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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: 14 K 4180/03
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 227 Abs. 1
AO § 233a Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

14 K 4180/03

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, Nachzahlungszinsen festzusetzen und zu erheben.

Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Rechtsanwalt selbständig tätig. Er war seinerzeit mit unterschiedlicher Quote an einer Sozietät beteiligt und zwar bis zum 31.12.1994 an der Sozietät N & C und ab 1.7.1995 an der Sozietät C & Partner. Nach dem Ausscheiden des Herrn N betrieb er die Kanzlei für kurze Zeit bis zum 30.6.1995 auf eigenes Risiko.

Im Zeitraum von Juni 1994 bis August 1999 fanden bei dem Kläger bzw. bei den Sozietäten, an denen er beteiligt war, drei Betriebsprüfungen statt. Die erste Betriebsprüfung wurde im Juni 1994 durch das Betriebsstättenfinanzamt gegenüber der damals bestehenden Sozietät N & C für die Jahre 1990 bis 1992 angeordnet. Prüferin war eine Frau X. Der Prüfungsbericht erging im Dezember 1996. Schwerpunkt der Prüfung war die Umsatzsteuer für Zahlungen der Immobilien-Holding A, die im Gegensatz zu den Feststellungen einer bei der Firmengruppe A durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung von der Prüferin als steuerbar angesehen wurden. Nach Einschaltung der Oberfinanzdirektion (OFD) E wurde die Umsatzsteuerbarkeit des Vorgangs im Juni 1999 endgültig verneint. Im Oktober 1998 wurden durch das Betriebsstättenfinanzamt gegenüber der Sozietät N & C eine Betriebsprüfung für die Jahre 1993 bis 1995 angeordnet sowie gegenüber der seit dem 1.7.1995 bestehenden Sozietät C & Partner eine Betriebsprüfung für die Jahre 1995 und 1996. Die Prüfung erstreckte sich später auch auf den Kläger persönlich. Die Prüfungen wurden durch eine Frau T Ende 1998 / Anfang 1999 durchgeführt. Die Prüfungsberichte ergingen im Juli bzw. August 1999.

Die Prüferin T befasste sich in erster Linie mit dem Ausscheiden des früheren Sozietätsmitglieds, Herrn N, der seit dem 1.1.1995 nicht mehr der Sozietät angehörte. Diesem war anlässlich seines Ausscheidens unter anderem ein fester Kaufpreis zugesagt worden, der in Raten über einen Zeitraum von acht Jahren zu begleichen war. Außerdem sollte ihm anschließend noch eine Rente für die Dauer von fünf Jahren gezahlt werden. Die Sozietät hatte entsprechend den Zahlungsverpflichtungen den Barwert für den angeschafften Teilpraxiswert ermittelt und Abschreibungen vorgenommen. Während der Prüfung verstarb das frühere Sozietätsmitglied, so dass die Zahlungsverpflichtungen teilweise wegfielen. Die Prüferin setzte daraufhin den für das Jahr 1995 ermittelten Teilpraxiswert (Barwert) herab. Die daraus resultierende Minderung des Abschreibungsvolumens führte dazu, dass nach Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 15.3.2004 in den Jahren 1995 bis 1998 Steuern von insgesamt 536.700 DM angefordert wurden.

Ihre Einkommensteuererklärungen für 1996 gaben die Kläger am 14.1.1998, für 1997 am 18.3.1999, für 1998 am 21.6.2000 und für 1999 am 3.1.2001 ab.

Für 1996 erließ der Beklagte am 23.3.1998 einen Erstbescheid. Der Bescheid wurde am 9.4.1998, 20.10.1999 und 9.4.2002 geändert. Im Änderungsbescheid vom 20.10.1999 waren Nachforderungszinsen i.H.v. 16.488 DM (= 8.430 EUR) festgesetzt worden. Im Bescheid vom 9.4.2002, der die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betraf, wurden weitere Nachforderungszinsen i.H.v. 227,82 EUR festgesetzt.

Für 1997 erließ der Beklagte am 16.4.2002 einen Erstbescheid. In diesem Bescheid setzte der Beklagte Nachforderungszinsen i.H.v. 21.654 EUR fest. Die Mitteilung des Betriebsstättenfinanzamtes über die anteiligen Einkünfte des Klägers an den Sozietäten war dem Beklagten im Juli 2000 zugegangen.

Für 1998 und 1999 erließ der Beklagte am 9.4.2002 Erstbescheide. In diesen Bescheiden setzte der Beklagte Nachforderungszinsen zur Einkommensteuer 1998 i.H.v. 61.680 EUR und zur Einkommensteuer 1999 i.H.v. 33.444 EUR fest. Die Mitteilungen des Betriebsstättenfinanzamtes über die anteiligen Einkünfte des Klägers an den Sozietäten waren dem Beklagen im August 2000 für 1998 und im Januar 2001 für 1999 zugegangen.

Gegen die Festsetzung von Nachforderungszinsen in dem geänderten Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 9.4.2002 sowie in den erstmaligen Einkommensteuerbescheiden für 1997 vom 16.4.2002 und für 1998 und 1999 vom 9.4.2002 wurde am 8.5.2002 Einspruch eingelegt mit dem Antrag, die Festsetzung der Nachforderungszinsen aufzuheben, hilfsweise die Zinsen wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen. Mit Schreiben vom 1.10.2002 lehnte der Beklagte gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau den Antrag auf Erlass der Nachforderungszinsen ab.

Gegen die Ablehnung des Erlasses der Nachforderungszinsen wurde am 30.10.2002 Einspruch eingelegt. Außerdem wurde angekündigt, auf die festgesetzten Nachforderungszinsen insgesamt 15.708,05 EUR zu zahlen. Bei diesem Betrag sollte es sich um die Zinserträge handeln, die auf Grund der Bereithaltung von finanziellen Mitteln für die Steuernachzahlung erzielt worden seien. Die beiden Einspruchsschreiben waren vom Kläger in der "Ich-Form" abgefasst worden; die Schreiben enthielten keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Einsprüche auch im Namen der Klägerin eingelegt werden sollten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsschreiben Bezug genommen.

Am 3.12.2002 erließ der Beklagte nochmals geänderte Einkommensteuerbescheide für 1997, 1998 und 1999. In den geänderten Einkommensteuerbescheiden wurden Nachforderungszinsen zur Einkommensteuer für 1997 i.H.v. 18.735 EUR, für 1998 i.H.v. 60.337 EUR und für 1999 i.H.v. 40.759 EUR festgesetzt. Am 12.6.2003 erließ der Beklagte einen weiteren geänderten Einkommensteuerbescheid für 1999. In diesem Bescheid wurden Nachforderungszinsen zur Einkommensteuer 1999 i.H.v. 40.652 EUR festgesetzt. Gegen die Festsetzung von Nachforderungszinsen in diesem Änderungsbescheid für 1999 legte der Kläger am 17.6.2003 Einspruch ein. Die Einspruchsverfahren hatten keinen Erfolg. Durch Einspruchsentscheidung vom 27.6.2003 wurden sowohl der Einspruch gegen die Festsetzung von Nachforderungszinsen als auch der Einspruch gegen die Ablehnung des Erlassantrages gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau zurückgewiesen. Wegen Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung und den vorangegangenen Schriftwechsel (siehe Rechtsbehelfsakte) Bezug genommen.

Hiergegen haben die Kläger am 1.8.2003 Klage erhoben. Sie tragen vor, dass der Kläger seinerzeit sowohl für sich selbst als auch für die Klägerin gegen die Festsetzung der Nachforderungszinsen Einspruch eingelegt und hilfsweise Erlass beantragt habe. Bei einem Rechtsanwalt könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass er für die von dem Bescheid Betroffenen handele, soweit sich das Einspruchsschreiben nicht ausdrücklich nur auf einen der Betroffenen beziehe. Zwar resultierten die Änderungen der Steuerbescheide im Streitfall im Wesentlichen aus der beruflichen Tätigkeit des Klägers. Dies erkläre, warum der Kläger als Unterzeichner des Einspruchs die Ich-Form gewählt habe. Dies müsse aber als ein Versehen gewertet werden, soweit man daraus herleiten wolle, dass er allein habe Einspruch einlegen wollen. Dies werde durch die Vorgehensweise des Beklagten bestätigt, der bereits in einem auf die Einspruchsbegründung erwidernden Schreiben vom 1.6.2002 davon ausgegangen sei, dass sie beide Einspruch eingelegt hätten. Hinzu komme, dass der Beklagte auch den Antrag auf Erlass der Nachforderungszinsen ohne jede Erörterung als von ihnen beiden gestellt gewertet habe. Im Übrigen könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Klägerin den Kläger bzw. die Anwaltskanzlei zur Einlegung des Einspruchs bevollmächtigt habe. Für den Fall, dass das Gericht zu einer anderen Auffassung gelangen sollte, wäre die Klage der Klägerin jedenfalls insoweit begründet, als die Einspruchsentscheidung gegen sie ergangen sei und insofern aufzuheben wäre. In materieller Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass die Rechtsanwaltssozietäten, an denen er - der Kläger - beteiligt gewesen sei, über fünf Jahre mit Betriebsprüfungen überzogen worden seien. Die erste Betriebsprüfung habe mehr als vier Jahre gedauert und sei nicht abgeschlossen worden. Die von der Prüferin X "mit Akribie" betriebene Besteuerung eines nicht umsatzsteuerbaren Vorgangs von weitreichender wirtschaftlicher Bedeutung habe erst nach vielen Erörterungen und Einschaltung der OFD E beendet werden können. Die von der Prüferin anschließend vorgenommene Überprüfung der in den Jahren 1990 bis 1992 von der Sozietät erzielten Überschüsse sei nicht beendet worden, obwohl sich die Prüferin im April 1999 nach Zustellung eines großen Fragenkatalogs noch einmal zur Fortsetzung der Betriebsprüfung angemeldet habe. Bei der telefonischen Terminvereinbarung habe Herr Steuerberater C1 die Prüferin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich aus der zwischenzeitlich fertig gestellten und eingereichten Steuererklärung für 1997 erhebliche Nachzahlungen ergeben würden, so dass die Vorgänge nunmehr schnellstens abgeschlossen werden müssten. Die Prüferin sei jedoch zu dem vereinbarten Besprechungstermin nicht erschienen. Die Angelegenheit sei bis heute nicht abgeschlossen, die Akten seien offensichtlich beim Betriebsstättenfinanzamt untergegangen. Ein Abschlussbericht sei nicht zugegangen. Die Prüferin sei einfach ihren Aufgaben nicht gewachsen gewesen. Dass die Dienstaufsicht insoweit nicht bereits früher reagiert habe, dürfe nicht zu seinem Nachteil gereichen. Bei der Prüfung der Rechtsanwaltssozietät C & Partner habe die Prüferin T darauf gedrängt, dass der Tod des früheren Sozietätsmitglieds durch eine Minderung des Abschreibungsvolumens auf den Praxiswert berücksichtigt werde. Er bzw. sein Steuerberater hätten sich großzügigerweise mit dieser Lösung einverstanden erklärt. Die Prüferin habe in einem internen Vermerk festgehalten, dass sich für das Jahr 1996 Nachzahlungen ergeben würden. Sie habe aber nicht festgehalten, dass sich aufgrund der Änderung des Praxiswertes auch die Jahre 1997 und 1998 zu seinem Nachteil ändern würden, so dass sich von daher eine zügige Bearbeitung der Erklärungen aufgedrängt habe. Sie sei ebenfalls wie die Prüferin X darauf hingewiesen worden, dass zwischenzeitlich die Erklärung für 1997 abgegeben worden sei und die weiteren Erklärungen nach "Einarbeitung" des Prüfungsergebnisses abgegeben werden würden. Der Steuerberater der Kläger habe aufgrund der geänderten Daten die Einkommensteuererklärungen fertig gestellt und nach umfangreichen Neuberechnungen für das Kalenderjahr 1998 die Erklärung umgehend eingereicht. Außerdem sei die Erklärung für 1999 vor Ablauf der eingeräumten Frist beim Beklagten abgegeben worden. Dennoch habe es noch fast drei Jahre gedauert, bis die Prüfungsergebnisse ausgewertet worden seien. Eine derartige verzögerte Abwicklung dürfe sich nicht zum Vorteil des Fiskus und zum Nachteil des Steuerpflichtigen auswirken. Daher stehe bei einer solchen Sachverhaltsgestaltung der Grundsatz von Treu und Glauben einer Festsetzung von Nachforderungszinsen entgegen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe bisher nur Verzögerungen von bis zu 15 Monaten als noch hinnehmbar angesehen. Ein Sachverhalt, bei dem eine ohne weitere Ermittlungen vorzunehmende Veranlagung über 37 Monate nicht bearbeitet worden sei, wie im vorliegenden Fall die Erklärung für das Jahr 1997, sei bislang nicht entschieden worden. Selbst die grundlose Verzögerung über einen Zeitraum von 22 Monaten, wie bei der Einkommensteuer 1998 geschehen, werde von der überwiegenden Meinung in der Literatur (z. B. Meining in Deutsche Steuer-Zeitung 2005, 341) und wohl auch vom BFH nicht akzeptiert. Die Rechtsprechung habe sich mit einem Fall wie dem vorliegenden, in dem jahrelang eine Betriebsprüfung nicht abgeschlossen worden sei, so dass eine neue Prüferin habe eingeschaltet werden müssen, erkennbar nicht befasst. Selbst die Nichtbearbeitung der Erklärung für 1999 während eines Zeitraums von 15 Monaten könne wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht hingenommen werden. Denn obwohl die Problematik des Falles der Betriebsprüfung und dem Betriebsstättenfinanzamt bekannt gewesen seien und diese noch relativ zügig die eingereichten Feststellungserklärungen ausgewertet hätten, habe der Beklagte die entsprechenden Mitteilungen entgegen den hierzu bestehenden dienstlichen Anweisungen nicht ausgewertet. Hinzu komme, dass das Vorgehen der Prüferin, das Abschreibungsvolumen wegen des im Jahr 1999 eingetretenen Todes des früheren Sozietätsmitglieds zu mindern, eindeutig rechtswidrig gewesen sei. Dass eine solche Abwicklung nur bei äußerstem Wohlwollen habe durchgeführt werden können, sei augenfällig. Der Praxiswert sei zulässigerweise aufgrund der geschätzten Lebenserwartung nach der amtlichen Sterbetafel ermittelt worden. Das vorzeitige Ableben des Sozius habe den so ermittelten Praxiswert nicht nachträglich beeinflussen können. Auf diese Weise habe der Fiskus ungerechtfertigte Vorteile erlangt, die er sich bei der Festsetzung der Nachforderungszinsen anrechnen lassen müsse. Dass er - der Kläger - diese Behandlung hingenommen habe, sei nur dadurch erklärbar, dass er das Klima der Außenprüfung nicht habe beeinträchtigen und auf eine zügige Abwicklung der Prüfung habe hinwirken wollen. Dass er darüber hinaus in seinen Erklärungen für 1998 und 1999 die geminderten Abschreibungen berücksichtigt und die Gewinne entsprechend erhöht habe, sei ebenfalls anzuerkennen. Die so getroffene Verständigung dürfe ihm nicht doppelt zum Nachteil gereichen. Denn es gelte der Grundsatz, wie er auch in den Entscheidungen des BFH zum Ausdruck komme, dass die Entstehung einer steuerlichen Nebenleistung gemäß § 233a Abgabenordnung 1977 (AO) aus dem Nachteil, der dem Steuergläubiger entstanden sei, rechtfertige. Wenn dem so sei, müsse sich der Fiskus den Vorteil einer vorgezogenen Steuerfestsetzung anrechnen lassen. Für den Fall, dass die von der Prüferin vorgenommene Korrektur unterblieben wäre, wären Nachforderungszinsen i.H.v. 22.849 EUR nicht entstanden, die Zinsen für 1996 wären um 5.263 EUR, die Zinsen für 1997 um 10.409 EUR, die Zinsen für 1998 um 7.185 EUR geringer. Auch für 1999 wären die Zinsen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geringer oder sie wären überhaupt nicht angefallen. Bei alledem sei noch nicht berücksichtigt worden, dass ihm erhebliche Kosten durch das Erstellen einer neuen Steuererklärung entstanden seien. Im Übrigen sei ein Erlass umso mehr in Betracht zu ziehen, als der Fiskus für 1996 bereits Nachforderungszinsen i.H.v. 8.430 EUR erhalten habe, die ihm nicht zugestanden hätten. Um sich insoweit auch nicht dem Vorwurf auszusetzen, seine Ehefrau und er wollten selbst aus der schleppenden Bearbeitung durch den Beklagten einen Vorteil ziehen, hätten sie die Zinsen, die sie durch die Anlage der Mittel für eventuelle Steuernachzahlungen erzielt hätten und die ihnen nach Abzug der darauf zu entrichtenden Einkommensteuer verblieben wären, an den Beklagten überwiesen. Dabei habe es sich um einen Betrag i.H.v. 15.708,05 EUR gehandelt. Es könne keine Rede davon sein, dass seine Ehefrau und er durch die verspätete Zahlung einen Vorteil erlangt hätten, wie es im ablehnenden Bescheid anklinge. Zumindest der auf Neubescheidung gerichtete Hilfsantrag sei begründet. Der Gesichtspunkt der rechtswidrigen Minderung des Praxiswertes und die einzig auf einem Entgegenkommen beruhende Hinnahme dieser Handhabung seien bereits im Einspruchsverfahren vorgetragen worden. Der Beklagte habe sich hierzu nicht geäußert.

Nach Klarstellung, dass sich das Begehren der Klägerin nicht nur auf Aufhebung des den Erlass ablehnenden Bescheides und der Einspruchsentescheidung richtet, beantragen die Kläger,

die in den Einkommensteuerbescheiden für 1996 vom 9.4.2002 sowie für 1997 vom 16.4.2002 - geändert durch Bescheid vom 3.12.2002 - sowie für 1998 vom 9.4.2002 - geändert durch Bescheid vom 3.12.2002 - sowie für 1999 vom 9.4.2002 - geändert durch die Bescheide vom 3.12.2002 und 12.6.2003 - enthaltenen Festsetzungen von Nachforderungszinsen sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 27.6.2003 ersatzlos aufzuheben,

hilfsweise

unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung vom 1.10.2002 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 27.6.2003 die Nachforderungszinsen zu erlassen,

hilfsweise

unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung vom 1.10.2002 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 27.6.2003 den Beklagten zu verpflichten, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts den Erlassantrag vom 8.5.2002 zu bescheiden,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Er ist der Ansicht, dass die Nachforderungszinsen gemäß § 233a AO dem Grunde und der Höhe nach zutreffend festgesetzt worden seien. Die Festsetzung der Nachforderungszinsen sei auch bei langer Verfahrensdauer verschuldensunabhängig.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

I. Der Sachantrag der Klägerin hat hinsichtlich der Festsetzung der Nachforderungszinsen schon deswegen keinen Erfolg, weil sie selbst keinen Einspruch gegen die Festsetzung eingelegt hat, der Bescheid damit, soweit er die Klägerin betrifft, unanfechtbar geworden ist. Auch der Erlass der Zinsen ist in Bezug auf die Klägerin einer gerichtlichen Prüfung entzogen, da sie selbst weder einen Erlass beantragt noch gegen die Ablehnung des Erlasses Einspruch eingelegt hat. Die von dem Kläger in der "Ich-Form" abgefassten Schreiben vom 8.5.2002 und 30.10.2002 konnten nur bei verständiger Würdigung so verstanden werden, dass allein der Kläger, nicht aber die Klägerin die Bescheide über die Festsetzung von Nachforderungszinsen zur Einkommensteuer 1996 bis 1999 angefochten, den Erlass der Zinsen beantragt und die Ablehnung des Erlassantrags mit dem Einspruch angegriffen hat. Die Angabe der gemeinsamen Steuernummer der Kläger bietet für sich genommen keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Scheiben auch im Namen der Klägerin verfasst wurden. Auch aus dem Umstand, dass der Kläger Rechtsanwalt ist, ergibt sich nicht zwangsläufig, dass er zugleich im Auftrag der Klägerin tätig geworden ist. Zwar hat der Beklagte in dem den Erlass ablehnenden Bescheid vom 1.10.2002 und in der Einspruchsentscheidung vom 27.6.2003 sowohl den Kläger als auch die Klägerin als Einspruchsführer bezeichnet. Diese Bezeichnung ist jedoch unzutreffend. Die Klägerin hat ihren Klageantrag auch nicht auf die isolierte Aufhebung der gegen sie ergangenen Entscheidungen beschränkt, so dass das Gericht über den umfassenden Klageantrag zu entscheiden hatte.

II. Der Hauptantrag des Klägers hat keinen Erfolg. Der Beklagte hat die Zinsen für die Steuernachforderungen der Streitjahre 1996 bis 1999 in zutreffender Höhe festgesetzt. Nach § 233 a Abs. 1 Satz 1 AO sind Nachzahlungszinsen auf Steuern zu erheben, wenn die Festsetzung der Steuer zu einer Steuernachforderung führt. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der sogenannte Unterschiedsbetrag im Sinne des § 233 a Abs. 3 Satz 1 AO, wobei der Zinslauf grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233 a Abs. 2 Satz 1 AO). Es ist dabei ohne Bedeutung, ob die Steuer in einem Erstbescheid oder in einem Änderungs- oder Berichtigungsbescheid festgesetzt wird. Dies ergibt sich aus § 233 a Abs. 5 AO, wonach bisherige Zinsfestsetzungen zu ändern sind, wenn die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird. Das Finanzamt ist verpflichtet, die nach dem Gesetz entstandenen Steuer- und Zinsansprüche geltend zu machen. Ermessenserwägungen sind hierbei nicht anzustellen.

Zweck der Vorschrift des § 233a AO ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen "aus welchen Gründen auch immer" zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (so die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 11/2157 S. 194; vgl. auch BFH-Urteile vom 12.4.2000 XI R 21/97, BFH/NV 2000, 1178;vom 5.6.1996 X R 234/93, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1996, 503). Nach der auch vom erkennenden Senat geteilten Rechtsprechung des BFH sind daher für die Anwendung des § 233a AO die Ursachen und Begleitumstände im Einzelfall unbeachtlich. Die Verzinsung ist grundsätzlich unabhängig von einem Verschulden des Finanzamtes oder des Steuerpflichtigen (BFH-Beschluss vom 30.11.2001 X B 147/01, BFH/NV 2002, 505). Da die Zinsen nach § 233a AO weder Sanktions- noch Druckmittel oder Strafe sind, sondern vielmehr eine laufzeit-unabhängige Gegenleistung für einen mögliche Kapitalnutzung, hat es der BFH insoweit als unerheblich angesehen, ob der typisierend vom Gesetz unterstellte Zinsvorteil des Steuerpflichtigen auf einer verzögerten Einreichung der Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen oder einer verzögerten Bearbeitung durch das Finanzamt beruht (BFH-Beschlüsse vom 2.2.2001 XI B 91/00, BFH/NV 2001, 1003;vom 3.5.2000 II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441).

Nach Ansicht des BFH steht daher der Grundsatz von Treu und Glauben einer Festsetzung von Nachforderungszinsen in der Regel auch dann nicht entgegen, wenn dem Finanzamt bei der Bearbeitung der Steuererklärung Fehler unterlaufen sind oder es die Bearbeitung der Steuererklärung schuldhaft verzögert hat (BFH-Beschlüsse vom 3.5.2000 II B 124/99, a.a.O.;vom 4.11.1996 I B 67/96, BFH/NV 1997, 458). Dies gilt zumindest dann, wenn entweder die Bearbeitungszeit des Finanzamts nicht mehr als 15 Monate betrug oder wenn der Steuerpflichtige die Zinszahlungspflicht durch eine freiwillige Vorauszahlung der Steuerschuld hätte vermeiden können. Im ersten Fall kann bei einer Bearbeitungszeit von maximal 15 Monaten von einer unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben rechtserheblichen Vermutung für ein Verschulden des Finanzamtes keine Rede sein (vgl. BFH-Urteil vom 20.9.1995 X R 86/94, BStBl II 1996, 53). Im zweiten Fall kann sich ein Steuerpflichtiger, der keine freiwillige Vorauszahlung auf die zu erwartende Steuerschuld erbracht hat, gegenüber der Festsetzung von Nachforderungszinsen nicht auf einen von ihm nur in geringem Umfang gezogenen Zinsvorteil berufen (BFH-Urteil vom 19.3.1997 I R 7/96, BStBl II 1997, 446).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsgrundsätze bestehen im Streitfall damit keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der festgesetzten Nachforderungszinsen.

Die im Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 20.10.1999 erfolgte Festsetzung von Nachforderungszinsen i.H.v. 8.430 EUR ist bestandskräftig und damit unanfechtbar. Die im Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 9.4.2002 geforderten und vorliegend angefochtenen weiteren Nachzahlungszinsen i.H.v. 227,82 EUR resultieren aus einer Neuberechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und stehen damit nicht mit den Betriebsprüfungen in Zusammenhang, die - was der Kläger hier vorbringt - nicht ordnungsgemäß durchgeführt und abgeschlossen wurden.

Zwar erfolgte bei der Einkommensteuererklärung 1997 über einen auffällig langen Zeitraum von 37 Monaten keine Bearbeitung durch den Beklagten. Auch die Bearbeitungszeit für die Einkommensteuererklärung 1998 betrug noch über 21 Monate. Durch die Rechtsprechung des BFH ist aber geklärt, dass der Zinsanspruch unabhängig von der konkreten Einzelfallsituation ist und allein vom Eintritt objektiver Daten (Fristablauf im Sinne des § 233a Abs. 2 Satz 1 AO, Unterschiedsbetrag im Sinne des § 233a Abs. 3 Satz 1 AO) abhängt. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Verzinsung dem Grunde nach einen Ausgleich für mögliche Zinsvorteile des Steuerschuldners bzw. Zinsnachteile des Steuergläubigers bieten soll, so dass ein Zurückgreifen auf den Grund der jeweiligen Kapitalüberlassung von vornherein nicht geboten ist. Daher ist die streitgegenständliche Festsetzung der Nachzahlungszinsen trotz der überlangen Bearbeitungsdauer seitens des Beklagten rechtmäßig. Der Kläger hätte im Übrigen durch freiwillige Vorauszahlungen auf die zu erwartenden Steuernachforderungen die Zinszahlungspflicht vermeiden können (vgl. Anwendungserlass zur Abgabenordnung - AEAO - vom 15.7.1998, BStBl I 1998, 630 zu § 233a Nr. 15 und Nr. 70). Dies gilt nicht nur für das Kalenderjahr 1997, für das der Kläger die Einkommensteuererklärung am 18.3.1999, d. h. noch vor Ablauf der 15monatigen Karenzfrist, eingereicht hatte, sondern auch für das Kalenderjahr 1998. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers hatte sein Steuerberater aufgrund des Betriebsprüfungsberichts aus dem Juli 1999 umfangreiche Neuberechnungen für dieses Jahr vorgenommen sowie danach die Einkommensteuererklärung fertiggestellt und am 21.6.2000 beim Beklagten eingereicht. Der Kläger kannte damit sogar die genaue Höhe der zu erwartenden Nachzahlungen.

Für die Einkommensteuererklärung 1999 betrug die Bearbeitungszeit des Beklagten vom Erklärungseingang am 3.1.2001 bis zum Erstbescheid am 9.4.2002 nur 15 Monate, so dass schon deshalb der Grundsatz von Treu und Glauben der Festsetzung von Nachforderungszinsen nicht entgegensteht. Im Übrigen hätte der Kläger auch hier durch eine freiwillige Vorauszahlung auf die zu erwartende Nachforderung von Einkommensteuer für 1999 die Festsetzung von Nachzahlungszinsen vermeiden können.

III. Auch soweit der Kläger einen Erlass der Nachforderungszinsen begehrt, hat die Klage keinen Erfolg und zwar weder im ersten noch im zweiten Hilfsantrag. Nach § 227 Abs. 1 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die das Finanzgericht nach § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) nur daraufhin überprüfen darf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Ausnahmsweise kann das Gericht jedoch nach § 101 Satz 1 FGO eine Verpflichtung zum Erlass aussprechen, wenn der Ermessensspielraum derart eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt, sogenannte Ermessensreduzierung auf Null (BFH-Urteile vom 25.11.1997 IX R 28/96, BStBl II 1998, 550;vom 26.10.1994 X R 104/92, BStBl II 1995, 297).

Im Streitfall kommen allein sachliche Billigkeitsgründe in Betracht. Aus sachlichen Gründen unbillig ist die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis vor allem dann, wenn sie zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, im Einzelfall aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (BFH-Urteil vom 26.10.1994 X R 104/92, a.a.O.). Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen ist im vorliegenden Fall eine fehlerhafte Ermessensausübung nicht erkennbar. Insbesondere hält der Senat eine sogenannte Ermessensreduzierung auf Null nicht für gegeben.

Soweit der Kläger meint, ein Erlass sei deshalb geboten, weil sich der Beklagte für die Auswertung der Mitteilungen des Betriebsstättenfinanzamtes mehrere Jahre Zeit gelassen hat, ist diese Ansicht unzutreffend. Zwar hat auch der Beklagte zunächst diese Rechtsauffassung vertreten und in seinem Bericht vom 22.8.2002 gegenüber der OFD E vorgeschlagen, die Nachforderungszinsen, soweit die Bearbeitungsdauer wie im Jahr 1997 die als noch angemessen angesehene Zeit von 15 Monaten überschritten habe, in dem Umfang zu erlassen, als diese auf den Unterschiedsbetrag zwischen den erklärten und den festgestellten Beteiligungseinkünften entfielen, jedoch ist dies von der OFD abgelehnt worden. Der Senat hält die von der OFD geäußerte Rechtsauffassung für zutreffend. Denn nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, gebietet es die Rechtsschutzgarantie auch bei überlanger Verfahrensdauer nicht, dem Steuerpflichtigen die Nachzahlungszinsen ganz oder teilweise zu erlassen, wenn sich die Bearbeitung der Steuererklärung durch das Finanzamt verzögert (BFH-Urteil vom 19.3.1997 I R 7/96, a.a.O.).

Die ungewöhnlich lange Bearbeitungsdauer der Einkommensteuererklärung für 1997 ist zwar auffällig. So erfolgte über einen Zeitraum von 37 Monaten keine Bearbeitung durch den Beklagten. Der BFH hat es jedoch selbst bei überlanger Verfahrensdauer abgelehnt, einen Erlass für geboten anzusehen, da für den Steuerpflichtigen ein Zinsvorteil entstanden sei. Nach der Rechtsprechung des BFH ist es nicht sachlich unbillig, Zinsen gemäß § 233a AO zu erheben, wenn die verspätete Festsetzung der Steuer auf einer durch das Finanzamt verzögerten Veranlagung - in jenem Streitfall ca. 20 Monate nach Erklärungsabgabe - beruht (BFH vom 19.3.1997 I R 7/96, a.a.O.). Unter Bezugnahme hierauf hat der BFH ausgeführt, dass diese Auffassung dem allgemein anerkannten Zweck des § 233a AO entspricht, den Zinsvorteil des Steuerpflichtigen bzw. den Zinsnachteil des Steuergläubigers aufgrund der verspätet bezahlten Steuerschuld auszugleichen (BFH-Beschluss vom 2.2.2001 XI B 91/00, BFH/NV 2001, 1003). Zwar liegt die vorliegende Bearbeitungsdauer mit 37 Monaten deutlich über den bislang entschiedenen Fällen. Die Rechtsprechung des BFH ist aber so zu verstehen, dass Aspekte der Verfahrensdauer - wie das Vertretenmüssen der Verzögerung - in keinem Fall einen (Teil-) Erlass begründen können. Prinzipiell ist ein Verschulden irrelevant, und zwar auf beiden Seiten des Steuerschuldverhältnisses (BFH-Beschluss vom 3.5.2000 II B 124/99, a.a.O.). In Anbetracht dieser Rechtsprechung hätte der Beklagte den Gesichtspunkt der langen Bearbeitungsdauer im Rahmen seiner Ermessenerwägung auch nicht stärker gewichten und den Erlass eines Teilbetrages in Erwägung ziehen müssen.

Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass der Steuerpflichtige mit Zinsen belastet wird, die ausschließlich im Unvermögen der Finanzverwaltung liegen, innerhalb einer vertretbaren Zeit den Steuerfall zu bearbeiten. Nach der Rechtsprechung des BFH ist für einen Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit jedoch nicht entscheidend, aus welchem Grund es im Finanzamt zu einer übermäßigen Bearbeitungszeit und damit zur Entstehung von Nachforderungszinsen gekommen ist (BFH-Urteil vom 2.8.2004 IV B 194/02, [...]). In dem dort behandelten Fall hatte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid erst fast zwei Jahre nach der durchgeführten Einkommensteuerveranlagung versendet. Der BFH sieht in der Vorschrift des § 233a AO eine Regelung, bei der sachliche Erwägungen außerhalb der maschinell feststellbaren Fälligkeits- und Festsetzungszeitpunkte generell unberücksichtigt geblieben sind. Bei dieser typisierenden Betrachtungsweise ist auch zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige vor Beginn des Zinslaufs durch sein Verhalten eine mögliche Verzinsung vermeiden oder mildern kann, indem er entweder möglichst frühzeitig die Einkommensteuererklärung abgibt oder eine Anpassung der Vorauszahlungen beantragt.

Unerheblich ist auch, ob der Beklagte die Einkommensteuer der Streitjahre deswegen zu hoch festgesetzt hat, weil die Prüferin den für das Jahr 1995 ermittelten Teilpraxiswert (Barwert) und damit auch das Abschreibungsvolumen herabgesetzt hat, obwohl der Sozius erst im Jahr 1999 verstorben war. Denn selbst eine unzutreffende Festsetzung der Steuer im Änderungs- oder Erstbescheid hat keine Auswirkungen auf die Bemessungsgrundlage des Zinsertrages, weil § 233a Abs. 3 Satz 1 AO ausdrücklich auf die jeweils festgesetzte Steuer abstellt. Ein Widerspruch zwischen der Erfüllung des Besteuerungstatbestandes des § 233a AO und dem Zweck dieser Norm ist vorliegend nicht erkennbar. Insbesondere ist in der unzutreffend hohen Bemessungsgrundlage des Zinsbetrages kein sachlicher Billigkeitsgrund zu sehen, weil rechtlich unzutreffende Besteuerungen grundsätzlich keine Fälle für Billigkeitsmaßnahmen darstellen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können Steuern, die bestandskräftig festgesetzt worden sind, nur dann im Billigkeitsverfahren sachlich überprüft werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich oder nicht zumutbar war, sich gegen deren Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (BFH-Entscheidungen vom 26.5.2000 V B 28/00, BFH/NV 2000, 1326;vom 31.1.2002 VII B 312/00, BFH/NV 2002, 889). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass die Prüferin dem Kläger absichtlich einen Nachteil zuzufügen wollte. Der Kläger hatte dieser Verfahrensweise nach eigenem Bekunden zugestimmt, obwohl er steuerlich beraten war und damit der Prüferin eine gleichwertig kompetente Person gegenüberstand.

Entgegen der Auffassung des Klägers musste der Beklagte auf diesen Gesichtspunkt nicht näher eingehen. Darzulegen sind nicht alle in Betracht kommenden Umstände und Einzelüberlegungen, sondern nur die die Ermessensentscheidung maßgebend tragenden Erwägungen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.12.1970 VI C 17.66, Die Öffentliche Verwaltung 1971, 746). Dieser Verpflichtung ist der Beklagte dadurch nachgekommen, dass er in dem angefochtenen Ablehnungsbescheid vom 1.10.2002 - durch die Rechtsprechung des BFH vorgeprägt - als entscheidend hervorgehoben hat, dass die Zinsen ein Ausgleich dafür sind, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig werden. Im Übrigen hatte der Beklagte in seinem Schreiben vom 13.11.2002 darauf hingewiesen, dass dahinstehen könne, ob die gegen die Prüferinnen erhobenen Vorwürfe gerechtfertigt seien, da jedenfalls nicht ersichtlich sei, dass der Kläger darauf habe vertrauen dürfen, bezüglich der Nachforderungszinsen für Steuern aus den Jahren nach den Prüfungszeiträumen nicht in Anspruch genommen zu werden.

Ein Ermessensfehler liegt auch nicht insoweit vor, als es der Beklagte als unerheblich angesehen hat, dass bei dem Kläger bzw. bei den Sozietäten, an denen dieser beteiligt war, im Zeitraum August 1994 bis August 1999 drei Betriebsprüfungen stattgefunden haben. Die erste Prüfung, die nach den Angaben des Kläger außerordentlich lang gedauert hatte, hatte auf die streitgegenständlichen Zinsfestsetzungen keine Auswirkung. Zwar haben die nachfolgenden Prüfungen, insbesondere die Feststellungen im Zusammenhang mit dem Teilpraxiswert, eine Zinspflicht ausgelöst. Namentlich bei Steuerpflichtigen, die spät - etwa nach einer Außenprüfung - veranlagt werden, will jedoch die Regelung des § 233 a AO die Vollverzinsung an einen vom Verhalten des Steuerpflichtigen unabhängigen festen Zeitpunkt knüpfen. Damit ist ein Ausgleich dafür beabsichtigt, dass die Steuern trotz gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunkts bei verschiedenen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt werden. Im Zusammenhang mit einem Rechtsbehelfsverfahren hat der BFH entschieden, dass selbst das fast zehnjährige Liegenlassen eines Einspruchs noch keine Verwirkung begründet (BFH-Urteil vom 8.10.1986 II R 167/84, BStBl II 1987, 12). Übertragen auf den Steuerfall bedeutet dies, dass der Zinsanspruch nach § 233a AO nicht dadurch verwirkt, dass das Finanzamt über einen längeren Zeitraum Außenprüfungen durchführt, die Auswirkungen auf die folgenden Besteuerungszeiträume haben. Der Kläger hatte bis zum Erlass der Bescheide den Vorteil, von der Zahlung der zutreffenden Einkommensteuer freigestellt gewesen zu sein (BFH-Beschluss vom 13.9.1991 IV B 105/90, BStBl II 1992, 148).

Auf den Umstand, dass der Kläger tatsächlich nur einen geringen Zinsvorteil erzielt hat, kommt es - wie der BFH in ständiger Rechtsprechung verdeutlich hat - ebenfalls nicht an, weil die Entstehung des Zinsanspruchs eindeutig unabhängig von der konkreten Einzelfallsituation geregelt ist und allein vom Eintritt bestimmter Ereignisse (Fristablauf im Sinne des § 233a Abs. 2 AO, Unterschiedsbetrag im Sinne des § 233a Abs. 3 AO) abhängt. Maßgebend ist allein die typisierende Annahme, dass der Kläger durch die verspätete Abgabe einen Liquiditätsvorteil hatte. Ob er diesen tatsächlich genutzt hat, ist nicht entscheidend (BFH-Urteil vom 22.12.2000 IV B 5/00, BFH/NV 2001, 746). Der BFH hat klargestellt, dass für die Anwendung des § 233a AO die reine Möglichkeit der Kapitalnutzung (BFH-Entscheidungen vom 25.11.1997 IX R 28/96, BStBl II 1998, 550;vom 2.2.2001 XI B 91/00, BFH/NV 2001, 1003) bzw. die bloße Verfügbarkeit eines bestimmten Kapitalbetrages (BFH-Urteil vom 12.4.2000 XI R 21/97, BFH/NV 2000, 1178) ausreicht. Für einen Ausgleich in Form einer Verzinsung der Steuernachforderung ist nach der Rechtsprechung nur dann kein Raum, wenn zweifelsfrei feststeht, dass ein Steuerpflichtiger durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil erlangt hatte (BFH-Urteil vom 11.7.1996 V R 18/95, BStBl II 1997, 259). Festgesetzte Nachzahlungszinsen können dann wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen bzw. abweichend festzusetzen sein. Im Streitfall kann keine Rede davon sein, dass der Kläger keinen Zinsvorteil erlangt hat, worauf der Beklagte in dem Bescheid vom 1.10.2002 ausdrücklich hingewiesen hat. Der Kläger selbst hat einen Zinsvorteil von rund 15.700 EUR eingeräumt.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Frage der Festsetzung von Nachforderungszinsen bei langer Verfahrensdauer höchstrichterlich geklärt ist.

Ende der Entscheidung

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