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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.03.2009
Aktenzeichen: 15 V 111/09
Rechtsgebiete: GG, FGO, ZPO, AO


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4
FGO § 102
FGO § 114 Abs. 1
ZPO § 294
AO § 284 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom 00.00.0000 beim Amtsgericht L (Aktenzeichen...) zurückzunehmen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe:

I. Streitig ist zwischen den Beteiligten die Verhältnismäßigkeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Antragsgegners.

Die Antragstellerin ist Geschäftsführerin der Firma J GmbH (kurz: GmbH), die sich derzeit noch in Liquidation befindet. Darüber hinaus war sie an der zwischenzeitlich insolventen Firma N GmbH & Co. KG beteiligt. Der unternehmerische Tätigkeitsbereich der Antragstellerin war und ist im Im- und Exportgeschäft mit ..., ... und ... angesiedelt.

Seit der Inanspruchnahme der Antragstellerin für Körperschaft- und Umsatzsteuersteuerschulden der GmbH seit 1996 - ursprünglich durch Haftungsbescheid des Antragsgegners vom 24.11.2004 in Höhe von 000,00 € zzgl. Säumniszuschläge in Höhe von 000,00 €, geändert am 25.01.2005 und 20.03.2008 - versuchte der Antragsgegner seit 2005 seinen Anspruch aus dem Haftungsbescheid durch zahlreiche Vollstreckungsmaßnahmen in Form von Forderungspfändungen, Pfändung des Erbteils am Nachlass von Herrn N, Vollstreckung in das bewegliche Vermögen u.ä. beizutreiben. Insoweit wird auf Band I bis III der Vollstreckungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.

Zuletzt versuchte der Antragsgegner erfolglos in das bewegliche Vermögen der Antragstellerin durch den Vollziehungsbeamten des Antragsgegners am 29.05.2008 zu vollstrecken. Die Antragstellerin verweigerte jedoch die Durchsuchung ihrer Wohnräume F-Straße in L. Zudem hatte sie mit Vertrag vom 11.02.2008 sämtliche bewegliche Gegenstände an Herrn C verkauft. Weitere Vollstreckungsversuche nach einem Kontenabrufverfahren in Forderungen der Antragsstellerin gegenüber Kreditinstituten und gegenüber dem Prozessbevollmächtigten als Treunehmer im Bezug auf Anderkonten der Antragstellerin verliefen ebenfalls erfolglos, so dass der Antragsgegner die Antragstellerin mit Verfügung vom 22.07.2008 gemäß § 284 der Abgabenordnung - AO - aufforderte, ein Vermögensverzeichnis abzugeben und deren Richtigkeit eidesstattlich zu versichern. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Antragsgegner als unbegründet mit Einspruchsentscheidung vom 12.11.2008 zurück.

Hiergegen hat die Antragstellerin beim erkennenden Senat am 04.12.2008 Klage erhoben (Az. ...), über die bislang noch nicht entschieden wurde.

Sodann stellte der Antragsgegner am 00.00.0000 beim Amtsgericht L einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Az. ...), wogegen sich der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnung vom 13.01.2009 richtet. Der dem Antrag beigefügten Rückstandsaufstellung ist ein Gesamtbetrag aus Steuern und Nebenleistungen in Höhe von 000,00 € zu entnehmen. Neben den Beträgen aus dem geänderten Haftungsbescheid vom 20.03.2008 (000,00 €) sind Rückstände aus Einkommensteuerfestsetzungen 2000 bis IV. Quartal 2006 und Umsatzsteuerfestsetzungen 2001 bis 2006 jeweils nebst Säumniszuschlägen enthalten.

Zur Begründung ihres Antrags führt die Antragstellerin aus, dass sie sich bereits seit den 90er Jahren, also seit dem Tod ihres Ehemanns und daraus resultierender Erbauseinandersetzungsstreitigkeiten mit den Kindern aus erster Ehe, in Zahlungsschwierigkeiten befinde. Diese hätten sich zugespitzt, als eine von der GmbH gekaufte Lieferung ... auf dem Seeweg verloren gegangen sei. Den Prozess gegen die ... Versicherungsgesellschaft habe sie, die Antragstellerin, wegen Geldmangels nicht bis zur letzten Instanz, dem obersten ... Gerichtshof, ausfechten können. Etwaige Verständigungen mit dem Antragsgegner seien von diesem wiederholt verweigert worden. Verwiesen sei nur auf das zuletzt unbeantwortet gebliebene Schreiben vom 27.03.2008 (s. Band III d. Vollstreckungsakten Bl. 41 ff.). Stattdessen erlasse der Antragsgegner immer neue Schätzungsbescheide, gegen die zumeist Einsprüche und ggf. auch Klagen erforderlich seien. Daher könne der Eindruck entstehen, dass die Ressourcen der Antragstellerin und ihres Prozessbevollmächtigten derart belastet werden sollten, dass sich der Fall "..." durch bestandskräftige Bescheide von selbst erledige. Am 27.02.2008 sei es im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem ... Senat des Finanzgerichts Köln zu einer tatsächlichen Verständigung der Beteiligten gekommen. Im Rahmen der Verhandlungen habe sich der Vorsitzende des Senats dahingehend geäußert, dass er persönlich die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber der Antragstellerin für kontraproduktiv halte.

Weiter legt die Antragstellerin dar, dass sich ihre geschäftliche Tätigkeit derzeit wie folgt darstelle:

Sie habe jüngst eine deutsche Privatbank an ein ausländisches Investorenkonsortium vermittelt. Jedoch sei das Geschäft letztlich nicht zustande gekommen, da die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in rechtswidriger Weise ihre Zustimmung verweigert habe. Zudem versuche die Antragstellerin über ihre neue Firma K GmbH, ... zu vermitteln. Geschlossene Rahmenverträge seien leider bislang wegen des schwankenden ...preises nie vollzogen worden. Die Antragstellerin beabsichtige, aus diesen Geschäften monatlich 000 € und zum Halbjahresende eine Sonderzahlung von jeweils 000 € an den Antragsgegner zu leisten. Zahlungen könnten allerdings erst acht Wochen nach der Auslieferung der ersten Bestellung erfolgen. Dieser Zeitpunkt sei derzeit nicht genau zu benennen.

Zu der Position 1 bis 3 der Rückstandsanzeige sei ein Klageverfahren beim Finanzgericht Köln (...) anhängig. Die Positionen 4 bis 35 seien wegen anhängiger Rechtsbehelfe vom 15.05.2008 beim Antragsgegner nicht rechtskräftig. Gleiches gelte für die Positionen 32 bis 35 durch Rechtsbehelfe vom 27.11.2006. Die Position 36 bis 41 sei bestandskräftig aufgrund der o.g. tatsächlichen Verständigung. Schließlich seien die Positionen 42 bis 84 angefochten.

Zwar liege bei der Antragstellerin im insolvenzrechtlichen Sinne Zahlungsunfähigkeit vor, trotzdem sei der streitgegenständliche Antrag unverhältnismäßig und daher rechtswidrig. Der Antrag beinhalte keine Ausführungen, dass 80 Prozent der behaupteten Forderungen auf Schätzungen beruhten, die keinen Bestand haben dürften. Die Bearbeitung von Gegenforderungen der Antragstellerin nach dem Umsatzsteuerrecht erfolge durch den Antragsgegner äußerst schleppend. Weiter sei der Haftungsbescheid vom 25.01.2008 aufgehoben worden. Schließlich würde ein Insolvenzverfahren die Erwerbsaussichten der Antragstellerin zerstören, so dass der Antragsgegner seine Steuerforderungen nicht mehr realisieren könnte. Daher sei der Antrag im Ergebnis rechtsmissbräuchlich.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht L vom 00.00.0000 zurückzunehmen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es bestehe der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit, da über einen längeren Zeitraum keine Zahlungen auf die Steuerrückstände erfolgt seien und Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos geblieben seien. Auch sei der Antrag als Vollstreckungsmaßnahme ermessengerecht erfolgt, da er, der Antragsgegner, sämtliche ihm zur Verfügung stehende Vollstreckungsmöglichkeiten zuvor ausgeschöpft habe, insbesondere im Laufe des Verfahrens zwei Mal ein Kontenabrufverfahren durchgeführt habe. Der Umstand, dass die Rückstände auch auf Schätzungsbescheiden und nicht bestandskräftigen Bescheiden beruhten, stelle keinen Ermessensfehler dar. Voraussetzung sei lediglich, dass die Bescheide nicht von der Vollziehung ausgesetzt seien. Eine vorherige Anhörung nach § 91 AO sei nicht erforderlich gewesen, da eine Anhörung nur bei belastenden Verwaltungsakten erforderlich sei. Aber selbst eine solche unterstellt, sei eine Anhörung nach § 91 Abs. 2 Nr. 5 AO entbehrlich. Die Sach- und Rechtslage sei ausführlich in mehreren Gesprächen an Amtsstelle und in gerichtlichen Erörterungsterminen diskutiert worden. Eine Einigung habe nicht erzielt werden können.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Akten des Antragsgegners Bezug genommen.

II. Der Antrag ist zulässig und begründet.

1. Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen. Voraussetzung hierfür ist, dass der im Hauptsacheverfahren geltend gemachte oder geltend zu machende Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs. 3 FGO, § 920 der Zivilprozessordnung - ZPO). Bezeichnung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs bedeuten, dass der Antragsteller den Anspruch rechtlich schlüssig darlegen und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft machen muss (§ 294 ZPO). Im Bezug auf den Anordnungsgrund muss der Antragsteller darlegen und glaubhaft machen, dass der Anordnungsanspruch gefährdet ist. Dies ist der Fall, wenn das private Interesse des Antragstellers an der einstweiligen Regelung das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustands überwiegt und die vorläufigen Maßnahmen unumgänglich sind, um wesentliche Beeinträchtigungen der Rechtsposition des Antragstellers zu verhindern. Die Gründe müssen schwerwiegend sein; bloße Rechtsbeeinträchtigungen genügen nicht. Ist die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht, ist ein Anordnungsgrund nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gegeben (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 14.04.1987, GrS 2/85, BStBl II 1987, 637 unter C.I.2.a.; vom 07.01.1999, VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818; vom 31.07.2002, VIII B 142/00, BFH/NV 2002, 1491 unter 2.).

2. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner hat ermessensfehlerhaft den streitgegenständlichen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin beim Amtsgericht L gestellt.

a. Die Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners steht als Maßnahme der Vollstreckung (§§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 AO) im Ermessen der Finanzbehörde. Er kann gestellt werden, wenn dieser ein Anspruch zusteht, der ihr im Insolvenzverfahren die Stellung eines Gläubigers gibt, was im Streitfall nicht zweifelhaft ist, und wenn ein Eröffnungsgrund - regelmäßig die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§§ 16, 17 der Insolvenzordnung - InsO -), oder bei juristischen Personen die Überschuldung (§ 19 InsO) vorliegt.

Für die Begründung des Anordnungsanspruchs muss die Antragstellerin glaubhaft machen, dass dem gegen sie gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Ermessensfehler im Sinne des § 102 FGO anhaftet (vgl. zur Konkursordnung Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 23.07.1985, VII B 29/85, BFH/NV 1986, 41 unter 1.). In diesem Zusammenhang ist die Prüfung des Gerichts darauf beschränkt, ob das Finanzamt mit seiner Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

Ein Ermessensfehler liegt vor, wenn sich der Antragsgegner vor der Antragstellung nicht davon hinreichend überzeugt hat, dass die Voraussetzungen für einen solchen Antrag vorlagen und dass keine im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beachtenden weniger einschneidenden Einzelvollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung standen. Gerade letzteres ist Ausdruck dessen, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzantrags wegen seiner extrem einschneidenden Wirkung gegenüber dem Vollstreckungsschuldner bis hin zu dessen Existenzvernichtung als ultima ratio anzusehen ist.

b. Der Antragsgegner hat unstreitig nicht verkannt, dass der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit im Sinne der §§ 16, 17 InsO bei Antragstellung vorgelegen hat, der von der Antragstellerin im Rahmen dieses Verfahrens selbst zugestanden wird.

Im Streitfall ist jedoch zu beachten, dass der Antragsgegner kurz vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Vermögenssituation der Antragstellerin durch die Abgabe einer Vermögensaufstellung, die diese eidesstattlich versichern sollte, gemäß § 284 AO weiter aufklären wollte, nachdem die Antragstellerin die Durchsuchung ihrer Wohnräume dem Vollziehungsbeamten verweigert hatte. Gegen diese Aufforderung zur Abgabe des eidesstattlich versicherten Vermögensverzeichnisses hat sich die Antragstellerin mit einem ihr nach den Vorschriften der Abgabenordnung zustehenden Rechtsmittel, dem Einspruch (§ 347 AO) und der anschließenden Klage (§ 40 Abs. 1 FGO) gewendet. Eine Entscheidung in der Hauptsache steht insoweit noch aus. Zwar kann ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Einzelfall auch ermessensfehlerfrei gestellt werden, ohne dass das Finanzamt zuvor den Steuerschuldner zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses aufgefordert hat (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 12.12.2005, VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900 unter II.3.a.; vom 26.02.2007, VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270 unter II.1.). Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Vollstreckungsschuldner der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mehrmals entzogen hat (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 23.07.1985, VII B 29/85, BFH/NV 1986, 41 unter 3.b.; vom 11.12.1990, VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787 unter II.2.e.; Beschluss des Finanzgerichts München vom 17.06.2002, 6 V 2034/02, n.v.).

Im Streitfall hat die Antragstellerin mit ihrem Verhalten nicht die Abgabe des eidesstattlich versicherten Vermögensvermögensverzeichnisses endgültig verweigert, sondern lediglich von ihrem Recht Gebrauch gemacht, die Anordnung des Antragsgegners mit einem zulässigen Rechtsmittel auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Es ist im Rahmen der summarischen Prüfung auch nicht erkennbar, dass die Einwendungen der Antragstellerin gegen die Aufforderung zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses und Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung offensichtlich und ausschließlich der Verzögerung des weiteren Vollstreckungsverfahrens dienen und nicht auf eine sachlich-rechtliche Auseinandersetzung gerichtet sind. Die anhängige Klage gegen die Aufforderungen zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses und der eidesstattlichen Versicherung ist nicht offensichtlich unzulässig und erscheint daher nicht von vorne herein missbräuchlich zu sein.

Deshalb durfte der Antragsgegner allein aus dem Umstand der Klageerhebung keine negativen Schlussfolgerungen ziehen und sogleich nach Klageerhebung stattdessen einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Damit setzt sich der Antragsgegner nicht nur in Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten im Vollstreckungsverfahren, Einzelvollstreckungsmaßnahmen auszuloten, sondern bewirkt indirekt, dass der der Antragstellerin zustehende Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes unterlaufen wird. Denn eine Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung des Vollstreckungsschuldners ist nach § 284 Abs. 6 Satz 2 AO solange unzulässig, als über den eingelegten und begründeten Rechtsbehelf nicht unanfechtbar entschieden wurde. Die am 04.12.2008 erhobene Klage beim erkennenden Senat gegen die Aufforderung zur Abgabe des eidesstattlich versicherten Vermögensverzeichnisses ist zulässig und wurde durch die Antragstellerin begründet, so dass eine Ladung durch den Antragsgegner bislang zu Recht nicht mehr erfolgt ist. Soweit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch durch das Insolvenzgericht gefolgt werden würde, wären Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen gemäß § 87 InsO unzulässig, so dass der mit der Klage angefochtene Verwaltungsakt erledigt wäre (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO).

Dieses Vorgehen des Antragsgegners ist daher unverhältnismäßig und der streitgegenständliche Antrag ermessenfehlerhaft im Sinne des § 102 FGO.

c. Ob der Anordnungsanspruch der Antragstellerin auch deshalb besteht, weil der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter missbräuchlicher Ausnutzung der Rechtsstellung des Antragsgegners oder aus sachfremden Erwägungen, etwa zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin oder als "Druckmittel" für die Abgabe von Steuererklärungen, erfolgt ist, kann für die Entscheidung dahinstehen (vgl. dazu allgemein Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 12.12.2005, VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900 unter II.2. m.w.N.).

Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass den Vollstreckungsakten keine Absicht des Antragsgegners entnommen werden kann, die Antragstellerin in ihrer Existenz zu vernichten. Allein eine diesbezügliche Einschätzung der Antragstellerin ohne entsprechende Glaubhaftmachung durch präsente Beweismittel im Sinne des § 294 ZPO reicht für die Begründung eines Anordnungsanspruchs nicht aus. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass von vorne herein feststand, dass eine die Kosten des Verfahrens deckende Insolvenzmasse nicht vorhanden ist (vgl. Beschluss vom 12.12.2003, VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464 unter 1.b.). Auch hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, welche umsatzsteuerlichen Gegenansprüche ihr konkret zustehen, deren Bearbeitung der Antragsgegner aus ihrer Sicht verschleppt. Eine missbräuchliche Ausnutzung der Rechtsstellung des Antragsgegners kann auch nicht durch die von der Antragstellerin zitierten vermeintlichen Äußerung des Vorsitzenden des 13. Senats, der einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Sicht des Antragsgegners wirtschaftlich wegen der zukünftigen Erwerbsmöglichkeiten der Antragsstellerin für nicht zielführend hielt, glaubhaft gemacht werden. Die Rechtswidrigkeit eines solchen Antrags ist durch diese Äußerung nicht präjudiziert. Vielmehr ist zu beachten, dass Vollstreckungsmaßnahmen jeglicher Art eine repressive Wirkung gegenüber dem Vollstreckungsschuldner entfalten und ihnen ein gewisser psychologischer Druck immanent ist. Es obliegt daher dem Vollstreckungsschuldner, im Falle der fehlenden Möglichkeit zur rechtzeitigen Begleichung seiner Steuerschulden durch begründete Anträge auf Stundung der Steuerforderungen (§ 222 in Verbindung mit § 257 Abs. 1 Nr. 4 AO) oder Aufschub der Vollstreckung (§ 258 AO) ggf. einen Zahlungsaufschub zu erwirken. Hingegen ist vorläufiger Rechtsschutz gegen - aus der Sicht des Steuerschuldners - rechtswidrig festgesetzter Steuern gemäß dem Grundsatz der Trennung zwischen Festsetzungs- und Vollstreckungsverfahren nur außerhalb des Vollstreckungsverfahrens (§ 256 AO) im Wege der Anfechtung der Steuerbescheide und besonders der Aussetzung der Vollziehung zu erreichen. Bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide ist die Finanzbehörde verpflichtet, die Aussetzung der Vollziehung zugewähren, § 361 Abs. 2 Satz 2 AO bzw. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Anderenfalls sind diese Forderungen vollstreckbar im Sinne des §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 Satz 1 AO, so dass allein aus diesem Umstand kein Ermessensfehler folgen würde (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 11.12.1990, VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787 unter II.2.b.).

2. Der Bundesfinanzhof hat es in seiner Rechtsprechung bisher offen gelassen, ob es wegen der einschneidenden Folgen einer Insolvenz für den Gemeinschuldner der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für die erstrebte einstweilige Regelung überhaupt bedarf (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 11.12.1990, VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787 unter II.2. m.w.N.). Danach kommt eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die den Anordnungsgrund rechtfertigenden Umstände müssen über die Nachteile hinausgehen, die im Regelfall bei der Vollstreckung zu erwarten sind. Dabei dürfen im Hinblick auf die regelmäßig besonders einschneidenden Folgen eines Insolvenzverfahrens für den Vollstreckungsschuldner allerdings keine überhöhten Anforderungen an den Umfang der Darlegungen und deren Glaubhaftmachung gestellt werden.

Solche existenzbedrohenden, wesentlichen Gründe sind im Streitfall nach Auffassung des Senates darin zu sehen, dass die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin durch die Eröffnung des vom Finanzamt beantragten Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen unmittelbar bedroht ist. Dies hat die Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht.

3. Dem Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung steht schließlich nicht entgegen, dass hierdurch die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wird.

Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht zwar grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Regelungsanordnung darf nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis der Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen. Etwas anderes gilt aber im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 07.01.1999, VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818 m.w.N.).

Der erkennende Senat hält die Vorwegnahme der Entscheidung der Hauptsache aber ausnahmsweise für zulässig, da anderenfalls kein effektiver Rechtsschutz durch die Finanzgerichtsbarkeit gewährt werden könnte. Denn nach Ergehen des Eröffnungsbeschlusses durch das Amtsgericht wären vollendete Tatsachen geschaffen, die in einem Hauptverfahren nicht korrigierbar und im Hinblick auf die einschneidenden Folgen der Vollstreckungsmaßnahme ohne effektiven Rechtsschutz nicht hinnehmbar wären.

Nach § 13 Abs. 2 InsO kann der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nämlich nur zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

Umgekehrt ist der Antragsgegner nicht gehindert, einen erneuten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, im Streitfall insbesondere nach einer Entscheidung des Senats über die Klage gegen die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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