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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 02.06.2008
Aktenzeichen: 15 K 2935/05
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 3 Abs. 9a S. 1 Nr. 1
UStG § 10 Abs. 4 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

15 K 2935/05

Tenor:

Der Änderungsbescheid zur Umsatzsteuer der Klägerin für 2003 vom 21.04.2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23.06.2005 werden aufgehoben.

Unter Änderung des Bescheides für 2003 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften vom 19.4.2005 und Aufhebung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 23.06.2005 werden die selbständigen Einkünfte auf 424.948,00 EUR und die selbständigen Einkünfte des Gesellschafters E auf 99.900,09 EUR festgestellt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die zutreffende Besteuerung der privaten Nutzung eines betrieblichen PKW.

Seit Juli 2002 bilden die Rechtsanwälte V, C, E sowie die Rechtsanwältin W eine Sozietät in Form einer GbR. Im Streitjahr 2003 wies die Sozietät vier PKW aus, jeweils einen im jeweiligen Sonderbetriebsvermögen der vier Gesellschafter. Für das Streitjahr 2003 gingen die Umsatzsteuer- und die Feststellungserklärung am 8.2.2005 beim Beklagten ein.

Bei der Umsatzsteuer erklärte die Sozietät für die private Kfz-Nutzung des Gesellschafters E eine unentgeltliche Wertabgabe als auch eine entsprechend hohe Sonder-Betriebseinnahme in Höhe der Umsatzsteuer in der Gewinnermittlung der GbR nach § 4 Abs. 3 EStG.

Dieser Betrag errechnet sich ausweislich der Anlage zur Gewinnermittlung (Bilanzakte des Beklagten, Fach 2003) wie folgt: Listenpreis in Höhe von 66.410 EUR x 1% x 12 Monate = 7.969,20 EUR. Dieser Wert - multipliziert mit einem Prozentsatz von 64,56 % -- ergibt den Betrag von 5.144,91 EUR. Zum - im Streitjahr geltenden - Regelsteuersatz von 16% ergibt sich damit eine Umsatzsteuer von 823,19 EUR, die zusätzlich als Sonder-Betriebseinnahme angesetzt war.

Der Prozentsatz von 64,56 folgt aus einer Aufstellung der konkret entstandenen PKW-Kosten nach solchen, die vorsteuerbehaftet sind, und solchen, die dies nicht sind:

  ohne Vorsteuer mit Vorsteuer
Konto EUREUREUR
Tanken2.606,93 2.606,93
Reparaturen92,00 92,00
Kfz-Leasing10.863,00 10.863,00
Kfz-Steuer und Versicherung2.765,262.765.26 
Kfz-AfA2.865,302.863,30 
Garagenmiete1.814,881.814,88 
Gesamtkosten21.005,377.443,4413.561,93
Anteil in Prozent100 %35,44 % 64,56 %

Das Anlagenverzeichnis für den PKW im Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters E weist Anschaffungskosten für einen 1997 von privat erworbenen Oldtimer-PKW N... in Höhe von 68.000 DM aus; daraus resultiert eine AfA von 2.863 EUR (bei einer Nutzungsdauer von 15 Jahren). Herr E hat seit 2002 daneben einen PKW D... Cabrio geleast (Bl. 86 FG-Akte): Dessen "Einstandspreis" laut D in Höhe von 57.250 EUR zuzüglich 16% Umsatzsteuer hat Herr E der 1%-Regelung zugrunde gelegt.

Der Beklagte teilte mit, von den Erklärungen insoweit abweichen zu wollen, als dass ein 80%igen Ansatz der Gesamtkosten des PKW vorzunehmen sei. Dagegen wandten die Kläger ein, die konkrete Berechnung des Prozentsatzes entspreche den Anforderungen des EuGH und des BFH. So habe der BMF in seinem Schreiben vom 17.02.1999 IV D 1-S 7102 - 3/99 nicht festgeschrieben, dass keine individuelle Regelung möglich sei, da eine solche dort nicht ausdrücklich ausgeschlossen sei.

Für Zwecke der Umsatzsteuer dürfe aus Vereinfachungsgründen auf die ertragssteuerliche Feststellung zurückgegriffen werden; entscheidend sei, dass es zu einer sachgerechten, möglichst genauen Schätzung des Eigenverbrauchsanteils komme. Die pauschale Kürzung um 20% stelle nur eine Hilfslösung dar, in denen sich die Kosten - insbesondere die laufenden Betriebs- und Reparaturkosten - nicht eindeutig einem Fahrzeug zuordnen lassen, wenn z.B. ein großer Fuhrpark vorhanden sei. Dies sei hier nicht der Fall.

Der Beklagte erließ daraufhin am 21.4.2005 einen Änderungsbescheid zur Umsatzsteuer 2005, in dem er abweichend von der Umsatzsteuer-Jahreserklärung nunmehr die Bemessungsgrundlage für den Wert der unentgeltlichen Wertabgabe erhöhte und eine um 196,80 EUR höhere Umsatzsteuer festsetzte. Der Beklagte errechnete den Erhöhungsbetrag der Bemessungsgrundlage wie folgt:

Ertragssteuerlicher Wert nach der 1%-Methode = 7.969,20 EUR x 80 % = 6.375,36 EUR, darauf 16% Umsatzsteuer ergibt 1.020 EUR, mithin eine Differenz zum erklärten Wert in Höhe von 196,81 EUR.

Der Beklagte erließ sodann am 19.4.2005 den Bescheid für 2003 über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, in dem er die Einkünfte aus selbständiger Arbeit der GbR entsprechend der Änderung bei der Umsatzsteuer erhöht auf 425.145,79 EUR sowie die Einkünfte des Gesellschafters E ebenfalls entsprechend erhöht auf 100.097,88 EUR feststellte. Zur Begründung wies er in beiden Bescheiden auf das BMF-Schreiben vom 27.08.2004, Tz. 2.1 hin.

Die daraufhin einlegten Einsprüche wies der Beklagte mit zwei Einspruchsentscheidungen vom 23. Juni 2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, nach dem BMF-Schreiben vom 27.8.2004 gelte folgendes: Der Unternehmer habe zur Ermittlung der Kosten, die auf die nichtunternehmerische Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeugs entfallen, die Wahl zwischen drei Methoden. Wähle der Unternehmer aus Vereinfachungsgründen die 1%-Regelung, dann sei dies auch nach der Rechtsprechung des BFH eine zulässige Schätzungsmethode für Zwecke der Umsatzsteuer. Die Vereinfachungsregelung beinhalte nun einmal, dass für die mit Vorsteuer belasteten Kosten ein pauschaler Abzug vorzunehmen sei. Die von den Klägern gewählte 1%-Regelung sei eine Schätzung nach § 162 AO, die mit Unsicherheiten und Schätzungsunschärfen verbunden sei. Die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer und dementsprechend der Gewinn der Klägerin sei daher zu Recht erhöht worden.

Daraufhin haben die Kläger die vorliegenden Klagen erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen, die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage wie erklärt nur mit 64,56 % der vorsteuerbelasteten Kosten des PKW zu berechnen und die Einkünfte der GbR sowie des Gesellschafters E entsprechend niedriger festzustellen.

Sie begründen dies unter Wiederholung des Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren ergänzend im Wesentlichen wie folgt:

Die private Nutzung des dem Unternehmen zugeordneten PKW durch den Gesellschafter E sei nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH umsatzsteuerlich als Verwendungseigenverbrauch nur mit den Kosten als Bemessungsgrundlage zu versteuern, die dem Vorsteuerabzug unterlägen. Letztlich solle die Mehrwertsteuerbelastung eine Korrektur für die PKW-Kosten in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge sei und diese daher die auf die private Nutzung entfallenden Vorsteuerbeträge nicht übersteigen. Diesem Prinzip folgend seien die nicht mit Vorsteuer behafteten Kosten hier zu den Gesamtkosten ins Verhältnis gesetzt worden. Um die sich dabei ergebenden 35,44 % sei die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer gekürzt worden.

Eine zwingende logische Verbindung des vom Beklagten angewendeten pauschalen Abzugs von 20% zur 1%-Regelung gebe es nicht. Zudem führe dieser Abzug auch zu unsachgemäßen Ergebnissen, und zwar nicht im Sinne von Schätzungsunschärfen, sondern von groben Ungereimtheiten im Hinblick auf die in Anspruch genommene Vorsteuer einerseits und die Mehrwertsteuerbelastung andererseits. Die 1% -Regelung und die pauschale Kürzung um 20% stellten zwei parallel nebeneinander stehende Schätzungen dar, die nicht gedanklich-logisch einander bedingten. Das eine sei die Schätzung der Gesamtkosten, die auf die private Nutzung entfielen und die auch für Zwecke der Umsatzsteuer gewählt werden dürfe. Davon zu unterscheiden sei die Schätzung, in welcher Höhe die Gesamtkosten als vorsteuerbehaftet anzusehen seien. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte aus der Anwendung der 1%-Regelung, die zwingend zu berücksichtigen seien. Daher müsse jede andere Ermittlungs- oder Schätzungsmethode an die Stelle der pauschalen Kürzung treten könne, wenn sie zu sachlich richtigen Ergebnissen führe.

Bei dem Ansatz von 20% könne es sich nur um einen durchschnittlichen Erfahrungswert handeln. Je höher der tatsächliche Umfang der nicht vorsteuerbelasteten Kosten sei, desto untauglicher werde dieser Abzug als sachgerechter Maßstab. Aus Gründen der Steuergerechtigkeit könne daher die Verbindung der 1%-Regelung mit dem pauschalen Abzug nicht zwingend sein. Wohl unter diesem Aspekt habe der BFH die Möglichkeit einer anderen Handhabung auch offen gelassen.

Auch bei der Ermittlung eines Privatanteils mittels der Fahrtenbuchmethode lägen letztlich zwei Schätzungen vor. Allein daraus, dass bei der 1%-Regelung keine zwingende Ermittlung der individuellen Kosten gegeben sei, könne nicht abgeleitet werden, dass nur eine pauschale Kürzung möglich sei. Dies sei unschwer durch Buchung auf separaten Konten möglich und vorliegend auch geschehen. Wenn ein individueller Prozentsatz an nicht vorsteuerbehafteten Kosten ermittelt sei, sei es nicht verständlich, dass dieser nicht anzuwenden sei. Dies entspräche Schätzungsgrundsätzen und vermeide Unklarheiten, Unschärfen, Unsicherheiten und falsche Ergebnisse.

Die Klägerin zu 1. beantragt,

den Umsatzsteueränderungsbescheid 2003 vom 21.4.2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23.06.2005 aufzuheben.

Die Kläger zu 2. beantragen,

unter Änderung des Bescheids über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2003 vom 19.4.2005 und Aufhebung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 23.06.2005 die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit 424.948 EUR und die auf den Gesellschafter E entfallenden Einkünfte auf 99.900,09 EUR festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidungen. Ergänzend verweist er darauf, dass das BMF-Schreiben eine andere Schätzung, nämlich den Anteil der nicht vorsteuerbehafteten Kosten an den individuellen Gesamtkosten eines Kfz zu ermitteln und als Maßstab für die Kürzung der Bemessungsgrundlage heranzuziehen, nur für den Fall vorsehe, dass die Ermittlung der Gesamtkosten nach der Fahrtenbuchmethode erfolge. An die im BMF-Schreiben liegende Anweisung sei er - der Beklagte - gebunden.

Alle Belege für die Kosten der PKW sind dem Gericht vorgelegt worden. Die Garagenmiete ist nicht vorsteuerbehaftet; sie wird direkt vom Gesellschafter E privat, nicht betrieblich gezahlt und erst im Rahmen der Abschlussbuchungen gebucht.

Hinsichtlich der Handhabung durch den Beklagten bei der Gewinnfeststellung, die durch die Zurechnung der höheren Umsatzsteuer 2003 bereits im Streitjahr 2003 zu einer Erhöhung des Gewinns der GbR führt statt im Jahr der tatsächlichen Zahlung der höheren Umsatzsteuer, haben sowohl der Prozessbevollmächtigte als auch der Vertreter des Beklagten bestätigt, dass eine entsprechende Regelung der Finanzverwaltung in NRW im vorliegenden Fall seit Jahren praktiziert und vom Beklagten akzeptiert worden ist. Aus Vereinfachungsgründen werde dabei einerseits der ungekürzte Abzug der Umsatzsteuer auf Privatnutzung vorgenommen, andererseits dann die auf die Entnahme entfallende Umsatzsteuer als Betriebseinnahme angesetzt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 21.05.2008 sowie die Belege zu den einzelnen Kosten für den streitigen PKW (Bl. 54 bis 88, 96 bis 99 der FG-Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klagen sind begründet. Der gegenüber der Klägerin zu 1. ergangene Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 21.04.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 23.06.2005 sowie der für die Kläger zu 2. ergangene Bescheid für 2003 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften vom 19.4.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 23.06.2005 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin zu 1. bzw. die Kläger zu 2. daher in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Unrecht die Kosten für die PKW-Nutzung nur um pauschal 20% gekürzt, dadurch die Umsatzsteuer erhöht festgesetzt und die Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu hoch festgestellt.

I.

Die Umsatzsteuer ist richtigerweise mit einem von der Klägerin konkret berechneten, rechnerisch unstreitigen Abschlag von 35,44% auf die Kosten des Kfz zu berechnen. Die vom Beklagten vorgenommene Erhöhung entbehrt einer Rechtsgrundlage.

1. Nach § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres 2003 -- UStG -- wird einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb seines Unternehmens liegen (speziell zu 2003 : Urteil des BFH vom 19.04.2007 V R 48/05 BFHE 217, 83; BStBl II 2007, 801; HFR 2007, 1015), sogenannte unentgeltliche Wertabgabe (früher: Verwendungseigenverbrauch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG a.F.).

Der Umsatz wird dabei gemäß § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten bemessen, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

Die private Nutzung des dem Unternehmen zugeordneten PKW ist mit den bei Ausführung dieses Umsatzes entstandenen Kosten zu versteuern, § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG. Dazu gelten folgende, vom BFH (Urteil vom 11.3.1999 V R 78/98, BFHE 188.160; BFH/NV BFH/R 1999, 1178, zuletzt bestätigt im BFH-Beschluss vom 26.6.2007 V B 197/05, BFH/NV 2007, 1897) zutreffend aufgestellte Grundsätze:

Die Kosten, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt haben, bleiben außer Ansatz (Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG--; EuGH-Urteil vom 25. Mai 1993 Rs. C-193/91 - Mohsche -, Slg. 1993, I-2615, BStBl II 1993, 812). Bei einem gemischt (unternehmerisch und nichtunternehmerisch) genutzten Gegenstand --wie hier dem PKW des Gesellschafters E -- hat der Steuerpflichtige das Recht, lediglich den unternehmerisch genutzten Teil seinem Unternehmen zuzuordnen; er kann aber auch den gesamten Gegenstand seinem Unternehmen zuordnen und die unternehmensfremde Verwendung als unentgeltliche Wertabgabe versteuern (vgl. EuGH-Urteil vom 4. Oktober 1995 Rs. C-291/92 - Armbrecht - Slg. 1995, I-2775, BStBl II 1996, 392). Dementsprechend kann er auch den Vorsteuerabzug aus den laufenden Betriebskosten des gemischt genutzten Fahrzeugs (z.B. aus dem Entgelt für die Lieferung von Treibstoff oder für die Reparatur und Wartung des Fahrzeugs) nach § 15 UStG nur zu dem unternehmerisch genutzten Anteil geltend machen; er kann aber auch den Vorsteuerabzug zunächst voll in Anspruch nehmen und dann in Höhe der nichtunternehmerischen Nutzung eine unentgeltliche Wertabgabe versteuern. Wegen dieser Abhängigkeit des Steuertatbestands der unentgeltlichen Wertabgabe vom Vorsteuerabzug muss zunächst festgestellt werden, für welche bei Ausführung der unentgeltliche Wertabgabe entstandenen Kosten oder --anders ausgedrückt-- für welche mit dem Betrieb des Fahrzeugs zusammenhängenden Eingangsleistungen der Unternehmer den vollen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat.

Erst nach Ermittlung der Betriebsausgaben, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt haben (z.B. Versicherungskosten und Kraftfahrzeugsteuer), sind diese auf die unternehmerischen Fahrten und die Privatfahrten im Wege der Schätzung aufzuteilen.

Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO darf die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nur schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (§ 162 Abs. 1 Satz 2 AO). Eine entsprechende Schätzungsbefugnis hat auch das FG, wenn eine weitere Sachaufklärung nicht möglich oder nicht zumutbar ist (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO). Die gewählte Schätzungsmethode muss dem Ziel gerecht werden, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226, und vom 10. Oktober 1986 VI R 12/83, BFH/NV 1987, 698). Wenn kein Fahrtenbuch geführt worden ist, sind die Kosten aufgrund anderer Wahrscheinlichkeitsüberlegungen aufzuteilen. Schätzungsunschärfen, die sich zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ergeben, muss dieser hinnehmen (BFH in BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226).

Dabei ist nach zutreffender höchstrichterlicher Rechtsprechung der Wert der Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich kein geeigneter Maßstab, um die genannten Kosten auf die Privatfahrten und die unternehmerischen Fahrten aufzuteilen, es sei denn, der Steuerpflichtige legt diesen Wert aus Vereinfachungsgründen selbst zugrunde (BFH-Urteil in BFHE 188,160 sowie vom 4.11.1999 V R 35/99, BFH/NV 2000,206).

2. Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte nicht berechtigt, den nicht vorsteuerbehafteten Anteil an den Kosten des PKW des Gesellschafters E mit 20% zu schätzen. Denn der Entnahmewert des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG und die Bemessungsgrundlage für die nach § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG, § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG zu besteuernde unentgeltliche Wertabgabe sind grundsätzlich unabhängig voneinander zu ermitteln (vgl. BFH in BFHE 188,160, letzter Absatz zum Verwendungseigenverbrauch). Ist eine solche Ermittlung für einen Teil der festzustellenden Bemessungsgrundlage wie hier konkret zutreffend vorgenommen worden, ist kein Raum mehr für eine pauschale Schätzung. Daher sind die vom Steuerpflichtigen konkret ermittelten Beträge an vorsteuerbehafteten Kosten eines betrieblich genutzten Kfz zugrunde zu legen.

Der Senat sieht keine zwingende Verbindung zwischen der dem Steuerpflichtigen eröffneten Möglichkeit, sich aus Vereinfachungsgründen für die Bestimmung des privaten Nutzungsanteils des Wertes nach dem EStG zu bedienen, und einem Verbot, im zweiten Schritt hinsichtlich der anzusetzenden Eingangsumsätze bei den Kosten des Kfz die konkreten Werte aus der Buchführung zu übernehmen.

a) Die einschlägigen Normen des UStG enthalten keine Einschränkung in der Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage in dem vom Beklagten vertretenen Sinne.

b) Auch der Wortlaut der BMF-Schreiben vom 11.03.1997 IV C 3-S 7102-5/97 (BStBl I 1997, 324) und vom 27.08.2004 IV B 7-S 7300-70/04 (BStBl I 2004, 864) spricht nicht gegen die hier vertretene Auffassung. Denn dort heißt es in unter I.2 im erstgenannten bzw. unter 2.1. im letztgenannten Schreiben im Wesentlichen übereinstimmend wie folgt:

"Ermittelt der Unternehmer für Ertragsteuerzwecke den Wert der Nutzungsentnahme nach der sog. 1-v.H.-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, so kann er von diesem Wert aus Vereinfachungsgründen bei der Bemessungsgrundlage .... ausgehen. Für die nicht mit Vorsteuern belasteten Kosten kann er ... einen pauschalen Abschlag von 20 v.H. vornehmen."

Schon diese Formulierung ("kann") lässt nicht den zwingenden Schluss zu, dass die eine Vereinfachungsmöglichkeit (1%-Regelung) nur gelten soll, wenn auch zwingend von der weitere Vereinfachungsmöglichkeit (pauschaler Abschlag von 20%) Gebrauch gemacht wird, sondern deutet auf ein Angebot der Verwaltung hin, dass diese auch bei der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage mit einer vom Steuerpflichtigen angewendeten Vereinfachungsregel einverstanden ist.

c) Auch Sinn und Zweck der mit der pauschalen Kürzung einhergehenden Vereinfachungsregelung schließen die Anwendung eines konkreten Prozentsatzes nicht aus.

aa) Denn hinsichtlich des zu ermittelnden privaten Nutzungsanteils tritt die von der Finanzverwaltung beabsichtigte Vereinfachung für sich und den steuerpflichtigen durch die Verwendung der 1%-Regelung unabhängig von der weiteren Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage ein.

bb) Zudem widerspricht der Ansatz eines grob geschätzten Abschlags von 20 % (so Hünnekens, Umsatzsteuer bei der nichtunternehmerischen Kraftfahrzeugnutzung, NWB Fach 7, S. 4885, 4886 unter II.a.E.) der Grundregel des § 162 Abs. 1 Satz 1 AO. Nach dieser Norm darf die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nur schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (§ 162 Abs. 1 Satz 2 AO).

Hat jedoch der Steuerpflichtige - wie hier - aus den belegmäßig nachgewiesenen Kosten des Kfz konkret alle diejenigen ausgeschieden, die nicht mit Vorsteuer belastet sind, hat die Finanzbehörde diese ermittelte Besteuerungsgrundlage zu übernehmen und darf nicht statt deren eine pauschale Schätzung derselben vornehmen.

Denn der Abschlag von 20 % ist lediglich eine widerlegbare Vermutung für den Umfang der nicht vom Vorsteuerabzug entlasteten Kosten (Hundt-Eßwein in: Peter/Burhoff/Stöcker, UStG, § 10, Rz. 104). Daher ist stets der individuell ermittelte Abschlagsatz der Besteuerung zugrunde zu legen, zumal dieser auch bei den beiden anderen von der Finanzverwaltung zugelassenen Schätzungsmethoden für Zwecke der Umsatzsteuer sowohl bei Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs als auch bei Schätzung des privaten Anteils (ohne Fahrtenbuch) nach der Meinung des BMF konkret zu ermitteln ist und nicht etwa zu schätzen wäre. In den BMF-Schreiben aus 1997 heißt es nämlich unter I.3. wie in dem aus 2004 unter 2.2 und 2.3 jeweils: "Aus den Gesamtaufwendungen sind für Umsatzsteuerzwecke die nicht mit Vorsteuern belasteten Kosten in der belegmäßig nachgewiesenen Höhe auszuscheiden."

cc) Schließlich bleibt ein Vereinfachungszweck durch die Möglichkeit des pauschalen Abschlags auch bei der hier vertretenen Auffassung erhalten, weil es jedem Unternehmer unbenommen bleibt, die von der Finanzverwaltung angebotene zweifache Vereinfachungsregel anzuwenden.

II.

Auch der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit der Kläger zu 2. einschließlich derjenigen des Gesellschafters E sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig. Denn die Erhöhung des Gewinns um die Umsatzsteuer erfolgte zu Unrecht, weil die Umsatzsteuer auf die Privatnutzung des Kfz zu Unrecht erhöht festgesetzt worden ist, wie oben festgestellt.

Nach § 12 Nr. 3 EStG darf die Umsatzsteuer für Umsätze, die Entnahmen sind, nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden. Der bei Überschussrechnung - wie hier - grundsätzlich im Jahr der Zahlung als Betriebsausgabe abziehbare Betrag an Umsatzsteuer auf Privatnutzung ist daher um die Umsatzsteuer auf Entnahmen zu kürzen (vgl. Wagner in: Sölch/Ringleb, UStG, § 10 Rz. 394). Aus Vereinfachungsgründen lässt die Finanzverwaltung jedoch -- wie nach übereinstimmender Einlassung der Beteiligten auch im Streitfall -- den ungekürzten Abzug zu, wenn der Steuerpflichtige im Jahr der Entnahme die auf diese entfallenden Beträge einschließlich Umsatzsteuer als Betriebseinnahme ansetzt (vgl. dazu Wagner a.a.O. m. w. Nachw.).

Die Gewinnerhöhung im Streitfall ist jedoch mangels Rechtmäßigkeit der erhöht festgesetzten Umsatzsteuer (s.o.). ebenfalls rechtswidrig.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

IV.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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