Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 25.05.2005
Aktenzeichen: 14 K 2275/01
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 174 Abs. 4
EStG § 4 Abs. 4
AO 1977 § 127
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob ein Pachtvertrag zwischen Angehörigen steuerlich anzuerkennen ist sowie darüber, ob die Voraussetzungen für eine Bescheidänderung zulasten der Kläger vorliegen.

Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

Mit Übertragungsvertrag vom 12.06.1973 (UR-Nr. ... des Notars C in L, Kopie Bl. 120 bis 127 der Betriebsprüfungsakte - Prüferhandakte) hatten die Eltern des Klägers diesem das Eigentum an allen Grundstücken ihres landwirtschaftlichen Betriebs einschließlich des Hofgrundstücks nebst Gebäuden sowie das gesamte zu dem landwirtschaftlichen Betrieb in F gehörige Wirtschaftsvermögen übertragen. Die Eltern hatten sich als Gesamtberechtigte ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an dem gesamten übertragenen Grundbesitz vorbehalten mit der Maßgabe, dass dem Längstlebenden von ihnen das Recht allein in vollem Umfang zustehen sollte. Der Jahreswert des Nießbrauchsrechts wurde mit 30.000,- DM beziffert. Für den Fall der Weiterveräußerung von Grundstücken sollte der Kläger seine Geschwister in festgelegtem Umfang an den Verkaufserlösen beteiligen. Für den Fall der Veräußerung von Grundstücken durch den Kläger ohne Einwilligung der Eltern wurde diesen ein durch eine Auflassungsvormerkung zu sicherndes Rücktrittsrecht eingeräumt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Übertragungsvertrags Bezug genommen.

Der Nießbrauch wurde im Grundbuch eingetragen. Daneben wurde der bedingte Anspruch auf Rückauflassung der Grundstücke zugunsten der Eltern eingetragen.

Weiter war am 30.06.1973 zwischen dem Kläger als Pächter und seinen Eltern als Verpächtern ein Pachtvertrag über die nießbrauchsbelasteten Grundstücke des landwirtschaftlichen Betriebs geschlossen worden. Der Pachtzins betrug 30.000 DM pro Jahr und war in drei Raten jeweils am 01.10., 01.12. und 01.05. fällig. Hierzu ist handschriftlich vom Vater des Klägers vermerkt, dass die Pacht 1984 auf 40.000 DM erhöht worden sei. Die Pachtdauer wurde auf zwölf Jahre festgelegt (§ 4 Satz 1 des Vertrags) und sollte sich jeweils um ein Jahr verlängern, wenn sie nicht ein Jahr vor Ablauf der Frist von einem Vertragspartner schriftlich gekündigt wurde (§ 4 Satz 2 des Vertrags). Abweichend von § 4 des Vertrags sollten die Eltern als Verpächter berechtigt sein, den Vertrag zum folgenden 30.06. vorzeitig zu kündigen, falls der Kläger mit den Pachtzahlungen länger als ein Jahr im Rückstand bleiben sollte (§ 6 des Vertrags). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Pachtvertrags (Kopie Bl. 128, 129 der Betriebsprüfungsakte-Handakte) Bezug genommen.

Der Kläger leistete aufgrund des Pachtvertrags zunächst Pachtzahlungen an seine Eltern, nach dem Tod der Mutter an seinen Vater. Die Grundbücher im April 1991 wurden dahingehend geändert, dass dem Vater des Klägers das Nießbrauchsrecht und die Auflassungsvormerkung allein zuständen. Spätestens ab dem Wirtschaftsjahr 1991/1992 zahlte der Kläger die Pacht nicht mehr.

Am 27.09.1991 erteilten die Geschwister des Klägers, T und I, als Bevollmächtigte des Vaters die Löschungsbewilligung für den eingetragenen Nießbrauch und die Auflassungsvormerkung (Kopie der notariellen Urkunde Bl. 117, 118 der Betriebsprüfungsakte-Prüferhandakte). Zu einer Löschung des Nießbrauchsrechts kam es jedoch zunächst nicht. Diese erfolgte vielmehr erst nach dem Tod des Vaters am 13.07.1993 aufgrund des Löschungsantrags vom 25.06.1996. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinen Geschwistern wurde die Pacht nicht (anteilig) nachgezahlt bzw. angerechnet.

In den für die Streitjahre maßgeblichen Gewinnermittlungen ab dem Wirtschaftsjahr 1991/1992 behandelte der Kläger auch nach Einstellung der Pachtzahlungen die Pacht weiter als Aufwand und bildete in entsprechender Höhe in der Bilanz Verbindlichkeiten.

Aufgrund der Umstrukturierung des landwirtschaftlichen Betriebs zum Gemüsebaubetrieb bestimmte der Kläger 1993 das Kalenderjahr zum Wirtschaftsjahr des Betriebs.

Die Kläger erklärten - unter Berücksichtigung der Pachtaufwendungen - folgende Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft:

 1990/19911991/19921992/1993
DMDMDM
- 77.713857.560163.734

Im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung beim Kläger durch das Finanzamt L gelangte der Prüfer zu der Ansicht, dass der Pachtvertrag mangels tatsächlicher Durchführung ab dem Wirtschaftsjahr 1991/1992 nicht mehr anzuerkennen und der Gewinn um die Pachtaufwendungen zu erhöhen sei. Daraus ergebe sich für die Wirtschaftsjahre 1991/1992 und 1992/1993 eine Gewinnerhöhung von jeweils 30.000,- DM und für das angenommene Rumpfwirtschaftsjahr 1993 von 18.334,- DM. Wegen der weiteren Einzelheiten auch der Gewinnermittlung im Übrigen wird auf den Prüfungsbericht vom 29.10.1997 Bezug genommen.

In Auswertung des Betriebsprüfungsberichts ergingen am 27.03.1998 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, mit denen gleichzeitig die bis dahin bestehenden Vorbehalte der Nachprüfung aufgehoben wurden. Dabei berücksichtigte der Beklagte den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft im Zeitraum vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993 in der Weise, dass er ein Wirtschaftsjahr vom 01.07.1992 bis zum 30.06.1993 annahm, dessen Gewinn jeweils zur Hälfte in die Einkommensteuerbescheide für 1992 und 1993 einfloss, sowie ein Rumpfwirtschaftsjahr vom 01.07.1993 bis zum 31.12.1993, dessen Verlust er in voller Höhe im Bescheid für 1993 berücksichtigte. Auf diese Weise ergaben sich für 1992 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft von 690.531,- DM und für 1993 von 6.313,- DM. Für 1993 führte dies zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer auf 0,00 DM.

Mit dem Einspruch gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide für 1991 und 1992 machten die Kläger geltend, dass der Pachtvertrag weiterhin anzuerkennen sei. Nach dem Tode der Mutter sei am 12.04.1991 die Grundbucheintragung dahingehend geändert worden, dass der Nießbrauch dem Vater allein zustehe. Dass dieser noch im selben Jahr auf das Nießbrauchsrecht verzichtet habe, sei äußerst unwahrscheinlich. Ein notarieller Vertrag entsprechenden Inhalts liege nicht vor. Soweit einzelne Grundstücke verkauft worden seien und in diesem Zuge auch auf das Nießbrauchsrecht verzichtet worden sei, handele es sich um für den landwirtschaftlichen Betrieb unbedeutende Flächen. Der Kläger sei weiterhin verpflichtet geblieben. Nach dem Tod des Vaters hätten die Geschwister des Klägers auf den Anspruch auf Pachtzahlung verzichtet.

Weiter machten die Kläger geltend, dass die Aufteilung des Gewinns des Zeitraums vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993 unter Berücksichtigung eines Rumpfwirtschaftsjahres vom 01.07.1993 bis zum 31.12.1993 nicht der Regelung des § 8 c Abs. 2 EStDV entspreche. Vielmehr sei der Gesamtgewinn des Zeitraums vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993 in Höhe von 486.823,- DM in Höhe von 6/18 im Kalenderjahr 1992 und in Höhe von 12/18 im Kalenderjahr für 1993 zu berücksichtigen. Die Bescheide für 1991 und für 1992 seien dahingehend zu berichtigen, dass sich für 1991 ein zu versteuerndes Einkommen von 412.547,- DM und für 1992 von 508.610,- DM ergebe.

Mit dem auf § 129 AO gestützten Bescheid vom 08.05.1998 änderte der Beklagte die Steuerfestsetzung für 1993 zulasten der Kläger in der Weise, dass er nunmehr 12/18 des Gesamtgewinns des Zeitraums vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993 (166.483,- DM) als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft berücksichtigte. Mit dem Einkommensteuerbescheid vom 18.11.1998 änderte der Beklagte die Steuerfestsetzung für 1992 in der Weise, dass er den durch die Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993 ermittelten Gewinn unter Einschluss des Verlustes für den Zeitraum vom 01.07.1993 bis zum 31.12.1993 in Höhe von 6/18 im Streitjahr 1992 berücksichtigte. In beiden Änderungsbescheiden ließ er weiterhin die geltend gemachten Aufwendungen für die Pacht unberücksichtigt.

Mit dem Einspruch gegen den geänderten Bescheid für 1993 machten die Kläger geltend, dass eine Änderung des Bescheids für 1993 zu ihren Lasten weder auf § 129 AO noch auf § 174 AO gestützt werden könne.

Mit der Einspruchsentscheidung vom 08.03.2001 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Er hielt daran fest, dass die Pacht steuerlich nicht zu berücksichtigen sei. Die Änderung des Bescheids für 1993 sei zwar nicht nach § 129 AO, hingegen aber nach § 174 Abs. 4 AO statthaft. Die Bezeichnung der falschen Änderungsvorschrift sei unerheblich.

Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie machen bezüglich der Pachtaufwendungen geltend, die Vermutung des Beklagten, dass der Vater des Klägers das Nießbrauchsrecht tatsächlich nicht mehr ausgeübt habe, sei in keiner Weise belegt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass der Pachtvertrag vom 30.06.1973 aufgehoben worden sei. Für die Pachtzahlungen seien jeweils betriebliche Verbindlichkeiten in den entsprechenden Bilanzen festgehalten worden, da aufgrund finanzieller Engpässe im landwirtschaftlichen Betrieb die Pachtzahlungen zu jener Zeit nicht geflossen seien. Nach dem Pachtvertrag sei der Vater des Klägers zur Kündigung berechtigt gewesen, was aber nicht geschehen sei. Die Löschungsbewilligung sei vermutlich ohne das Wissen des Vaters des Klägers erteilt worden. Dementsprechend sei die Verbindlichkeit gegenüber dem Vater bestehen geblieben.

Eine Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1993 nach § 174 Abs. 4 AO komme nicht in Betracht, da keine irrige Beurteilung des Sachverhalts durch den Beklagten im Sinne des § 174 Abs. 4 AO vorliege. Der Sachverhalt sei bereits im Betriebsprüfungsbericht vom 29.01.1997 richtig beurteilt worden. Im übrigen sei Voraussetzung für eine Berichtigung nach § 174 Abs. 4 AO, dass durch die vorausgegangene Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides der Sachverhalt nunmehr ohne steuerliche Regelung sei. Bleibe er dagegen, wenn auch falsch, geregelt, sei § 174 Abs. 4 AO nicht anwendbar. Der Sachverhalt sei aber beim Kläger nicht ungeregelt geblieben. Zum Zeitpunkt des Ergehens des Bescheids für 1993 vom 08.05.1998 habe auch deshalb nicht nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden können, weil ein berichtigter Einkommensteuerbescheid für 1992 noch nicht vorgelegen habe. § 174 Abs. 4 AO setze indes voraus, dass ein berichtigter Bescheid zugunsten des Steuerpflichtigen ergangen sei. Die Kläger berufen sich insoweit auf die Urteile des FG Düsseldorf in EFG 1999, 638 und 2004, 160.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide für 1991 bis 1993 dahingehend zu ändern, dass Pachtaufwendungen in Höhe von 15.000 DM (1991), 31.111 DM (1992) und 15.000 DM als weitere Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Land und Forstwirtschaft des Klägers berücksichtigt werden und die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1993 nach § 174 Abs. 4 AO (§ 129 AO) rückgängig gemacht wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält daran fest, dass die Pachtaufwendungen mangels tatsächlicher Durchführung des Pachtvertrags in den Streitjahren nicht mehr zu berücksichtigen seien und der Bescheid für 1993 nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden konnte.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Der Beklagte hat zu Recht die geltend gemachten Pachtzinsen nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Das Pachtverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Vater war im Streitzeitzeitraum steuerlich nicht anzuerkennen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung sind Verträge unter nahen Angehörigen einkommensteuerlich nur anzuerkennen, wenn sie dem Fremdvergleich standhalten. Dies bedeutet, dass sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sein und inhaltlich dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen müssen. Weiter müssen sie dem Vertragsinhalt entsprechend tatsächlich durchgeführt werden. Allerdings führen nicht jede Abweichung vom inhaltlich Üblichen und jeder Durchführungsmangel zur Versagung der steuerlichen Anerkennung. Vielmehr müssen die Abweichungen bzw. die Mängel von einigem Gewicht sein. Für Mietverträge bedeutet dies, dass die vertraglichen Hauptpflichten der Mietvertragsparteien nach § 539 BGB, wie das Überlassen einer konkret bestimmten Mietsache und der Höhe der zu entrichtenden Miete klar und eindeutig geregelt sein müssen (grundlegend BFH-Urteil vom 20.10.1997 IX R 38/97, BStBl II 1998, 106). Für Pachtverträge nach § 581 BGB in der für die Streitjahre gültigen Fassung gilt schon im Hinblick auf die Verweisung auf die mietrechtlichen Vorschriften in Abs. 2 der Vorschrift nichts anderes. Ein gewichtiger Durchführungsmangel liegt insbesondere dann vor, wenn die Miete bzw. Pacht gar nicht gezahlt oder erst in einem späteren Jahr nachgezahlt wird (BFH-Urteil vom 19.06.1991 IX R 306/87, BStBl II 1992, 75). Maßgeblich ist letztlich die Gesamtwürdigung der Verhältnisse (BFH-Urteil vom 20.10.1997, a.a.O.).

b) Im Streitfall kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob für den Streitzeitraum das Pachtverhältnis zivilrechtlich noch bestand - wie die Kläger behaupten - oder aufgehoben ist - wie der Beklagte meint. Auf die Richtigkeit der Ansicht des Beklagten deuten die erteilte Löschungsbewilligung und die Einstellung der Pachtzahlungen hin. Dem kann weder entgegengehalten werden, dass ein notarieller Aufhebungsvertrag des Pachtvertrags nicht vorliege, noch dass der Vater des Klägers wahrscheinlich von der Löschungsbewilligung keine Kenntnis gehabt habe. Die Aufhebung des Pachtvertrags war nicht beurkundungspflichtig. In die notarielle Urkunde über die Löschungsbewilligung ist ausdrücklich aufgenommen, dass der Bruder und die Schwester des Klägers für den Vater als Bevollmächtigte gehandelt haben. Für eine vollmachtlose Vertretung bestehen insoweit, da es üblich gewesen wäre, eine Vollmachtlosigkeit in die notarielle Urkunde aufzunehmen, keine Anhaltspunkte. Die Löschungsbewilligung war deshalb dem Vater unabhängig von dessen konkreter Kenntnis zuzurechnen.

Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob die Löschungsbewilligung und Einstellung der Pachtzahlungen tatsächlich auf einer Aufhebung des Pachtvertrags beruhen. Denn - das zivilrechtliche Fortbestehen des Pachtvertrags unterstellt - wäre dieser für den Streitzeitraum jedenfalls steuerlich nicht mehr zu berücksichtigen. Denn bezüglich des Pachtvertrags läge ein gewichtiger Durchführungsmangel darin, dass die Pacht folgenlos nicht mehr gezahlt wurde. Ein sachlicher einem Fremdvergleich standhaltender Grund für die Zahlungseinstellung ist nicht ersichtlich. Soweit die Kläger geltend machen, die Zahlungseinstellung sei im Hinblick auf einen finanziellen Engpass erfolgt, ist dies angesichts der hohen Einkünfte des Klägers nicht nachvollziehbar. Überdies hätte ein fremder Dritter eine Zahlungseinstellung oder einen Zahlungsaufschub über einen Zeitraum von bis zu etwa zwei Jahren aufgrund eines finanziellen Engpasses nicht akzeptiert. Ein Zahlungsaufschub wäre allenfalls für einen Zeitraum einiger Wochen oder nur für Teilbeträge akzeptiert worden. Vielmehr hätte ein fremder Dritter seinen Zahlungsanspruch gegebenenfalls mit Nachdruck geltend gemacht und/oder das Pachtverhältnis fristlos nach §§ 581, 554 Abs. 1 BGB oder ggf. auch fristgerecht (s. § 4 Satz 2 des Pachtvertrags) gekündigt. Die fristlose Kündigung bei Nichtzahlung war nicht durch § 6 des Pachtvertrags ausgeschlossen, da diese Regelung, wie aus der Gegenüberstellung mit § 4 Satz 2 des Pachtvertrags folgt, nur während der bereits abgelaufenen ursprünglichen zwölfjährigen Pachtdauer (s. § 4 Satz 1 des Pachtvertrags) galt.

2. Der Beklagte hat auch zu Recht den Einkommensteuerbescheid für 1993 geändert.

a) Der Beklagte war nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO berechtigt, den nach der Betriebsprüfung ergangenen - nicht mehr unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden - Bescheid durch den angefochtenen Änderungsbescheid vom 08.05.1998 zu ändern. Denn der Beklagte hat mit dem Änderungsbescheid einem Antrag der Kläger der Sache nach entsprochen. Die Kläger haben zwar keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, die Festsetzung für 1993 zu ändern. Einer solchen ausdrücklichen Antragstellung bedurfte es jedoch nicht, da der Antrag i.S. des § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO auch konkludent gestellt werden kann (Klein/Rüsken, AO, 8. Aufl. 2003, § 172 Rdn. 34 m.w.N.). Ein solcher konkludenter Änderungsantrag der Kläger liegt in dem mit dem Einspruch für 1991 und 1992 gestellten Antrag zur Änderung der Festsetzung für 1992 im Hinblick auf die zu ändernde Einkünftezurechnung der Einkünfte aus Land und Forstwirtschaft für den Zeitraum vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993. Denn diesen Antrag haben die Kläger mit der - zutreffenden - Darstellung der Zurechnung dieser Einkünfte verbunden, wonach die Gesamteinkünfte dieses Zeitraums aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 83.241 DM auf das Kalenderjahr 1992 und in Höhe von 166.484 DM auf das Kalenderjahr 1993 entfielen. Diese Darstellung konnte der Beklagte bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung der Umstände, dass eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO jedenfalls bei umgekehrter Bescheidfolge (zunächst Erlass des Änderungsbescheids für 1992) unzweifelhaft möglich gewesen wäre und das Gesamtergebnis für die Kläger günstiger als dasjenige der Änderungsbescheide vom 27.03.1998 war, nur als Antrag auffassen, beide Bescheide zu ändern. Soweit ein Änderungsantrag dem Wortlaut des Einspruchsschreibens nach ausdrücklich nur für 1991 und 1992 gestellt worden ist, lässt sich hieraus keine gegenteilige Würdigung herleiten. Denn diese Beschränkung beruht allein darauf, dass lediglich für diese beiden Jahre Einspruch eingelegt worden ist, während für 1993 ein Einspruch schon im Hinblick auf die Nullfestsetzung nicht in Betracht kam. Die ausdrückliche Antragstellung allein für 1991 und 1992 ist lediglich als Konkretisierung des Einspruchsbegehrens zu verstehen, nicht aber dahingehend auszulegen, dass die gleichzeitige folgerichtige Änderung für 1993 nicht beantragt werden sollte.

b) Die Änderungsbefugnis des Beklagten folgt überdies auch aus § 174 Abs. 4 AO. Nach dieser Bestimmung können, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Im Streitfall beruhte die Änderung der Steuerfestsetzung für 1992 durch den aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Bescheid vom 27.03.1998 auf einer irrigen Beurteilung des Sachverhalts der Umstrukturierung des Betriebs des Klägers zum Gemüsebaubetrieb und der damit verbundenen Umstellung des Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr. Eine irrige Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts im Sinne des § 174 Abs. 4 AO ist stets gegeben, wenn aus dem betreffenden Sachverhalt materiell-steuerrechtlich unzutreffende Folgerungen gezogen werden. Dies trifft im Streitfall zu. Der Beklagte hat in dem Änderungsbescheid für 1992 entsprechend dem Betriebsprüfungsbericht steuerliche Folgerungen gezogen, wie sie aufgrund des § 8c EStDV a. F. (für die Wirtschaftsjahre, die vor dem 30.06.1990 begannen) zutreffend gewesen wären. Für den Streitfall galt aber insoweit § 8c Abs. 2 Satz 2 EStDV in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz - StMBG) vom 21.12.1993 (BGBl. I S 2310, BStBl I 1994, 50). Diese Vorschrift war nach § 84 Abs. 2 Satz 2 EStDV in dieser Fassung rückwirkend erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 30.06.1990 beginnen. Abweichend von der vorangegangenen Regelung sieht diese Neuregelung vor, dass bei der Umstellung eines abweichenden Wirtschaftsjahres auf ein mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschaftsjahr sich das letzte vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr um den Zeitraum bis zum Beginn des ersten mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Wirtschaftsjahr verlängert; eine Rumpfwirtschaftsjahr ist nicht zu bilden. Die unzutreffende Anwendung der Vorgängerregelung hat zu einer unzutreffenden Verteilung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft des Klägers den Zeitraum vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993 geführt, wie die Kläger mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 1992 zu Recht gerügt haben.

Dieser Bescheid ist aufgrund des Rechtsbehelfs des Einspruchs der Kläger zu deren Gunsten geändert worden.

Aufgrund dieser Änderung war der Beklagte entsprechend der in § 174 Abs. 4 Satz 1 AO vorgesehenen Rechtsfolge zur Änderung des Steuerbescheids für 1993 befugt, um aus der Änderung des Bescheids für 1992 die richtigen steuerlichen Folgerungen zu ziehen. Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Gesetzeswortlaut diese Folgerungen nur "nachträglich" durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides gezogen werden können. Allerdings setzt der Regelungsmechanismus des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO hinsichtlich der verfahrensmäßigen Abfolge voraus, dass ein angefochtener Bescheid wegen der zeitlich unzutreffenden Erfassung eines Besteuerungsmerkmals als irrig erkannt und deswegen auf Antrag des Steuerpflichtigen aufgehoben oder geändert wird. Dies löst sodann - "nachträglich" - die Rechtsfolge der Vorschrift aus, dass ein anderer Bescheid erlassen oder geändert werden kann (Beschluss des Großen Senats vom 10.11.1997 GrS 1/96, BStBl II 1998, 83, 85). Für den Streitfall folgt daraus zunächst, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids für das Streitjahr 1993 am 08.05.1998 dem Beklagten keine Änderungsbefugnis nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO zustand, weil mangels vorangegangener Aufhebung oder Änderung des Bescheids für 1992 noch keine widerstreitende Steuerfestsetzung vorlag.

Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der ursprünglich rechtswidrige Bescheid nicht nachträglich rechtmäßig geworden ist bzw. der Mangel geheilt worden ist in dem Zeitpunkt, ab dem die Änderungsvoraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO an sich erfüllt waren, nämlich ab der Änderung des Bescheids für 1992 durch den Bescheid vom 18.11.1998. Denn nach § 127 AO in der für das Streitjahr gültigen Fassung konnte die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Der vereinzelt in der Rechtsprechung (FG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.1999 7 K 7/95E, EFG 1999, 638) und von einem Teil des Schrifttums (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 127 AO Tz. 6; von Wedelstädt, Beermann, steuerliches Verfahrensrecht, § 127 AO, Rdn. 10) vertretenen Ansicht, dass die §§ 172 ff. AO nicht als Vorschriften über das Verfahren im Sinne des § 127 AO anzusehen seien, mag sich der Senat in dieser Allgemeinheit nicht anzuschließen. Die hierfür gegebene Begründung, bei diesen Vorschriften handele es sich nicht nur um formelle Regelungen, sondern um solche, die unter bestimmten Voraussetzungen den Weg frei machten für weitere Sachverhaltsaufklärungen und/oder die richtige sachliche Entscheidung, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sie im Rahmen der Voraussetzungen des § 127 AO nicht die Frage nach dem Charakter der Vorschriften betrifft, sondern diejenige, ob eine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Überdies steht diese Ansicht jedenfalls bezüglich des Merkmals "nachträglich" in § 174 Abs. 4 Satz 1 AO im Widerspruch zur zitierten Entscheidung des Großen Senats des BFH, wo insoweit ausdrücklich von einer "verfahrensmäßigen Abfolge" die Rede ist und damit verdeutlicht wird, dass es sich um eine Regelung des Verfahrensrechts handelt. Der Entscheidung des Großen Senats ist auch nicht zu entnehmen, dass eine Heilung bei verfahrensmäßiger falscher Reihenfolge des Erlasses der Bescheide im Sinne des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO eine Heilung ausgeschlossen wäre. Vielmehr hat der Große Senat lediglich ausgesprochen, dass es unzulässig sei, durch die Änderung eines Bescheides einen Widerstreit zu erzeugen, um so die Möglichkeit für die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids für ein anderes Jahr zu eröffnen. So liegen die Verhältnisse im Streitfall indes nicht. Der Beklagte hat nicht den Bescheid für 1993 erlassen, um die Änderung für 1992 zu ermöglichen. Vielmehr war die Änderung für 1992 schon deshalb möglich, weil der Bescheid mit dem Einspruch angefochten war.

Soweit die Kläger in Übereinstimmung in der zitierten Kommentierung von Tipke/Kruse sich weiter auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 30.10.2003 (15 K 789/00F, EFG 2004, 160) berufen, gibt diese Entscheidung für die Streitfrage nichts her, da sie ausdrücklich offengelassen wurde (Seite 161 letzter Absatz).

Der Anwendung des § 127 AO steht auch nicht entgegen, dass nach dem Wortlaut des § 174 Abs. 4 Satz 1 die richtigen Folgerungen gezogen werden "können". Denn trotz des Gebrauch des Wortes "können" handelt es sich bei der Bestimmung nicht um eine Ermessensvorschrift. Vielmehr kann insoweit nichts anderes gelten als für § 174 Abs. 3 AO, der nach ständiger Rechtsprechung, obgleich ebenfalls als Kann-Vorschrift formuliert, zwingendes Recht darstellt (BFH-Urteil vom 21.02.1989 IX R 67/84, BFH/NV 1989, 687 m. w. N.).

Im Streitfall konnte ab dem Zeitpunkt der beantragten Steuerfestsetzung für 1992 durch den Änderungsbescheid vom 18.11.1998 keine andere Entscheidung in der Sache für das Jahr 1993 mehr getroffen werden. Etwas anderes hätte sich lediglich ergeben können, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits die Festsetzungsfrist für 1993 abgelaufen gewesen wäre (siehe § 174 Abs. 4 Satz 4 AO) was aber zu diesem Zeitpunkt nicht der Fall war. Vielmehr war der frühestmögliche Zeitpunkt des Ablaufs der vierjährigen Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO für die Einkommensteuer 1993 der Ablauf des Jahres 1998. Im Übrigen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, dass die erfolgte Aufteilung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft des Klägers für den Zeitraum vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993 durch die angefochtene Bescheide materiell zwingend war.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück