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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: 14 K 7867/98
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

14 K 7867/98

Tenor:

Die Gewerbesteuermessbescheide 1990 bis 1995 in Gestalt der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 23.09.1998 werden aufgehoben.

Die Verfahrenskosten trägt der Beklagte.

Tatbestand:

Strittig ist, ob der Kläger aus seiner Tätigkeit als Werbegrafiker und Werbedesigner Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder freiberufliche Einkünfte erzielt.

Mit Prüfungsbeginn vom 22. April 1997 fand bei dem Kläger eine Betriebsprüfung für die Jahre 1992 bis 1995 statt. Nach den Feststellungen des Prüfers umfasste die Tätigkeit des Klägers in diesen Jahren die Erstellung von Konzepten und deren Verwirklichung unter anderem in Form von Werbeplakaten, Postern, Zeitungsanzeigen, Werbemappen oder auch Verpackungen diverser Produkte des täglichen Bedarfs. Das gesamte Leistungspaket, das der Kläger den Kunden in Rechnung stellte, umfasste gemäß der geprüften Auftrags- und Rechnungsunterlagen neben der Konzepterstellung den Text, dass Layout, Reinzeichnung und Lithografie sowie die Vervielfältigung und Auslieferung der fertigen Produkte. Hierbei variierte die Auflage zwischen 100 und weit über 100.000 Stück, wobei die Vervielfältigung hauptsächlich von zwei Druckereien durchgeführt wurde. Die angefallenen Aufwendungen für Lithografie und Druck steigerten sich von 220.000 DM im Jahr 1992 bis ca. 700.000 DM im Jahr 1995. Nach Auffassung des Prüfers war bei diesem Sachverhalt die Frage, ob es sich bei Teilen der Tätigkeit des Klägers um eine künstlerische Tätigkeit handelte, nicht erheblich, weil eine gemischte Tätigkeit vorliege, die insgesamt als gewerblich zu beurteilen sei. Hierfür sprächen in erster Linie die Urteile des BFH vom 10.12.1964 (BStBl. III 1965, 114) und vom 14.12.1976 (BStBl. II 1977, 474), wonach eine eigene Serienproduktion oder Vervielfältigung geschaffener Werke zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit führe.

Mit Verfügung vom 15.07.1997 wurde der Prüfungszeitraum auf Gewerbesteuer 1990 bis 1991 erweitert.

Aufgrund der Betriebsprüfung erließ der Beklagte erstmalige Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1990 bis 1995, für die ein Postaufgabevermerk nicht festgestellt werden kann. Am 28.04.1998 erhob der Kläger gegen Gewerbesteuermessbescheide 1990 bis 1995 vom 30.03.1998 bzw. 01.04.1998 Einspruch. Nach einer in den Akten vermerkten Mitteilung der Stadt L sind die Gewerbesteuermessbescheide 1990 bis 1992 am 30.03. und die Gewerbesteuermessbescheide 1993 bis 1995 am 01.04.1998 bekannt gegeben worden. Der Bevollmächtigte des Klägers kündigte eine Begründung der Einsprüche innerhalb von fünf Tagen an. Nachdem diese nicht einging, erließ das Finanzamt unter dem 23.09.1998 eine Einspruchsentscheidung, in der es die Einsprüche gegen die Gewerbesteuermessbescheide 1990 bis 1995 als unbegründet zurückwies. In der Einspruchsentscheidung hielt der Beklagte an seiner Rechtsauffassung fest, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine sogenannte gemischte Tätigkeit handele, die einheitlich zu beurteilen sei, weil die einzelnen Tätigkeiten sich gegenseitig bedingen und miteinander verflochten seien, so dass nach allgemeiner Verkehrsauffassung sie als Einheit anzusehen seien. Für diese Einheit spreche im vorliegenden Fall insbesondere die Tatsache, dass dem Auftraggeber ein einheitlicher Erfolg in Form des vervielfältigten Endproduktes geschuldet worden sei. Bei der Tätigkeit des Klägers herrsche das gewerbliche Moment der Tätigkeit vor, so dass sie insgesamt als eine gewerblich geprägte Tätigkeit zu würdigen sei. Dafür spreche in erster Linie, dass der Kläger eine eigene Serienproduktion und Vervielfältigung geschaffener Werke übernommen habe.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom 23.09.1998 hat der Kläger am 21.10.1998 Klage erhoben. Sein Bevollmächtigter trägt vor, der Kläger sei weder mit der Werbemittelverbreitung noch mit der Werbemittlung befasst. Er sei Grafikdesigner und erbringe die für diesen Beruf typischen Leistungen. Als Grafikdesigner entwickele er Gestaltungsideen, die mit den spezifischen Ausdrucksmitteln der Grafik realisiert würden. Die Tätigkeit des Grafikdesigners erfordere kreatives, schöpferisches und damit geistiges Vermögen. Die persönliche Schöpfungsleistung und die Fähigkeit, die gefundene Gestaltungsidee sichtbar zum Ausdruck zu bringen, charakterisiere die Arbeit des Grafikdesigners als künstlerische Tätigkeit. Der Kläger habe Grafikdesign an der Fachhochschule für Kunst und Gestaltung studiert. Die Kenntnisse und Fertigkeiten, die er mit dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums nachgewiesen habe, wende er in seinem Beruf an. Er übe dementsprechend eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus.

Auch das Finanzamt wolle offenbar nicht in Abrede stellen, dass der Kläger als Grafikdesigner künstlerisch tätig sei. Es sei jedoch der Auffassung, dass außer der künstlerischen auch eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt werde. Als gewerblich stufe das Finanzamt die Leistungen ein, die der Kläger im Zusammenhang mit der Herstellung der Lithografien und dem Druck der Werbemittel erbringe. Diese Bewertung verkenne jedoch die typischen Abläufe des grafischen Gestaltungsprozesses. Früher sei zwar die Anfertigung der Druckvorlage (Lithografie) und die Druckausführung ohne die Beteiligung des Künstlers möglich, da es sowohl in der Druckvorstufe als auch in der Druckausführung nur noch um die technische einwandfrei Umsetzung dessen ging, was der Grafikdesigner zuvor abgeliefert hatte. Mit der Entwicklung des digitalen Technik sei die Situation aber grundlegend verändert. Mit Hilfe der elektronischen Bildbearbeitungsprogramme könne der Grafikdesigner meist schon in der ersten Phase einen Entwurf präsentieren, der bereits die Qualität einer Reinzeichnung habe. Notwendige Bildretouchen, die früher nur durch hochspezialisierte und teure Retuscheure hätten realisiert werden können, führe der Grafikdesigner inzwischen am Bildschirm selbst aus. Das gelte auch für andere Arbeitsschritte. Die klassische Stufenfolge von kreativer Gestaltung, Druckvorbereitung und Druckausführung gelte heute nicht mehr. Die kreative Phase sei nicht mehr vor Beginn der Lithoarbeiten abgeschlossen, sondern reiche in die Druckvorstufe und sogar in die Druckausführung hinein. Arbeitsphasen, die früher ohne Beteiligung des Grafikdesigners rein handwerklichtechnisch abgewickelt worden seien, seien inzwischen Teil des kreativen Gestaltungsprozesses. Wesentliche gestalterische Entscheidungen würden oft erst bei der Druckvorbereitung oder sogar noch während der Druckphase getroffen. Deshalb müssten die Grafikdesigner, die für die Gestaltung verantwortlich seien, auch in die Lithoherstellung und die Druckausführung einbezogen werden. So habe der Kläger für das "..."Display am Computer zunächst ein Layout erstellt, mit dem er die Texte einschließlich Schrift und Schriftfarbe sowie die Formate und Flächenaufteilung festlegte. Parallel dazu seien vier Fotos aufgenommen worden: ein Foto des weiblichen Modells, ein Foto einer grünen Bluse, die das Modell tragen sollte, und jeweils ein Foto der linken und der rechten Hand. Nach diesen Vorarbeiten seien die digitalisierten Fotos und das Layout in Form von Dateien dem Lithografen übergeben worden. Hier zeige sich der wesentliche Unterschied zu den früheren Arbeitsabläufen. Der Lithograf füge die einzelnen Teile des Bildes zu einem Gesamtbild zusammen. Er beherrsche zwar den Computer und die digitale Technik, sei jedoch kein Fachmann für die Bildgestaltung. Deshalb müsse der Kläger bei der Lithoherstellung stets aktiv eingreifen, damit aus den unterschiedlichen Dateien, die er dem Lithografen liefere, am Ende das Bild entstehe, dass seine gestalterische Idee richtig umsetze. Auch bei der nachfolgenden Druckausführung müsse der Kläger vor allem dann, wenn aus wirtschaftlichen Gründen auf sogenannte Proofs und damit auf die Herstellung einer 100% verbindlichen Druckvorlage verzichtet werde, durch laufende Kontrollen und Farbabstimmungen sichergestellt werden, dass die kreative Gestaltung des Klägers einwandfrei umgesetzt werde. Der Kläger stehe in dieser Phase an den Druckmaschinen und steuere durch genaue Anweisungen den Druckablauf in seinem Sinne. Auch die Drucküberwachung sei somit Teil des kreativen Gestaltungsprozesses. Sowohl die Lithoherstellung als auch die Druckphase seien noch Teil des Gestaltungsprozesses und nicht nur handwerklichtechnische Vorgänge. Der Kläger könne nicht deshalb als Gewerbetreibender eingestuft werden, weil er als Grafikdesigner die Lithoherstellung und den Druck kontrolliere. Der Kläger biete seinen Kunden eine einheitliche Gestaltungsleistung in der Form an, in der sie den Auftraggeber allein interessiere, nämlich als fertig gedrucktes Werbemittel.

Ein Indiz für die künstlerische Tätigkeit des Klägers sei auch, dass er die Künstlersozialabgabe auf der Grundlage der Gesamtrechnung einschließlich Litho- und Druckkosten entrichten müsse. Aus der Sicht des Klägers handele es sich bei der Druckvorstufe und den Arbeiten bei der Druckabwicklung nicht um eigenständige Arbeiten, die von der grafischen Gestaltung getrennt werden könnten. Das werde schon dadurch deutlich, dass der Kläger mit der Lithoherstellung und dem Druck keine Gewinne erziele, sondern eher Verluste erwirtschaftet habe. Es handele sich nur um Nebenleistungen, die der Kläger allein deshalb übernehme, um die eigentliche Hauptleistung, die grafische Gestaltung von Werbemitteln, erbringen zu können. So habe der Kläger aus der Abwicklung der Lithoaufträge in den Jahren 1992 bis 1994 einen Verlust in Höhe von 99.953 DM erzielt. Die Druckaufträge hätten in den selben Jahren einen Überschuss von 91.194 DM erbracht, so dass ein Verlust in Höhe von 8.799 DM verbleibe.

Selbst wenn mit der Druckabwicklung und der Lithoherstellung gewerbliche Elemente in die Arbeit des Klägers einflössen, könne deshalb die Gesamttätigkeit nicht einfach als Gewerbe eingestuft werden. Diese seien vielmehr Nebentätigkeiten, die die im Vordergrund stehende künstlerische Tätigkeit lediglich unterstützten.

Soweit man dem Finanzamt folge, und den Leistungen in der Druckvorstufe und Druckabwicklung Gewicht und Eigenständigkeit beimesse, müsse notfalls im Schätzungswege unter Trennung der Tätigkeitsbereiche der Gewinn jeweils gesondert ermittelt werden. Dabei werde sich ergeben dass der Kläger aus diesen Nebentätigkeiten keinen Gewinn erziele.

Vorsorglich macht der Kläger die Verfassungswidrigkeit der Gewerbeertragsteuer geltend. Er verweist insoweit auf die Begründung des Vorlagebeschlusses des Niedersächsischen Finanzgerichts. Soweit der Kläger freie Mitarbeiter als fachlich vorgebildete Hilfskräfte beschäftigt habe, hätten diese nur Tätigkeiten übernommen, die mit der von Reinzeichnern früherer Art zu vergleichen seien, die vorgegebene Entwürfe ohne eigenes kreatives Zutun rein handwerklich in eine reproduktionsfähige Vorlage umsetzten. Diese sogenannte Reinzeichnung werde heute nicht mehr mit der Hand, sondern mittels digitaler Technik direkt am Computer erledigt. Für kreativ arbeitende Mitarbeiter liege auch der Stundensatz mindestens bei 72 bis 120 DM pro Stunde, während die vom Kläger beschäftigten Mitarbeiter lediglich 35 DM an Stundensatz erhalten hätten. Auch dies spreche gegen kreative Gestaltungsleistungen. Im Übrigen habe der Prüfer während der Prüfung insoweit keinerlei Feststellungen getroffen.

Der Kläger beantragt,

die Gewerbesteuermessbescheide für 1990 bis 1995 vom 30.03./01.04.1998 und die Einspruchsentscheidung vom 23.09.1998 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, der Besuch und der erfolgreiche Abschluss der Fachhochschule für Kunst und Gestaltung führe nicht zwangsläufig zur Künstlereigenschaft im steuerlichen Sinne. Ausgehend von einer Dreiteilung (Kunst, Kunstgewerbe, Kunsthandwerk) sei die Tätigkeit eine Grafikdesigners den letzten beiden Bereichen als zweckgebundene Gebrauchskunst zu ordnen. Künstlerisch sei die Tätigkeit eines Grafikdesigners nach den Grundsätzen der Rechtsprechung dann, wenn er eigenschöpferische Leistungen vollbringe, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck komme und über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht werde. An einer eigenschöpferischen Leistung fehle es regelmäßig, wenn der Grafiker ins einzelne gehende Angaben und Weisungen seines Auftraggebers zu erfüllen habe. Daher werde die Tätigkeit von Grafikern, die sich darauf beschränken, Entwürfe für Werbebilder, Prospekte, Buchumschläge, Warenumhüllungen, Schaufensterdekorationen und dergleichen zu fertigen, Fotomontagen auszuführen oder auf dem Gebiet der Formgebung industrieller Erzeugnisse tätig werden, vielfach nicht als die eines Künstlers anzusehen sein. Der Beklagte hat deshalb angeregt, ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen.

Aber auch wenn die Künstlereigenschaft durch ein Gutachten geklärt sei, stellt sich nach Auffassung des Beklagten immer noch die Frage, ob die übrigen Vorraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt seien. Der Kläger habe in nicht unerheblichem Umfang Leistungen von freien Mitarbeitern in Anspruch genommen. Dabei handele es sich nicht nur um weitergegebene Aufträge im Bereich Druck und Repro, sondern auch im Bereich grafische Gestaltung. Auch bei der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte müsse der freiberuflich Tätige aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig bleiben. Beispielhaft sei hier auf Rechnungen eines Herrn M verwiesen, der Leistungen in 1995 als grafische und konzeptionelle Arbeiten bezeichnet habe und mindestens 6.000 DM jeweils in Rechnung gestellt habe. Des weiteren bezieht sich der Beklagte auf die Rechnung einer Frau T, welche in ihrer Rechnung aus 1994 als Diplomdesignerin firmiert und diverse Projekte jeweils mit 4.000 bis 7.000 DM abgerechnet habe.

Im Übrigen hält der Beklagte an seiner in der Einspruchsentscheidung geäußerten Rechtsauffassung fest. Die Vervielfältigung und die serielle Produktion des künstlerischen Gegenstandes sei das genaue Gegenteil einer eigenschöpferischen Leistung. Es sei auch zu bezweifeln, dass der Kläger bei jedem seriellen Produktionslauf immer wieder eingreifen und Prüfungen habe anstellen müssen. Die Vervielfältigungen seien hauptsächlich auch in zwei fremden Druckereien in Auftrag gegeben worden. Es sei nicht ersichtlich wie der Kläger dort habe schöpferisch eingreifen können.

Eine Aufteilung der verschiedenen Tätigkeiten des Klägers komme nicht in Betracht, weil der Kläger mit den verschiedenen Tätigkeiten nicht in unterschiedlicher Weise selbst am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehme. Es komme nur eine einheitliche Beurteilung in Betracht, da der schöpferische Gestaltungsakt und die Herstellung sowie die Vervielfältigung der Werbemittel miteinander verflochten sei und sich unlösbar bedingten. Der Kläger habe selbst ausgeführt, dass den Auftaggeber nur das fertig gedruckte Werbemittel interessiere. Das bedeute, dass der Auftraggeber die Lieferung eines sofort verwendbaren Werbemittels in der richtigen Stückzahl erwarte, damit es unmittelbar nach Lieferung für die gewünschten Zwecke eingesetzt werden könne. Eine im Vordergrund stehende freiberufliche Tätigkeit könne nur dann angenommen werden, wenn die Vervielfältigung zu den typischen Erscheinungsformen der jeweiligen künstlerischen Tätigkeit gehört und nur einen begrenzten Umfang annehme. Dies sei beim Kläger zu verneinen.

Der Senat hat mit Beweisbeschluss vom 21.11.2003 beschlossen Beweis durch das Gutachten eines Sachverständigen darüber zu erheben, ob die Leistung des Klägers in den Jahren 1990 bis 1995 eigenschöpferisch war, das heißt ob sich in den Leistungen des Klägers eine individuelle Anschauungsweise und eine besondere Gestaltungsweise widerspiegelt und die Arbeitsergebnisse eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichen, unter besonderer Berücksichtigung, ob die Leistungen des Klägers im Rahmen der Druckvorstufe und der Druckphase ebenso als künstlerisch einzustufen sind. Mit Schriftsatz vom 23.1.2004 hat der Beklagte beantragt, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Der Senat hat den Antrag mit Beschluss vom 13.4.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 28.5.2005 hat der Sachverständige sein Gutachten vorgelegt. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass die Arbeiten des Klägers aufgrund des individuellen, gestalterischen Potenzials eine künstlerische Gestaltungshöhe erreichen und dass die Leistungen im Rahmen der Vergabe und Überwachung von Arbeitsprozessen in der Druckvorstufe und Druckphase im Zusammenhang mit den individuellen Entwürfen für das jeweilige Medium zu betrachten und ein wesentlicher Bestandteil des künstlerischen Arbeitsprozesses des Klägers seien (wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf dieses verwiesen).

In seiner Stellungnahme zum Gutachten hat der Beklagte ausgeführt, dem Gutachter könne nicht darin gefolgt werden, dass die Vervielfältigung durch externe Dienstleister ein wesentlicher Bestandteil des künstlerischen Arbeitsprozesses sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Beklagte hat zu Unrecht eine gewerbliche Tätigkeit des Klägers angenommen. Der Kläger hat in den Streitjahren eine freiberufliche künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgeübt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - übt ein Steuerpflichtiger eine künstlerische Tätigkeit aus, wenn er eine eigenschöpferische Leistung erbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt, und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus grundsätzlich eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreicht (z. B. BFH-Urteil vom 23.09.1998 XI R 71/97, BFH/NV 1999, 460). Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des BFH schließt auch im Grenzbereich zwischen Kunst und Gewerbe der gewerbliche Verwendungszweck und die bestimmungsmäßige Verwendung als Gebrauchsgegenstand die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit nicht aus, wenn die Arbeiten des Steuerpflichtigen nach ihrem Gesamtbild eigenschöpferisch sind und eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe erreichen. Die Frage, ob wegen des Werbezwecks der künstlerische Wert hinter dem Gebrauchswert zurücktritt, ist nicht entscheidungserheblich. Eine künstlerische Tätigkeit kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn jemand zwar seine Leistungen in den Dienst der Werbung stellt, diese aber aufgrund künstlerischer Fähigkeiten und in künstlerischer Weise vollbringt. Entscheidend ist, ob die Arbeiten ohne Rücksicht auf ihre Verwendung künstlerischen Charakter aufweisen. Dazu ist erforderlich, dass sie nicht das Produkt handwerksmäßig erlernter bzw. erlernbarer Tätigkeiten darstellen, sondern darüber hinaus etwas eigenschöpferisches enthalten und eine künstlerische Gestaltungshöhe aufweisen (BFH-Urteil vom 14.12.1976 VIII R 76/75, BStBl II 1977, 474). Für die Beurteilung dieser Frage ist es nicht erforderlich, dass jedes einzelne vom Steuerpflichtigen im Streitjahr geschaffene Werk daraufhin untersucht wird, ob es ein Kunstwerk darstellt oder nicht. Es ist vielmehr die vom Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum ausgeübte Tätigkeit insgesamt zu beurteilen und dabei - unter Anlegung eines strengen Maßstabs - festzustellen, ob sie - im ganzen gesehen - als eine grundsätzlich schöpferische und damit künstlerische anerkannt werden kann oder nicht (BFH-Urteil vom 11.07.1960 V 96/59 S, BStBl III 1960, 453). Des weiteren ist für die Entscheidung der Frage, ob ein bisher freiberuflich Tätiger Gewerbetreibender wird, nicht auf die möglicherweise besonders gelagerten Umstände eines einzelnen Erhebungszeitraums abzustellen, sondern es ist zu prüfen, ob die allgemeine Tendenz zur Entwicklung eines Gewerbebetriebs hingeht (BFH-Urteil vom 24.07.1969 IV R 92/67, BStBl II 1970, 86).

Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Sachverständige eine ausreichende Auswahl von Arbeiten der Jahre 1992 bis 1995 beurteilt und auf dieser Grundlage festgestellt, dass die Arbeiten des Klägers eine eigenschöpferische Leistung darstellen und eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichen. Der Senat schließt sich dieser Würdigung an. Wie der Gutachter unter Abschnitt II 3 näher ausgeführt hat, sieht er die eigenschöpferische Leistung des Klägers in der besonderen Verbindung von Text, Bild und graphischer Gestaltung, wobei ein auf ein Minimum reduzierter Text den Betrachter durch Irritationen oder durch Anregung des Spieltriebs zum intensiven Beschäftigen mit dem Medium oder dem Produkt verleitet. Des weiteren hat er die eigenschöpferische Leistung und künstlerische Gestaltungshöhe in dem Wechselspiel von Text und Abbildung bzw. in der eigenständigen Verfremdung einer fotographischen Bildvorlage gesehen. Der Gutachter hat des weiteren ausgeschlossen, dass die Formgebung durch den Kläger aus einem allgemeinen Formenschatz entnommen ist oder auf bekannte Vorbilder zurückgreift (dazu BFH-Urteil vom 11.07.1991 IV R 15/90, BStBl II 1991, 889). Er hat vielmehr dargelegt, dass in den Arbeiten des Klägers eine individuelle Anschauungsweise und in dem Wechselspiel von Text und Abbildung eine besondere Gestaltungsweise des Klägers zum Ausdruck kommt.

Es trifft zwar zu, dass es an der Tätigkeit als Künstler fehlt, wenn sich der Graphiker an ins einzelne gehende Angaben und Weisungen seines Auftraggebers zu halten hat und ihn infolge dessen kein oder kein genügender Spielraum für eine schöpferische Leistung verbleibt (BFH-Urteil vom 11.07.1960 V 96/59 S, BStBl III 1960, 453). Der Beklagte, der insoweit die Darlegungslast trägt, hat im Rahmen der Betriebsprüfung keine Feststellungen getroffen, die in diese Richtung weisen. Der in der Bp-Akte abgeheftete Auftrag der Firma C belegt vielmehr das Gegenteil. Der Gutachter hat festgestellt, dass die Auftraggeber des Klägers teilweise das Medium der Werbung vorgegeben haben und z. B. bei einem Folder den Seitenumfang festgelegt haben. Ins einzelne gehende Angaben und Weisungen der Auftraggeber hat der Sachverständige jedoch nicht feststellen können.

Nach den überzeugenden Feststellungen des Gutachters war der Kläger in den Streitjahren auch insoweit leitend und eigenverantwortlich tätig, als er qualifizierte Mitarbeiter oder Dritte in die Herstellung des Werbemittels eingeschaltet hat. Insoweit ist es erforderlich, dass der Künstler auf sämtliche zur Herstellung eines Kunstwerks erforderlichen Tätigkeiten, soweit sie nicht in künstlerischer Hinsicht von untergeordneter Bedeutung sind, den entscheidenden gestaltenden Einfluss ausübt (BFH-Urteil vom 02.12.1980 VIII R 32/75, BStBl II 1981, 170). Nach den Feststellungen des Sachverständigen hat der Kläger eigene Mitarbeiter und externe Lithographiebetriebe bzw. Belichtungsstudios zur Erledigung von Arbeiten der Druckvorstufe eingesetzt. Die Mitwirkung des Klägers an diesen Arbeiten der Druckvorstufe hat der Gutachter bestätigt und durch die von ihm geschilderte übliche Arbeitsweise des Graphikdesigners in den Streitjahren belegt. Danach hat der Kläger an einem speziellen Computerarbeitsplatz mit entsprechender Software für Graphik und Typographie die Entwurfs- und Layoutarbeiten d. h. die Konzeption, den Text und die Gestaltung vorgegeben. Einen Teil der Ausführungsarbeiten auf der Druckvorstufe hat er an eigene Mitarbeiter oder an externe Lithographiebetriebe und Belichtungsstudios vergeben. Bei den Mitarbeitern hat es sich um Druckvorlagenhersteller gehandelt, deren Berufsbild sich aus denen der Schriftsetzer, Lithographen und Retuscheure Ende der 80er Jahre entwickelt habe. Diese Druckvorlagenhersteller arbeiten nach den Feststellungen des Sachverständigen üblicherweise nach den entsprechenden Vorgaben des Künstlers und setzen dessen konzeptionelle Vorgaben bzgl. des Textes und der graphischen Gestaltung in weiter verarbeitbare digitale Daten um. Zur Digitalisierung farbiger Abbildungen mussten im Streitzeitraum externe Lithographiebetriebe und Belichtungsstudios beauftragt werden, weil der Betrieb des Klägers nicht über entsprechende Möglichkeiten zur Digitalisierung verfügte. Der Gutachter hat in Abschnitt II 5 seines Gutachtens überzeugend dargelegt, dass bei der gewählten Arbeitsweise genaue Vorgaben und die Kontrolle der Mitarbeiter und externen Dienstleistenden wesentliche Voraussetzung für die richtige Wiedergabe der Idee des Künstlers gewesen sind. Hierzu war eine intensive Unterrichtung der Mitwirkenden und eine Kontrolle der Arbeitsergebnisse notwendig. Dies gilt für die Digitalisierung von Fotos (Lithographie) und auch für Bildmontagen und Bildverfremdungen. Der Gutachter hat damit die Angaben des Klägers voll bestätigt.

Nach den Feststellungen des Gutachters ist nicht nur die Druckvorstufe, sondern auch die Druckphase selbst wesentlicher Bestandteil des künstlerischen Arbeitsprozesses. Er hat hierzu ausgeführt, dass auch auf der Druckstufe eine Definition der Qualitätsanforderungen des Projekts sowie deren Kontrolle unumgänglich sei. Druckprozesse seien nur unzureichend im Bezug auf deren Qualität standardisiert, so dass ein entsprechender Einsatz des Künstlers notwendig sei, damit das fertige Produkt den konzeptionellen und kreativen Vorgaben entspreche. Gerade bei den ungewöhnlichen und komplexen Gestaltungsvorgaben für die Arbeitsbeispiele wie der "..." und dem "..." werde deutlich, dass die besondere Produktionstechnik ein entscheidendes Gestaltungsmittel darstelle. Der Kläger hat hierzu ergänzend in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass er in den externen Druckereien die Farbgenauigkeit des Druckbogens kontrolliert habe. Da der Druck als sogenannter Offset-Druck erfolgt sei, seien Farbveränderungen leicht möglich. Bei Auflage eines neuen Druckbogens sei er von der Druckerei angerufen worden und sei dann dort hingefahren.

Nach älteren Entscheidungen des BFH liegt zwar in der Regel eine gewerbliche Tätigkeit vor, wenn das Kunstwerk im Auftrag des Künstlers durch Dritte vervielfältigt und danach vom Künstler veräußert wird (BFH a.a.O., BStBl II 1977, 474 und 1991, 889). Bei den damals entschiedenen Sachverhalten handelt es sich aber um solche, bei denen die Vervielfältigung nicht mehr Teil des künstlerischen Prozesses war und rein mechanisch durch andere erfolgen konnte. Im Streitfall haben der Gutachter und auch der Kläger selbst aber überzeugend ausgeführt, dass aufgrund der geänderten Arbeitsweise des Graphikdesigners unter Einschaltung des Computers und der digitalen Datenverarbeitung auch die der künstlerischen Konzeption nachfolgenden Arbeitsschritte Teil des künstlerischen Prozesses sind, die nicht mechanisch durch Dritte erledigt werden können. Dies gilt nach der Überzeugung des Senats jedenfalls für die sogenannte Druckvorstufe unter Einschaltung von Lithographen, eigenen Mitarbeitern und externen Belichtungsstudios.

Soweit wegen der teilweise sehr hohen Auflagen der Vervielfältigung die Druckphase auch gewerbliche Elemente enthalten sollte, liegt wegen der Einbindung in den künstlerischen Prozess jedenfalls eine gemischte Tätigkeit vor. Eine gemischte Tätigkeit ist danach zu beurteilen, welche Tätigkeit der Gesamtbetätigung des Gepräge gibt. Verschiedene Betätigungen des Steuerpflichtigen sind grundsätzlich zwar zu trennen, soweit dies möglich ist, auch wenn sachliche oder wirtschaftliche Berührungspunkte bestehen. Bei einer unlösbaren Verflechtung der Tätigkeiten liegt jedoch eine einheitliche Tätigkeit vor. Davon ist auszugehen, wenn der Steuerpflichtige dem Auftraggeber einen einheitlichen Erfolg schuldet. Dann entscheidet, welche Tätigkeit der gesamte Tätigkeit des Gepräge gibt, diese also charakterisiert. Für die Frage, welche Tätigkeit der Gesamttätigkeit das Gepräge gibt, ist der Anteil am Umsatz oder Ertrag nicht entscheidend, auch nicht, was für den Kunden im Vordergrund steht, sondern ob sich die eine Tätigkeit als notwendiges Hilfsmittel für die freiberufliche Tätigkeit darstellt, also dienende Funktion hat. Eine der Haupttätigkeit wesensfremde Betätigung ist jedoch regelmäßig gewerblich, dann aber auch trennbar (BFH-Urteil vom 14.04.1997 IV R 60/95, BStBl II 1997, 567).

Im Streitfall gehen beide Beteiligten davon aus, dass der Kläger seinen Auftraggebern einen einheitlichen Erfolg nämlich das verwendbare Werbemittel geschuldet hat, so dass von einer einheitlichen gemischten Tätigkeit auszugehen ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt diese Würdigung jedoch nicht zu einer einheitlich gewerblichen Tätigkeit des Klägers. Seine Betätigung in der Druckphase stellt sich vielmehr als notwendiges Hilfsmittel für die eigentliche künstlerische Tätigkeit des Klägers dar. Die Haupttätigkeit des Klägers, die seiner Arbeit des Gepräge gibt, ist die eigenschöpferische Konzeption des Werbemittels, die im fertigen Produkt ihren Niederschlag findet (BFH-Urteil vom 23.08.1990 IV R 61/89 BFHE 162, 68). Die Vervielfältigung des Produkts hat demgegenüber nur dienende Funktion, dies gilt jedenfalls für die hier nahezu ausschließlich gegebenen Fälle einer Erstauflage, bei der nach den überzeugenden Darstellungen des Sachverständigen die Überwachung der Druckphase der Durchsetzung der künstlerischen Konzeption dient. Im Bereich der Graphik stellt die Vervielfältigung auch keine wesensfremde Betätigung dar (BFH-Urteil vom 11.07.1991 a.a.O., BStBl II 1991, 889).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



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