Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 2 K 5824/04
Rechtsgebiete: EStG, DBA-Schweiz


Vorschriften:

EStG § 50d Abs. 1 S. 1
EStG § 50d Abs. 1 S. 2
EStG § 50d Abs. 1 S. 3
EStG § 43b
DBA-Schweiz Art. 10 Abs. 2 Buchst. b)
DBA-Schweiz Art. 10 Abs. 3
DBA-Schweiz Art. 23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

2 K 5824/04

Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom .... ......... 2004 wird der Beklagte verpflichtet die Bescheide über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag nach § 50d Abs. 1 EStG i.V. mit § 43b EStG bzw. dem DBA-Schweiz sowie über die Erstattung von Solidaritätszuschlag vom 2. Januar 2004 dahingehend zu ändern, dass die zu erstattende Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag betreffend die Ausschüttung vom .............. 2001 für das Jahr 2000 auf EUR .......,67 und betreffend die Ausschüttung vom .......... 2002 für das Jahr 2001 auf EUR .......,75 festgesetzt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine im .......... 2000 durch die .............. Trust Reg., einen 1949 errichteten liechtensteinischen Trust, gegründete und im Kanton .......... (Schweiz) ansässige Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts. Sie domiziliert in Räumlichkeiten der ........... Treuhand AG und hat zwei Verwaltungsräte, welche parallel für 31 bzw. 15 weitere Gesellschaften tätig sind.

Die Klägerin erwarb am ........... 2000 zunächst ca. 44,4 vH der Stammaktien der in Deutschland ansässigen .................... AG (im Folgenden: X&Y AG). Am .............. 2000 verfügte sie schließlich über 73,8 vH der Stammaktien an der vorgenannten Gesellschaft. Die X&Y AG schüttete am ........... 2001 für das Geschäftsjahr 2000 eine Dividende in Höhe von anteilig brutto EUR ......... und am ............ 2002 eine solche für das Geschäftsjahr 2001 in Höhe von anteilig brutto EUR ........... aus. Dabei behielt sie jeweils Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag ein. Mit Anträgen vom .......... 2001 und ........... 2002 beantragte die Klägerin beim Beklagten jeweils die (anteilige) Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlages nach § 50d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und berief sich dabei hinsichtlich eines Erstattungsbetrages in Höhe von EUR .......,67 für das Jahr 2001 auf Art. 10 Abs. 2 Buchst. b) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022 -im Folgenden: DBA-Schweiz--) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992, BGBl. II 1993, 1888 bzw. hinsichtlich eines Erstattungsbetrages in Höhe von EUR .......,75 für das Jahr 2002 auf Art. 10 Abs. 3 DBA Schweiz in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 12. März 2002, BGBl II 2003, 68.

Der Beklagte bat daraufhin zunächst mit Schreiben vom 8. August 2002 um die Darlegung der Voraussetzungen des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 (für das Jahr 2001) bzw. § 50d Abs. 3 EStG (in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3794 für das Jahr 2002) und stellte der Klägerin dazu in einem dem vorgenannten Schreiben beigefügten Fragebogen eine Vielzahl an Einzelfragen. Die Klägerin gab daraufhin am 29. Oktober 2002 an, sie sei am 2. Oktober 2000 mit dem Ziel gegründet worden, eine Vielzahl an Minderheitsbeteiligungen an der X&Y AG zu bündeln, um so Einfluss auf deren Geschäftsleitung nehmen zu können. Dies sei in der Folge auch auf informeller Basis gegenüber einzelnen Mitgliedern des Vorstands bzw. des Aufsichtsrates der X&Y AG geschehen. Auch sei es darum gegangen, die X&Y AG mit Blick auf einen späteren Verkauf gezielt neu auszurichten und einem potentiellen Käufer eine Mehrheitsbeteiligung anbieten zu können. Diese Aktivitäten hätten aber mit Blick auf die schwierige Wirtschaftslage noch nicht richtig entfaltet werden können. Immerhin könne aber ein zukünftiger Übernehmer mit einer Beteiligung von ca. 40 vH am Kapital und gleichzeitiger Stimmenmehrheit die Zukunft der X&Y AG bestimmen. Durch die Konzentration der Beteiligungsverhältnisse habe die Handlungs- und Überlebensfähigkeit der vorgenannten Gesellschaft erst sichergestellt werden können. Die Zwischenschaltung ihrer Person, also der Klägerin, habe folglich aus wirtschaftlichen Gründen, nämlich aus Gründen der Beteiligungskonzentration und der Effizienzsteigerung mit Blick auf einen späteren Verkauf, stattgefunden. Sie sei folglich auch nicht nur steuerlich motiviert, zumal die Schweiz als neutraler Standort gewählt worden sei, um die späteren Verkaufschancen zu erhöhen. Auch habe eine Rolle gespielt, dass es sich bei den seinerzeitigen Aktionären um solche gehandelt habe, welche außerhalb Deutschlands ansässig gewesen seien. Letztlich handele es sich bei ihr, der Klägerin, um eine reine Holdinggesellschaft, welche Einfluss auf die Geschäftsleitung ihrer Beteiligung nehme und sich um deren Finanzierung sowie die Erledigung sonstiger laufender Verwaltungsaufgaben kümmere.

Mit Schreiben vom 6. November 2002 bat der Beklagte um entsprechende Nachweise zum vorgenannten Vortrag. Die Klägerin versicherte daraufhin mit Schreiben vom 9. Dezember 2002, sie nehme ihre Kontroll- und Weisungsaufgaben gegenüber der X&Y AG durch laufenden persönlichen und telefonischen Kontakt gegenüber Mitgliedern des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats wahr. Sie selbst habe unmittelbar nach dem Beteiligungserwerb den Vorstand der X&Y AG über die Hintergründe dieser Transaktion informiert (auf das Schreiben der Klägerin vom 9. November 2000 an den Vorstand der X&Y AG wird verwiesen), der seinerseits dann die Mitarbeiter und Kunden der X&Y AG informiert habe (auf die Schreiben der X&Y AG vom 11. Dezember 2000 wird verwiesen). Seither fänden permanent auf informeller Basis, d.h. telefonisch oder persönlich, Gespräche zwischen ihr, der Klägerin, und dem Vorstand bzw. Aufsichtsrat der X&Y AG statt. Auf das Tagesgeschäft sei allerdings kein Einfluss genommen worden, sondern es sei stets alleine um die mittelfristige Ausrichtung der Gesellschaft gegangen. Auf Grund der schlechten Börsenlage habe aber bislang weder eine Ausgliederung bzw. Veräußerung von Teilbereichen zwecks Steigerung der Attraktivität der X&Y AG noch eine Veräußerung der Gesellschaft stattfinden können. Insgesamt sei es im Interesse der Gründerfamilien der X&Y AG gewesen, ihre Interessen zu bündeln.

Der Beklagte wies mit Schreiben vom 16. Dezember 2002 darauf hin, dass noch kein Nachweis über eine tatsächliche Einflussnahme der Klägerin auf die Geschäftsaktivitäten der X&Y AG geführt worden sei, wobei hinzu komme, dass eine Einflussnahme auf das aktive Geschäft nicht beabsichtigt sei. Auch sei unklar, wer hinter der Klägerin stehe.

Die Klägerin gab daraufhin mit Schreiben vom 27. Januar 2003 an, sie wolle auch in Zukunft keinen Einfluss auf das Tagesgeschäft der X&Y AG nehmen. Wohl aber solle das Unternehmen auf den Zeitpunkt des nächsten Wirtschaftsaufschwungs so ausgerichtet sein, dass es dann für Investoren attraktiv sei. Sie, die Klägerin, sei im Auftrag der zur Wahrung der Interessen der Gründerfamilien der X&Y AG geschaffenen ...................... durch die ........... Trust Reg. gegründet worden. Dies sei deshalb in der Schweiz geschehen, weil ein Verkauf aus der Schweiz heraus unkomplizierter abzuwickeln sei als ein solcher durch einen praktisch unbekannten und altertümlich strukturierten Trust Reg. aus Liechtenstein. Im Übrigen falle in der Schweiz Verrechnungssteuer in Höhe von 35 vH an, welche von der liechtensteinischen Gesellschaft nicht rückforderbar sei. Auch wenn die Bundesrepublik durch die gewählte Konstruktion geringere Steuereinnahmen erziele, sei vor diesem Hintergrund erkennbar, dass es bei der gewählten Konstruktion nicht um Steuerersparnis gehe.

Nach umfangreichem weiterem Schriftwechsel zum Verhältnis des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG zu den Vorschriften des DBA-Schweiz und nachdem die Klägerin am 16. Dezember 2003 Untätigkeitseinspruch eingelegt hatte, lehnte der Beklagte mit Bescheiden vom ......... 2004 die beantragte Erstattung mit der Begründung ab, dass die Klägerin eine aktive Wirtschaftstätigkeit i.S. des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG nicht nachgewiesen und keine Angaben zu den hinter ihr stehenden Gesellschaftern gemacht habe. Die vorgenannten Vorschriften gingen auch dem Abkommensrecht vor, weil der nationale Gesetzgeber nicht daran gehindert sei, das Zustimmungsgesetz zum DBA durch ein abweichendes Gesetz zu ändern.

Gegen die vorgenannten Ablehnungsbescheide legte die Klägerin am ......... 2004 Einspruch ein, den sie im Wesentlichen wie folgt begründete: Nach Art. 10 Abs. 2b DBASchweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 habe die Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2001 das Besteuerungsrecht für Dividenden im Streitfall nur in Höhe von 5 vH des Bruttobetrages, weil sie, die Klägerin, mindestens 20 vH an der X&Y AG gehalten habe. Aus Art. 10 Abs. 3 DBASchweiz in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 21. März 2002 habe die Bundesrepublik für das Jahr 2002 gar kein Besteuerungsrecht mehr. Dagegen verstießen die Regelungen in § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG. Art. 23 DBASchweiz enthalte insoweit eine spezielle Missbrauchsvorschrift, deren Tatbestandsvoraussetzungen im Streitfall aber nicht erfüllt seien, und sehe weitergehende Missbrauchsregelungen der Vertragsstaaten nur für den Ansässigkeitsstaat vor. In den Regelungen des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG liege jeweils ein unzulässiger treaty override, weil Art. 23 DBASchweiz als lex specialis vorgehe. Abgesehen davon, dass es insoweit an höchstrichterlicher Rechtsprechung fehle, sei nämlich Art. 23 DBASchweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 alleine auf deutschschweizerische Steuerfälle zugeschnitten und enthalte differenzierte Missbrauchsregelungen für eine Vielzahl von Konstellationen. Für die Spezialität der Vorschrift gegenüber abweichenden nationalen Missbrauchsvorschriften spreche sich nicht nur die herrschende Meinung in der Literatur aus, sondern sie entspreche auch der Gesetzesbegründung des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994, der nur habe klarstellen sollen, dass bilaterale Abkommen unter Umgehungsvorbehalt stünden. Soweit hingegen explizite Abkommensregelungen bestünden, bestehe gar keine Notwendigkeit für eine solche Konkretisierung. Das ergebe sich auch durch die ab 2003 geltende Änderung des DBASchweiz, in welcher statt der bislang geltenden spezifischen Regelungen in Art. 23 DBASchweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2004 die Einschränkung des Abkommens durch nationale Regelungen zugelassen worden sei. Nach neuerer Auffassung und entgegen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung liege außerdem auch ein Verstoß gegen Art. 25 des Grundgesetzes (GG) vor, der ausschließlich das Rangverhältnis zwischen völkerrechtlichen und nationalen Vorschriften regele. Hinzu komme, dass die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer gegen Grundsätze des deutschen Besteuerungssystems verstoße und sie, die Klägerin, sich auf das in Art. 25 Abs. 1 DBASchweiz verankerte Diskriminierungsverbot berufen könne, welches unter Rückgriff auf die Auslegung der europäischen Grundfreiheiten zu verstehen sei. Die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer führe zu einem Belastungsunterschied im Verhältnis zu Inländern und begründe auch einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.

Der Beklagte wies den Einspruch der Klägerin gegen die streitbefangenen Ablehnungsbescheide mit Einspruchsentscheidung vom ......... 2004 als unbegründet zurück, Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass entgegen der Auffassung der Klägerin § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG uneingeschränkt neben Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 anwendbar sei. Dies habe der Bundesfinanzhof (BFH) ausdrücklich festgestellt. Das Gericht habe zwischen dem DBA und dem Zustimmungsgesetz unterschieden und ausgeführt, dass das Zustimmungsgesetz durch ein hiervon abweichendes innerstaatliches Gesetz geändert werden könne, wenn der vom Gesetzgeber gewollte Vorrang in dem ändernden Gesetz klar zum Ausdruck komme. Das sei aber nach der Auffassung des Gerichts bei § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG der Fall, weil der Erstattungsanspruch unter dem Vorbehalt der entsprechenden tatbestandlichen Voraussetzungen stehe. Der deutsche Gesetzgeber habe danach in zulässiger Weise die Regelung in Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 durch den zum 1. Januar 1994 eingeführten § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 verdrängt. Die innerstaatlichen Vorschriften verstießen auch nicht gegen Art. 25 GG, weil die einzelnen Bestimmungen völkerrechtlicher Verträge nicht gleichbedeutend mit den in Art. 25 GG genannten allgemeinen Regeln des Völkerrechts seien. Auch habe ein Völkerrechtsbruch keine Auswirkungen auf das innerstaatliche Recht, zumal insoweit nur die Vertragsstaaten beschwert wären. Außerdem stünden alle DBA -auch das DBA-Schweiz- unter Missbrauchsvorbehalt, was sich eindeutig aus Tz. 7 ff. des Musterkommentars zum OECD-Musterabkommen (OECD-MA) ergebe und auch in der Gesetzesbegründung zu § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 anklinge. Missbrauchsklauseln in einzelnen DBA gingen der Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsvorschriften also nicht vor. Weiter sei zu bedenken, dass die Klägerin als funktionslose Domizilgesellschaft nur formal zwischengeschaltet und dadurch nicht abkommensberechtigt sei. Die entsprechende Feststellungslast trage alleine die Klägerin. Eine Erstattung lasse sich auch nicht aus § 8b des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) oder aus Art. 25 DBA-Schweiz herleiten. Er, der Beklagte, sei nämlich nur für die Entlastung von Kapitalertragsteuer nach DBA zuständig, während ansonsten das Finanzamt zuständig sei, an welches der Schuldner der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer abgeführt habe. § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG gelte nur für steuerabzugspflichtige Einkünfte und greife nicht ein, wenn der Steuerpflichtige geltend mache, dass die dem Abzug unterworfenen Zahlungen aus anderen Gründen keine deutsche Steuer auslösen dürften. Im Übrigen sei der Diskriminierungsschutz des Art. 25 DBA-Schweiz auf die Voraussetzung "unter gleichen Verhältnissen" beschränkt und treffe nur Diskriminierungen auf Grund der Staatsangehörigkeit. Im Streitfall läge aber ein Fall des Kapitalertragsteuerabzugs auch dann vor, wenn die Klägerin nach deutschem Recht gegründet worden wäre und knüpfe die in § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG statuierte Abgeltungswirkung wiederum nicht an die Staatsangehörigkeit an.

Gegen die streitbefangenen Ablehnungsbescheide in Gestalt der vorgenannten Einspruchsentscheidung hat die Klägerin am .......... 2004 Klage erhoben, die sie nunmehr im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar sei die Versagung der abkommensrechtlich vorgesehenen Kapitalertragsteuerreduzierung nach § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG denkbar. Allerdings könnten die vorgenannten Normen nicht neben den spezielleren Regelungen des DBA-Schweiz angewendet werden. Im Streitfall einschlägig sei mit Blick auf die Beschränkung des Quellensteuerabzugs für das Jahr 2000 Art. 10 Abs. 2 Buchst. b) DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 bzw. für das Jahr 2001 Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz in der Fassung in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 21. März 2002. Für beide Jahre sei aber noch die Missbrauchsvorschrift des Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des vorgenannten Änderungsprotokolls einschlägig. Nach den vorgenannten Fassungen des Art. 10 DBA-Schweiz sei für die Ausschüttung vom 22. August 2001 lediglich ein deutsches Besteuerungsrecht in Höhe von 5 vH, für die Ausschüttung vom 28.August 2002 sogar gar kein solches Besteuerungsrecht gegeben. Für beide Ausschüttungen sei die abkommensrechtliche Missbrauchsregelung des Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 einschlägig, deren Voraussetzungen aber nicht erfüllt seien.

Die vorgenannte Abkommensregelung gehe der Anwendung des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG vor. Dies ergebe sich aus Folgendem: Zwar sei § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 erst ab 1994 und damit nach Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 anwendbar geworden; dies gelte aber ansonsten gerade nicht für die Neufassung des DBA-Schweiz durch das Revisionsprotokoll vom 21. März 2002, welche grundsätzlich zum 24. März 2003 in Kraft getreten sei. Folglich sei diese Fassung lex posterior, was auch für Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz in der Fassung des Revisionsprotokolls gelte, der zwar rückwirkend auf den 1. Januar 2002 zur Anwendung komme, aber eben erst durch das Revisionsprotokoll eingeführt worden sei. Die Norm setze den älteren § 50d Abs. 3 EStG außer Kraft. Zwar könne das entsprechende Zustimmungsgesetz mit Vorbehalten versehen, aufgehoben oder geändert werden. Das entsprechende Zustimmungsgesetz zum Revisionsprotokoll enthalte aber keine solchen Zusätze und lasse sich auch § 50d Abs. 3 EStG nicht als Einschränkung des Zustimmungsgesetzes begreifen.

Hinzu komme, dass Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 als lex specialis § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG vorgehe. Dies ergebe sich zunächst daraus, dass die Norm lediglich für das Verhältnis Deutschland-Schweiz einschlägig sei und zudem eine Vielzahl detailliert geregelter Missbrauchsfälle umfasse. Dem stehe auch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht entgegen, zumal die herrschende Meinung in der Literatur sich für einen Vorrang von ausführlichen DBA-Missbrauchsklauseln ausspreche. Dem entspreche auch die Gesetzesbegründung, welche davon ausgehe, dass § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 nur habe klarstellen sollen, dass DBA generell unter Missbrauchsvorbehalt stünden. Eine derartige Klarstellung sei überflüssig, soweit das DBA den Missbrauchsbereich selber detailliert regele. Zu beachten sei insofern, dass das Revisionsprotokoll die für die Streitjahre noch gültige Sonderregelung in Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 aurgehoben und erst für spätere Jahre eine Abkommenseinschränkung durch nationales Recht zugelassen habe.

Die vorgenannte Auffassung stehe auch im Einklang mit Art. 25 GG, der entgegen der Auffassung der Rechtsprechung und mit neueren Stimmen in der Literatur alleine das Rangverhältnis zwischen völkerrechtlichen und nationalen Vorschriften regele. Dem entspreche es, wenn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) jüngst ausgeurteilt habe, dass ein Verstoß gegen Völkervertragsrecht nur in Betracht komme, wenn alleine auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Verfassungsgrundsätze abzuwenden sei. Ein solcher Fall liege aber wohl bei DBA regelmäßig nicht vor und sei das nationale Recht insoweit auch nach Auffassung des BVerfG völkerrechtskonform auszulegen.

Vernachlässigt werden dürfe schließlich auch nicht, dass Art. 25 DBA-Schweiz die steuerliche Benachteiligung Schweizer Staatsbürger und Gesellschaften in Deutschland verbiete. Zwar könnten unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige unterschiedlich behandelt werden, für die Auslegung des Art. 25 DBA-Schweiz seien aber die europäischen Grundfreiheiten zu berücksichtigen und sei danach wiederum eine abweichende Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger dann diskriminierend, wenn sie nahezu ihre gesamten Einkünfte in Deutschland bezögen und sich folglich in einer vergleichbaren Lage wie unbeschränkt Steuerpflichtige befänden. Im Streitfall sei dabei zu berücksichtigen, dass sich ein unbeschränkt Steuerpflichtiger auf § 8b Abs. 1 KStG berufen und die Erstattung abgeführter Kapitalertragsteuer verlangen könne, während die Kapitalertragsteuer bei ihr, der Klägerin, Abgeltungswirkung entfalte. Insofern entstehe eine diskriminierende Schlechterbehandlung, zumal bei natürlichen Personen auch noch § 1 Abs. 3 EStG als Ausweg zur Verfügung stehe.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag nach § 50d Abs. 1 EStG i.V. mit § 43b EStG bzw. dem DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 bzw. des Revisionsprotokolls vom 12. März 2002 sowie über die Erstattung von Solidaritätszuschlag jeweils vom .............. 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ........... 2004 dahingehend zu ändern, dass die zu erstattende Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag betreffend die Ausschüttung vom ........... 2001 für das Jahr 2000 auf EUR .......,67 und betreffend die Ausschüttung vom .......... 2002 für das Jahr 2001 auf EUR .......,75 festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf den Inhalt seiner Einspruchsentscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die streitbefangenen Bescheide über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag nach § 50d Abs. 1 EStG i.V. mit § 43b EStG bzw. dem DBA-Schweiz sowie über die Erstattung von Solidaritätszuschlag vom ........... 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ......... 2004 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat für beide Streitjahre einen Rechtsanspruch auf Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer sowie des Solidaritätszuschlages in der von ihr beantragten Höhe.

1. Nach § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) sind zwar für den Fall, dass Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterliegen, nach § 43b EStG oder nach einem DBA nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden können, die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer durch den Schuldner der Kapitalerträge ungeachtet der Vorschriften des § 43b EStG bzw. des einschlägigen DBA anzuwenden. § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG stellt aber klar, dass davon der Anspruch des Gläubigers der Kapitalerträge auf völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer unberührt bleibt. Deshalb hat die Erstattung der entsprechenden Beträge ausweislich des § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG auf Antrag des Gläubigers der Kapitalerträge auf Grundlage eines Freistellungsbescheids zu erfolgen. Die Klägerin erfüllt als Gläubigerin der streitbefangenen Kapitalerträge die Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG. Sie hat für die Streitjahre entsprechende Freistellungs- und Erstattungsanträge gestellt und kann sich hinsichtlich der teilweisen bzw. vollständigen Freistellung der Kapitalerträge für das Jahr 2001 auf Art. 10 Abs. 2 Buchst. b) DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 bzw. für das Jahr 2002 auf Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 12. März 2002 berufen. Nach dem für das Jahr 2001 noch anwendbaren Art. 10 Abs. 2 Buchst. b) DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 können nämlich Dividenden in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft (hier: die X&Y AG) ansässig ist, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden, wobei aber die Steuer 5 vH der Bruttodividende nicht übersteigen darf, wenn der Empfänger (hier: die Klägerin) eine Gesellschaft ist, die unmittelbar über mindestens 20 vH des Kapitals der die Dividende zahlenden Gesellschaft verfügt. Der für das Jahr 2002 nach Art. VII Abs. 2 Buchst. b) Satz 2 und Buchst. a) des Revisionsprotokolls vom 12. März 2002 bereits anwendbare Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz in der Fassung des Revisionsprotokolls untersagt unter den gleichen Tatbestandsvoraussetzungen sogar vollständig die Dividendenbesteuerung in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist. Da die Klägerin in den Streitjahren zu mehr als 20 vH am Kapital der die streitbefangenen Dividenden ausschüttenden X&Y AG beteiligt war, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der vorgenannten Normen vor.

2. Nichts anderes ergibt sich aus dem ausweislich der Regelung des Art. VII Abs. 2 Buchst. b) Satz 2 und Buchst. a) des Revisionsprotokolls vom 12. März 2002 noch für beide Streitjahre anwendbaren Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift, die Regelungen enthält, welche die Vertragsstaaten zur Bekämpfung der internationalen Steuerflucht und der Steuerumgehung aufgestellt haben und auf ganz bestimmte Fallgruppen eines etwaigen Missbrauchs abzielt (vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Wingert, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 23 Rz. 1; Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 4. Aufl., Art. 1 MA Rz. 140; Wilke in Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, DBA-Kommentar, Art. 23 DBA-Schweiz Rz. 1; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 439), sind nämlich im Streitfall -ohne dass hier die umfangreichen Einzeltatbestände wiedergegeben werden sollen- ersichtlich und auch nach der Auffassung der Beteiligten nicht erfüllt.

3. Streitig ist zwischen den Beteiligten vielmehr alleine die Frage, ob neben der vorgenannten Missbrauchsvorschrift des Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 noch § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG anwendbar sind. Der Senat verneint dies mit der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur (Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., 16.152; Zwosta in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 23 DBA Schweiz Rz. 7; M. Klein in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50d EStG Rz. 52; Hahn-Joecks in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, § 50d EStG Rz. G 26; Wied in Blümich, EStG/KStG/ GewStG, § 50d EStG Rz. 56; wohl auch Gosch in Kirchhof, EStG Kompakt Kommentar, 6. Aufl., § 50d EStG Rz. 41; aA Frotscher, EStG, § 50d EStG Rz. 19). Zum Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG braucht er sich daher nicht zu äußern.

a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 13. Juli 1994 I R 120/93, BFHE 175, 351, BStBl II 1995, 129; vom 21. Mai 1997 I R 79/96, BFHE 184, 281, BStBl II 1998, 113; vom 20. März 2002 I R 38/00, BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819; BFH-Beschluss vom 17. Mai 1995 I B 183/94, BFHE 178, 59, BStBl II 1995, 781) geht zwar die Vorschrift des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG dem Abkommensrecht grundsätzlich vor, weil insoweit zwischen dem DBA als völkerrechtlichem Vertrag und dem Zustimmungsgesetz, durch welches das Abkommen erst in innerstaatliches Recht transformiert wird, zu unterscheiden ist. Der BFH hat deshalb entschieden, dass der nationale Gesetzgeber nicht daran gehindert ist, das nationale Zustimmungsgesetz durch ein hiervon abweichendes Gesetz zu ändern oder es aufzuheben, solange der vom Gesetzgeber gewollte Vorrang vor dem Abkommen in dem ändernden Gesetz deutlich zum Ausdruck kommt. Die vorgenannte Rechtsprechung zum Vorrang des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG ist aber jeweils in Fällen ergangen, in denen es um DBA ging, welche keine eigenständige Missbrauchsklausel enthielten. Demgemäss hat der BFH in seinem Beschluss vom 28. November 2001 (I B 169/00, BFH/NV 2002, 774) die Frage ausdrücklich offen gelassen, ob spezielle abkommensrechtliche Missbrauchsregelungen ihrerseits der einkommensteuerrechtlichen Vorschrift des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 (bzw. § 50d Abs. 3 EStG) vorgehen.

b) Der Senat bejaht einen solchen Vorrang aus folgenden Gründen:

aa) Aus Sicht des Senats kommt in § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG der vom BFH geforderte gesetzgeberische Wille zum Vorrang der Norm vor dem Abkommen mit Blick auf Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck. Zwar ist der jeweiligen Regelung ("... ungeachtet des Abkommens ...") und insoweit mit dem BFH durchaus der Wille zu entnehmen, dass ein grundsätzlicher Normenvorrang vor den Abkommensregelungen zum Tragen kommen soll. Allerdings enthalten die Gesetzesmaterialien zu § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 insoweit die Aussage, dass die Norm nur als Konkretisierung des Grundsatzes gesehen wurde, dass "bilaterale Abkommen und Maßnahmen supranationaler Organisationen unter einem Umgehungsvorbehalt stehen" (vgl. BT/Drs. 12/5630, S. 65 unter Hinweis auf Art. 1 Tz. 7 ff. des Musterkommentars zum OECD-MA; vgl. auch den Hinweis auf die BT/Drs. 12/5764, S. 26 im zu § 42 der Abgabenordnung 1977 ergangenen BFH-Urteil vom 29. Oktober 1997 I R 35/96, BStBl II 1998, 235; dazu M. Klein, aaO, § 50d EStG Rz. 52). Aus Sicht des Senats ist danach der in § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille von vornherein auf diejenigen DBA gerichtet, welche eine eigenständige Missbrauchsregelung nicht enthalten, weil nur insoweit der "Willensvorbehalt" des Gesetzgebers sinnvoll ist. Jedenfalls müsste aus Sicht des Senates in den vorgenannten nationalen Missbrauchsvorschriften deutlich zum Ausdruck kommen, dass sie auch speziellen und detaillierten DBA-Missbrauchsregelungen vorgehen sollen.

b) Die Richtigkeit der vorgenannten Überlegungen ergibt sich insbesondere auch daraus, dass in Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 die Frage der Anerkennung bestimmter Gestaltungen mit Blick auf den Quellenstaat detailliert und erkennbar abschließend geregelt wurde. Das ergibt sich aus Sicht des Senats schon daraus, dass die Vorschrift weitergehende Missbrauchsregelungen der Vertragsstaaten nur für den Ansässigkeitsstaat zuläßt. An diesem Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, dass in Art. 23 DBA-Schweiz nur bestimmte Fallgestaltungen erfasst sind und die Regelung nicht als allgemeine Missbrauchsklausel aufzufassen ist (Wassermeyer, aaO, Art. 23 Rz. 1). Es entspricht nämlich insoweit der oben wiedergegebenen ganz herrschenden Meinung, dass derartige Spezialregelungen weniger detailliert gefassten nationalen Vorschriften vorgehen (vgl. dazu insbesondere M. Klein, aaO, § 50d EStG Rz. 52; Prokisch, aaO, Art. 1 MA Rz. 112).

c) Für die vorgenannte Auffassung spricht schließlich entscheidend auch, dass Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 durch des Revisionsprotokoll vom 12. März 2002 inzwischen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2004 dahingehend geändert wurde, dass nunmehr ausdrücklich vom DBA abweichende nationale Vorschriften zugelassen werden (vgl. insbesondere den Hinweis auf § 50d Abs. 3 EStG in Art. VI Nr. 2 des Revisionsprotokolls). Wäre der Auffassung des Beklagten zu folgen, dass die Neufassung des Art. 23 DBA-Schweiz nur klarstellende Wirkung haben solle, so wäre aus Sicht des Senats völlig unverständlich, warum dann die Neufassung nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsstaaten erst ab dem 1. Januar 2004 Wirkung entfaltet. Dies spricht deutlich dafür, dass mit der Neuregelung gerade keine reine Klarstellung eines immer schon geltenden Rechtszustands, sondern vielmehr eine Rechtsänderung intendiert war.

4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO--) zuzulassen, weil der BFH zum Verhältnis des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG zur Missbrauchsklausel in Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 noch nicht Stellung genommen hat und sich im Übrigen die Rechtsfrage des Rangverhältnisses des § 50d EStG zu speziellen DBA-Mißbrauchsvorschriften auch in anderen DBA stellt.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 151 FGO i.V. mit § 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung (analog).



Ende der Entscheidung

Zurück