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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 28.09.2006
Aktenzeichen: 15 K 379/03
Rechtsgebiete: EStG, EStDV 2000


Vorschriften:

EStG § 7 Abs. 4 S. 1
EStDV 2000 § 11c Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

15 K 379/03

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Nutzungsdauer der vom Kläger errichteten und anschließend vermieteten Gebäude zum Betrieb einer Paketverteilungsanlage in C streitig.

Der Kläger schloss am 12.05.1993 mit der Firma H einen Vertrag, in dem er sich verpflichtete, dem Unternehmen eine Halle für die Dauer von 15 Jahren zu vermieten (Bl. 83 der FG-Akte). Die Halle, die zum Betreiben einer Paketverteilungsanlage dienen sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht errichtet. Grundlage des Vertrages war daher u.a., dass der Kläger das Grundstück C erwerben kann und die Stadt C die Baugenehmigung für eine derartige Halle erteilt. In dem Vertrag vom 12.5.1993 wurde zugleich vereinbart, dass das Mietverhältnis im Herbst 1993 beginnt und 15 Jahre nach dem Einzugstermin endet. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hat der Mieter den Vertrag schriftlich zum 30.09.2008 gekündigt.

Am 18.05.1993 erwarb der Kläger das Grundstück und verpflichtete sich in dem Kaufvertrag, den geplanten Gewerbebetrieb mit den notwendigen Bauten nach Maßgabe der Baugenehmigung zu errichten.

Die Errichtung des Gebäudes erfolgte im Jahr 1993 in Leichtbauweise. Nach der Fertigstellung zog der Mieter Anfang Oktober 2003 in das Objekt ein. Bei dem Objekt handelt es sich um eine Andienungshalle (950 qm), zwei Verteilungshallen (2.710 qm), Büro- und Sozialräume (350 qm), die baulich miteinander verbunden sind, und Fahr-, Park-, und Rangierfläche (9.645 qm). Die Herstellungskosten für die Halle betrugen DM 3.041.000 DM. Der Mietzins beträgt monatlich DM 76.050.

Im Rahmen der ursprünglichen Veranlagung ging das Finanzamt ab 1993 erklärungsgemäß von einer -dem Mietvertrag entsprechenden- 15-jährigen Nutzungsdauer aus. Die Einkommensteuerbescheide sowie der Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Bei einer späteren Überprüfung auf den 31.12.1994 wich das Finanzamt von seiner Auffassung ab und erließ am 6.12.2000 für 1992 bis 1994 geänderte ESt-Bescheide sowie einen geänderten Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.1994, in denen es eine Nutzungsdauer von 40 Jahren unterstellte. Der Einkommensteuerbescheid für 1992 wurde durch Bescheid vom 6.12.2000 aufgrund des Verlustrücktrags aus 1994 ebenfalls geändert.

Gegen diese Bescheide legten die Kläger Einsprüche ein. Sie begründeten die Verteilung der AfA-Bemessungsgrundlage von 3.041.000 DM auf 15 Jahre damit, dass das Objekt nach Ablauf des Mietvertrages mit der Fa. H keiner weiteren Verwendung zugeführt werden könne und somit abgerissen werden müsse. Damit sei dann ein wirtschaftlicher Verbrauch eingetreten.

Nach einer Ortsbesichtigung durch den Bausachverständigen am 18.6.2001 erstellte der Sachverständige eine baufachliche Stellungnahme. In dieser Stellungnahme vom 19.6.2001 (Rechtsbehelfsakte) werden zunächst die Ausstattungsmerkmale der einzelnen Gebäude dargestellt. Im Anschluss hieran führt der Bausachverständige aus:

"Die Gebäude sind in einfacher Bauausführung errichtet, wegen der fehlenden Wärmeisolierung und Beheizung ist gemäß Arbeitsstättenverordnung nur eine begrenzte Arbeitszeit innerhalb der Hallen zulässig.

Die Aufbauten sind entsprechend den Wünschen des Mieters errichtet und auf dessen spezielle Bedürfnisse abgestellt worden.

Eine anderweitige Nutzung der Hallen ist aus folgenden Gründen mit Schwierigkeiten verbunden:

wegen fehlender Wärmeisolierung und Heizung ist nur eine Nutzung für Lagerzwecke möglich

Eine Lagernutzung ist jedoch wegen der geringen Geschosshöhe nur eingeschränkt möglich, die übliche Höhe von Lagerhallen beträgt mind. 6,50 m (Stapelhöhe für 4 Europaletten)

Die Verteilungshallen können nur eingeschränkt von LKW angefahren bzw. beladen werden

Nach Auskunft von Herrn T erfolgt die Paketsortierung heute üblicherweise vollautomatisch. Die Hallen in C sind wegen der geringen Abmessungen nicht für eine Umrüstung auf eine automatische Sortieranlage geeignet. Es ist davon auszugehen, dass die Gebäude nach Ablauf des Mietvertrages nicht mehr für gleiche Zwecke genutzt werden.

Da die Gebäude als Stahlkonstruktion errichtet worden sind, beträgt die technische Lebensdauer üblicherweise 40 - 60 Jahre ( der Ansatz von 80 Jahren im Rahmen der Einheitsbewertung ergibt sich aus Vorgaben des Bewertungsgesetzes).

Hiervon abweichend ist die wirtschaftliche Nutzungsdauer geringer anzusetzen.

Die übliche Gesamtnutzungsdauer für Stahlhallen in leichter Bauausführung beträgt 30 - 35 Jahre.

Da in dem vorliegenden Fall aufgrund der Bauweise die Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, halte ich den Ansatz einer geringeren Gesamtnutzungsdauer für vertretbar. Hierfür sprechen auch die hohen Mieteinnahmen für das Grundstück. Die monatliche Miete von 76.050 DM liegt mehr als 100 % über den ortsüblichen Verhältnissen; dies spricht dafür, dass die Gebäude mit Ablauf des Mietvertrages wirtschaftlich verbraucht sind.

Es kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, ob eine Nutzungsdauer von 15 Jahren oder von 25 Jahren angemessen ist."

Als Ergebnis weiterer sachlicher Abstimmungen zwischen dem Bausachverständigen und dem Bausachverständigen der OFD und dem Fachreferat der OFD Düsseldorf, Steuerabteilung Köln, wurde Übereinstimmung erzielt, dass nach Verwaltungsauffassung von einer 25-jährigen wirtschaftlichen Restnutzungsdauer am wahrscheinlichsten auszugehen sei.

Dementsprechend ging der Beklagte nunmehr von einer 25-jährigen Restnutzungsdauer aus und änderte dementsprechend mit der Einspruchsentscheidung vom 18.12.2002 die Einkommensteuerbescheide 1992, 1993 und den Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.1994. Im Übrigen wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung berief sich der Beklagte darauf, dass von einem wirtschaftlichen Verbrauch nach Ablauf des Mietvertrags, also nach 15 Jahren, nur dann auszugehen sei, wenn auch die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen (anderweitigen) Nutzung oder Verwertung endgültig entfalle. Zum einen bestehe die Möglichkeit der Verlängerung des Mietvertrages, zum anderen könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Gebäude für einen im gleichen Bereich tätigen Nachmieter nutzbar seien, wenn gleich auch zu einem geringeren Mietpreis. Abweichend von der bisher angesetzten Nutzungsdauer von 40 Jahren sei jedoch eine Nutzungsdauer von 25 Jahren am wahrscheinlichsten. Diesem Ergebnis lägen folgende Kriterien und Wertungen zugrunde:

"Restnutzung:

Der Lebenszyklus einer Immobilie stellt sich im allgemeinen wie folgt dar:

Grundstück - Neubauprojekt - Nutzung - Leerstand - Umstrukturierung - Nutzung (Restnutzung) - Abriss. Die Immobilie C wird nach der jetzigen Nutzung erfahrungsgemäß eine neue Nutzung erfahren (eventuell eine andersartige Nutzung bei geringeren Erträgen).

Lage: Sobald sich eine Immobilie in dem Lebenszyklus befindet, in dem u.a. die Betriebskosten, die Nebenkosten und auch die Kosten durch das im Bodenwert gebundene Vermögen höher als der Ertrag ist, wird ein Abriss der Immobilie sinnvoll. Das Objekt befindet sich im Gewerbegebiet von C: Da der Bodenwert in C eher als gering eingestuft werden kann, ist die Restnutzungsdauer im allgemeinen länger als in Gebieten mit hohen Bodenpreisen.

Konstruktion: Wenn der Betreiber bei der Planung des Objekts davon ausgegangen wäre, dass das Objekt nur 15 Jahre genutzt wird, wäre eine demontabile und wieder verwertbare Konstruktion (im Sinne einer Neuerrichtung der Konstruktion an anderer Stelle) empfehlenswert gewesen. Die Konstruktion bei dem erwähnten Objekt ist nicht demontabel, die Baustoffe sind lediglich nach Aussage des Steuerpflichtigen dem allgemeinen Recycling zuzuführen. Das trifft heute aber auf eine Vielzahl von Objekten zu, auch bei Objekten mit einer Nutzungsdauer von 80 Jahren.

Bauantrag: Im Bauantrag wurde nicht auf eine temporäre Nutzung hingewiesen. Dieses Indiz für eine kürzere Nutzungsdauer von 15 Jahren fehlt."

Gegen die geänderten Bescheide in der Fassung der Einspruchsentscheidung haben die Kläger die hier vorliegende Klage erhoben. Sie vertreten weiterhin die Ansicht, dass nur eine Nutzungsdauer von 15 Jahren anzusetzen sei. Zur Begründung tragen sie vor, dass das Objekt nach Ablauf des 15-jährigen Mietvertrages mit dem Mieter H keiner weiteren wirtschaftlich sinnvollen Verwendung zugeführt werden könne und aus diesem Grund abgerissen werden müsse. Weiterhin sei zu beachten, dass § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG es dem Steuerpflichtigen gestatte, eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer geltend zu machen und darzulegen. An den Nachweis einer kürzeren als der typischen Nutzungsdauer dürften keine strengen Anforderungen gestellt werden. Es sei grundsätzlich von der Schätzung des Stpfl. auszugehen (Hinweis auf Urteil des FG Köln 8 K 6294/995 vom 23.1.2001, EFG 2001, 675). Das Finanzamt sei nur dann berechtigt, die Schätzung des Stpfl. zu verwerfen, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liege. Nach der Stellungnahme des Bausachverständigen bewege sich die Nutzungsdauer aber zwischen 15 und 25 Jahren. Der Beklagte gelange in der Einspruchsentscheidung zwar zu der Annahme, dass die Nutzungsdauer von 25 Jahren am wahrscheinlichsten sei; die Schätzung des Stpfl. liege aber nicht außerhalb eines angemessenen Schätzungsrahmens.

Weiterhin weisen die Kläger darauf hin, dass eine Vermietung nach Ablauf des Mietvertrages an einen anderen Mieter mit erheblichen Mietzinseinbußen verbunden sei. Die Halle verfüge weder über ausreichende Sozialräume, noch über eine entsprechende Wärmedämmung, um sie zu anderen Zwecken als zum Betreiben einer Paketverteilungsanlage zu nutzen. Selbst eine Lagernutzung sei wegen der geringen Geschosshöhe nicht möglich. Auch eine erneute Vermietung an H komme nicht in Betracht. Schon heute würden fast ausschließlich automatische Sortieranlagen betrieben.

Ferner sei ein potentieller Käufer, der das Gebäude einer anderen Nutzung zuführen möchte, verpflichtet, beim Bauamt einen Antrag auf Nutzungsänderung zu stellen. Diesem Antrag würde das Bauamt nur unter den Auflagen stattgeben, dass Sozialräume geschaffen werden, Ablösegebühren für Parkplätze gezahlt werden, WC-Anlagen getrennt bzw. neu geschaffen werden, eine ausreichende Wärmedämmung vorgenommen oder auch brandschutztechnische Baumaßnahmen durchgeführt werden. Durch diese Auflagen würde sich der Kaufpreis für die Halle erheblich mindern.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18.12.2002 die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 sowie die Feststellung des Verlustabzugs zum 31.12.1994 vom 06.12.2000 dahingehend abzuändern, dass die AfA für die vom Kläger errichtete Paketverteilungsanlage in C auf einen Zeitraum von 15 Jahren berechnet angesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und auf die Ausführungen des Sachverständigengutachtens.

Der Senat hat mit Beweisbeschluss vom 10.1.2006 die Einholung eines Sachverständigengutachtens beschlossen (Bl. 102 der FG-Akte). Der vom Gericht eingesetzte Sachverständige hat am 14.2.2006 ein Gutachten vorgelegt. Hiernach schätzt der Gutachter die technische Restnutzungsdauer auf 22 Jahre und die wirtschaftliche Restnutzungsdauer auf 15 Jahre zum Stichtag 19.1.2006. Im Einzelnen wird auf den Inhalt des Gutachtens (Bl. 111 - 145) verwiesen.

Die Kläger vertreten die Ansicht, dass die Bestimmung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer nicht überzeuge. Im Gutachten werde zutreffend ausgeführt, dass entscheidend für die weitere Nutzungsdauer einer gewerblichen Anlage die sogenannte Drittverwendungsfähigkeit sei. Wie das Gutachten weiter feststelle, verfüge das Bewertungsobjekt nicht über die notwendige Flexibilität. Ob das dem Gutachten zugrunde liegende Nutzungskonzept realisiert werden könne, sei pure Spekulation. Die im Gutachten Bl. 12ff. aufgeführten Gesichtspunkte würden mehr dagegen als dafür sprechen.

Das Gutachten lege als Bewertungsstichtag den Tag der Besichtigung zugrunde. Die Prognose über die voraussichtliche steuerliche Nutzungsdauer sei indessen aus der Sicht des Veranlagungszeitraums vorzunehmen.

Zudem könne für die Bestimmung der voraussichtlichen Nutzungsdauer nicht maßgeblich sein, ob einzelne Gebäudeteile eines Gesamtkomplexes möglicherweise einer isolierten Nutzung zugeführt werden könnten. Die Erwartung einer solchen zukünftigen isolierten Nutzung nach Ende der vertraglichen Mietzeit enthalte so viele prognostische Elemente, dass es sich hierbei um reine Spekulation handele, auf die eine solide Nutzungsdauerbestimmung nicht gestützt werden könne.

Der Beklagte vertritt hingegen die Auffassung, dass das Gutachten die Annahme des Beklagten stütze.

Aus der Rechtsbehelfsakte ergibt sich, dass die für die Finanzierung der Herstellungskosten aufgenommenen Darlehn am 2.11.2011 zurückzuzahlen sind. Ferner ergibt sich aus dieser Akte, dass der damalige Berater in einem am 20.9.2001 mit dem FA geführten Telefongespräch unverbindlich vorgeschlagen habe, die Nutzungsdauer an die Dauer der Finanzierung, also 18 Jahre, anzugleichen

Das Gericht hat zwei Bauakten zum Verfahren beigezogen.

Weiterhin hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung sein Gutachten erläutert. Auf seine im Protokoll der mündlichen Verhandlung festgehaltenen Ausführungen wird verwiesen. Zudem wird auf das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung (s. Protokoll) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte ist zu Recht von einem Abschreibungszeitraum von 25 Jahren ausgegangen, so dass die angefochtenen Bescheide die Kläger nicht in ihren Rechten verletzten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG beträgt die Nutzungsdauer von Gebäude im Regelfall 40 oder 50 Jahre. Sofern jedoch die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes geringer als in Satz 1 geregelt ist, können anstelle der Absetzungen nach Satz 1 die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechenden Absetzungen für Abnutzung vorgenommen werden (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Nutzungsdauer eines Gebäudes ist gemäß § 11 c Abs. 1 Satz 1 EStDV der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Erhebliche Unterschiede zur "betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer" des § 7 Abs. 1 Satz 2 EStG ergeben sich daraus nicht (vgl. Nolde in Herrmann/Heuer, Kommentar ESt und KSt, § 7 Anm. 170 und 425). Statt der Nutzung im Betrieb des Steuerpflichtigen ist die Nutzung "in der Hand des jeweiligen und nach Maßgabe seiner einkunftserzielenden Tätigkeit" ausschlaggebend.

Bei der Bestimmung der tatsächlichen Nutzungsdauer sind die besonderen Verhältnisse zu beachten, unter denen das Wirtschaftsgut eingesetzt wird, insbesondere eine durch die Nutzung eintretende besondere Beanspruchung, welche die gewöhnliche Nutzungsdauer verkürzt (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1999 III R 74/97, BFHE 191, 125, BStBl II 2001, 311). Dabei ist auf das Gesamtgebäude und nicht auf die Nutzungsdauer einzelner Gebäudeteile abzustellen (Kirchhof/Lambrecht, Kommentar zum EStG, § 7 Rn. 150; vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 1977 VIII 105/73, BStBl II 1977, 606).

Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstandes begrenzen können. Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer fallen in der Regel zusammen. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer ausnahmsweise kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige nach ständiger Rechtsprechung des BFH hierauf berufen (BFH-Urteil vom 19. November 1997 X R 78/94, BFHE 184, 522, BStBl II 1998, 59).

Dagegen kommt es nicht darauf an, wie lange der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut tatsächlich verwendet oder voraussichtlich verwenden wird; denn die tatsächliche Nutzungsdauer wird nicht dadurch vermindert, dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut vor Beendigung seines technischen oder wirtschaftlichen Wertverzehrs veräußert; maßgebend ist somit die objektive Nutzbarkeit eines Wirtschaftsguts unter Berücksichtigung der besonderen betriebstypischen Beanspruchung (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 2003 X R 54/01, BFH/NV 2004, 474).

Im Streitfall geht es um die Nutzungsdauer der Gebäudekomplexes "Paketverteilungsanlage". Die Kläger behandeln den Gebäudekomplex der Hallen als ein Wirtschaftsgut.

Die einzelnen Bestandteile der Anlage (Verteilungsanlagen, Andienungshalle und Büro/Sozialgebäude) sind baulich miteinander verbunden. Darüber hinaus stehen die Baulichkeiten untereinander in einem engen Nutzungs- und Funktionszusammenhang. Die einzelnen baulich miteinander verbundenen Gebäude stellen daher eine Funktionseinheit dar. Entscheidendes Kriterium für die Höhe der Abschreibung ist daher die Nutzungsdauer des Gesamtgebäudes, d.h. der Gesamtanlage.

1. technische Nutzungsdauer

Der Senat geht mit dem Sachverständigen von einer technischen Nutzungsdauer von 35 Jahren aus.

Entgegen der Ansicht des Klägers bedeutet der Ablauf der Mietzeit nicht zugleich einen technischen Verbrauch der Anlage. Eine technische Abnutzung liegt bei einem körperlichen Verschleiß eines Wirtschaftsgutes durch Gebrauch vor. Eine vollständige Substanzeinbuße, die eine technische Abnutzung darstellen würde, ist auch nach 15 Jahren nicht ersichtlich. Diese wird von den Klägern auch selbst nicht vorgetragen. Der Sachverständige schätzt unter Berücksichtigung der einfachen Konstruktion die technische Gesamtnutzungsdauer auf 35 Jahre (Seite 12 des Gutachtens). Dafür, dass ein technischer Verbrauch schon bei weniger als 25 Jahre eintreten soll, bestehen keine Anhaltspunkte.

2. wirtschaftliche Nutzungsdauer

Der Senat hält aufgrund einer Gesamtwürdigung des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverständigen die Schätzung des Finanzamtes zur wirtschaftlichen Nutzungsdauer von 25 Jahren für die wahrscheinlichste. Dafür, dass die wirtschaftliche Nutzungsdauer unter 25 Jahren liegt, haben die Kläger keine ausreichenden greifbaren und objektiven Anhaltspunkte dargelegt. Der Senat folgt daher den in der mündlichen Verhandlung ergänzend erläuterten Feststellungen des Gutachters.

Wirtschaftsgüter nutzen sich wirtschaftlich ab, wenn sie -unabhängig von ihrem materiellen Verschleiß- erfahrungsgemäß wirtschaftlich zur Erzielung von Einkünften nur zeitlich beschränkt verwendbar sind. Ein wirtschaftliche Abnutzung setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut nicht nur aufgrund des technischen Verschleißes, sondern aus anderen Gründen erheblich an Wert verliert. Eine mit wirtschaftlicher Abnutzung begründete kürzere Nutzungsdauer kann der AfA nur zugrunde gelegt werden, wenn das Wirtschaftsgut vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist. Ein wirtschaftlicher Verbrauch ist nur anzunehmen, wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen (anderweitigen) Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist (BFH-Urteil vom 19. November 1997 aaO).

Ob ein solcher Sachverhalt gegeben ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Dabei ist zu beachten, dass die Bestimmung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer schwieriger ist als die Bestimmung der technischen Nutzungsdauer, die zumeist auf Erfahrungssätzen beruht. Ohne eine Schätzung ist dies nicht möglich, da zumindest auch ungewisse künftige Ergebnisse zu beurteilen sind. Demzufolge kann nicht Gewissheit über eine kürzere Nutzungsdauer, vielmehr nur größtmögliche Wahrscheinlichkeit verlangt werden (BFH-Urteil vom 28. September 1971 VIII R 73/68, BFHE 103, 468, BStBl II 1972, 176).

Die kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer muss der Steuerpflichtige glaubhaft machen. Überzogene Anforderungen sind hieran zwar nicht zu stellen. Im Einzelnen bedarf es jedoch ausreichend greifbarer und objektiver Anhaltspunkte für die vom Steuerpflichtigen dargelegte Nutzungsdauer. Eine nur subjektive Meinung des Eigentümers reicht allein nicht aus. Letztendlich trägt der Steuerpflichtige die objektive Feststellungslast, dass die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer ist (Brandis in Blümich, Kommentar zum EStG, § 7 EStG Rn. 340).

a. Im Streitfall gelangt der Senat zu der Auffassung, dass objektiv nachprüfbare Umstände nicht vorliegen, aus denen sich mit einiger Sicherheit ergibt, dass vor Ablauf von 25 Jahren eine wirtschaftliche Nutzung des Gebäudekomplexes nicht mehr möglich ist.

Soweit der Kläger vorträgt, dass sich aus dem Abschluss des Mietvertrages mit einer Festmietzeit von 15 Jahren schon die wirtschaftliche Nutzungsdauer ergeben würde, kann der Senat dieser Meinung nicht folgen. Zum einen hat der Kläger selbst vorgetragen, dass er bei Abschluss des Mietvertrages auf eine Verlängerung des Mietvertrages zumindest um 5 Jahre gehofft hat. Zudem hat er im Jahr 1993 auch auf eine bauliche Erweiterung gehofft und hierfür sowohl den entsprechenden Grundstücksteil bereit, gehalten als auch schon den Bauantrag gestellt. Auch die Finanzierung war nicht lediglich auf 15 Jahre ausgelegt, sondern bis November 2011. Er ist also letztendlich selber nicht davon ausgegangen, dass die wirtschaftliche Nutzung nach 15 Jahren enden wird. Der Kläger legt auch selbst nicht dar, dass ein Reinertrag vor Ablauf von 25 Jahren nicht oder nicht in angemessener Höhe mehr erzielbar sei. Unbestimmte Zukunftsaussichten oder Übervorsicht reichen aber nicht aus, um eine von der technischen Nutzungsdauer abweichende wirtschaftliche Nutzungsdauer anzunehmen (Brandis in Blümich, Kommentar zum EStG, § 7 Rn. 346; vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 1957 IV 114/57, BFHE 65, 175).

Es ist zwar nicht zu verkennen, dass der Kläger mit Ablauf des Mietvertrages und einer fehlenden Verlängerung die bisher erzielten hohen Mieten nicht mehr erreichen wird. Die bloße Ertragsminderung bedeutet aber keinen wirtschaftlichen Verbrauch. Auch die vom Sachverständigen dargestellten Baumängel, insbesondere der teilweise nicht mehr gegebene bzw. nicht vorhandene Wärme- und Brandschutz, reichen nicht aus, um einen wirtschaftlichen Verbrauch anzunehmen.

Auch ist zu bedenken, dass es im Streitfall nicht darauf ankommt, ob die Gebäude wieder durch eine Paketverteilungsanlage genutzt werden können. Es muss vielmehr darauf abgestellt werden, wie lange die Gebäude losgelöst von ihrer ursprünglichen Zwecksetzung bei jeder nach ihrer Bauart möglichen Nutzung (z.B. als Lagerhalle) wirtschaftlich noch genutzt werden können.

b. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten und in seiner mündlichen Erläuterung ausgeführt, dass mit einem gewissen technischen Aufwand eine Drittverwendungsfähigkeit möglich ist. Trotz der Mängel der Verteilungshallen seien auch diese noch nutzbar. Selbst wenn für die anderweitige Nutzung der Verteilungshallen ein höherer technischer und erhöhter Verwaltungsaufwand als bei den übrigen Gebäuden erforderlich ist, kann eine Nutzung nicht ausgeschlossen werden. Zwar ist die Nutzung der Verteilungshallen im Vergleich zu den übrigen Teilen seiner Meinung nach wirtschaftlich nur noch acht Jahre ab dem Bewertungsstichtag gerechnet möglich. Damit geht er von einer wirtschaftlichen Nutzung der Verteilungshallen bis in das Jahr 2013 aus, mithin einer Nutzungsdauer von 20 Jahren. Er hat aber weiterhin die Vorteile der Andienungshalle und des Büro/Sozialgebäudes dargelegt (Seite 14/15 des Gutachtens). Aus diesen Vorteilen und aus der unbestrittenen besseren Bausubstanz dieser Gebäudeteile zieht er den nachvollziehbaren Schluss, dass die wirtschaftliche Nutzungsdauer dieser Teile nicht kürzer ist als die technische Nutzungsdauer. Er hat auch unwidersprochen dargelegt, dass eine Weiternutzung der Andienungshalle und der Büro/Sozialgebäude schon mit einem geringeren Aufwand möglich ist. Der Senat kann nicht erkennen, dass man das Gebäude, selbst wenn man die Verteilungshallen brach liegen lässt, nicht noch rentabel, zumindest insgesamt 25 Jahre, nutzen kann. Die Minderung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Gesamtgebäudes aufgrund des schlechten Zustands der in sehr einfacher Bauweise erstellten Verteilungshallen um sieben Jahre auf eine Gesamtnutzungsdauer des Gebäudekomplexes von 27 Jahre aufgrund eines gewogenen Durchschnitts im Verhältnis von Wert und Restnutzungszeit der einzelnen Gebäudeteile ist nachvollziehbar. Insbesondere erscheint es auch gerechtfertigt und sinnvoll, für die Berechnung des gewogenen Durchschnitts nicht die Flächen der einzelnen Gebäudeteile sondern die Herstellungskosten ins Verhältnis zu setzen. Denn § 7 EStG bezweckt, den durch die Nutzung eines WG eintretenden Wertverzehr nach Maßgabe der Herstellungskosten des Wirtschaftsguts auf seine Nutzungsdauer zu verteilen. Die Kläger haben auch keine Einwendungen gegen diese Berechnung erhoben. Sie haben darüber hinaus keine objektiven Anhaltspunkte dargelegt, die es unwahrscheinlich erscheinen lassen könnten, dass eine Nutzung des Gebäudekomplexes, selbst wenn man die Verteilungshallen ausnimmt, nicht mehr in der vom Sachverständigen angenommen Nutzungsdauer rentabel bzw. rationell möglich sein könnte.

Zusammenfassend geht der Senat im Streitfall davon aus, dass mangels anderweitiger objektiver Anhaltspunkte aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen für den Gebäudekomplex eine wirtschaftlich sinnvolle Verwendung zumindest in der vom Beklagten angesetzten geschätzten Zeit von insgesamt 25 Jahren am wahrscheinlichsten ist. Es fehlt jedenfalls an objektiv nachprüfbaren Umständen, dass eine wirtschaftliche vernünftige Nutzer- oder Verwertungsperspektive bereits zum Bewertungsstichtag 1993 vor Ablauf von 25 Jahren erkennbar gewesen ist. Auch im Streitjahr 1994 haben sich keine zusätzlichen Anhaltspunkte ergeben, dass sich die voraussichtliche wirtschaftliche Nutzungsdauer verkürzen wird, so dass jedenfalls für den hier zu entscheidenden Zeitraum bis 1994 von einer 25-jährigen wirtschaftlichen Nutzungsdauer auszugehen ist.

Da letztendlich der Steuerpflichtige die objektive Feststellungslast dafür trägt, dass die wirtschaftliche Nutzungsdauer - und zwar im Streitfall um mehr als 20 Jahre - kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, gehen etwaige Unsicherheiten bei Nichterweislichkeit zu Lasten des Steuerpflichtigen. Die Klage war daher abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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