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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 31.08.2006
Aktenzeichen: 15 K 444/05
Rechtsgebiete: KStG


Vorschriften:

KStG § 8b Abs 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Veräußerung von Bezugsrechten auf neue Anteile an einer Kapitalgesellschaft steuerfrei gemäß § 8b Abs. 2 KStG ist.

Die Klägerin war im Streitjahr eine Kommanditgesellschaft (KG), deren Gesellschafter (Komplementär und Kommanditisten) ausschließlich Aktiengesellschaften waren. Sie hielt im Kalenderjahr 2002 in ihrem Anlagevermögen die Beteiligung an der H AG. Bei dieser wurde im März 2002 eine Kapitalerhöhung beschlossen. Die Klägerin nahm an dieser Kapitalerhöhung nicht teil, sondern veräußerte die ausgegebenen Bezugsrechte. Sie erzielte hieraus einen Ertrag von 4.175.100 EUR, den sie in ihrer Feststellungserklärung 2002 als steuerfreien Gewinn gemäß § 8b Abs. 2 KStG behandelte.

Im Rahmen der Gewinnfeststellung behandelte das Finanzamt die Veräußerung der Bezugsrechte als steuerpflichtigen Ertrag und stellte den Gewinn mit Bescheid vom 30.3.2004 fest. In den Erläuterungen zum Bescheid heißt es :

"Der Verkauf der Bezugsrechte aus der Kapitalerhöhung H ist nicht gem. § 8b KStG steuerbefreit."

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass es aus rein wirtschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar sei, weshalb der Gewinn aus der Veräußerung eines Bezugsrechtes nicht unter § 8b KStG fallen sollte, dagegen bei Ausübung des Bezugsrechts und sofortiger Veräußerung der jungen Aktien dieser Gewinn nach § 8b KStG steuerbefreit sei. Weiterhin verwies die Klägerin auf die Entscheidung des BFH vom 22.5.2003 (IX R 9/00).

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 6.1.2005 als unbegründet zurück. Entsprechend der für die Finanzverwaltung bindenden Anweisungen (BMF-Schreiben vom 28.4.2003, BStBl I 292, Tz. 24) fiele die Veräußerung von Bezugsrechten ausdrücklich nicht unter die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns, weiter.

Zur Begründung beruft sie sich zunächst auf die Gesetzesbegründung zum Steuersenkungsgesetz. Hier habe die Bundesregierung die Änderungen im KStG wie folgt erläutert: "Der Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer anderen Körperschaft wird ebenfalls steuerfrei gestellt ... Die Freistellung berücksichtigt, dass der Veräußerungsgewinn regelmäßig auch auf offenen und stillen Reserven der Beteiligungsgesellschaft beruht." Hiernach sei die Intention des Gesetzgebers gewesen, sämtliche Wertzuwächse aus der Substanz der Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft gemäß § 8b KStG, mit Ausnahme von ausdrücklichen Einschränkungen (z.B. § 8 Abs. 4 KStG), von der KSt zu befreien. Die Ausgabe neuer Anteile habe zur Folge, dass der Wert der Altaktie "verwässert" werde, da sich durch die neuen Aktien das Bilanzkapital nun auf eine größere Anzahl an Aktien verteile. Sofern das Bezugsrecht auf Erwerb der neuen Aktien ausgeübt werde, ändere sich das Beteiligungsverhältnis in der Regel nicht. Durch die Veräußerung des Bezugsrechts werde bereits ein Teil der stillen Reserven realisiert und somit der spätere Veräußerungsgewinn der Altaktien gemindert. Da dieser spätere Veräußerungsgewinn unstreitig unter § 8b Abs. 2 KStG falle, könne demnach für den Gewinn aus der Veräußerung des Bezugsrechts nichts anderes gelten. In dem aktuellen Entwurf der obersten Finanzbehörden der Länder bezüglich Zweifels- und Auslegungsfragen zum Investmentsteuergesetz (Stand 29.12.2004) werde unter Nr. 4 auf Seite 15 (Steuerbefreiungen bei ausgeschütteten Erträgen) folgende Auffassung vertreten:

"Zu beim Privatanleger steuerfreien ausgeschütteten Erträgen führen auch Gewinne aus der Veräußerung von Bezugsrechten auf Anteile an Kapitalgesellschaften."

Weiter werde auf Seite 16 zu Nr. 4 ausgeführt:

"Die Steuerbefreiungen gelten nicht für betriebliche Anleger. Bei ihnen sind aber § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG anzuwenden."

Dies verdeutliche, dass auch auf Seiten der Finanzverwaltung bereits von der noch im Schreiben vom 28.4.2003 vertretenen Auffassung Abstand genommen werde. Weiterhin verweist die Klägerin auf das Urteil des BFH vom 22.5.2003 (IX R 9 /00) und auf den Aufsatz von Frotscher in INF 2003, 457, 460.

Soweit der Beklagte die Ansicht vertrete, dass der Gesetzgeber in § 8b Abs. 2 KStG eine andere engere Auslegung wie in § 17 Abs. 1 EStG gewählt habe, könne diese Ansicht nicht aus dem Gesetz hergeleitet werden. Soweit in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG der Begriff der Anteile an einer Kapitalgesellschaft definiert werde, fehle es an einer solchen Begriffsdefinition in § 8b Abs. 2 KStG. Aus dieser fehlenden Definition könne aber keinesfalls die Schlussfolgerung gezogen werden, dass der Begriff Anteil anders auszulegen sei, als der in § 17 EStG. Vielmehr habe der Gesetzgeber offen gelassen, wie der Begriff "Anteil" unter der Vorschrift des § 8b Abs. 2 KStG auszulegen sei. Es sei nicht ersichtlich, warum der Begriff des Anteils in § 8b KStG anders auszulegen sei als der Begriff des "Anteils" in § 17 EStG. Auch andere "derivate" Anteilsveräußerungsgeschäfte seien gesetzlich in § 8b Abs. 2 KStG nicht explizit aufgeführt, dennoch vertrete die hM in der Literatur die Auffassung, dass diese Geschäfte gleichfalls unter den Anwendungsbereich fallen sollen. Unstreitig würden nach dem BMF-Schreiben folgende weitere Tatbestände unter § 8b Abs. 2 KStG fallen:

VGA

Sachdividenden

Übertragungsgewinne i.S.d. §§ 11, 15 UmwStG

Genussrechte i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG

Aktienderivate

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 6.1.2005 und Änderung des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2002 vom 30.3.2004 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 4.175.100 EUR zu mindern und mit 77.651 EUR festzustellen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf den Wortlaut des § 8b Abs. 2 KStG, nach dem nur die Veräußerung von Anteilen an Körperschaften, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10a EStG gehören, steuerfrei seien. Bei den hier in Rede stehenden Bezugsrechten handele es sich um Anwartschaften auf einen solchen Anteil an einer Körperschaft. Hätte es - so die Behauptung der Klägerin - der Intention des Gesetzgebers entsprochen, derartige Gewinne aus der Veräußerung von Bezugsrechten in den Anwendungsbereich von § 8b KStG (bzw. § 3 Nr. 40 EStG) einzubeziehen, hätte er den Anteilsbegriff in § 8b KStG weiter fassen müssen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG einen wesentlich weiteren Anteilsbegriff verwendet und hier insbesondere Anwartschaften aus solchen Beteiligungen ausdrücklich unter den sachlichen Anwendungsbereich der Norm fasse. Weiterhin hätten auch gewichtige Stimmen im steuerlichen Schrifttum die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zustimmend kommentiert.

Aus dem von der Klägerin vorgebrachten Entwurf zum Investmentsteuergesetz könnten keine für die Klägerin günstigen Rechtsfolgen gezogen werden.

Während des Klageverfahrens ruhte das Verfahren bis zur Entscheidung des anhängigen Revisionsverfahren IX R 15/05. In diesem Verfahren ging es um die Frage, ob § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG auch die Veräußerung eines durch Kapitalerhöhung entstandenen Bezugsrechts erfasse. Der BFH bejahte diese Frage mit Urteil vom 27. Oktober 2005 (BStBl II 2006, 171).

Der Beklagte hält auch nach der Entscheidung des BFH an seiner bisher vertretenen Auffassung fest, da er der Ansicht ist, dass die Entscheidung nicht auf § 8b KStG übertragen werden könne.

Die Klägerin vertritt hingegen die Ansicht, dass das Urteil analog auf § 8b KStG anwendbar sei.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht die Veräußerung der Bezugsrechte als nicht als steuerbefreit i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG angesehen. Der angefochtene Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Gemäß § 8b Abs. 2 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG gehören, außer Ansatz. § 8b Abs. 2 KStG findet gemäß § 8b Abs. 6 KStG auch Anwendung für Gewinne, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen des Gewinnanteils aus einer Mitunternehmerschaft zugerechnet werden, soweit sie bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils auf Anteile im Sinne des Absatzes 2 entfallen. Durch Abs. 6 wird somit ausdrücklich geregelt, dass Abs. 2 auch für Gewinne aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils gilt, soweit diese auf im mitunternehmerischen Betriebsvermögen gehaltene Anteile an Körperschaften entfallen. Insoweit ist im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, dass es sich bei der Klägerin im Streitjahr noch um eine Kommanditgesellschaft handelt.

Die für die steuerliche Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Frage geht vorliegend mithin ausschließlich dahin, ob Bezugsrechte auf neue Aktien zu den Anteilen an einer Körperschaft i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG gehören.

Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass der Begriff der Anteile an einer Körperschaft i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG auch Bezugsrechte auf Aktien oder GmbH-Anteile umfasst. Eine solche Annahme gebietet nach Ansicht des Senats die teleologische, entstehungsgeschichtliche und verfassungskonforme Auslegung dieser Norm.

1. Die Neufassung des § 8b KStG erfolgte im Hinblick auf das Halbeinkünfteverfahren nach Wegfall des Vollanrechnungsverfahren. Um eine Mehrfachbelastung im System des Halbeinkünfteverfahrens zu vermeiden, werden Ausschüttungen zwischen Körperschaften nach § 8b Abs. 1 KStG nicht besteuert. Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform werden gemäß § 8b Abs. 2 KStG auch Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen bei Kapitalgesellschaften freigestellt, weil Dividenden aus diesen Beteiligungen steuerfrei (§ 8b Abs. 1 KStG) sind und die Veräußerung einer Beteiligung einer Totalausschüttung wirtschaftlich gleichkommt (BT-Drucks. 14/2683, 96). Die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG ist insoweit keine zusätzliche Begünstigung, sondern eine systematisch konsequente Fortführung der Steuerbefreiung von Ausschüttungen nach Abs. 1 (Eilers/Schmidt, GmbHR 2003, 613, 614). Bei der Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft durch eine Kapitalgesellschaft bleibt der Gewinn im Unternehmenssektor im Gegensatz zu der privaten Veräußerung eines Betriebs (BT-Drucks. aaO). Letztendlich berücksichtigt die Freistellung, dass der Veräußerungsgewinn auf offenen oder stillen Reserven in der Beteiligungsgesellschaft beruht, welche dort entweder versteuert worden sind oder auch nach der Veräußerung steuerverhaftet bleiben (BT-Drucks. 14/2683, 120; vgl. BMF-Schreiben vom 28.4.2003 DStR 2003, 881). Das Halbeinkünfteverfahren ermöglicht damit, Beteiligungen im unternehmerischen Bereich ohne Steuerbelastung zu veräußern und so eine betriebswirtschaftliche vernünftige Beteiligungsstruktur zu schaffen (BT-Drucks. 14/2683 S. 95). Damit wird gewährleistet, dass es in Beteiligungsketten bei einer einmaligen Körperschaftssteuerbelastung in Höhe des jeweiligen Körperschaftssteuersatzes bleibt, bis der Gewinn die Ebene der Körperschaft verlässt und an eine natürliche Person ausgeschüttet wird.

Nach diesem dargestellten Sinn und gesetzgeberischem Zweck der Regelung ist es geboten, die Veräußerung von Bezugsrechten den Veräußerungen von Anteilen i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG gleichzustellen. Denn wirtschaftlich besteht zwischen der Veräußerung von Anteilen und den Veräußerungen von Bezugsrechten kein Unterschied.

Den Beteiligten an einer AG steht das gesetzliche (§ 186 Abs. 1 AktG) Bezugsrecht dergestalt zu, dass ihnen ihrem Anteil am bisherigen Nennkapital entsprechender Teil der neuen Aktien zugeteilt wird. Durch den Beschluss, das Kapital zu erhöhen und in entsprechendem Umfang neue Aktien auszugeben, wird die Zahl der am Vermögen, am Gewinn und an den inzwischen gebildeten Reserven beteiligten Anteilsrechte erhöht. Das gesetzliche vorgesehene Bezugsrecht (§ 186 AktG) soll sicherstellen, dass die Aktionäre ihre mitgliedschaftliche Stellung einschließlich ihrer vermögensmäßigen Bezüge pro rata halten können (Hüffer, Kommentar zum AktG § 186 Rn. 2). Das Bezugsrecht hat die Aufgabe, der Gesellschaft die Ausgabe neuer Aktien zu einem Kurs zu ermöglichen, der erheblich unter dem Kurs der alten Aktien liegen kann. Werden neue Aktien zu einem niedrigeren Kurs ausgegeben, als die alten Aktien notiert werden, so bildet sich nach der Kapitalerhöhung ein Mittelkurs, der unter dem Kurs der alten Aktien und über dem Emissionskurs der jungen Aktien liegt. Bei der neuen Aktie erzielt also der Inhaber einer jungen Aktie sofort einen Kursgewinn, während der Inhaber einer alten Aktie einen entsprechenden Kursverlust hinnehmen muss. Dem Bezugsrecht kommt hier die Funktion eines Korrektivs zu. Wird es veräußert, enthält der bezugsberechtigte Altaktionär eine Ausgleich in Höhe des bei ihm sonst eintretenden Verlustes (BFH-Urteil vom 21. August 1996 I R 75/99, BFH/NV 1997, 314). Diese Ausgleichsvergütung stellt wirtschaftlich eine Teilveräußerung von Gesellschaftsanteilen dar (BFH-Urteil vom 21. August 1996 aaO) und nicht eine von einem Wirtschaftsgut mit Substrat losgelöste, der Realisierung einer bloßen Wertdifferenz gleichkommende Vermögensmehrung dar (BFH-Urteil vom 21. Januar 1999 IV R 27/97, BStBl II 1999, 638). Mit der Veräußerung des Bezugsrechts verwertet der Aktionär also nicht den Ertrag der Aktie, sondern einen Teil ihrer Substanz (BFH-Urteil vom 22. Mai 2003 IX R 9/00, BStBl II 2003, 712). Aufgrund der Substanzabspaltung besteht eine wirtschaftliche Teilidentität von Altanteil und Bezugsrecht. Die Veräußerung des Bezugsrechts ist daher wirtschaftlich gesehen mit der Veräußerung von Aktien gleichzustellen. Darüber hinaus gehen mit der Abspaltung die in den Altanteilen enthaltenen stillen Reserven anteilig auf die Bezugsrechte oder nach Ausübung des Bezugsrechts auf die neuen Anteile über (BFH-Urteil vom 21. September 2004 IX R 36/01, BFHE 207, 543). Diese übergegangenen stillen Reserven bleiben aber in der Kapitalgesellschaft steuerverhaftet. Eine Besteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren ist insoweit erst dann angebracht, wenn diese die Ebene der Körperschaft verlassen. Nur so kann eine Doppelbelastung vermieden werden.

Sowohl die Entstehungsgeschichte als auch Sinn und Zweck der Norm des § 8b KStG gebieten es daher, die Bezugsrechte als Anteile i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG anzusehen.

2. Die vom erkennenden Senat für geboten erachtete teleologische und entstehungsgeschichtliche Auslegung wird auch durch den Wortlaut des § 8b Abs. 2 KStG nicht etwa ausgeschlossen; die oben dargelegte Absicht des Gesetzgebers hat sich im Normtext nicht, jedenfalls nicht so deutlich, niedergeschlagen, dass eine solche Auslegung die durch den Wortlaut der Vorschrift gezogenen Grenzen überschreitet.

Nach dem Urteil des BFH vom 27. Oktober 2005 (IX R 15/05, BStBl II 2006, 171) zu einer dem § 8b Abs. 2 KStG vergleichbaren Regelung erfassen die Anteile an einer Körperschaft gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG auch die Bezugsrechte. In dieser Entscheidung führt der BFH aus, dass schon unter der Geltung des EStG 1961 der BFH zu den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft auch Bezugsrechte zählten, um dadurch die Realisierung einer Wertsteigerung zu erfassen, zu der es bei der Veräußerung eines Bezugsrechts wegen des Substanztransfers von der Altaktie auf das Bezugsrecht kommt. Insoweit habe die später mit Steueränderungsgesetz 1965 eingeführte Legaldefinition in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG nur klarstellenden Charakter gehabt. Weiterhin sei es auch nach Sinn und Zweck der Norm geboten, die Bezugsrechte unter die Vorschrift des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG zu subsumieren. Diesen Ausführungen folgt der erkennende Senat. Mit dem Wortsinn des Ausdrucks "Anteil an einer Körperschaft" ist es vereinbar, zu diesen Anteilen auch Bezugsrechte zu rechnen, denn dieser Ausdruck ist weder durch das Zivilrecht noch durch das Steuerrecht noch durch einen festgefügten allgemeinen Sprachgebrauch so geprägt, dass es schlechthin undenkbar wäre, zu den Anteilen an Körperschaften im steuerrechtlichen Sinne auch die Bezugsrechte zu zählen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 1975 IV R 15/71, BStBl II 1975, 505). Für diese Auslegung spricht auch der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG. Hiernach sind Anteile an einer Kapitalgesellschaft auch Anwartschaften auf solche Beteiligungen. Zu den Anwartschaften zählt das Bezugsrecht. In § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG wird nicht geregelt, dass § 17 EStG entsprechend bei Anwartschaften anwendbar ist, sondern es wird festgelegt, dass Anteile an einer Kapitalgesellschaft auch Anwartschaften sind. Insoweit erfolgt jedenfalls im steuerrechtlichen Bereich eine Gleichstellung.

Nach Auffassung des Senats spricht gegen die Erfassung der Bezugsrechte in § 8b Abs. 2 KStG auch nicht der beigefügt Relativsatz "Veräußerung eines Anteils, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10a EStG gehören". Zwar ist es richtig, dass weder das Entstehen noch der Verkauf von Bezugsrechten zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG führt. Daraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass Bezugsrechte keine Anteile i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG darstellen, weil sie Einkünfte i.S.d. § 20 EStG nicht vermitteln können (so aber Rödder/Schumacher, DStR 2003, 909, 911; vgl. Herlinghaus, EFG 2005, 1754; Intemann, DStR 2006, 1447, 1450). Zum einen stellt sich schon die Frage, ob das Tatbestandsmerkmal eines "Anteils an einer Körperschaft ..., deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 ... EStG gehören" grundsätzlich so zu verstehen ist, dass ein konkreter Bezug gegeben sein muss. Aus dem Wortlaut des § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG ergibt sich jedenfalls nicht, dass das veräußerte Recht auch geeignet sein muss, dem Anteilseigner Einnahmen aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu vermitteln. Aus dem Wort "deren", welches sich nicht auf die Veräußerung des Anteils (Singular) beziehen kann, ergibt sich nach Ansicht des Senats vielmehr, dass die "abstrakte Fähigkeit der Kapitalgesellschaft zur Vermittlung solcher Bezüge ausreicht, um einen steuerfreien Veräußerungsgewinn zu generieren" (Dinkelbach, DB 2006, 1642, 1646 mwN). Grundsätzlich genügt daher die abstrakte Möglichkeit der Erzielung der Einnahmen. Selbst wenn man diese Ansicht nicht teilen sollte, muss im Streitfall beachtet werden, dass Bezugsrechte zwar selbständige Wirtschaftsgüter sind, aber mit den Anteilen, denen sie entstammen, teilweise wirtschaftlich identisch sind (s.o.) Durch die aufgrund der Substanzabspaltung bestehende Teilidentität von Bezugsrecht und Altanteil ist es gerechtfertigt, die Vermittlung von Einnahmen durch den Altanteil ausreichen zu lassen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass - wie oben dargestellt - die Freistellung der Veräußerung von Anteilen nicht nur damit vom Gesetzgeber begründet worden ist, dass die Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft wirtschaftlich einer Totalausschüttung gleichstehe (insoweit Verknüpfung mit § 8b Abs. 1 KStG), sondern auch damit, dass stille Reserven bei der Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft steuerlich verhaftet bleiben.

3. Abschließend weist der Senat noch darauf hin, dass seiner Ansicht nach dasselbe Ergebnis auch durch eine analoge Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG erzielt werden könnte. Sofern man die Ansicht vertritt, dass Bezugsrechte über eine ausdehnende Auslegung nach keine Anteile i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG darstellen können, liegt nach Auffassung des Senats zumindest eine Gesetzeslücke vor, die durch eine analoge Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG auf Bezugsrechte geschlossen werden kann.

Eine planwidrige Regelungslücke liegt vor, wenn die Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Hiervon zu unterscheiden ist der sog. rechtspolitische Fehler, der gegeben ist, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber doch nicht - gemessen an der dem Gesetz immanenten Teleologie - als planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist (BFH-Urteil vom 29. März 2006 X R 55/04 nv juris mwN). Ob es sich um eine Regelungslücke oder lediglich um einen sog. rechtspolitischen Fehler handelt, ist unter Heranziehung des Gleichheitsgrundsatzes zu ermitteln, wobei für den danach erforderlichen Vergleich auf die Wertungen des Gesetzes unter besonderer Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte zurückzugreifen ist (BFH-Urteil vom 26. Juni 2002 IV 39/01, BStBl II 2002, 697).

Wie oben dargestellt sollen nach der Begründung des Gesetzgebers und dem System des Halbeinkünfteverfahrens über § 8b KStG erst die Ausschüttungen der Dividenden und Veräußerungsgewinne an natürliche Personen als Anteilseigner zu einer Einkommensteuerbelastung nach Maßgabe des Halbeinkünfteverfahrens und dem individuellen Steuersatz führen. Bei einem Vergleich am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich nach Auffassung des Senats letztlich kein Unterschied zwischen der Veräußerung der Bezugsrechte und der Anteile zwischen zwei Körperschaften. Bei beiden Sachverhalten bleiben die stillen Reserven bei den Körperschaften steuerverhaftet. Der Gewinn aus der Veräußerung der Bezugsrechte bleibt im Unternehmenssektor. Insoweit gebietet auch der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Veräußerung von Bezugsrechten eine Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 KStG.

Die Nichterfassung der Veräußerung von Bezugsrechten zwischen zwei Körperschaften beruht daher nach Auffassung des Senats auf einer planwidrigen Gesetzeslücke und nicht auf einer gesetzgeberischen Absicht. Die bloßen Gesetzesworte bringen das teleologische Konzept des Gesetzes nur bruchstückhaft oder lückenhaft zum Ausdruck. Diese Gesetzeslücke ist, wenn man nicht schon über den Weg der Auslegung zu einer Erweiterung kommt, zumindest im Wege der analogen Anwendung nach § 8b Abs. 2 KStG zu schließen.

4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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