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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 25.09.2006
Aktenzeichen: 15 K 6517/03
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 34 Abs. 1
AO § 69
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

15 K 6517/03

Tenor:

Unter Änderung der Haftungsbescheide vom 04.11.2002 in der Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen betreffend Umsatzsteuer 2001 und Säumniszuschläge wird dem Beklagten aufgegeben, die Haftungsbeträge nach Maßgabe der Entscheidungsgründe dieses Urteils neu zu berechnen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerinnen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von zwei Haftungsbescheiden, mit denen die Klägerin zu 2. sowie ihr verstorbener Vater, der Ehemann und Rechtsvorgänger der Klägerin zu 1. (im Folgenden: Vater), von dem Beklagten für rückständige Umsatzsteuer nebst Säumniszuschlägen der früheren N-GmbH in Haftung genommen worden sind.

Die Klägerin zu 2. und ihr Vater hielten im Jahr 2001 am Stammkapital der oben genannten GmbH in Gesamthöhe von 100.000 DM Geschäftsanteile von 30.000 DM bzw. 35.000 DM. Sie waren beide alleinvertretungsberechtigte und vom Selbstkontrahierungsverbot befreite Geschäftsführer der oben genannten GmbH. Einen weiteren Geschäftsanteil i.H.v. 35.000 DM hielt die Mutter bzw. Ehefrau, die Klägerin zu 1., die jedoch nicht Geschäftsführerin war.

Ausweislich des BP-Berichts des Beklagten vom 04. November 2002 erzielte die GmbH in 2000 einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 616.174,- DM und in 2001 einen weiteren Verlust in Höhe von 156.456,- DM.

Mit Wirkung zum 30.06.2001 stellte die GmbH ihren Geschäftsbetrieb ein. Ein Insolvenzantrag wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt gestellt. Das Know-how, der Kundenstamm und das Firmenkürzel "...", das beim Patentamt geschützt ist, wurden am 12. Oktober 2001 für 80.000,- DM an eine Fa. P verkauft, wobei dieser Kaufpreis in vier Raten im Oktober und November 2001 sowie im Januar und April 2002 zu zahlen war. Weiterhin hatten die diese Wirtschaftsgüter verkaufenden Gesellschafter einen vertraglichen Anspruch auf Provisionen von bestimmten zukünftigen Umsätzen der Käuferin (§ 6 des Vertrags, Bl. 297 ff. der FG-Akten). Am 18. Oktober ließen die Gesellschafter den gesamten Maschinen- und Gerätepark sowie die sonstige Betriebsausstattung versteigern (Bl. 295 der FG-Akten).

Mit notariellem Vertrag vom 02.10.2002 (Bl. 99 ff. der FG-Akten) verkauften die drei Gesellschafter ihre gesamten GmbH-Geschäftsanteile von nominal 100.000 DM für einen Kaufpreis von 500,- EUR an eine Fa. J-GmbH in N, diese vertreten durch eine Frau T als Geschäftsführerin. Gemäß Abschnitt 7 des Vertrages hielt die J-GmbH als neue alleinige Gesellschafterin sofort eine Gesellschafterversammlung ab. Sie beschloss zum einen, unter Änderung der Satzung die Firma der Gesellschaft zu ändern in B-GmbH und deren Sitz nach N zu verlegen, zum anderen, die beiden Geschäftsführer - also die Klägerin zu 2. und ihren Vater - abzuberufen und Frau T aus N zur neuen Geschäftsführerin der GmbH zu bestellen.

Weitere Recherchen des Gerichts bei den Registergerichten L und N ergaben die folgenden Feststellungen: Mit Schreiben vom noch gleichen Tag, also dem 2.10.2002, meldete die neue Geschäftsführerin die Veränderungen zur Eintragung in das Handelsregister beim Registergericht L an. Bereits am 17.10.2002 kam es zu einer Gesellschafterversammlung der umfirmierten B-GmbH, auf der nunmehr Frau T als Gesellschafterin abberufen und entlastet sowie ein Herr E, wohnhaft in J / Spanien, zum neuen Geschäftsführer bestellt wurde. Die Anmeldung der B-GmbH beim Registergericht N wurde durch Beschluss des AG N vom 28.04.2003 zurückgewiesen, weil die Geschäftsführung der GmbH fehlerhafte Unterlagen einreichte, Verfügungen nicht beachtete und schließlich überhaupt nicht mehr reagierte. Das somit weiterhin zuständige Registergericht L konnte den neuen Geschäftsführer E nicht unter der angegebenen Anschrift erreichen, möglicherweise weil er in Spanien in Untersuchungshaft saß. Am 10.12.2004 wurde die Löschung der vermögenslosen GmbH von Amts wegen im Handelsregister eingetragen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beiakte "Registergerichtsunterlagen" Bezug genommen.

Nach den Feststellungen des Beklagten, der insoweit bei der bayerischen Finanzverwaltung Erkundigungen einzog, ist auch eine steuerliche Anmeldung der B-GmbH in N nicht erfolgt. Ebenso wenig ist der Klägerseite während des Klageverfahrens eine Kontaktaufnahme mit der Käuferin der Gesellschaft oder deren früherer Geschäftsführung gelungen. Der Klägerseite liegen jedoch noch alle Buchführungs- und Jahresabschlussunterlagen der GmbH von 1995 bis 2002 vor.

Zu den vorliegend streitigen Haftungsbescheiden kam es wie folgt:

Die GmbH gab für die Monate Januar bis Dezember 2001 zunächst Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab. In diesen waren Erlösminderungen wegen Debitorenverluste der GmbH nicht berücksichtigt. Sodann kam es ab dem 4.10.2001 zu einer 1. USt-Sonderprüfung, die zwar u.a. auch die USt-Voranmeldungen für 1 - 6 / 2001 zum Gegenstand hatte, aber ausweislich des Berichts über diese Sonderprüfung vom 5. März 2002 zu der Frage dieser Erlösminderungen durch Debitorenverluste keine Feststellungen traf und keine diesbezüglichen steuerlichen Änderungen vornahm. Am gleichen Tag, also am 5. März 2002, ordnete der Beklagte eine 2. USt-Sonderprüfung an, die am 9.04.2002 begann und die von der gleichen Prüferin wie die 1. Prüfung durchgeführt wurde. Gegenstand der Prüfung sollte jetzt der Vorsteuerabzug in den Voranmeldungszeiträumen 7 - 12 / 2001 sein.

Nach Abschluss der 1. Sonderprüfung reichte die GmbH, vertreten durch die Klägerin zu 2., am 19.03.2002 berichtigte USt-Voranmeldungen für 1 - 6 / 2001 ein. In der berichtigten Voranmeldung für Juni 2001 waren Erlösminderungen durch Debitorenverluste in Höhe von 134.596 DM enthalten.

Nach Prüfungsbeginn, nämlich am 19.04.2002, gab die GmbH nicht nur berichtigte USt-Voranmeldungen für die Monate 7 - 12 /2001, sondern auch eine ein weiteres Mal korrigierte Voranmeldung für Juni 2001 ab, so dass für diesen Zeitraum 2 Berichtigungen vorlagen. Die laufende 2. USt-Sonderprüfung erweiterte daraufhin im Einvernehmen mit der GmbH die Prüfungsfeststellungen auf die erneute Prüfung der Monate 1 - 6 / 2001. In den jetzt vorgelegten berichtigten USt-Voranmeldungen für 7 und 8 / 2001 waren weitere Erlösminderungen durch Debitorenverluste in Höhe von 180.615 DM enthalten, so dass der Gesamtbetrag dieser Minderungen sich in 2001 auf 315.211 DM belief.

Diese 2. Sonderprüfung endete mit dem Bericht vom 26. April 2002. Hier heißt es unter Tz. 9, dass die GmbH ab 6/01 Erlösminderungen (Debitorenverluste) in Höhe von insgesamt 315.211,69 DM geltend gemacht habe. Davon entfielen 134.569,07 DM auf 6/01, der Rest in Höhe von 180.615,62 DM sei von der Gesellschaft in dem Zeitraum 7-12/01 erfasst worden. Die GmbH sei darauf hingewiesen worden, dass Forderungen erst abgeschrieben werden könnten, wenn zweifelsfrei feststehe, dass der Schuldner zahlungsunfähig und überschuldet sei. Da es sich gegebenenfalls auch um Entgeltminderungen wegen Mängel handele, werde dieser Sachverhalt vom Steuerberater der GmbH im Rahmen des Jahresabschlusses für 2001 genau geprüft werden. Für den Zeitraum 1 - 6 / 2006 werde aus Vereinfachungsgründen bis zur Abgabe der Jahressteuererklärung 2001 von den bisher durch die 1. Sonderprüfung festgesetzten Werten ausgegangen, d.h. die nachträglich eingereichten Voranmeldungen würden nicht berücksichtigt. Nicht anerkannt würden zudem die Debitorenverluste in den berichtigten Voranmeldungen 7 - 12 / 2001, so dass die Erlöse in einer berichtigten USt-Festsetzung für 12 / 2001 um netto 180.616 DM zu erhöhen seien. Eine abschließende Überprüfung bleibe einer ggf. später durchzuführenden BP vorbehalten.

Auf der Basis dieser Feststellungen erließ der Beklagte am 08. Mai 2002 einen Bescheid über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Dezember 2001, in dem die Umsatzsteuer entsprechend den Prüfungsfeststellungen erhöht festgesetzt wurde, da die Erlöse um die Debitorenverluste von netto 180.616,- DM erhöht wurden.

Dieser USt-Vorauszahlungsbescheid für 12 / 2001 führte zu einer Abschlusszahlung von 16.002,20 EUR, die am 21. Mai 2002 fällig war und nicht getilgt wurde. Ebenso rückständig blieb die geänderte USt-Voranmeldung für das I. Quartal 2001 über 15.729,42 EUR mit Fälligkeit 19.3.2002, teilweise die berichtigte USt-Voranmeldung für Dezember 2001 über 3.755,04 EUR mit Fälligkeit 22.04.2002 sowie ein Betrag von 90,15 EUR aus der USt-Voranmeldung für Oktober 2001 mit Fälligkeit zum 03.06.2002.

Unter anderem für diese genannten rückständigen USt-Voranmeldungsbeträge sowie die dazu entstandenen Säumniszuschläge erließ der Beklagte am 10. Juli 2002 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Bank L, mit der er in das dortige Konto der GmbH pfändete. Diese Pfändung blieb jedoch erfolglos, da ausweislich der Drittschuldnererklärung der Bank vom 20.08.2002 das Guthaben des gepfändeten Girokontos 228,56 EUR betrug, und neun weitere, vorrangige -- also ebenfalls fruchtlose -- Pfändungen in Höhe von über 40.000,- EUR vorlagen.

Der Beklagte folgte der am 13. August 2002 eingereichten USt-Jahreserklärung für 2001, die die Erlösminderungen ausweislich der beigefügten Erläuterungen nicht enthielt, und teilte der GmbH am 18. September 2002 mit, dass die Umsatzsteuer 2001 mit -14.096,- EUR festgesetzt werde. Im folgenden Abrechnungsteil wies der Beklagte einen Betrag von 50.019,14 EUR als bereits erstattet aus und als zu wenig gezahlt somit 35.923,14 EUR. Hinzu addierte der Beklagte bereits entstandene Säumniszuschläge in Höhe von 3.529,84 EUR und forderte insgesamt einen Betrag zur sofortigen Zahlung von 39.452,98 EUR an.

Sodann unternahm der Vollziehungsbeamte des Beklagten am 30. September 2002 für die oben genannten Rückstände einen fruchtlosen Pfändungsversuch. In seinem Rechenschaftsvermerk führte der Vollziehungsbeamte aus, der Vollstreckungsschuldner existiere nicht mehr. Laut Auskunft der ehemaligen Geschäftsführerin, der Klägerin zu 2., seien die Geschäftsanteile veräußert worden. Unter der Anschrift des Pfändungsversuches befänden sich noch die Geschäftsräume einer weiteren Firma sowie die Privaträume der Geschäftsführerin. Daraufhin hat der Beklagte die rückständigen Steuern niedergeschlagen.

Danach kam es noch zu einer Betriebsprüfung bei der GmbH. Ausweislich des Berichts über diese Betriebsprüfung vom 04.11.2002, an deren Schlussbesprechung am 10.10.2002 die Klägerin zu 2. und der Steuerberater der GmbH teilgenommen haben und in der Einigung in allen Punkten erzielt worden ist, wurde die hier streitige Umsatzsteuer 2001 nur hinsichtlich der abziehbaren Vorsteuerbeträge betreffend Mietaufwendungen geändert. Nicht behandelt wurden hingegen die Erlösminderungen 1 - 12 / 2001, deren Berechtigung die 2. USt-Sonderprüfung nicht geprüft und deshalb unberücksichtigt gelassen hatte. Der Beklagte erließ gegenüber der B-GmbH einen entsprechenden Änderungsbescheid zur Umsatzsteuer 2001 vom 06.01.2003, dessen Nachforderung jedoch nicht Gegenstand der hier streitbefangenen Haftungsbescheide ist.

Mit Bescheiden vom 04.11.2002 nahm der Beklagte sowohl die Klägerin zu 2. wie auch ihren später während des Klageverfahrens verstorbenen Vater als die beiden Geschäftsführer für die nicht beitreibbaren und im Zeitraum vom 28.11.2001 bis 03.06.2002 fällig gewordenen o.a. Umsatzsteuervoranmeldungs-Rückstände 2001 i.H.v. 35.576,81 EUR zuzüglich 4.242,84 EUR aufgelaufene Säumniszuschläge, insgesamt also 39.819,65 EUR, nach § 191 i.V.m. §§ 69, 34, 35 AO in Haftung. Die Haftungsquote wurde mangels besserer Erkenntnisse zum Schuldenstand und zur Tilgungshöhe im Haftungszeitraum mit 100 v.H. angesetzt.

Hiergegen legten die Klägerin zu 2. und ihr Vater Einspruch ein. Im Rahmen der beiden Einspruchsentscheidungen ging der Beklagte von einer geschätzten verminderten Haftungsquote in Höhe von 75 v.H. aus. Die Haftung für die Säumniszuschläge wurde auf den Tag der Haftungsvoranfrage, also den 26. September 2002, begrenzt. Daraus resultierte eine Haftung von nur noch 26.682,60 EUR für Umsatzsteuer 2001 und 3.182,13 EUR Säumniszuschlägen, insgesamt also 29.864,73 EUR. Im Übrigen wurden die Einsprüche zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die vorliegende, von der Klägerin zu 2. und ursprünglich auch ihrem Vater gemeinsam erhobene Klage. Nachdem die Klägerseite die Rechtswidrigkeit der Haftungsbescheide zunächst auch mit der vorrangigen Inanspruchnahme der vielleicht noch in N existierenden B-GmbH als Steuerschuldnerin begründet hatte, hat sie diese Argumentation aufgrund der Erkenntnisse des Gerichts durch die Recherchen bei den Registergerichten N und L fallen gelassen.

Die Klägerseite macht jedoch geltend, dass eine Umsatzsteuer 2001, für die sie in Haftung genommen werden könne, tatsächlich nicht oder jedenfalls nicht in der streitigen Höhe entstanden sei. Denn aufgrund der bei der 2. Umsatzsteuer-Sonderprüfung und der Betriebsprüfung nicht berücksichtigten Erlösminderungen in Höhe von insgesamt 315.221,- DM entsprechend 180.031,20 EUR müsse die festgesetzte Umsatzsteuer 2001 zumindest jetzt entsprechend niedriger errechnet werden mit der Folge, dass die Haftung für diese Steuerbeträge und Säumniszuschläge entfalle.

Hierzu haben die Klägerinnen nach Durchführung eines Erörterungstermins vor dem Berichterstatter am 8.06.2006, der Übertragung der Entscheidung durch den Senat auf den Einzelrichter gem. Beschluss vom 9.06.2006 (§ 6 FGO) und Setzen einer Frist nach § 79 b FGO gem. der Verfügung vom 12.06.2006, auf die Bezug genommen wird, mit Schriftsatz vom 9.08.2006 ein umfangreiches, erläutertes Anlagenkonvolut vorgelegt, das ihren Rechtsstandpunkt in Bezug auf die Erlösminderungen stützen soll und auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 352 bis 505 der FG-Akten). Hieraus ergibt sich substantiiert, dass und welche Brutto-Rechnungsbeträge aus welcher Rechnung von welchem Kunden nicht gezahlt worden sind bzw. nicht beitreibbar waren. Die Rechnungen und Belege datieren aus den Jahren 1998 bis 2001. Es ergibt sich auch aus den Schriftstücken und Buchführungsunterlagen, dass die Erlösminderungen nicht vor dem Streitjahr 2001 umsatzsteuerlich geltend gemacht worden sind. Ergänzend hierzu hat die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung weitere Unterlagen vorgelegt und ergänzende Erläuterungen gegeben.

Hinsichtlich der Erlösminderungen gegenüber der Fa. F-GmbH führen die Klägerinnen aus, dass dies der Hauptauftraggeber gewesen sei, über den etwa 40 v.H. der Umsätze getätigt worden seien. Wegen dieser Abhängigkeit hätten Zahlungskürzungen zur Vermeidung von Auftragskürzungen hingenommen werden müssen. Teilweise sei die Fa. F wegen ihrer eigenen schlechten Finanzlage auch nicht in der Lage gewesen, die vollen Rechnungsbeträge zu leisten. Von der Klägerseite aus sei jedenfalls seinerzeit bis zuletzt alles unternommen worden, die Fa. F doch noch zur Zahlung der Kürzungsbeträge zu veranlassen, etwa bei persönlichen Vorsprachen der Klägerin zu 2. in der Unternehmensführung. Tatsächlich habe die Fa. F im Herbst 2002 - wie die Klägerinnen durch u.a. gerichtliche Schriftstücke belegen - sogar noch den Versuch unternommen, die GmbH auf ca. 285.000,- EUR Schadensersatz zu verklagen. Dies zeige, dass die Versuche einer Beitreibung der Kürzungsbeträge von Vornherein aussichtslos gewesen wären. In einem anderen Fall, der Rechnung vom 14.12.1998 über 45.769,74 DM, habe man sich mit der Fa. F auf eine 50 v.H.-Leistung geeinigt, wie dem vorgelegten Schreiben der Fa. vom 27.7.2000 entnommen werden könne. Die Erlösminderungen seien in jedem Falle im Streitjahr umsatzsteuermindernd zu berücksichtigen, wie dies auch in den Voranmeldungen 6 - 8 / 2001 erklärt worden sei. Frühere Jahre schieden aus, da selbst die Umsatzsteuer-Sonderprüfung diesbezüglich Zweifel gehabt hätte. Umso weniger könne der Stpfl. zugemutet werden, frühere VZ als "richtige" Jahre zu erkennen.

Weiterhin wendet sich die Klägerseite gegen die ihrer Ansicht nach fehlerhaften Haftungsquote von 75 v.H. Dass diese zu hoch sei, zeige sich schon darin, dass die GmbH ihren Geschäftsbetrieb u.a. wegen der Forderungsausfälle habe einstellen müssen.

Die Klägerinnen beantragen,

jeweils bezogen auf ihre Haftungsinanspruchnahme bzw. die des Rechtsvorgängers der Klägerin zu 1.,

den jeweiligen Haftungsbescheid vom 04.11.2002 über Umsatzsteuer 2001 und Säumniszuschläge in der Gestalt der Einspruchsentscheidung betreffend die frühere N-GmbH, später B-GmbH, aufzuheben,

hilfsweise

die Haftung auf die Beträge herabzusetzen, die sich unter Berücksichtigung von Erlösminderungen von 180.031,20 EUR im Streitjahr ergeben.

Der Beklagte beantragt,

die beiden Klagen abzuweisen mit der Maßgabe, dass die Haftung für Umsatzsteuer 2001 und Säumniszuschläge auf die Beträge herabgesetzt werden könne, die sich unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer aus den Brutto-Beträgen in Höhe von 7.014,58 EUR, 3.736,52 EUR und 2.023,09 EUR gem. Bl. 352 der FG-Akten (Liste A), Nrn. 5, 6 und 15 ergeben.

Soweit der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren - wie vorstehend ersichtlich - in der mündlichen Verhandlung eingeschränkt hat, teilt er nunmehr die Rechtsansicht der Klägerseite, dass die betreffenden Erlösminderungen durch die Unterlagen der Klägerinnen nachgewiesen und auch der Zeitpunkt ihrer umsatzsteuerlichen Berücksichtigung in 2001 liege. Zu allen anderen Positionen der Aufstellungen der Klägerseite hält der Beklagte jedoch den Nachweis der behaupteten Forderungsausfälle für durch die Klägerinnen entweder nicht geführt oder aber den Forderungsausfall als außerhalb des Streitjahres gelegen und deshalb für die Rechtmäßigkeit der beiden Haftungsbescheide unerheblich.

Die im Einspruchsverfahren auf 75 v.H. herabgesetzte Haftungsquote hält der Beklagte für eine angemessene Schätzung, da die Klägerinnen die Voraussetzungen für eine weitere Minderung nicht nachgewiesen hätten.

Entscheidungsgründe:

Die beiden Klagen der Klägerinnen sind nur teilweise, nämlich in dem Umfang begründet, die der Beklagte in seinem eingeschränkten Klageabweisungsantrag konzediert hat. Die Haftungsbeträge mindern sich somit auf die Beträge, die sich unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer (16 v.H.) aus den Brutto-Beträgen in Höhe von 7.014,58 EUR, 3.736,52 EUR und 2.023,09 EUR (gem. Bl. 352 der FG-Akten,Liste A, Nrn. 5, 6 und 15) und unter Berücksichtigung der Haftungsquote von 75 v.H. ergeben.

1. Nach §§ 34 Abs. 1, 69 AO haftet ein Geschäftsführer einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge zumindest grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflicht zur Entrichtung der Steuern der GmbH aus deren Mitteln nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden.

Im Streitfalle sind diese Haftungsvoraussetzungen für die Klägerin zu 2. und ihren verstorbenen Vater dem Grunde nach eindeutig zu bejahen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht Bezug auf die Beschlüsse in den beiden Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung vom 05.08.2003, 15 V 2737/03 und 15 V 2759/03 betreffend den Streitfall. Gegenüber dem Sach- und Streitstand in jenen Verfahren haben sich diesbezüglich keine Änderungen ergeben.

2. Weiterhin begegnet die vom Finanzamt angenommene, gegenüber den Einspruchsverfahren reduzierte Tilgungs- / Haftungsquote von 75 v.H. keinen Bedenken.

Die Haftung nach § 69 S. 1 AO beschränkt sich im Umfang auf den Betrag, der infolge der zumindest grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht entrichtet worden ist. Die Vorschrift hat somit Schadenersatzcharakter (BFH-Urteil vom 26. Juli 1988 VII R 83/87, BStBl II 1988, 859, 860). Stehen zur Begleichung der Steuerschulden keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so betrifft die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Schmälerung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur einen Teil der Steuerschulden, und zwar in dem Umfang, in dem der gesetzlich Verpflichtete das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. nur BFH a. a. O. m. w. N.). Diese Grundsätze gelten jedenfalls auch für die hier streitige Umsatzsteuer nebst Säumniszuschlägen. Danach haftet ein Geschäftsführer einer GmbH in dem Umfang für rückständige Steuerschulden derselben, in dem das Finanzamt infolge ungleicher Schuldentilgung durch die GmbH mit seinen Forderungen ausgefallen ist.

Die reduzierte Tilgungsquote von 75 v.H. berücksichtigt nach Ansicht des Gerichts in ausreichendem Maße, dass die GmbH einerseits offensichtlich durch Verluste gezeichnet war und ihren Betrieb einstellen musste, andererseits jedoch keine Insolvenz anmeldete und die Gesellschafter durch die Veräußerung von Wirtschaftsgütern der Gesellschaft über Mittel zu Rückzahlung betrieblicher Schulden verfügten.

Die Einwendungen der Klägerseite in diesem Punkt können keinen Erfolg haben. Die Feststellungslast für die Tilgungsquote trägt zwar grundsätzlich das FA, jedoch kann es von dem Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte, die in der Regel nur er erteilen kann, dem FA erteilt und die nötige Mitwirkung leistet, damit die anteilige Umsatzsteuer, für die er ggf. haftet, ermittelt werden kann. Er muss insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschulden, der Höhe der Steuerschulden sowie der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglichen (BFH-Urteil vom 12. Juni 1986 VII R 192/83, BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657; zur Mitwirkungspflicht des Haftungsschuldners u.a. BFH-Urteil vom 23. August 1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570).

Nach Maßgabe dieser für zutreffend gehaltenen höchstrichterlichen Rechtsprechung war es Sache der Klägerinnen im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht, diejenigen Tatsachen substantiiert vorzutragen und zu belegen, die geeignet sind, die Richtigkeit der vom Beklagten geschätzten Tilgungsquote in Zweifel zu ziehen. Da die Klägerinnen nach ihrem Vortrag (Schriftsatz vom 11. Juli 2005, Seite 4) noch über sämtliche Buchführungs- sowie alle Jahresabschlussunterlagen der GmbH von 1995 bis 2002 verfügen, konnten sie ihrer Mitwirkungspflicht auch ohne weiteres genügen. Dies ist jedoch trotz eines erneuten Hinweises des Gerichts nicht geschehen.

3. a) Dem Haftungsanspruch des Beklagten steht der Höhe nach lediglich entgegen, dass im Streitjahr 2001 zu berücksichtigende und erstmals im Klageverfahren substantiierte, bisher nicht berücksichtigte Erlösminderungen (Debitorenverluste) festzustellen waren. Diese Minderungen gem. der von den Klägerinnen vorgelegten Liste A (Bl. 352 der FG-Akte), dort die Positionen 5, 6 und 15 mit weiteren Anlagen, wirken sich mit den darin enthaltenen Umsatzsteuerbeträgen auf die Höhe der Umsatzsteuerschuld der GmbH und über die Akzessorietät der Haftung in Höhe der Haftungsquote auch auf die beiden vorliegend angefochtenen Haftungsbescheide aus. Insoweit hat die Klage Erfolg. Wegen der Unstreitigkeit in diesem Punkt verzichtet das Gericht auf weitere Ausführungen hierzu.

b) Das hierüber betragsmäßig hinausgehende Klagebegehren trägt jedoch dem Umstand nicht Rechnung, dass nach der zutreffenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Geltendmachen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG durch die Kapitalgesellschaft nur dann unmittelbar die Höhe der sog. Primärschuld beeinflussen und gemäß dem Grundsatz der Akzessorietät der Haftung nach § 69 AO 1977 zur (nachträglichen) Rechtswidrigkeit eines bereits ergangenen Haftungsbescheids führen kann, wenn die Uneinbringlichkeit der betreffenden Forderung i.S. v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG gerade in jenem Besteuerungszeitraum eingetreten ist, für den der GmbH-Geschäftsführer als Anspruchsverpflichteter im Haftungsbescheid in Anspruch genommen wird (BFH-Urteil vom 29. Januar 1985 VII R 108/79, BFH/NV 1985,19 unter 2.b)).

Diese Voraussetzung läßt sich für die anderen 16 Positionen der Liste A zumindest nicht feststellen. Schon die bis in das Jahr 1998 zurückreichenden Rechnungsdaten sprechen dagegen, dass der nach § 17 Abs. 1 oder 2 UStG maßgebliche Zeitpunkt in das Streitjahr 2001 fällt. Teilweise - insbesondere bei Rechnungskürzungen der Fa. F - läßt sich im Gegenteil sogar eindeutig feststellen, dass die nach § 17 Abs. 1 S. 1 UStG vorgenommene Änderung der Bemessungsgrundlage in 2000 oder früher vorgenommen wurde: Wenn z.B. - wie dem Schreiben der F-AG vom 27.07.2000 entnommen werden kann - die GmbH und ihre Vertragspartner sich aufgrund einer Mängelrüge vergleichsweise auf einen Teil des Rechnungsbetrags geeinigt haben, ist die Bemessungsgrundlage in diesem Zeitpunkt geändert und die Erlösminderung umsatzsteuerlich dann zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1995 XI R 16/95, BStBl II 1996, 208). Im Übrigen reicht u. U. schon ernsthaftes Bestreiten des Vertragspartners für den Ansatz von Debitorenverlusten (BFH-Urteil vom 22. April 2004, V R 72/03, BStBl II 2004, 684). Uneinbringlich im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist eine Entgeltsforderung schon dann, wenn sie ganz oder teilweise jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchgesetzt werden kann (BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 V R 13/04, DStR 2006, 1699).

Deshalb kann der Vortrag der Klägerin zu 2. als richtig unterstellt werden, dass sie sich bei Vorsprachen bei den Leistungsempfängern um die Zahlung von Kürzungsbeträgen weiter bemüht habe. Dies ist keine erfolgversprechende Durchsetzung des Anspruchs.

Der Rechnungsaussteller hat auch kein Wahlrecht, in welchem Zeitraum er den Debitorenverlust umsatzsteuerlich geltend machen will. Dies ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut ("Hat sich ... geändert, hat der Unternehmer ... zu berichtigen"). Der Umstand, dass die Verluste im Streitfalle vor 2001 noch nicht geltend gemacht worden waren, ist deshalb nicht beachtlich.

Kein taugliches Argument ist schließlich der Hinweis der Klägerseite auf die von der 2. USt-Sonderprüfung unterlassenen Berücksichtigung derjenigen Erlösschmälerungen, die jetzt nicht angesetzt werden können. Diese hätten auch seinerzeit nicht in 2001 in Ansatz gebracht werden können; die Sonderprüfung hat die Berücksichtigung auch nicht unterlassen, weil das Ansatzjahr so schwierig zu finden gewesen wäre, sondern nach den Ausführungen im Bericht deshalb, um dem Steuerberater der GmbH zunächst eine eigene Einschätzung zu ermöglichen.

4. Das Gericht macht von § 100 Abs. 2 S. 2 FGO sinnentsprechend Gebrauch. Der Beklagte wird die geänderten Haftungsbeträge für Umsatzsteuer und Säumniszuschläge neu zu berechnen haben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO und - soweit die Klägerinnen obsiegt haben - auf § 137 FGO. Die Erlösminderungen hätten in der jetzt substantiierten Form bereits vor Klageerhebung geltend gemacht werden können.



Ende der Entscheidung

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