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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 13 K 1179/06
Rechtsgebiete: EStG, KStG, AO, FGO


Vorschriften:

EStG § 10d Abs. 3 S. 1
EStG § 10d Abs. 4 S. 6
KStG § 7 Abs. 4 S. 2
KStG § 8 Abs. 1
AO § 181 Abs. 5 S. 1
FGO § 101 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

13 K 1179/06

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1995 in Höhe von ... DM gesondert festzustellen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung durch die Klägerin in Höhe ihres Kostenerstattungsanspruchs vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1995 streitig.

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 00.00.1994 gegründet. Gegenstand ihres Unternehmens ist "..., ..., ..., ... und ..." (vgl. § 2 des Gesellschaftsvertrags). Nach § 4 des Gesellschaftsvertrags war Geschäftsjahr das abweichende Wirtschaftsjahr vom 1. Juni bis zum 31. Mai.

Für die Veranlagungszeiträume 1994 und 1995 gab die Klägerin keine Steuererklärungen ab. Da die Klägerin auch für die Folgejahre zunächst keine Steuererklärungen abgegeben hatte, schätzte der Beklagte mit Bescheiden vom 00.00.20005 für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 2001 die Besteuerungsgrundlagen. Hinsichtlich der streitigen Veranlagungszeiträume 1994 und 1995 erließ er keine Schätzungsbescheide. Im Rahmen des gegen die Schätzungsbescheide 1996 bis 2001 gerichteten Einspruchsverfahrens legte die Klägerin Steuererklärungen vor und reichte die Jahresabschlüsse auf den 31. Dezember 1994 und den 31. Dezember 1995 ein.

In ihrem zunächst zum 31. Dezember 1994 aufgestellten Jahresabschluss wies die Klägerin einen Verlust in Höhe von ... DM aus. Dieser setzte sich aus "Beiträgen" (... DM) sowie Rechts- und Beratungskosten (... DM) als sonstige betriebliche Aufwendungen zusammen. Im Folgejahr erzielte die Klägerin nach ihrem zum 31. Dezember 1995 aufgestellten Jahreabschluss weder Einnahmen noch tätigte sie Aufwendungen. Erst der Jahresabschluss auf den 31. Dezember 1996 wies einen Jahresüberschuss in Höhe von ... DM aus. Die Klägerin buchte sonstige Zinsen und ähnliche Erträge in Höhe von ... DM und sonstige betriebliche Aufwendungen in Höhe von ... DM.

In einem Schreiben vom 00.00.2005 beanstandete die Klägerin, ein verbleibender Verlustabzug aus den Jahren 1994 und 1995 in Höhe von ... DM sei bei der Körperschaft-steuerfestsetzung 1996 nicht berücksichtigt worden. Daraufhin teilte der Beklagte am 00.00.2005 mit, die Berücksichtigung des Verlustvortrags aus den Jahren 1994 und 1995 bei der Körperschafsteuerveranlagung 1996 komme nicht in Betracht, weil der Erlass von Verlustfeststellungsbescheiden 1994 und 1995 wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht möglich sei. Entsprechende Körperschaftsteuerbescheide 1994 und 1995 könnten nicht mehr erlassen werden. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 00.00.2005 unter Hinweis auf das Urteil des FG München vom 24. Mai 2000, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1532.

Daraufhin lehnte der Beklagte förmlich mit Bescheid vom 00.00.2005 die Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes gemäß § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf den 31. Dezember 1994 und den 31. Dezember 1995 ab. Im Jahr 2005 sei Festsetzungsverjährung hinsichtlich der Körperschaftsteuer 1994 und 1995 eingetreten. Im Übrigen verwies er auf das BFH-Urteil vom 9. Dezember 1998 XI R 62/97, Bundessteuerblatt (BStBl) II 2000, 3.

Dagegen legte die Klägerin am 00.00.2005 Einspruch ein. Entgegen der Auffassung des Beklagten müsse in der Frage der Verjährung der gesonderten Verlustfeststellung auf das Jahr 1996 abgestellt werden. Unstreitig sei der Veranlagungszeitraum 1996 nicht festsetzungsverjährt. Die gesonderten Verlustfeststellungen (1994 und 1995) seien auch nach Ablauf der Feststellungsfrist zulässig, wenn sie für die Festsetzung von Körperschaftsteuer (1996) erheblich würden, für die noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 00.00.2006 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Könne aufgrund der Festsetzungsverjährung ein Steuerbescheid für die Veranlagungszeiträume 1994 und 1995 nicht mehr ergehen, komme nach § 10d EStG auch der Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids nicht in Betracht. Ein Verlustfeststellungsbescheid bei Fehlen des Steuerbescheids könne nur erlassen werden, wenn die Festsetzungsfrist des zugrundeliegenden Steuerbescheids noch nicht abgelaufen sei. Auch aus § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) ergebe sich nicht, dass eine Verlustfeststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist erfolgen könne, soweit die Feststellung für irgendeine in der Zukunft liegende Steuerfestsetzung, für die noch keine Feststellungsverjährung eingetreten sei, (mittelbar) Bedeutung habe.

In ihrer dagegen am 00.00.2006 erhobenen Klage hält die Klägerin unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 12. Juni 2002 XI R 26/01, BStBl II 2002, 681, daran fest, dass der Beklagte zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d EStG verpflichtet sei, da sich die Verlustfeststellung auf den nicht verjährten Veranlagungszeitraum 1996 auswirke und ein Rücktrag nicht in Betracht komme.

Im Klageverfahren hat die Klägerin unter Berücksichtigung ihres abweichenden Wirtschaftsjahrs eine geänderte Körperschaftsteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1995 abgegeben, die einen - zwischen den Beteiligten unstreitigen - Verlust in Höhe von ... DM ausweist. Der Streit über die Feststellung auf den 31. Dezember 1994 ist danach durch Klagerücknahme beendet worden.

Die Klägerin beantragt,

den vortragsfähigen Verlust auf den 31. Dezember 1995 auf ... DM festzustellen.

Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Ergänzend verweist der Beklagte auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 30. November 2007, IV C 4-S 2225/07/0004, 2007/0493552, jetzt BStBl I 2007, 825. Daraus ergebe sich, dass im Streitfall eine Verlustfeststellung für den Veranlagungszeitraum 1995 nur bis zum 31. Dezember 2002 möglich gewesen wäre, denn die Verlustfeststellungsfrist sei nach den §§ 169 ff. AO ohne die Wirkung des § 181 Abs. 5 AO zu berechnen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Ablehnung der Feststellung des verbleibenden Verlustabzug auf den 31. Dezember 2005 ist gemäß § 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Nach § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG in der Fassung des EStG 1990 vom 7. September 1990 (Bundesgesetzblatt [BGBl] I 1990, 1898 und BGBl I 1991, 808), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Ergänzung des Jahressteuergesetzes 1996 und zur Änderung anderer Gesetze vom 18. Dezember 1995 (BGBl I 1995, 1959), der über § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) für Zwecke der Körperschaftsteuer anzuwenden ist, wird ein am Schluss des Veranlagungszeitraums verbleibender Verlustabzug gesondert festgestellt. Der von der Klägerin im Zeitraum ihres Wirtschaftsjahrs vom 1. Juni 1994 bis zum 31. Mai 1995 erzielte Verlust in Höhe von ... DM gilt gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 KStG als im Kalenderjahr 1995 bezogen, so dass eine entsprechende Verlustfeststellung auf den 31. Dezember 1995 vorzunehmen ist (vgl. § 49 Abs. 1 KStG a. F. in Verbindung mit § 25 Abs. 1 EStG).

1. Dem Erlass des Verlustfeststellungsbescheids steht die Feststellungsverjährung nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO in Verbindung mit § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht entgegen. Nach der Regelung des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als sie für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Dabei muss es sich nicht um die Steuerfestsetzung für den unmittelbar anschließenden Veranlagungszeitraum handeln, eine mittelbare Bedeutung des Verlustfeststellungsbescheid für spätere Veranlagungen und Feststellungen reicht entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten aus (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 XI R 27/04, BFH/NV 2006, 16; BFH-Urteil vom 12. Juni 2002 XI R 26/01, BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681). Insbesondere kommt es nach diesen Grundsätzen nicht darauf an, dass dem entsprechenden Erlass eines Körperschaftsteuerbescheids für den streitigen Veranlagungszeitraum der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegensteht (ebenso BFH-Urteil vom 2. August 2006 XI R 65/05, BFHE 214, 492, jetzt BStBl II 2007, 921).

Die Klägerin beantragte bereits mit Schreiben vom 00.00.2005 im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1996 den verbleibenden Verlust aus dem Veranlagungszeitraum 1995 bei der Körperschaftsteuerfestsetzung 1996 zu berücksichtigen. Dieser Antrag führte gemäß § 171 Abs. 3, Abs. 3a AO zu einer Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsverjährung des Veranlagungszeitraums 1996 bis zur unanfechtbaren Entscheidung über die Berücksichtigung des dem Veranlagungszeitraum 1995 zuzurechnenden Verlusts in Höhe von ... DM. Daher ist die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum 1996 noch nicht abgelaufen, so dass nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO eine Verlustfeststellung 1995 durchzuführen ist.

2. An dieser Rechtslage hat sich durch die mit dem Jahressteuergesetz 2007 vom 13. Dezember 2006 (JStG 2007, vgl. BGBl. I 2006, 2878) - während des Klageverfahrens - geschaffenen Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 6, 2. Halbsatz, EStG hinsichtlich der von der Klägerin beantragten Verlustfeststellung nichts geändert.

Nach § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG in der Fassung des JStG 2007 endet die Feststellungsfrist nicht, "bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen ist; § 181 Abs. 5 AO ist nur anzuwenden, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat". Die Regelung gilt gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG für alle bei Inkrafttreten des JStG 2007 "noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen".

Mit dieser am 19. Dezember 2006 in Kraft getretenen Neuregelung knüpft der Gesetzgeber erkennbar an die bisherige Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 1. März 2006 XI R 33/04, BFHE 212, 497, jetzt BStBl II 2007, 919 und vom 12. Juni 2002 a.a.O.) an, wonach die Feststellungsfrist wegen § 181 Abs. 5 Satz 1 AO grundsätzlich unbegrenzt lief. Allerdings soll nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr eine zeitnahe Entscheidung über die Höhe des Verlustabzugs erfolgen. Infolgedessen schließt er, verschärfend gegenüber der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Rechtslage, die Anwendung des § 181 Abs. 5 AO in § 10d Abs. 4 Satz 6, 2. Halbsatz, EStG grundsätzlich aus, in dem er anordnet, § 181 Abs. 5 AO sei "nur" in Fällen pflichtwidrigen Unterlassens vorzunehmen. Verlustfeststellungen sollen demzufolge innerhalb der auch für Steuerbescheide geltenden allgemeinen Verjährungsfrist ergehen (vgl. BT-Drucks. 16/2712, 44).

a) Nach dem Wortlaut der Übergangsregelung in § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG, wonach § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG n.F. für alle bei Inkrafttreten des Gesetzes "noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen" anzuwenden ist, greift die zeitliche Beschränkung der Verlustfeststellung im Streitfall nicht ein, da die Feststellungsfrist für 1995 im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung bereits abgelaufen war. § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG n.F. ist demzufolge nicht anwendbar.

In diesem Punkt bedarf es keiner Entscheidung, ob die Feststellungsfrist schon mit Ablauf des 31. Dezember 1999 gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO wegen fehlender Erklärungspflicht (vgl. zu diesem Grundsatz FG Düsseldorf vom 22. Mai 2007, EFG 2007, 1692; FG Köln vom 9. August 2007 10 K 3347/04, [...]) oder, wie der Beklagte vorträgt, mit Ablauf des 31. Dezember 2002 endete (vgl. dazu BMF-Schreiben vom 30. November 2007 a.a.O., Ziffer I a.E. unter Bezugnahme auf §§ 181 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 AO in Verbindung mit § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO; ebenso die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/2712, 44). Aufgrund des Fristablaufs spätestens zum 31. Dezember 2002 konnte die im Jahr 2005 von der Klägerin beantragte Verlustberücksichtigung den Ablauf der Feststellungsfrist nach §§ 181 Abs. 1 Satz 1, 171 Abs. 3 AO bezogen auf den Veranlagungszeitraum 1995 nicht hemmen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 16/2712, 44) bewirkt auch § 181 Abs. 5 Satz 1 AO, anders als die in § 171 AO getroffenen Regelungen, keine Hemmung des Ablaufs der Feststellungsfrist, sondern ermöglicht nur eine Feststellung trotz bereits abgelaufener Feststellungsfrist. Dies ergibt sich nicht nur unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO, sondern auch aus der von der Finanzverwaltung anerkannten höchstrichterlichen Gesetzesauslegung (vgl. BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 14/00, BFHE 193, 392, das im BStBl II 2001, 156 veröffentlicht wurde). Insoweit setzt sich insbesondere das BMF-Schreiben vom 30. November 2007 über den Wortlaut der Übergangsregelung hinweg, wenn es davon ausgeht, nach § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG werde der Lauf der Feststellungsfristen, soweit sie auf Grund der Wirkung des § 181 Abs. 5 AO nicht abgelaufen waren, im Zeitpunkt des Inkrafttretens des JStG 2007 kraft Gesetz beendet (vgl. BMF-Schreiben vom 30. November 2007, Ziffer II.). Angesichts dessen ist auch das Inkrafttreten der Neuregelung bereits vor dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung unerheblich (möglicherweise anders BFH-Urteil vom 11. Juli 2007 XI R 25/05, BFH/NV 2007, 2261).

b) Selbst wenn man die Regelung in § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG dahingehend auslegen würde, dass § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG n.F. nicht nur bei offener Feststellungsfrist im Sinne der §§ 181 Abs. 1 Satz 1, 169 ff. AO anzuwenden ist, sondern auch der Fall erfasst wird, bei dem nach der bisherigen Rechtslage eine Verlustfeststellung nur mittels § 181 Abs. 5 Satz 1 AO noch möglich wurde, was nach der gesetzgeberischen Begründung zumindest gewollt war (vgl. BT-Drucks. 16/2712, 44), wäre die Klage begründet. Denn § 10d Abs. 4 Satz 6, 2. Halbsatz, EStG n.F. verlangt eine Verlustfeststellung jedenfalls bei pflichtwidrigem Unterlassen der Verlustfeststellung seitens des Beklagten. Von einem pflichtwidrigen Unterlassen ist nach der Gesetzesbegründung auszugehen, wenn die Finanzbehörde trotz abgegebener Steuererklärung keine Verlustfeststellung durchführt (vgl. BT-Drucks. 16/2712, 44). Unterstellt man einerseits mit der Gesetzesbegründung, dass eine Feststellungsfrist wegen § 181 Abs. 5 AO "nicht endet" (BT-Drucks. 16/2712, 44) und andererseits § 181 Abs. 5 AO anwendbar bleibt, wenn die Finanzbehörde keinen Verlustfeststellungsbescheid erlassen hat, obwohl ihr das möglich gewesen wäre, weil ihr die Verluste aus einer Steuererklärung bekannt waren, entspricht eine Verlustfeststellung im Streitfall dem Willen des Gesetzgebers. Dies ergibt sich aus Sicht des Senats daraus, dass sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die Gesetzesbegründung ausdrücklich § 181 Abs. 5 AO aufgreifen und die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigen. Dem Beklagten waren die Verluste bekannt, eine Feststellung hat er in Kenntnis der Verluste der Klägerin und der BFH-Rechtsprechung zur Verlustfeststellung jedoch bewusst und somit pflichtwidrig unterlassen. Dass die Klägerin in Verkennung ihres Wirtschaftsjahrs zunächst "falsche" Steuererklärungen einreichte und diese erst im Klageverfahren (nach dem 18. Dezember 2006) korrigiert hat, wirkt sich nicht zu ihrem Nachteil aus. Eine entsprechende Korrektur wäre bereits im Verwaltungsverfahren, auch angesichts der erklärten Beträge, ohne Weiteres möglich gewesen.

Die abweichende Auffassung des Beklagten vermag den Senat nicht zu überzeugen. Der Beklagte fordert unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 30. November 2007 a.a.O. die Geltendmachung der Verluste innerhalb der ohne § 181 Abs. 5 Satz 1 AO berechneten Feststellungsfrist, auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des JStG 2007. Für Zwecke der Berechnung der Verlustfeststellungsfrist gemäß den §§ 181 Abs. 1, 169 ff. AO will das BMF - nach Auffassung des Senats zutreffend - die Wirkung des § 181 Abs. 5 AO nicht anwenden. Gleichzeitig geht das BMF jedoch davon aus, dass § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG den Lauf der Feststellungsfristen, "soweit sie ausschließlich auf Grund der Wirkung des § 181 Abs. 5 AO noch nicht abgelaufen waren", mit Inkrafttreten des JStG 2007 beendet hat (vgl. BMF-Schreiben vom 30. November 2007, Ziffer II.). Daraus zieht das BMF, und ihm folgend der Beklagte, den Schluss, bei Ablauf der Verlustfeststellungsfrist vor Abgabe der Verlustfeststellungserklärung und vor dem Inkrafttreten des JStG 2007 sei eine Verlustfeststellung nach Ablauf der Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum, auf dessen Schluss die Feststellung vorzunehmen ist, abzulehnen (vgl. BMF-Schreiben vom 30. November 2007 a.a.O.; ebenso FG Köln vom 9. August 2007 10 K 3347/04, [...]).

Die sich insbesondere aus der Auffassung des BMF ergebende Konsequenz, ein pflichtwidriges Unterlassen könne nur angenommen werden, wenn die Verlustfeststellung innerhalb der Feststellungsfrist beantragt wurde, ist nach Ansicht des Senats nicht mit der Gesetzeslage vereinbar. Weder der Gesetzwortlaut noch die Gesetzesbegründung bieten einen Anhaltspunkt dafür, dass es für Verluste, deren Feststellung vor dem Inkrafttreten des JStG 2007 beantragt wurde, rückwirkend auch auf den Zeitpunkt ihrer Geltendmachung ankommen soll. Letztlich steht dieser Anweisung die im BStBl II erfolgte Veröffentlichung der BFH-Urteile vom 1. März 2006 und vom 2. August 2006, denen eine derartige Einschränkung fremd ist, entgegen. Wurden die Verluste vor dem Inkrafttreten des JStG 2007 erklärt, ist vielmehr das "pflichtwidrige Unterlassen" aus Sicht der Rechtslage des Zeitraums zu beurteilen, in dem nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO eine Verlustfeststellung trotz Ablaufs der Feststellungsfrist noch möglich war. Zwar läuft damit § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG in Fällen, in denen die Verluste vor dem 19. Dezember 2006 erklärt wurden, leer. Zur Vermeidung einer unzulässigen, weil verfassungswidrigen Rückwirkung ist diese Konsequenz indes hinzunehmen, selbst wenn dies im Einzelfall zu einem Vorteil der Klägerin gegenüber solchen Steuerpflichtigen führt, bei denen eine Verlustfeststellung wegen einer bereits bestandskräftigen Veranlagung nicht möglich ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 1. Alternative, FGO zugelassen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit § 709 der Zivilprozessordnung.



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