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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 22.10.2008
Aktenzeichen: 13 K 3113/07
Rechtsgebiete: KStG, GewStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 4
GewStG § 10a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

13 K 3113/07

Tenor:

Die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2002 und 2003 werden jeweils auf 0 € herabgesetzt und die Bescheide zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2002 und 2003 dergestalt geändert, dass die verdeckten Gewinnausschüttungen 2002 um ... € gemindert werden und bei der weiteren Berechnung der Feststellungsbeträge vom Fortbestand der wirtschaftlichen Identität der Klägerin im Sinne der §§ 8 Abs. 4 KStG, 10a GewStG ausgegangen wird.

Dem Beklagten wird gemäß § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO aufgegeben, die geänderten Beträge der Verlustfeststellungen zu errechnen, der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnungen unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit den geänderten Inhalten nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren vorrangig über die Frage der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - bei Übertragung von nur 49% der Anteile an der Klägerin, nachrangig über kleinere Streitpunkte nach Durchführung einer Außenprüfung.

Die Klägerin ist eine im Jahr 0000 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung - GmbH - . Sie hat seit einer Kapitalerhöhung in den 80er Jahren ein Stammkapital von ... DM. Unter dem 00.00.2001 übertrug der bisherige Alleingesellschafter einen Anteil von ... DM auf seinen Sohn, der dafür als Gegenleistung sein einzelkaufmännisches Unternehmen, einen ...betrieb unter der Bezeichnung "E.", zu Buchwerten in die Klägerin einbrachte. Die Abtretung der Gesellschaftsanteile und die Einbringung des ... erfolgte mit Wirkung zum 31. Dezember 2001. Das Gewinnbezugsrecht sollte dem Erwerber ab dem 1. Januar 2002 zustehen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Einbringungsvertrag unter UR-Nr. .../2001 des Notars X. in L. verwiesen. Unmittelbar im Anschluss hielten die Gesellschafter der GmbH eine Gesellschafterversammlung ab, in der der bisherige Alleinunternehmer als Geschäftsführer abberufen und sein Sohn zum, von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - befreiten, Geschäftsführer bestellt wurde. Außerdem wurde der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert, dass Beschlüsse der Gesellschaft mit einer Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen gefasst werden müssen, soweit nicht eine andere Mehrheit zwingend vorgeschrieben ist (UR-Nr. ... aus 2001 des Notars X., Blatt 38 der Prüferhandakten - BpHA -).

Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin enthält in § 5 Abs. 1 eine Regelung, wonach zur Veräußerung oder Belastung von Geschäftsanteilen oder von Teilen von Geschäftsanteilen die von der Geschäftsführung zu erklärende Zustimmung der Gesellschaft erforderlich ist (vgl. Gesellschaftsvertrag Blatt 32 ff. BpHA).

Am 00.00.2001 schloss der neue Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin als Eigentümer des ...grundstücks einen Pachtvertrag mit der Klägerin, womit das ...grundstück ab dem 00.00.2002 zunächst auf einen Zeitraum von fünf Jahren an die Klägerin zum Pachtpreis von ... € zuzüglich Umsatzsteuer im Monat verpachtet wurde.

Unter dem 00.00.2002 schloss er einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit der Klägerin. Nach § 3 des Anstellungsvertrages bedarf der Geschäftsführer bei außergewöhnlichen Geschäften der vorherigen Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung, nach § 8 kann er nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden. Obwohl der Geschäftsführer seine ganze Arbeitskraft in den Dienst der Klägerin zu stellen hatte (§ 3 Abs. 1), wurde nur eine Vergütung von ... € monatlich vereinbart.

Die Klägerin wies zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2001 einen Jahresüberschuss von ca. ... DM und einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von ca. ... DM aus. In den beiden nachfolgenden Streitjahren erzielte die Klägerin Jahresüberschüsse von ca. ... € und ca. ... €. Der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag sank auf ca. ... € zum 31. Dezember 2003.

Die Klägerin gab die Erklärungen zur Körperschaftsteuer, den zugehörigen Feststellungen und zur Gewerbesteuer auf der Basis der Gewinnermittlungen ab. Die Festsetzungen führten nach Lage der Akten, die teilweise keine Kopien der Steuerbescheide enthalten, zu erklärungsgemäßen Festsetzungen, mit denen die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuermessbeträge jeweils auf null € festgesetzt wurden, da die Gewinne der Streitjahre infolge der Verlustvorträge nicht zu positiven Steuerfestsetzungen führten. Soweit ersichtlich standen alle Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Umsatzsteuerjahreserklärung 2002 wirkte als Steueranmeldung.

Im Jahr 2005 führte der Beklagte eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch, die im Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen führte:

Die Betriebsprüfung kam zu der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des § 20 des Umwandlungssteuergesetzes - UmwStG - im Streitfall nicht erfüllt seien und deshalb eine Einbringung des früheren Einzelunternehmens des Minderheitsgesellschafters zu Buchwerten ausscheide. Insoweit besteht inzwischen Einvernehmen. Die Betriebsprüfung ging davon aus, die stillen Reserven im Einzelunternehmen des eintretenden Gesellschafters müssten daher aufgedeckt und versteuert werden. Dabei nahm der Prüfer einen Firmenwert des Einzelunternehmens von ... € an. Dies führte dazu, dass bei der Klägerin in den Jahren 2002 und 2003 jeweils Abschreibungsbeträge - AfA - in Höhe von ... € gewinnmindernd berücksichtigt wurden.

Im Rahmen der Prüfung wurden weiterhin erhebliche Mängel in der Buchführung, insbesondere keine ordnungsgemäße Kassenführung und das Fehlen von Warenbestandsaufnahmen, festgestellt (Textziffer 2.1 des Betriebsprüfungsberichtes vom 00.00.2006). Im Streitjahr 2002 war der Warenbestand aus dem von der GmbH zuvor betriebenen Großhandel mit ...artikeln teilweise zu reduzierten Entgelten veräußert, teilweise unentgeltlich abgegeben und teilweise auf Grund von Überlagerung vernichtet worden. Die Betriebsprüfung reduzierte daher den Warenbestand laut Bilanz zum 31. Dezember 2002 um ... € und schätzte die vereinnahmten Erlöse aus der Veräußerung des Warenbestandes mit ... € zuzüglich Umsatzsteuer (50% zu 7% und 50% zu 16%) von ... € und nahm insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung - vGA - von ... € an.

Im Rahmen der Prüfung hatte der Betriebsprüfer weiterhin eine Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten zu 1.) zur Problematik des § 8 Abs. 4 KStG in der im Streitjahr 2002 geltenden Fassung - a. F. - vorgefunden. Dabei hatte der Steuerberater darauf hingewiesen, dass sich die Zuführung überwiegenden neuen Betriebsvermögens im Hinblick auf die geplante Übernahme des ...betriebs und die Einstellung des ...handels nicht vermeiden ließe und deshalb die zweite Voraussetzung des § 8 Abs. 4 KStG a. F., die Übertragung von mehr als 50% der Anteile, zu vermeiden sei. Der Bevollmächtigte hatte daher vorgeschlagen, maximal 50% der Anteile an der Klägerin auf den Sohn des früheren Alleingesellschafter, den jetzigen Minderheitsgesellschafter, zu übertragen und es bei dieser Beteiligungsquote sicherheitshalber für fünf Jahre zu belassen. Bei dieser Konstruktion könne die Klägerin die Verlustvorträge nutzen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme des Bevollmächtigten (Blatt 41 BpHA) verwiesen.

Der Betriebsprüfer verwies auf die im Zeitpunkt der Übertragung der Gesellschaftsanteile bestehenden Verlustvorträge der Klägerin in Höhe von ca. ... DM und die in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber dem bisherige Alleingesellschafter in Höhe von ca. ... DM sowie auf die in der Vergangenheit erwirtschafteten nicht unerheblichen Gewinne des eingebrachten ...betriebs.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin ihren früheren Geschäftsbetrieb - ...großhandel - unmittelbar nach Einbringung des ... eingestellt habe, der Einbringende keine Gegenleistung für das eingebrachte ... von Seiten der GmbH erhalten, sondern nur von seinem Vater eine Schenkung von 49% der Anteile bekommen habe, erweise sich die Gestaltung als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 42 der Abgabenordnung - AO -. Es handle sich um eine ungewöhnliche, unangemessene Gestaltung, deren einziger Zweck die Erlangung des Verlustvortrages gewesen sei. Die Gestaltung sei lediglich auf Grund des engen verwandtschaftlichen Verhältnisses der beteiligten natürlichen Personen möglich gewesen und diene allein der Verlustnutzung durch den jetzigen ...betrieb. Kein fremder Dritter hätte ein gewinnbringendes Unternehmen gegen Gewährung einer Minderheitsbeteiligung in die Klägerin eingebracht, bei der wegen der hohen Darlehensverbindlichkeiten gegenüber dem Mehrheitsgesellschafter zukünftige Gewinne zur Tilgung der Verpflichtungen eingesetzt werden müssten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht, insbesondere Textziffer 2.6 verwiesen.

Der Beklagte erließ daraufhin unter dem 00., 00. und 00.00.2006 Änderungsbescheide, mit denen u. a.

1. die Körperschaftsteuer 2002 mit ... € festgesetzt wurde, weil neben dem Ansatz geringerer Korrekturpositionen ein Verlustabzug bei der Körperschaft-steuer und die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzuges zum 31. Dezember 2002 unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 KStG a. F. unterblieb;

2. der Gewerbesteuermessbetrag 2002 mit ... € festgesetzt und eine Verlustverrechnung sowie die Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2002 unter Hinweis auf § 10a des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - i. V. m. § 8 Abs. 4 KStG a. F. abgelehnt wurde;

3. die Körperschaftsteuer 2003 auf ... € festgesetzt wurde und ein Verlustabzug bei der Körperschaftsteuer sowie ein vortragsfähiger Verlust nicht mehr festgestellt wurde;

4. der Gewerbesteuermessbetrag 2003 auf ... € festgesetzt wurde und der Erlass eines Bescheid über die gesonderte Verlustfeststellung zum 31. Dezember 2003 abgelehnt wurde.

Unter anderem dagegen wendete sich die Klägerin mit fristgerecht erhobenen Einsprüchen. Mit ihnen wandte sie ein, die geschätzten Erlöse aus dem Abverkauf der ...artikel seien überhöht. Es sei maximal ein Erlös von ... € zu schätzen. Hinsichtlich des angenommenen Gestaltungsmissbrauchs bzgl. der Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. vertrat die Klägerin die Auffassung, dass die Annahme des Beklagten, die Vermeidung der Tatbestandsvoraussetzungen einer Missbrauchsvorschrift sei missbräuchlich, unhaltbar sei. Das speziellere Gesetz (hier § 8 Abs. 4 KStG) gehe dem allgemeineren Gesetz (hier § 42 AO) vor. § 42 AO sei daher nicht anwendbar. Auch die Annahme des Beklagten, Anteilsübertragungen zwischen Angehörigen unterfielen einem strengeren Maßstab, entbehrten einer gesetzlichen Grundlage. § 8 Abs. 4 KStG a. F. stelle auf derartige Fragen nicht ab. Die entgeltlichen wie die unentgeltlichen Übertragungen würden selbst nach Auffassung der Finanzverwaltung gleich behandelt.

Mit der Einspruchsentscheidung vom 00.00.2007 folgte der Beklagte dem Vorbringen der Klägerin hinsichtlich des Fehlens eines einlagefähigen Firmenwertes im Jahr 2001, was dazu führte, dass die Körperschaftsteuer 2002 auf ... €, die Körperschaftsteuer 2003 auf ... €, der Gewerbesteuermessbetrag 2002 auf ... € und der Gewerbesteuermessbetrag 2003 auf ... € erhöht wurde. Wegen der weiteren Streitpunkte, insbesondere der Erlöse im ...handel und der Versagung des Verlustabzuges in den Streitjahren blieb der Einspruch ohne Erfolg.

Der Beklagte folgte im Rahmen der Einspruchsentscheidung der Auffassung der Klägerin, wonach eine Anwendung des § 42 AO im Streitfall ausscheide. Allerdings könne die Versagung des Verlustabzuges im Streitfall unmittelbar auf § 8 Abs. 4 KStG a. F. gestützt werden. Nach der Gesetzesformulierung liege eine wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile übertragen würde und die übrigen, im Streitfall unbestritten gegebenen, Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG a. F. erfüllt seien. So sei im vorliegenden Verfahren der ursprüngliche Geschäftsbetrieb der Klägerin, der Handel mit ...artikeln, Anfang 2002 aufgegeben worden. Nennenswertes Betriebsvermögen sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden gewesen. Zugleich mit der schenkweisen Übertragung von 49% der Gesellschaftsanteile und dem Übergang der Geschäftsführung auf den neu eintretenden Gesellschafter sei der Geschäftsbetrieb als ...betrieb - dessen Betriebsvermögen in die GmbH eingebracht worden sei - fortgeführt worden. Unter Bezugnahme auf die BFH-Entscheidung in BStBl II 1997, 829 vertrat der Beklagte die Auffassung, dass ein dem Urteilsachverhalt entsprechender Gesamtplan zur sukzessiven Übertragung aller Gesellschaftsanteile bestanden habe. Auf die Tatsache, dass bisher die Übertragung weiterer Gesellschaftsanteile unterblieben sei, komme es im Hinblick auf die Planung nicht an. Die Gestaltung entspreche der Übertragung von mehr als 50% der Anteile und sei daher als weiterer unter § 8 Abs. 4 KStG a. F. zu subsumierender Fall des Verlustes der wirtschaftlichen Identität zu behandeln. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung mit allen Anlagen Bezug genommen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Klage. In Übereinstimmung mit dem außergerichtlichen Vorbringen beantragt sie die Schätzung eines geringeren Erlöses aus der Veräußerung der ...artikel. Sie trägt insoweit vor, dass sowohl eine Hinzuschätzung als auch die Annahme einer vGA in Form der verhinderten Vermögensmehrung steuerbegründende Tatsachen darstellten. Daher obliege dem Beklagten die volle Darlegungs- und Beweislast. Die Waren seien überwiegend vernichtet bzw. zu absoluten Billigpreisen verkauft worden. Der Umstand, dass zuvor eine Teilwertabschreibung auf diese Gegenstände nicht vorgenommen worden sei, belege das Gegenteil nicht. Es sei maximal ein Erlös den Höhe von ... € erzielt worden.

Mit Schriftsatz vom 00.00.2008 haben die Bevollmächtigten zu 2.) nochmals zu § 42 AO vorgetragen und dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass die Anwendung der Vorschrift schon deshalb nicht in Betracht komme, weil es sich um eine Regelung der Unternehmensnachfolge gehandelt habe, so dass ein außersteuerlicher Grund vorliege.

Hinsichtlich der Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. verweist die Klägerin auf den der vom Beklagten herangezogenen BFH-Entscheidung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt. Der BFH habe darauf abgestellt, dass der spätere Erwerb der formellen Position eines Gesellschafters zu mehr als 75% die Anwendung der Norm nicht hindern könne, wenn er im Zeitpunkt der Zuführung neuen Betriebsvermögens bereits eine Rechtsposition innegehabt habe, die der des Anteilsinhabers sehr nahe komme. Die Besonderheit des Falles habe darin gelegen, dass die spätere Übertragung von 90% der Anteile durch bestimmte Gestaltungen praktisch vorweggenommen worden sei. Daran fehle es hier. Auch die vom Beklagten in Bezug genommene so genannte Gesamtplanrechtsprechung sei nicht einschlägig, weil diese voraussetze, dass das gesamtplanmäßig angestrebte Endergebnis auch tatsächlich herbeigeführt werde.

Im Prinzip könne daher dahinstehen, ob der jetzige Minderheitsgesellschafter jemals den Plan gehabt habe, seine Beteiligung über 49% zu steigern. Nur geplante, aber niemals verwirklichte Lebenssachverhalte spielten steuerlich keine Rolle. Im Übrigen sei der Gesamtplan vom Beklagten nicht bewiesen worden. Die bloße Tatsache, dass der Prozessbevollmächtigte über die steuerlichen Voraussetzungen und Folgen des § 8 Abs. 4 KStG a. F. informiert habe, rechtfertige nicht den Schluss, dass der Minderheitsgesellschafter entsprechend verfahren wollte. Nur die Darlegung der verschiedenen steuerlichen Alternativen lasse den Schluss auf einen entsprechenden Gesamtplan nicht zu. Es sei der tatsächlich realisierte Lebenssachverhalt zu besteuern. Dabei sei keine Beteiligung von mehr als 50% des Grundkapitals übertragen worden.

Der jetzige Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer habe zusammen mit der Anteilsübertragung auch keine einem Mehrheitsgesellschafter vergleichbare Rechtsstellung erhalten. Insbesondere sehe die Satzung keine Sonderrechte für den Minderheitsgesellschafter, wie Mehrstimmrechte oder Stimmbindungsvereinbarungen vor.

Nach Überzeugung der Klägerin ist die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Sinne einer streng zivilrechtlichen Betrachtungsweise zu verstehen, wie sich aus der Rechtsprechung zur mittelbaren Anteilsveräußerung und zur Konzernklausel ergebe. Die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. auf über das Regelbeispiel hinausgehende Fälle komme daher nur in engen Ausnahmen in Betracht. Die dem Grunde nach systemwidrige Durchbrechung der Trennung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter durch die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. setze voraus, dass der neue Gesellschafter seinen Willen auf Grund gesellschaftsrechtlicher Konstruktionen in der Gesellschaft unmittelbar, jederzeit und ohne Rücksicht auf die Belange anderer umsetzen könne. Diese Voraussetzungen seien aber im Streitfall nicht erfüllt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründung vom 00.00.2007 und den Schriftsatz vom 00.00.2008 verwiesen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben sich die Beteiligten dahingehend tatsächlich verständigt, dass die Erlöse aus der Veräußerung der verbliebenen ...artikel mit ... € anzunehmen seien, die je zur Hälfte einem Umsatzsteuersatz von 7% bzw. 16% zu unterwerfen seien. Wegen des weiteren Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtenen Bescheide zur Körperschaftsteuer 2002 und 2003, den Gewerbesteuermessbeträgen 2002 und 2003, den Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2002 und 2003 und den Feststellungen des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2002 und 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 00.00.2007 mit der Maßgabe abzuändern, einen Verlust des vortragsfähigen Verlusts auf Grund der Anteilsübertragung nicht anzunehmen sowie eine Hinzuschätzung bzw. vGA auf Grund des Ausverkauf von ...artikeln in Höhe des Betrages der tatsächlichen Verständigung zugrunde zu legen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass hinsichtlich der Hinzuschätzung bzw. vGA auf Grund des Ausverkauf von ...artikeln ein Betrag in Höhe der tatsächlichen Verständigung berücksichtigt wird.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung und das Ergebnis der mündlichen Verhandlung, wie es sich aus dem Protokoll ergibt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Die angefochtenen Steuer-, Mess- und Verlustfeststellungsbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Dies ist hinsichtlich der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung 2002 insoweit unstreitig, wie der Beklagte bisher zu hohe vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 KStG angesetzt hat. Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens bei der Körperschaftsteuer (§ 8 Abs. 1 KStG) und des maßgeblichen Gewerbeertrages bei der Gewerbesteuer 2002 (§ 7 Abs. 1 GewStG) hat der Beklagte bisher vGA in Höhe von ... € berücksichtigt, wobei die hier im Verlaufe des Verfahrens streitbefangenen Veräußerungserlöse von ... € zuzüglich Umsatzsteuer von .. €, in der Summe also ... €, aus der Veräußerung der ...artikel neben den vGA aus Tz 2.7.1, 2.7.3 und 2.10 des Betriebsprüfungsberichtes erfasst waren.

Der Betrag ist unter Zugrundelegung der in der mündlichen Verhandlung getroffenen tatsächlichen Verständigung um ... € zu mindern. Die Beteiligten des Verfahrens haben sich dahingehend verständigt, dass für die Zwecke der Berechnung der vGA von Erlösen i. H. v. ... € auszugehen ist, die jeweils zur Hälfte mit 7% bzw. 16% Umsatzsteuer zu belasten sind. ... €*7% ergibt ... €; ... €*16% ergibt ... €. ... € plus ... € plus ... € ergibt in der Summe (abgerundet auf volle €) ... €. Der Differenzbetrag zu den bisher angesetzten vGA in Höhe von ... € beträgt ... €.

Da hinsichtlich dieser Minderung der Besteuerungsgrundlagen zwischen den Beteiligten - wie auch aus den insoweit übereinstimmenden Anträgen ersichtlich ist - kein Streit mehr besteht, verzichtet der Senat auf weitere Ausführungen.

Die Klage ist auch insoweit begründet, wie die Klägerin die Berücksichtigung des zum 31. Dezember 2001 festgestellten verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer in Höhe von ... € bei der Berechnung der Körperschaftsteuer 2002 und die Berücksichtigung des zum 31. Dezember 2001 festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlustes von ... € bei der Berechnung des Gewerbesteuermessbetrages 2002 begehrt.

Der Beklagte hat die Berücksichtigung der zum 31. Dezember des Vorjahres festgestellten Verlustbeträge bei der Berechnung der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrag und nachfolgend den Verlustfeststellungen zum Ende des ersten Streitjahres zu Unrecht unter Berufung auf § 8 Abs. 4 KStG a. F. und § 10a Satz 4 GewStG a. F. abgelehnt.

Nach § 8 Abs. 4 KStG a. F. bzw. dem ausschließlich auf § 8 Abs. 4 KStG a. F. verweisenden § 10a Satz 4 GewStG a. F. war Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes - EStG - bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch war, die den Verlust erlitten hatte. Nach § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG a. F. liegt wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt.

Nach herrschender Meinung (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 13. August 1997 I R 89/96, BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 829 mit umfangreichen Nachweisen auch zur Gegenansicht) definiert § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG a. F. die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft nicht. Es handelt sich vielmehr um ein Regelbeispiel, das Raum für Fälle des Verlustes der wirtschaftlichen Identität außerhalb des dort enthaltenen Regelbeispiels lässt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 5. Juni 2007 I R 9/06, BFHE 218, 207, BFH/NV 2008, 166 m. w. N.). Das Regelbeispiel setzt aber zugleich mittelbar einen Maßstab für die in § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG a. F. erfassten Fällen des Verlustes der wirtschaftlichen Identität. Sie müssen Voraussetzungen erfüllen, die mit dem in Satz 2 genannten Regelbeispiel wirtschaftlich vergleichbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 28. Mai 2008 I R 87/07 m. w. N., Veröffentlichung des BFH im Internet am 15. Oktober 2008).

Bei Zugrundelegung dieser Auslegung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. fehlt es im Streitfall am Verlust der wirtschaftlichen Identität der Klägerin im Streitjahr 2002. Der Senat versteht dabei die Regelungen in dem Vertrag vom 00.00.2001 - wie wohl auch die Klägerin und der Beklagte - so, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile und die Einbringung des neuen Betriebsvermögens auf den Jahreswechsel 2001/2002 erfolgen sollten, so dass erstmals in den Veranlagungen des Streitjahres 2002 eine Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. in Betracht käme. Sähe man dies anders und würde Anteilsübertragung und ...einbringung im Jahr 2001 annehmen, hätte die Klage selbst bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beklagten schon deshalb Erfolg, weil dann (fehlerhaft) zum 31. Dezember 2001 Verlustfeststellungen ohne Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG a. F./§ 10a GewStG erfolgt wären, die nach der einschlägigen Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 18/02, BFHE 204, 273, BStBl II 2004, 468 m. w. N.) für alle Folgejahre, hier also für die Streitjahre, verbindlich wären.

Aber selbst wenn man zu Gunsten des Beklagten von einer Anteilsübertragung mit Wirkung zum 1. Januar 2002, 0 Uhr ausgeht, fehlt es im Streitjahr 2002 am Verlust der wirtschaftlichen Identität der Klägerin. Zwar ist der Klägerin unstreitig in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang zu der Anteilsübertragung überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt worden, aber die zweite Voraussetzung des Regelbeispiels, die Übertragung von mehr als der Hälfte der Anteile, ist durch die Übertragung von 49% der Anteile nicht erfüllt worden.

Es liegt auch kein dem Regelbeispiel vergleichbarer Sachverhalt des Verlustes der wirtschaftlichen Identität im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG a. F. vor, der einen Verzicht auf die Übertragung der vom Gesetz regelmäßig verlangten Beteiligungsquote rechtfertigen könnte.

Wie bereits oben unter Bezugnahme auf das Grundsatzurteil des BFH angesprochen, ist der Verlust der wirtschaftlichen Identität einer Körperschaft im KStG oder dem darauf verweisenden GewStG nicht definiert. Die Anforderungen an den Verlust der wirtschaftlichen Identität sind daher unter Berücksichtigung der Vorgaben durch das Regelbeispiel in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG a. F. einerseits und dem Zweck der Vorschrift andererseits zu bestimmen. Der BFH (BFH-Urteil vom 20. August 2003 I R 61/01, BFHE 203, 135, BStBl II 2004, 616) hat dazu ausgeführt, dass das Ziel des § 8 Abs. 4 KStG a. F. in erster Linie sei, den Handel mit GmbH-Mänteln und vortragsfähigen Verlusten zu unterbinden. Zu diesem Zweck verlange das Gesetz die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft als Voraussetzung für den Verlustabzug. Obwohl sich die Identität einer Körperschaft als Rechtsperson durch ihren Unternehmensgegenstand und ihr verfügbares Betriebsvermögen, nicht aber durch ihre Gesellschafter bestimme, habe der Gesetzgeber zur Erreichung des von ihm angestrebten Ziels die Frage der wirtschaftlichen Identität um eine personelle Komponente angereichert und damit den Persönlichkeitsbereich der Körperschaft verlassen. Er hat aus der Definition des Regelbeispiels weiter abgeleitet, dass eine Ausdehnung auf mittelbare Veränderungen in der personalen Struktur vom Anwendungsbereich des § 8 Abs. 4 KStG a. F. nicht erfasst sind. Die unter die Generalklausel des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG a. F. zu subsumierenden Sachverhalte müssten zwingend den Wertungen des Regelbeispiels entsprechen.

Bezogen auf die hier problematische Überschreitung der Grenze von 50% der Anteile bedeutet dies nach Überzeugung des Senats, der sich der Rechtsprechung des BFH insoweit anschließt, dass nur Sachverhalte, die im Ergebnis der Übertragung einer derartigen Mehrheitsbeteiligung entsprechen, unter die Generalklausel des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG a. F. subsumiert werden können. Wann ein entsprechender Fall vorliegt, ist im Einzelfall unter Wertung der feststellbaren Sachverhaltselemente unter Berücksichtigung der in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu bestimmen.

Nach der Auffassung der Finanzverwaltung, wie sie in dem BMF-Schreiben vom 16. April 1999 zur Anwendung von § 8 Abs. 4 KStG (BStBl I 1999, 455) dokumentiert ist, kann eine dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG a. F. gleichstehende Ge-staltung dann vorliegen, wenn die Voraussetzungen des Regelbeispiels nicht vollständig erfüllt sind, aber durch zusätzliche andere Maßnahmen die wirtschaftliche Identität der Körperschaft aufgegeben worden ist. Dies soll unter anderem dann der Fall sein, wenn zwar nicht mehr als 50% aller Geschäftsanteile übertragen werden, jedoch ein Anteilserwerber eine Rechtsposition erhält, die mit der eines Gesellschafters wirtschaftlich vergleichbar ist, der mehr als 50% der Gesellschaftsanteile an der Kapitalgesellschaft hält (BMF a. a. O. Rdnr. 29). Das BMF nimmt insoweit Bezug auf die Entscheidung des BFH in BStBl II 1997, 829, die die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. auf einen Fall betrifft, in dem zum maßgeblichen Zeitpunkt weniger Anteile als in dem Regelbeispiel vorgegeben, übertragen worden waren. Allerdings kam es in dem vom BFH entschiedenen Fall nach dem damals geltenden Regelbeispiel darauf an, dass die Übertragung von mehr als 75% der Anteile vor der Zuführung wesentlichen neuen Betriebsvermögens erfolgt war. Im zu entscheidenden Fall war aber zunächst nur eine Minderheitsbeteiligung übertragen, danach wesentliches neues Betriebsvermögen zugeführt und erst im Anschluss die gesamte Restbeteiligung übertragen worden.

Der BFH hat dazu ausgeführt, dass die erst spätere Übertragung der hinreichenden Anteile an der Gesellschaft die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG in der damals geltenden Fassung nicht hindern könne, wenn der spätere Anteilserwerber schon im Zeitpunkt der Zuführung neuen Betriebsvermögens in Bezug auf die später zu übertragenden Anteile eine Position innegehabt habe, die der eines Anteilsinhabers sehr nahe käme. Dabei reiche es steuerlich aus, wenn die objektiv nach außen hin in Erscheinung tretenden Rechtsbeziehungen sich wirtschaftlich nur damit erklären ließen, das dem Anteilserwerber schon vor der Anteilsübertragung eine Rechtsposition zukomme, die der eines Gesellschafters entspreche, der mehr als die notwendige Beteiligung (damals mehr als 75%, im Streitfall mehr als 50% der Anteile) an der Kapitalgesellschaft halte.

In dem Verfahren, dass der Entscheidung in BStBl II 2004, 468 zugrunde lag, hatte der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer mit ca. 4,5 Millionen DM überschuldeten GmbH I 60% der Anteile an eine GmbH II abgetreten und seine Tätigkeit als Geschäftsführer beendet. Der Alleingesellschafter der erwerbenden GmbH II erwarb in einer mehrseitigen Absprache mit dem Hauptgläubiger der GmbH I, dem Anteilsveräußerer und dessen Ehefrau Forderungen von knapp 5 Millionen DM gegen die GmbH I zum Preis von 200.000 DM. Der BFH bestätigte die Annahme des Finanzgerichts, dass die wirtschaftliche Stellung des Alleingesellschafters der erwerbenden GmbH II auf Grund des Anteilserwerbs sowie der Forderungsabtretung derjenigen eines Anteilseigners entsprach.

Die Kommentarliteratur folgt der Entscheidung des BFH in BStBl II 1997, 829 im Wesentlichen, betont aber durchgängig die Notwendigkeit einer restriktiven Anwendung der Generalklausel (vgl. z. B. Lang in Ernst & Young, KStG, § 8 Rdnr. 1250; Rengers in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8 KStG Rdnr. 949; Schloßmacher in Herrmann/ Heuer /Raupach, EStG/KStG, § 8 KStG Rdnr. 426; Dötsch in Dötsch/ Jost/ Pung/ Witt, KStG, § 8 Abs. 4 Rdnr. 136). Die Entscheidung BStBl II 2004, 468 findet wegen der starken Abweichung vom Zivilrecht Kritik (Roser in Gosch, KStG, § 8 Rdnr. 1414). Der erkennende Senat schließt sich der ganz überwiegend vertretenen Ansicht an, vertritt aber auch die Auffassung, dass die Mindestquote der übertragenen Anteile von mehr als 50% nur in extremen Fällen unterschritten werden kann.

Bei Zugrundelegung dieser Interpretation des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG a. F. kann im Streitfall eine der Übertragung einer Mehrheitsbeteiligung gleichzustellenden wirtschaftlichen Rechtsposition des die Minderheitsbeteiligung erwerbenden Anteilseigners nicht festgestellt werden.

Der Minderheitsgesellschafter hatte keine Rechtsposition inne, die es erlauben würde, ihm in dem Streitjahr die Anteile des Mehrheitsgesellschafters zuzurechnen. Anhaltspunkte für eine Option oder ähnliche rechtliche Gestaltungen, die es dem Minderheitsgesellschafter erlauben würden eine Übertragung der Mehrheitsanteile auf sich zu verlangen, sind weder schlüssig vorgetragen noch feststellbar.

Die Tatsache, dass der Bevollmächtigte zu 1.) die Gesellschafter der Klägerin über den Tatbestand des § 8 Abs. 4 KStG informiert und zur Vermeidung des Verlustes des Verlustvortrages die Übertragung einer Minderheitsbeteiligung vorgeschlagen hatte, führt nicht zu einer anderen Entscheidung. Es ist die Aufgabe eines Beraters auf steuerliche Probleme hinzuweisen und rechtmäßige Handlungsoptionen aufzuzeigen, wie steuerlich unerwünschte Folgen vermieden werden können. Er verschafft seinen Mandanten auf diese Weise die Möglichkeit sachgerechte Entscheidungen zu treffen. Auch wenn der Berater aus seiner Sicht bestehende langfristige Möglichkeiten skizziert, bedeutet dies nicht, dass die Mandanten entsprechende Entschlüsse fassen. Es kann daher - ungeachtet weiterer Problemstellungen in diesem Zusammenhang - nicht festgestellt werden, dass die Gesellschafter der Klägerin einen "Gesamtplan" zur sukzessive Übertragung aller Anteile gefasst haben. Bloße Vermutungen des Beklagten können diese fehlenden Feststellungen nicht ersetzen. Dies gilt umso mehr, als bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weitere Übertragungsakte nicht festgestellt werden können.

Auch die festgestellten und unstreitigen Lebenssachverhalte entsprechen nach Überzeugung des erkennenden Senats - trotz der nicht unerheblichen Machtposition des Minderheitsgesellschafters - nicht der Rechtsposition eines Mehrheitsgesellschafters.

Zwar hatte der Minderheitsgesellschafter als Verpächter des Betriebsgrundstückes, als nur eingeschränkt abrufbarer Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter mit einer Sperrminorität zunächst die Möglichkeit die Geschicke der Klägerin zu steuern. Als Verpächter war er aber gemäß § 2 des Pachtvertrages auf fünf Jahre gebunden. Gestaltungsrechte konnte er während dieser Zeit nicht ausüben. Anhaltspunkte für eine unangemessene Gestaltung der Pacht bestehen nicht. Auch der Beklagte hat kein entsprechendes Vorbringen in das Verfahren eingeführt.

Als Geschäftsführer hatte der Minderheitsgesellschafter einerseits die Möglichkeit die Geschäfte der Klägerin zu bestimmen. Andererseits waren seine Handlungsmöglichkeiten durch die Begrenzung seiner Geschäftsführerbefugnisse in wesentlichen Fragen durch das Erfordernis der Zustimmung der Gesellschafterversammlung gebunden. Die wesentlichen Geschäfte, insbesondere die Veräußerung des Unternehmens im Ganzen, also des eingebrachten ...betriebs, bedurften der vorherigen Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung.

Zwar sah der Geschäftsführervertrag in § 4 Abs. 3 eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB vor. In § 1 Abs. 6 des Vertrages ist aber geregelt, dass der Geschäftsführer nicht befugt ist, außerhalb eines von der Gesellschafterversammlung ordnungsgemäß gefassten Gewinnverteilungsbeschlusses sich persönlich, den übrigen Gesellschaftern oder nahe stehende Personen Vorteile irgendwelcher Art vertragsgemäß oder durch einseitige Handlungen zuzuwenden. Die Neuregelung von § 9 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages, wonach die Beschlüsse der Gesellschaft mit einer Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen gefasst werden müssen, führte zwar dazu, dass der Minderheitsgesellschafter vom Mehrheitsgesellschafter nicht überstimmt werden konnte, gab ihm aber auch nicht die Möglichkeit, seinerseits die Geschicke der Gesellschaft durch Mehrheitsentscheidungen einseitig zu bestimmen.

Auch die Tatsache, dass die Anteile an der Gesellschaft nur mit Zustimmung der Gesellschaft veräußert werden konnten, betraf beide Gesellschafter.

Bedeutsam erscheint, dass nach Lage der Akten keine vertraglichen Regelungen bezüglich der Abtretbarkeit der Darlehensforderungen bestehen. Diese sind aber für die Beurteilung des gesamten Falles nach Überzeugung des erkennenden Senats entscheidend. Bei der Bewertung der gesamten Indizien ist zu beachten, dass die wesentlichen Chancen aus einer Vermögensverbesserung der Klägerin nach Lage der Akten weiterhin dem Mehrheitsgesellschafter zustanden und zustehen. Der nicht gedeckte Fehlbetrag des Eigenkapitals von ca. ... € in der Bilanz auf den 31. Dezember des Streitjahres korrespondiert auf der Passivseite der Bilanz im Wesentlichen mit den Verbindlichkeiten gegenüber dem Mehrheitsgesellschafter in Höhe von ca. ... €. Im Falle einer Liquidation der Klägerin hätte der Minderheitsgesellschafter daher wahrscheinlich das von ihm eingebrachte Vermögen verloren. Anders als in dem vom BFH in BStBl II 2004, 468 entschiedenen Fall, hat also nicht der Erwerber der Gesellschaftsanteile durch Überleitung der Forderungen die wirtschaftlichen Chancen erhalten, sondern der andauernde Mehrheitsgesellschafter ist im Besitz dieser Chancen geblieben. Insoweit unterscheiden sich die beiden Fälle grundlegend.

Es ist dem Beklagten zuzugestehen, dass die vorliegende Gestaltung letztlich nur dadurch verständlich wird, dass es sich - wie auch die Klägerin selbst vorgetragen hat - um einen Vorgang im Rahmen einer Unternehmensnachfolge handelt. Nur die Erwartung zu späterer Zeit den Mehrheitsanteil und die damit verbundenen Darlehensforderungen gegen die Klägerin zu erben, machen die Handlungsweise des Minderheitsgesellschafters unmittelbar nachvollziehbar und lassen sie wirtschaftlich vernünftig erscheinen. Aber auch damit bewegen sich die Beteiligten der Verträge im Bereich von Erwartungen, nicht im Bereich von Rechtspositionen. Der Fall unterscheidet sich damit auch von der Sachverhaltskonstellation, die der Entscheidung des BFH in BStBl II 1997, 829 zugrunde lag. Während im dort zu entscheidenden Fall das Verhalten des zunächst nur einen Minderheitsanteil erwerbenden neuen Gesellschafters nur dadurch verständlich war, dass er sich bereits zu diesem Zeitpunkt als wirtschaftlicher Eigentümer sämtlicher Anteile verstand - möglicherweise also entsprechende Verträge bestanden - und ihm kurzfristig auch alle Anteile übertragen worden waren, ist dies im vorliegenden Verfahren auf Grund der familiären Verbundenheit der Beteiligten anders. Es erscheint möglich, dass der erwerbende Sohn Zuwendungen an den Vater vornehmen wollte. Es erscheint auch möglich, dass der den Minderheitsanteil übertragende Vater seinem Sohn vor der - auch nach Auffassung der Finanzverwaltung § 8 Abs. 4 KStG a. F. nicht berührenden Erbfolge (vgl. BMF, BStBl I 1999, 455 Rdnr. 4) - die teilweise Nutzung der Verlustvorträge der Klägerin ermöglichen wollte. Außerdem ist eine kurzfristige Übertragung der restlichen Anteile nicht erfolgt.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Machtposition des Minderheitsgesellschafters bei einer dem Sachverhalt ansonsten entsprechenden vertraglichen Ge-staltung bei allen Beteiligungen zwischen 26 und 49% des Stammkapitals identisch wäre, würde die Zuordnung des hier zu entscheidenden Sachverhaltes zu den dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG a. F. entsprechenden Fällen des Verlustes der wirtschaftlichen Identität gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG a. F. bedeuten, dass die vom Gesetzgeber gewählte Beteiligungsgrenze völlig entwertet würde.

Auch die Tatsache, dass die wesentliche wirtschaftliche Beteiligung an den Ergebnissen der Klägerin weiterhin dem Mehrheitsgesellschafter zusteht, würde ignoriert.

Letztlich würde es bedeuten, dass der wirtschaftliche Gehalt der Mehrheitsbeteiligung - korrespondierend zur Behandlung des Minderheitsanteils - als der eines Minderheitsanteils qualifiziert werden müsste. Andererseits hat der Senat keine Zweifel, dass eine spätere Veräußerung der 51%igen Beteiligung die Rechtsfolge des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG a. F. ausgelöst hätte. Ein derartiges Ergebnis könnte den Senat nur bei Konstellationen überzeugen, die den wirtschaftlichen Gehalt der Mehrheitsbeteiligung weitestgehend aushöhlen. Das ist aber im Streitfall - wie oben dargelegt - nicht der Fall.

Die Versagung des Verlustabzuges kann auch nicht auf § 42 AO in der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung gestützt werden. § 8 Abs. 4 KStG ist eine spezielle Missbrauchsvorschrift (vgl. weitere Nachweise bei Schloßmacher in Herrmann/ Heuer /Raupach, EStG/KStG, § 8 KStG Rdnr. 413). So weit nach § 8 Abs. 4 KStG der Missbrauchsvorwurf nicht erhoben werden kann, liegt daher auch kein Fall des § 42 AO vor. Im Übrigen folgt der Senat der Rechtsprechung des BFH, wonach die Neufassung des § 42 AO mit Wirkung zum 23. Dezember 2001 nicht auf früher verwirklichte Lebenssachverhalte zurückwirkt (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 2002 I R 63/99, BStBl II 2003, 50). Da der Beklagte im Verlauf des Verfahrens seinerseits auch zu der Überzeugung gekommen ist, dass § 42 AO nicht anwendbar ist, verzichtet der Senat auf weitere Ausführungen.

Die Klage ist letztlich auch insoweit begründet, wie die Klägerin die Berücksichtigung des - nach Verrechnung mit dem im Streitjahr 2002 zu berücksichtigenden Gesamtbetrag der Einkünfte und dem Gewerbeertrag vor Verlustabzug - verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer 2002 bei der Berechnung der Körperschaftsteuer 2003 und der Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2003 sowie des zu ändernden vortragsfähigen Gewerbeverlustes 2002 bei der Berechnung des Gewerbesteuermessbetrages 2003 und bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2003 begehrt, also hinsichtlich der Festsetzung von Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2003 eine Herabsetzung auf jeweils null € und hinsichtlich der Verlustfeststellungen eine Anpassung an die Ergebnisse des Vorjahres.

Auch wenn es sich insoweit um Folgebescheide zu den Bescheiden über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs bei der Körperschaftsteuer und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2002 handelt und der materielle Streit ausschließlich im Rahmen der Entscheidung bezüglich Streitjahr 2002 entschieden worden ist, kann der Senat im vorliegenden Verfahren ohne die Notwendigkeit einer Aussetzung gemäß § 74 FGO entscheiden. Nach § 74 FGO ist die Aussetzung des Verfahrens möglich, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites bildet. Eine Aussetzung gemäß § 74 FGO kommt daher nicht in Betracht, wenn das zur Entscheidung berufene Gericht auch für das vorgreifliche Rechtsverhältnis zuständig ist (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 17. August 1995 XI B 123, 125/94, BFH/NV 1986, 219; Thürmer in Hübschmann /Hepp /Spitaler, AO/FGO, § 74 FGO Rdnr. 45 m. w. N.)

In der Sache ist das Begehren der Klägerin aus den - zwischen den Beteiligten des Rechtsstreites allein umstrittenen - beim Streitjahr 2002 dargelegten Gründen erfolgreich, da hinsichtlich des Streitjahres 2003 ausschließlich die Frage der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 KStG a. F. bzw. des § 10a GewStG im Streitjahr 2002 und dessen Folgewirkungen im Jahr 2003 umstritten waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Das Unterliegen der Klägerin hinsichtlich der vGA im Zusammenhang mit den Erlösen aus dem Verkauf der ...artikel und der fallengelassenen Streitpunkte fällt neben der Frage der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 KStG a. F. betragsmäßig nicht ins Gewicht.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil aus seiner Sicht der Frage der Auslegung des § 8 Abs. 4 KStG a. F., der als Übergangsrecht gemäß § 34 Abs. 6 Satz 4 KStG noch mehrere Jahre anzuwenden ist, insoweit grundsätzliche Bedeutung zukommt, wie es um die Frage geht, unter welchen Voraussetzungen die Vorschrift trotz Unterschreitung der in dem Regelbeispiel genannten Übertragung von mehr als 50% der Anteile zur Anwendung kommen kann.

Ende der Entscheidung

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