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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 2 K 7004/01
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG a.F. § 44d
EStG a.F. § 50d Abs. 1a
EStG § 50d Abs. 3
AO 1977 § 42 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln

2 K 7004/01

Tenor:

1. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom ....2000 und der Einspruchsentscheidung vom ....2001 entsprechend dem Antrag der Klägerin vom ....1998 - bei dem Beklagten eingegangen am ....1998 - eine Freistellungsbescheinigung vom Kapitalertragsteuerabzug für die von der ... ........ ............ GmbH zufließenden Erträge zu erteilen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin abwenden, soweit die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. VZ 1997 ( - im Weiteren: a.F. -, entspricht § 50d Abs. 2 EStG geltende Fassung). Streitig ist im wesentlichen die Frage, ob die Klägerin insbesondere im Hinblick auf ihre Beteiligung an der ................................ GmbH in Frankfurt eine einkommensteuerrechtlich anerkennenswerte Funktion ausübt.

I.

Die ... GROUP ist ein als Konzern weltweit tätiges Unternehmen zur Beratung von Firmen. Ursprünglich in den USA gegründet, ist die ... GROUP seit 1971 auch in der Bundesrepublik Deutschland tätig.

Die Klägerin wurde am ......1990 gegründet und am .......1990 im Handelsregister von .......... / Niederlande eingetragen. Die Klägerin hat ihren Sitz in ......., ..................... Im Handelsregister sind insgesamt 15 Direktoren der Klägerin verzeichnet, die ihren Wohnsitz jeweils in den USA, Großbritannien, Belgien, Australien, Bundesrepublik Deutschland und Singapur haben. Anteilsinhaberin war die ... .............. PARTNERS HOLDING B.V.

Diese Gestaltung ist auf die Entstehungsgeschichte des Konzerns zurückzuführen: Die Gesamtorganisation der ursprünglichen ... GROUP wurde bis 1990 von der Gesellschaftsgruppe ............... & ............... gehalten. Im Jahr 1990 organisierten die "Senior Manager" der ... GROUP ein "management buy out" von den bisherigen Eigentümern .......... & ..........: Das Unternehmen wurde durch seine bisherigen leitenden Angestellten "aufgekauft" und diese Angestellten führten den Betrieb in Gestalt neu gegründeten Kapitalgesellschaften als Geschäftsführer fort.

Aus anderweitigen wirtschaftlichen Gründen gründeten die Senior Manager die ... GROUP ............ E P als Personengesellschaft.

Da die Senior Manager nicht über genügend eigenes Kapital für den Erwerb de ... GROUP verfügten, stellte ........, eine große britische Investmentgesellschaft, die hierfür benötigten zusätzlichen Finanzmittel bereit und übernahm im Auftrage des BRITISH ............. PENSION FUND insgesamt 31v.H. der Anteile an der ... GROUP.

Zwischen den Senior Managern und ....en wurde im Hinblick auf die Konzernstruktur der ... GROUP vereinbart, dass die Beteiligung an anderen Gesellschaften über eine zentrale Gesellschaft gehalten werden sollte. Es wurde als nicht effizient erachtet, eine Gesellschafterstruktur von 69 v.H. zu 31 v.H. bei jeder einzelnen Gesellschaft des Konzerns zu halten. ... GROUP und ....en kamen überein, dass deshalb die Niederlande als Sitz für eine Holdinggesellschaft ausgewählt werden sollte. Diese sollte als direkter Gesellschafter an allen anderen weltweit tätigen Gesellschaften beteiligt sein.

Aus haftungsrechtlichen Gründen wurde durch die ... GROUP ........ E P die niederländische ... ....... PARTNERS HOLDING BV gegründet. Die ... ...... PARTNERS HOLDING BV beteiligte sich mit 69% und ....en mit 31% an der 1990 gegründeten Klägerin.

Die Klägerin hält direkt die Anteile an allen anderen weltweit im Beratungsgeschäft tätigen Gesellschaften der ... GROUP.

Hierbei handelte es sich um ca. 50 Tochtergesellschaften; eine Aufstellung der Gesellschaften befindet sich in den Verwaltungsakten des Beklagten, auf welche Bezug genommen wird. Die Tochtergesellschaften befanden sich etwa in Japan, Irland, Singapur und Kanada; zu den Tochtergesellschaften gehörten auch die - streitgegenständliche - ................................ GmbH in Deutschland und die ebenfalls in den Niederlanden ansässige ................................ B.V.

Letztgenannte Gesellschaft ist mit ca. 140 Mitarbeitern eine der größten Gesellschaften innerhalb der ... GROUP. Die Klägerin und die ................................ B.V. wurden und werden in den Niederlanden im Hinblick auf ein dort angenommenes Organschaftsverhältnis steuerlich zusammengefasst ("fiscale eenheid"). Die Klägerin bediente sich - jedenfalls im streitigen Zeitraum - auch hinsichtlich des Personals und der Räumlichkeiten der Ressourcen dieser Tochtergesellschaft.

Damit stellten sich die Beteiligungsverhältnisse ab 1990 im Wesentlichen wie folgt dar:

Die Beteiligung der ....en wurde in 1997 gekündigt als Teil einer finanziellen Umstrukturierung zwischen ... GROUP, .......... & .......... und ....en. Die ... GROUP ............... BV hält seitdem 100 v.H. der Anteile an der Klägerin. Gegenwärtig ist die ... GROUP ............... BV eine ruhende Gesellschaft, die lediglich nicht liquidiert wurde; es existieren derzeit keine weiteren wirtschaftlichen Aktivitäten. Die Gesellschaft verfügt über kein Anlagevermögen und kein Personal.

Die Klägerin organisierte die Übernahme der ....en-Anteile und sicherte die Finanzierung. Hierzu wurden drei Direktoren der Klägerin tätig, die für ihr Engagement im Jahr 1997 von der Klägerin Zahlungen Höhe von ca. 170.000 HFL erhielten; die Klägerin hat eine entsprechende Lohnsteuerbescheinigung der niederländischen Finanzbehörde vorgelegt.

Darüber hinaus legte die Klägerin allgemein die Investitionen der ... GROUP fest. Hierzu fanden jährliche "meetings" in Amsterdam statt, an denen die Direktoren der Klägerin teilnahmen. Die Klägerin beschaffte Kredite für den Erwerb neuer Beteiligungen und für die Finanzierung bestehender Beteiligungen. Die Klägerin ist im Besitz von Buchungsnachweisen, wonach sie beispielsweise Geldbeträge in erheblicher Höhe nach "Japan", an eine "...............", nach "Singapore" und nach "Canada" überwiesen hat.

Für die ... GROUP typische Beratungsleistungen sind im Namen der Klägerin in den Niederlanden nicht erbracht worden. Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum jedoch mindesterstens über eine Betriebsstätte in Japan, die entsprechende Leistungen erbrachte. Zum 30.09.1999 waren in der japanischen Betriebsstätte 20 Mitarbeiter beschäftigt. Die Klägerin ist im Besitz einer Gewinn- und Verlustrechnung zum 30.09.1997, die den holländischen Steuererklärungen beigefügt war. Diese Gewinn- und Verlustrechnung zeigt die Aufteilung des Jahreserfolges auf die niederländischen Aktivitäten ("BV ..........") und die japanische Betriebsstätte ("Japan ..........") zum Zwecke der Freistellung des japanischen Betriebsstättenergebnisses von der holländischen Besteuerung.

II.

Mit Freistellungsbescheid vom ........1994 war die Klägerin bereits bis zum 31.10.1997 vom Steuerabzug für die ihr von der ................................ GmbH zufließenden Kapitalerträge befreit worden.

Mit Antrag vom ........1998 - bei dem Beklagten eingegangen am .......1998 - begehrte die Klägerin erneut die Freistellung ab dem 01.11.1997.

Mit Bescheid vom......2000 lehnte der Beklagte die Erteilung der begehrten Freistellungsbescheinigung ab, da ein zuvor an die Klägerin übersandter Fragebogen zu den wirtschaftlichen Aktivitäten der Klägerin nicht hinreichend beantwortet worden war.

Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte die Klägerin mit Schriftsatz vom ......2000 - bei dem Beklagten eingegangen am ......2000 - Einspruch ein.

Zur Begründung gab die Klägerin an, ihre Geschäftstätigkeit umfasse zum einen das Halten von Anteilen an diversen Kapitalgesellschaften der ... GROUP und zum andern Beratungsleistungen, die durch Mitarbeiter erbracht würden.

Die Holdingaktivitäten - so die Klägerin - würden am Sitz der Gesellschaft in den Niederlanden ausgeübt. Die Klägerin fügte eine Aufstellung sämtlicher Tochtergesellschaften bei. Die Klägerin wies darauf hin, dass es aus betriebswirtschaftlichen Gründen notwendig gewesen sei, sämtliche internationalen Geschäftstätigkeiten der ... GROUP in einer Holdinggesellschaft zusammenzufassen. Da ein großer Teil der Beratungsaktivitäten der ... GROUP in Europa stattfinde, sei diese Holding in den Niederlanden angesiedelt worden

Mit Einspruchsentscheidung vom ......2001 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Zur Rechtfertigung seiner Entscheidung führte der Beklagte aus, die Einschaltung der Klägerin in die Beteiligungskette müsse als rechtsmissbräuchlich und daher unbeachtlich angesehen werden. Die Klägerin habe keine Nachweise für eine eigene Wirtschaftstätigkeit erbracht. Die Aktivitäten der japanischen Betriebsstätte seien unbeachtlich, da eventuelle Aktivitäten von der Klägerin im Sitzstaat, d.h. in den Niederlanden, ausgeübt hätten werden müssen.

Wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung seien nicht vorgetragen worden.

Gegen den Ablehnungsbescheid vom .....2000 und die Einspruchsentscheidung vom .....2001, die der Klägerin am .......2001 zugegangen ist, hat die Klägerin am ......2001 Klage erhoben.

Zur Begründung des Klagebegehrens bezieht sich die Klägerin im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Vorverfahren.

Ergänzend trägt die Klägerin vor, die Niederlande seien u.a. wegen der Nähe zum englischen Partner und den dort verfügbaren Beratern als Standort ausgewählt worden; auch seien die Rechnungslegungsvorschriften der Niederlande denen Englands ähnlich gewesen. Die Klägerin habe über einen eigenen Telefonanschluss und einen eigenen Briefkopf verfügt.

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 27.04.2006 Beweis erhoben über die Fragen, ob und ggfls. welche wirtschaftlichen Aktivitäten die Klägerin in den Niederlanden bzw. über ihre Betriebsstätte in Japan ausgeübt hat durch Vernehmung des Dr. ....... als Zeugen; auf das Protokoll der Zeugenvernehmung (Bl. 97 f. GA) wird verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom ......2000 und der Einspruchsentscheidung vom ......2001 den Beklagten zu verpflichten, entsprechend dem Antrag der Klägerin vom ......1998 - bei dem Beklagten eingegangen am .....1998 - eine Freistellungsbescheinigung vom Kapitalertragsteuerabzug für die von der ................................ GmbH zufließenden Erträge zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte bezieht sich im Wesentlichen auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung. Der Beklagte bleibt bei seiner Auffassung, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung der Klägerin seien nicht vorgetragen. Eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit habe die Klägerin jedenfalls nicht belegt. Die Aussagen des Zeugen seien "nebulös" und "wenig konkret".

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Ablehnung der Erteilung einer Freistellungsbescheinigung entsprechend dem Antrag der Klägerin vom .....1998 vom Kapitalertragsteuerabzug für die von der ................................ GmbH zufließenden Erträge war rechtswidrig i.S.d. § 101 Satz 1 FGO. Denn der Klägerin stand ein Anspruch auf Erlass der begehrten Maßnahme aus § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG i.d.F. des streitigen Jahres 1998 (im Weiteren: a.F., entspricht § 50d Abs. 2 EStG) zu; ein Fall rechtsmissbräuchlicher Gestaltung i.S.d. § 50d Abs. 1a EStG in der Fassung des Streitjahres (im Weiteren: a.F., entspricht § 50d Abs. 3 EStG) bzw. § 42 Abs. 1 Satz 1 AO liegt nicht vor.

1. Nach § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. kann der Schuldner den Steuerabzug nach Maßgabe des § 44d EStG i.d.F. des streitigen Jahres 1998 (im Weiteren: a.F., entspricht § 43b EStG geltende Fassung) unterlassen bzw. nach einem niedrigeren Steuersatz vornehmen, wenn das Bundeszentralamt für Steuern (früher: Bundesamt für Finanzen) - der Beklagte - auf Antrag bescheinigt, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen (Freistellungsverfahren).

So verhält es sich im Streitfall. Die Klägerin war im Jahr 1998 Muttergesellschaft i.S. von § 44d Abs. 2 EStG a.F. i.V.m. Anlage 7 (zu § 44d EStG a.F.: Gesellschaften im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie Nr. 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 - ABl. EG Nr. L 225 S. 6 - über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten) ohne Sitz und Geschäftsleitung im Inland: Die Klägerin war unter den zeitlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift Gesellschafterin der ... .......... Gesellschaften weltweit, u.a. der GmbH in Deutschland und der - weiteren - B.V. in den Niederlanden.

Die Klägerin erfüllte die gesetzliche Mindestbeteiligungsquote gemäß § 44d Abs. 2 Satz 1 EStG a.F. von mindestens 25 v.H.

2. Der Klägerin ist die Privilegierung auch nicht zu versagen, weil ein Fall rechtsmissbräuchlicher Gestaltung vorläge. Denn es sind weder die Tatbestandsvoraussetzungen der Sonderregelung in § 50d Abs. 1a EStG a.F. (nachfolgend a)) noch jene der allgemeinen Vorschrift des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO (nachfolgend b)) erfüllt.

a) Die Vorschrift des § 50d Abs. 1a EStG a.F. schließt den Anspruch einer ausländischen Gesellschaft auf Steuerbefreiung oder -ermäßigung nach § 44d EStG a.F. aus, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (nachfolgend (2) / (a)), und für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet (nachfolgend (2) / (b)).

Die Erfordernisse der Missbrauchsregelung sind im Streitfall im Ergebnis nicht erfüllt.

(1) Die Vorschrift dient, wie der Gesetzesbegründung (Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. in BT-Drucks 12/5630, S. 65; entspricht BT-Drucks 12/5764, S. 26) zu entnehmen ist, der sondergesetzlichen Konkretisierung des Grundsatzes, dass bilaterale Abkommen unter einem Umgehungsvorbehalt stehen. Sie bezweckt, durch ergänzende tatbestandliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer möglichen Unvollständigkeit von § 42 AO zu begegnen.

Die beiden letzten Negativerfordernisse ("beachtliche Gründe" / "eigene Wirtschaftstätigkeit") müssen kumulativ vorliegen, um die Steuerentlastung zu versagen (vgl. z.B. Hahn-Joecks in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 50d Rdnr. G 11; BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 - I R 74, 88/04, I R 74/04, I R 88/04, BFHE 210, 117; BStBl II 2006, 118).

Dies ergibt sich bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschriftschrift. Der Senat folgt damit nicht der von der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 30.01.2006 - IV B 1 - S 2411 - 4/06, BStBl I 2006, 166; Nr. 3) verfolgten "teleologischen Extension" der Vorschrift, wonach die Merkmale nicht kumulativ vorliegen müssen. Das Gericht sieht den Wortlaut der Vorschrift als Grenze der zulässigen Auslegung an. Auch die von der Finanzverwaltung als Begründung herangezogene "historische Auslegung" findet jedenfalls in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) keinen eindeutig erkennbaren Ausdruck. Dort wird heißt es vielmehr ausdrücklich:

"Die Formulierung [des Gesetzes] lehnt sich im einzelnen an die von der Rechtsprechung zu den ausländischen Basisgesellschaften im Rahmen des § 42 AO aufgestellten Rechtssätze an."

Hierzu wird beispielsweise im Urteil des Bundesfinanzhofes vom 29. Januar 1975 (I R 135/70, BStBl II 1975, 553) wörtlich ausgeführt:

"Ein Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist und wenn die Rechtsordnung das Ergebnis missbilligt. Basisgesellschaften im Ausland erfüllen den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs vor allem dann, wenn für ihre Errichtung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und wenn sie keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten."

(2) Die Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 1a EStG a.F. liegen im Streitfall nicht vor.

(a) Das erste der genannten Tatbestandsmerkmale könnte erfüllt sein: An der Klägerin ist - jedenfalls mittelbar - die ... GROUP ............. E P beteiligt, der die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielte. Damit fehlte es an einer "Muttergesellschaft", welche die in der Anlage 7 EStG a.F. bezeichneten Voraussetzungen des Artikels 2 der Richtlinie Nr. 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 (ABl. EG Nr. L 225 S. 6) erfüllt, § 44d Abs. 2 EStG a.F.

Andererseits wäre der Streitfrage nachzugehen, ob im Rahmen des § 50d Abs. 1a EStG a.F. nur unmittelbare oder auch mittelbare Beteiligungen von Bedeutung sind, da die Anteilsinhaber der ... GROUP ......... E P - die Senior Manager - wiederum in einem begünstigten Land ansässig sein könnten und z.T. wohl tatsächlich auch sind.

Der Senat kann diese Frage jedoch offen lassen, da jedenfalls die weiteren Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs nicht erfüllt sind.

(b) Für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft - der Klägerin - müssen des Weiteren wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (nachfolgend (aa)) und sie darf keine eigene Wirtschaftstätigkeit (nachfolgend (bb)) entfalten.

Beide Negativvoraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor, so dass schon aus diesem Grund ein Gestaltungsmissbrauch ausscheiden muss.

(aa) Denn die Klägerin kann für ihre Einbindung in die Beteiligungsstruktur bereits "wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe" in Anspruch nehmen.

(aaa) Wie der erkennende Senat bereits ausgeurteilt hat (FG Köln Urteil vom 08. August 2001 - 2 K 6630/99, EFG 2002, 541 - rkr. m.w.N.), bieten weder die einschlägigen überkommenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofes noch die dem Bundesfinanzhof grundsätzlich folgende Literatur eine generell abstrakte positive Definition der "wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe".

Als Beispiele wirtschaftlicher Gründe werden allerdings allgemein die Wahrnehmung von Holdingfunktionen, wie der Konzernleitung und -finanzierung, der Erwerb von Beteiligungen von einigem Gewicht oder die Funktion als Konzernspitze angesehen (vgl. etwa Gosch in Kirchhof, EStG 5. Aufl., § 50d Rz. 43; ders., BFH-PR 2005, 407, 408; Hahn-Joecks in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Kommentar, § 50d EStG Rz. G 15; vgl. auch Breuninger/Schade, GmbHR 2005, 1375, 1377; Ritzer/Stangl, FR 2005, 1063, 1067 m.w.N.). So hat der Bundesfinanzhof für Basisgesellschaften entschieden, dass eine die Anwendung der Rechtsprechung zu den Basisgesellschaften ausschließende hinreichende Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliegen kann, wenn die Zwischengesellschaft in ihrem Sitzstaat und/oder in Drittländern und im Inland Beteiligungen von einigem Gewicht erwerben soll (BFH-Urteile vom 29. Juli 1976 - VIII R 41/74, BStBl II 1977, 261 und VIII R 142/73, BStBl II 1973, 263). Durch Urteil vom 09. Dezember 1980 (VIII R 11/77, BStBl II 1981, 339) hat das Gericht dies dahingehend präzisiert, dass die Zwischengesellschaft insoweit geschäftsleitende Funktionen wahrnehmen muss, wobei sie aber nicht - so wie die geschäftsleitende Holding als Organträger (hierzu BFH-Urteil vom 17. Dezember 1969 I 252/64, BFHE 98, 152, BStBl II 1970, 257) - die umfassende Konzernleitung über mehrere abhängige Unternehmen ausüben muss. Ausreichend ist vielmehr die Wahrnehmung einzelner Funktionen einer geschäftsleitenden Holding, wie etwa die Finanzierung mehrerer Tochtergesellschaften (BFH-Urteil in BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553 ), solange diese Funktionen gegenüber mehreren Tochtergesellschaften ausgeübt werden (BFH-Urteil vom 15. April 1970 I R 122/66, BFHE 99, 123, BStBl II 1970, 554 ).

Grundsätzlich sind damit auch Gestaltungen steuerlich zu akzeptieren die im Hinblick auf die Einrichtung einer optimalen Steuerstruktur im Anschluss an die Mutter-Tochter-Richtlinie erfolgt sind. Von der deutschen Steuerrechtsordnung werden lediglich diejenigen Konstruktionen als rechtsmissbräuchlich qualifiziert, bei denen die Zwischenschaltung einer Holdinggesellschaft nur aus steuerlichen Gründen erfolgt, hier also, um in den Genuss der Steuervorteile zu gelangen, die durch die Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie in nationales Recht geschaffen wurden.

Nach jüngster Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 - I R 74/04, BFHE 210, 117; BStBl II 2006, 118 - dagegen BMF-Schreiben vom 30.01.2006 a.a.O.) kann die Einschaltung einer Zwischengesellschaft unter einem weiteren Aspekt - ggfls. auch ohne Vorliegen eigener wirtschaftlicher Aktivitäten - gerechtfertigt sein. Der Bundesfinanzhof nennt folgende Voraussetzungen, die offensichtlich kumulativ vorliegen müssen:

die "passive" Beteiligungsaktivitäten werden konzernintern durchgängig in selbständige Kapitalgesellschaften ausgegliedert,

die konzernstrategischen Ausgliederungen erfolgen langfristig und nicht etwa nur zu dem Zweck, abkommensrechtliche Erstattungsvorteile zu erlangen,

die passive Gesellschaft domiziliert in jenem Staat, in dem die Konzerngesellschaften der entsprechenden Gruppe ihr aktives europäisches Kerngeschäft konzentriert haben, nicht aber in einem Drittstaat.

(bbb) Nach vorstehenden Grundsätzen ist die Einschaltung der Klägerin nicht zu beanstanden.

(aaaa) Es sprechen gewichtige Gründe dafür, dass bereits die überkommene Ansicht zu den Voraussetzungen der "wirtschaftlich oder sonst beachtlichen Gründe" die Existenz der Klägerin anerkennen muss.

Die Klägerin ist für den Zweck gegründet worden, die Aktivitäten der ... GROUP weltweit dauerhaft zu bündeln und zu fördern. Die Klägerin hat dies vorgetragen und der Zeuge hat eine entsprechende Tätigkeit bestätigt. Denn der Zeuge hat erklärt, dass die Klägerin "Beteiligungen verwaltet" habe. Er hat ausgeführt, die Klägerin habe sowohl die Strategie für Investitionen der ... GROUP festgelegt als auch Kredite für bestehende und neu zu erwerbende Beteiligungen beschafft.

Erkenntnisse, die gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Dr. ... sprechen würden, hat der Senat nicht gewonnen. Die Aussage ist auch glaubhaft. Denn zum einen hat der Zeuge keine pauschalen Angaben zugunsten der Klägerin gemacht, sondern sich auf die Tatsachen beschränkt, die seiner Kenntnis unterlagen. Zum anderen werden die Angaben des Zeugen über die Finanzierungstätigkeit durch die vorgelegten Buchungsnachweise bestätigt, wonach die Klägerin Geldbeträge in erheblicher Höhe in Länder überwiesen hat, in denen sie Tochtergesellschaften hält.

Die Einwendungen des Beklagten, die Aussage sei "nebulös" und "wenig konkret", muss der Senat seinerseits als nicht hinreichend substantiiert ansehen.

(bbbb) Jedenfalls nach der zitierten neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 a.a.O.), welcher der erkennende Senat folgt, kann kein Zweifel an der Rechtfertigung der Zwischenschaltung der Klägerin bestehen:

die "passive" Beteiligungsaktivität der ... GROUP wurde konzernintern durchgängig ausgegliedert, um angesichts der ursprünglichen Mitbeteiligung der ....en eine einheitliche Plattform für das gemeinsame Engagement zu schaffen,

die konzernstrategischen Ausgliederungen erfolgten - da sie im wesentlichen noch heute bestehen - langfristig und nicht etwa nur zu dem Zweck, abkommensrechtliche Erstattungsvorteile zu erlangen,

die passive Gesellschaft - die Klägerin - domiziliert in jenem Staat, in dem die Konzerngesellschaften der entsprechenden Gruppe ihr aktives europäisches Kerngeschäft konzentriert haben, nicht aber in einem Drittstaat: Eine weitere Beteiligungsgesellschaft (... .......... ........... BV) und eine der größten "aktiven" Beratungsgesellschaften (................................ B.V.) haben ihren Sitz ebenfalls in den Niederlanden.

(bb) Die Klägerin hat darüber hinaus auch eine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet.

(aaa) Der Senat neigt bereits der Annahme zu, dass der Klägerin selbst Beratungsleistungen gegenüber Dritten entsprechend dem Angebot der ... GROUP ausgeführt hat.

Die Klägerin hat selbst zwar kein Personal beschäftigt, welches diese Leistungen ausgeführt hat. Es sprechen jedoch Gründe für die Annahme, dass der Klägerin die Beratungstätigkeit der ................................ BV zuzurechnen sein könnte.

Zwischen beiden Gesellschaften hat die "fiscale eenheid" bestanden: Das niederländische System einer "Gruppenbesteuerung" sieht eine Vollkonsolidierung der Gruppenmitglieder vor. Das Gesamtergebnis der Gruppe wird auf der Grundlage einer einheitlichen Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ermittelt. Von der Obergesellschaft wird die Steuer erhoben. Voraussetzung für die Konsolidierung ist eine mindestens 95%ige Beteiligung, wobei die übrigen Anteilsinhaber nicht mehr als 5 % des Gesellschaftsgewinns beanspruchen dürfen.

Möglicherweise reicht diese Verknüpfung der beiden Gesellschaften auch dafür aus, eine eigene Wirtschaftstätigkeit der Klägerin zu bejahen.

(bbb) Der erkennende Senat kann diese Frage jedoch offen lassen. Denn jedenfalls über ihre japanische Betriebsstätte hat die Klägerin eine eigene Wirtschaftstätigkeit ausgeübt.

(aaaa) Der Senat kann davon ausgehen, dass im fraglichen Zeitraum in Japan eine Betriebsstätte der Klägerin bestanden hat und dass dort die für die ... GROUP typischen Beratungsleistungen erbracht wurden.

Denn der Zeuge hat erklärt, dass die Klägerin eine Betriebsstätte in Japan unterhalten hat. Nach Angaben des Zeugen arbeiteten in dieser Betriebsstätte etwa 20 Mitarbeiter, welche im Bereich Management Consulting beratend für andere größere Firmen tätig waren.

Erkenntnisse, die gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen bzw. die Glaubhaftigkeit seiner Aussage sprechen würden, hat der Senat auch in diesem Zusammenhang nicht gewonnen. Im Gegenteil wird die Aussage des Zeugen bestätigt durch die Buchführungsunterlagen der Klägerin, die den holländischen Steuererklärungen beigefügt war. Auch dort findet sich ein Hinweis auf die japanische Betriebsstätte ("Japan ........").

(bbbb) Der Senat vermag - im Gegensatz zum Beklagten - auch nicht zu erkennen, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten der japanischen Betriebsstätte nicht zugerechnet werden dürften, weil entscheidungserhebliche Aktivitäten notwendigerweise im Sitzstaat ausgeübt werden müssten.

Bei dem vom Beklagten für seine Auffassung angesprochenen Verfahren des Bundesfinanzhofes handelt es sich um die Entscheidung in der Sache I R 38/00 (BFH-Urteil vom 20.03.2002, BStBl II 2002, 819), wo der Senat ausführt, die eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten einer Schwestergesellschaft könnten einer zwischengeschalteten Gesellschaft nicht zugerechnet werden. Abgesehen davon, dass der Bundesfinanzhof an der zitierten Entscheidung nicht mehr festhält (vgl. BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 a.a.O.), liegt die in Bezug genommene Konstellation im Streitfall nicht vor: Hier geht es nicht um die Zurechnung der Tätigkeit einer dritten juristischen Person, sonder um die Zurechnung der Tätigkeit einer "unselbständigen" Betriebsstätte, die 'eo ipso' erfolgt. Darüber hinaus fehlen gesetzliche Vorgaben dazu, wo eine wirtschaftliche Aktivität entfaltet werde muss - es kann folglich auch die Aktivität einer Betriebsstätte in einem Drittstaat ausreichen (vgl. Gosch a.a.O., § 50d Rz. 43).

b) Auch unter Anwendung des § 42 AO folgt keine andere Entscheidung.

Da § 50d Abs. 1a EStG a.F. ausdrücklich auf das (alternative) Erfordernis wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe abstellt, gibt er als gegenüber § 42 AO a.F. spezieller Vorschrift zur Vermeidung von Gestaltungsmissbräuchen den tatbestandlichen Rahmen auch für den daneben anzuwendenden § 42 AO abschließend vor. Die Vorschrift hat zum Zweck, durch ergänzende tatbestandliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer möglichen Unvollständigkeit von § 42 AO zu begegnen (vgl. BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 a.a.O.).

An diesem Befund ändert auch § 42 Abs. 2 AO in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001 (n.F.) nichts.

Der Senat hält die Neuregelung (mit Stimmen in der Literatur, vgl. Clausen, DB 2003, 1589, 1595) jedenfalls für wirkungslos, da sachlich nicht anwendbar. Im Ergebnis geht die Spezialregelung - hier § 50d Abs. 1a EStG a.F. - vor.

Gibt es eine spezialgesetzliche Regelung (die freilich aufgrund der gewählten konkreten Gestaltung keine Anwendung findet), so greift § 42 Abs. 2 AO n.F. ein und verweist auf Abs. 1. Die Regelung in § 42 Abs. 1 Satz 1 AO verlangt als Tatbestandsmerkmal die "Missbilligung durch die Rechtsordnung". Was die Rechtsordnung missbilligt, ergibt sich aber gerade aus der spezialgesetzlichen Regelung, gegen die nicht verstoßen wird. Damit kann der allgemein gefasste Tatbestand des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO auch über Abs. 2 nicht der Spezialregelung vorgehen.

In Fällen des § 50d Abs. 1a EStG a.F. werden damit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 AO, auf die dessen Abs. 2 abstellt, infolge des spezialgesetzlichen Wertungsvorrangs verdrängt (vgl. Gosch a.a.O., § 50d EStG Rz. 43).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 155 FGO i.v.m. § 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

III.

Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Revisionsgrund gegeben ist; insbesondere hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Denn die Zwischenschaltung der Klägerin war - wie dargestellt - bereits nach der überkommenen höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung und im Übrigen aus mehreren tatsächlichen Gründen nicht rechtmissbräuchlich.



Ende der Entscheidung

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