veranlagung eine Erstattung zu erwarten war.

Insoweit und zur Berücksichtigung der Fälle, in denen eine Berechnung der Lohnsteuer nach der Steuerklasse VI bei nur einem Beschäftigungsverhältnis der Interviewer nicht sachgerecht ist, erscheint ein Abschlag von 20 % auf die Steuerschuld als angemessen und ausreichend.

Unter Berücksichtigung des vom Beklagten bereits vorgenommenen Abschlags von 10 % und der zwischen den Beteiligten nunmehr unstreitigen Bemessungsgrundlage gemäß des Schriftsatzes des Beklagten vom 10.08.2005 ergibt sich folgende Ermittlung der Haftungsschuld:

 ZeitraumBetragSteuersatzLStSolzKiStKiSt
  bei Anwendung  evrk
  StKl VI    
In DM      
1999858.816,5716,70%143.422,377.888,236.454,016.454,01
20002.334.811,6522,90%534.671,8729.406,9524.060,2324.060,23
20011.693.752,9719,80%335.363,0918.444,9715.091,3415.091,34
Summe in DM  1.013.457,3255.740,1545.605,5845.605,58
In Euro  518.172,5028.499,4923.317,7623.317,76
       
2002397.890,2016,80%66.845,553.676,513.008,053.008,05
       
Summe in Euro  585.018,0532.175,9926.325,8126.325,81
Haftungsschuld mit Abschlag 20 %  468.014,4425.740,7921.060,6521.060,65

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. § 709 ZPO.



Ende der Entscheidung

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