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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 29.09.2009
Aktenzeichen: 12 K 929/07
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 175 Abs. 1
AO § 179 Abs. 3
EStG § 15 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerinnen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Strittig ist, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Ergänzungsbescheides nach § 179 Abs. 3 AO vorliegen.

Die Klägerin zu 2) (im folgenden KG) ist eine GmbH & Co KG, an der die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) als Kommanditistin beteiligt war.

Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärte die von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vertretene KG einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM. Sonderbetriebsausgaben wurden nicht geltend gemacht. Die für Sonderbetriebsausgaben vorgesehene Spalte in der eingereichten Anlage ESt 1, 2, 3 B war ohne Eintrag geblieben.

Der Beklagte stellte die Einkünfte entsprechend den Angaben in der Feststellungserklärung einheitlich und gesondert fest (Bescheid vom 24. Oktober 2000). Dem Bescheid fügte er Durchschriften der Anlage ESt 1, 2, 3 B bei. Der Bescheid blieb ebenso wie nachfolgende Änderungsbescheide nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO (zuletzt am 29. November 2004) unangefochten.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2005 beantragte die KG bislang nicht geltend gemachte Schuldzinsen in Höhe von ... DM, die die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) für die Finanzierung der Beteiligung aufgewendet hatte, nachträglich durch Ergänzungsbescheid gem. § 179 Abs. 3 AO als Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen.

Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 15. November 2005 ab und wies auch den hiergegen erhobenen Einspruch zurück (Einspruchsentscheidung vom 07. Februar 2007). Zwar stehe dem Erlass eines Ergänzungsbescheides keine Festsetzungsverjährung entgegen, da die Körperschaftsteuer als Folgesteuer bei der Klägerin zu 1) noch nicht verjährt sei (vgl. § 181 Abs. 5 AO). Es seien aber die Voraussetzungen für den Erlass eines Ergänzungsbescheides nach § 179 Abs. 3 AO nicht erfüllt. Durch einen Ergänzungsbescheid dürften lückenhafte Feststellungsbescheide vervollständigt, nicht aber inhaltlich falsche Feststellungen geändert werden. Im Streitfall gehe es der KG darum, die fehlerhaft festgestellten Einkünfte eines bereits in die Feststellung einbezogenen Beteiligten zu ändern. Dies sei im Rahmen des § 179 Abs. 3 AO nicht zulässig.

Mit der fristgerecht erhobenen Klage verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren auf Erlass eines Ergänzungsbescheides nach § 179 Abs. 3 AO weiter. Sie machen geltend, das Finanzamt habe keine Kenntnis von den als Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigenden Finanzierungskosten gehabt. Es habe daher in dem Feststellungsbescheid nicht negativ (und damit unrichtig), sondern überhaupt nicht über die Abzugsfähigkeit entsprechender Aufwendungen entschieden. Die bestehende Lücke sei durch einen Ergänzungsbescheid zu schließen.

Ihre Rechtsauffassung werde durch verschiedene FG-Urteile (FG München vom 06. Juli 2004, 12 K 3017/03, EFG 2004, 1654; FG Münster vom 08. Juni 2005, 1 K 5236/04, EFG 2005, 1874 und vom 26. Februar 2009, 11 K 3579/06 F, EFG 2009) sowie durch das BFH-Urteil vom 15. Januar 2002 IX R 21/98, BStBl II 2002,309 untermauert.

Die Klägerinnen beantragen,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 15. November 2005 und der hierzu erlassenen Einspruchsentscheidung vom 07. Februar 2007 den Beklagten zu verpflichten, einen Ergänzungsbescheid zum Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte 1999 vom 29. November 2004 zu erlassen, mit dem für die Klägerin zu 1) Sonderbetriebsausgaben in Höhe von ... DM nachträglich festgestellt werden,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung und auf das zwischenzeitlich ergangene BFH-Urteil vom 25. Februar 2009 IX R 43/07, BFH/NV 2009, 1235.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, Sonderbetriebsausgaben durch Ergänzungsbescheid (§ 179 Abs. 3 AO) gesondert festzustellen.

1. Gemäß § 179 Abs. 3 AO ist eine notwendige Feststellung in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen, soweit sie in einem Feststellungsbescheid unterblieben ist. Hat das FA dagegen -wenn auch negativ- entschieden, so liegt kein unvollständiger Bescheid vor. Ergänzungsbescheide dürfen einen lückenhaften Feststellungsbescheid vervollständigen, nicht aber einen inhaltlich falschen Feststellungsbescheid korrigieren oder in ihm getroffene Feststellungen ändern (vgl. BFH-Urteil vom 17. Dezember 2008 IX R 94/07, BStBl. II 2009, 444).

§ 179 Abs. 3 AO stellt kein Mittel zur Durchbrechung der Bestandskraft oder Umgehung der Vorschriften des §§ 172 ff AO dar.

Ob eine notwendige Feststellung in einem Feststellungsbescheid enthalten ist, muss durch Auslegung des Bescheides ermittelt werden, wobei es nicht darauf ankommt, was die Finanzbehörde mit ihrer Erklärung gewollt hat, sondern vielmehr darauf, wie der Adressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung verstehen konnte (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 2009 IX R 43/07, BFH/NV 2009, 1235 m.w.N.).

2. Nach diesen Grundsätzen begegnet die angegriffene Entscheidung, mit der der Beklagte den Erlass eines Ergänzungsbescheides nach § 179 Abs. 3 AO für Sonderbetriebsausgaben der Klägerin zu 1) abgelehnt hat, keinen durchgreifenden Bedenken. Der Feststellungsbescheid vom 24. Oktober 2000 (zuletzt geändert durch Bescheid vom 29. November 2004) ist in Bezug auf die zu berücksichtigenden Sonderbetriebsausgaben nicht unvollständig, sondern allenfalls unrichtig.

Sonderbetriebsausgaben eines Gesellschafters sind Teil der festzustellenden Größe "Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft" i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Sie beeinflussen zwangsläufig die Höhe der festzustellenden laufenden Einkünfte aus der Beteiligung. Die mit der Feststellungserklärung einzureichende Anlage ESt 1, 2, 3 B enthält im Hinblick auf die gebotene Einbeziehung entsprechender Aufwendungen in das Feststellungsverfahren eine Spalte, in der Sonderbetriebsausgaben einzutragen sind.

Vorliegend hat die durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vertretene KG in der entsprechenden Spalte keine Eintragungen vorgenommen. Stellt das Finanzamt den laufenden Gewinn daraufhin -wie im Streitfall- nach Maßgabe der eingereichten Erklärung fest, ist damit regelmäßig (auch aus Empfängersicht) eine Entscheidung über das Nichtvorliegen von Sonderbetriebsausgaben getroffen worden (im Ergebnis ebenso FG Thüringen, Urteil vom 01. April 1998 I 82/98, EFG 1998, 1232; Tipke/Kruse, AO § 179 Tz. 25; Frotscher, AO § 179, Rz. 66; Hübschmann/Hepp/Spitaler AO § 179 Tz. 304; a.A. FG Münster vom 26. Februar 2009 11 K 3579/06 F, EFG 2009, 988).

Die fachkundig vertretene Klägerinnen mussten den Feststellungsbescheid, dem Durchschriften der eingereichten Anlagen ESt 1, 2 ,3 B beigefügt waren, dahin verstehen, es sei nicht notwendig, weil nicht erklärt, Sonderbetriebsausgaben festzustellen. Ein etwaiger Irrtum der Klägerin über die richtige steuerrechtliche Einordnung des Aufwandes wäre ein unerheblicher Irrtum im Beweggrund.

3. Der Senat sieht sich bestätigt durch das BFH-Urteil vom 25. Februar 2009 in BFH/NV 2009, 1235. Zwar hatte der Steuerpflichtige in dem dort entschiedenen Fall die für Sonderwerbungskosten vorgesehene Spalte gestrichen, während im vorliegenden Streitfall kein Eintrag erfolgt war. Dabei handelt es sich nach Auffassung des erkennenden Senates aber um keine wesentliche Sachverhaltsabweichung. Bleibt eine Zeile in dem eingereichten Vordruck ohne Eintrag, hat dies den gleichen Aussagewert wie ein darin angebrachter Strich.

4. Das von den Klägerinnen angeführte BFH-Urteil vom 15.01.2002 IX R 21/98, BStBl II 2002, 309 betrifft einen mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt. In der vorgenannten Entscheidung hat der Bundesfinanzhof einen Ergänzungsbescheid in dem Fall für zulässig erachtet, dass ein Feststellungsbeteiligter unberücksichtigt geblieben war und über dessen Beteiligtenstellung (und mithin auch über dessen Sonderwerbungskosten) nicht entschieden worden war. Im Gegensatz dazu geht es den Klägerinnen im Streitfall um die Korrektur fehlerhaft festgestellter Einkünfte eines in die Feststellung bereits einbezogenen Beteiligten.

II.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

III.

Der Senat hat die Revision im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des FG Münster in EFG 2009, 988 (Revision anhängig unter IV R 19/09) gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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