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Gericht: Finanzgericht Köln
Urteil verkündet am 21.02.2002
Aktenzeichen: 2 K 7903/00
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 50 d Abs 1 S 2
EStG § 50a Abs 4
DBA-USA Art 17
AO 1977 § 155 Abs 1
AO 1977 § 155 Abs 1 S 3
EStG § 50d Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Einkommensteuer, die für den Kläger als beschränkt Steuerpflichtigem einbehalten wurde. Streitentscheidend ist die Frage, ob die Einnahmen unter der "Bagatellgrenze" des Artikels 17 des deutsch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommens - DBA USA - lagen.

Der in den USA ansässige Kläger wurde von A-Konzertagentur GmbH - Konzertagentur - für den Zeitraum November/Dezember 1998 als Begleitmusiker der B Europa-Tournée verpflichtet. Die Konzertagentur schloss mit dem Kläger zu diesem Zwecke unter dem 10.8.1998 einen Vertrag ("PERFORMERS AGREEMENT"), in dem es u. a. wörtlich heißt:

Dieser Vertrag wird am 1. Oktober 1998 zwischen A-Konzertagentur GmbH, ... M., Deutschland, nachstehend "Gesellschaft" genannt und [dem Kläger], ... USA, nachstehend "Künstler" genannt, geschlossen. Beide Parteien erklären sich mit den folgenden Vereinbarungen einverstanden.

1. LAUFZEIT

Die Laufzeit dieses Vertrags gilt für die folgende Beschäftigungsdauer.

Vom 4. November bis zum 22. Dezember 1998, für 30 Life Auftritte plus Proben.

2. POSITION UND PFLICHTEN

2a. Der Künstler probt und tritt bei den Life Auftritten von B. im Rahmen der European Tour 1998 als Bandmitglied in der Eigenschaft als SÄNGER/KEYBOARD PLAYER auf.

4. VERGÜTUNG

Der Künstler erhält eine wöchentliche Vergütung von 4.560 (viertausendfünfhundertsechzig) US$, bzw. einen Teil dessen für unvollständige Wochen. Dabei wird vereinbart, dass diese Honorare gegenüber ausländischen Künstlern unter Einbehaltung von Steuern fällig werden. Diese Einbehaltung erfolgt durch die Gesellschaft unter Ausgabe einer offiziellen Steuerbescheinigung, damit der Künstler gemäß den Doppelbesteuerungsregelungen zwischen den USA und bestimmten europäischen Ländern für diese Abzüge Gutschriften gegenüber seiner US-amerikanischen Steuern erhalten kann.

5. TAGESGELD

Während der Laufzeit dieses Vertrages erhält der Künstler eine tägliche Vergütung in Höhe von 50 $ für jeden vollständigen Tag/jede vollständige Nacht, die er von seinem Wohnsitz getrennt verbringt.

6. CATERING

Zusätzlich zur vorstehend genannten täglichen Vergütung erhält der Künstler an jedem Arbeitstag während des Probezeitraums eine Mahlzeit sowie eine vollständige Mahlzeit an jedem Tag mit einem Life Auftritt.

7. AUDIO- ODER VIDEO-AUFZEICHNUNGEN

Während des Zeitraums der "Life Shows" könnten vom Artist gelegentlich Arrangements für Video-, TV- oder Radioaufzeichnungen einiger Ausschnitte der Life Shows für Werbezwecke oder kommerzielle Zwecke getroffen werden. Es wird vereinbart, dass der Künstler für diese Arrangements von der Gesellschaft keine zusätzlichen finanziellen Zuwendungen fordern kann, da die Gesellschaft weder Anteil an Aufzeichnungsrechten hat noch diese Rechte hält. Der Künstler hat diese zusätzlichen finanziellen Zuwendungen daher vom Artist zu fordern.

8. ZAHLUNGSBEDINGUNGEN

8a. Alle Honorare werden, außer bei anderslautenden schriftlichen Vereinbarungen, vierzehntägig gezahlt. Die Zahlungen (Nettozahlschecks) werden auf den Künstler ausgestellt und ihm per Post zugestellt bzw. an ihn überwiesen:

...

8d. Der Künstler verpflichtet sich und akzeptiert die Verantwortung zur Zahlung der US-amerikanischen Steuern.

9. TRANSPORT UND UNTERBRINGUNG

9a. Interne Reisen erfolgen auf dem Landweg in luxuriösen Tourbussen. Ist die Reiseentfernung zwischen den Veranstaltungsorten zu weit, um per Bustransport rechtzeitig zu erfolgen, werden nach Ermessen der Gesellschaft Flüge zur Verfügung gestellt. Alle "Fernflüge" haben in der Business Class zu erfolgen. ...

9b. Die Gesellschaft stellt dem Künstler für den Zeitraum, den er von seinem Wohnsitz getrennt verbringt, eine tägliche Unterbringung bereit. Bei dieser Unterbringung handelt es sich um ein Einzelzimmer in "4" oder "5" Sterne-Hotels. ...

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag in der beglaubigten Übersetzung verwiesen (Blatt 114 bis 118 d. A.).

Im November/Dezember 1998 hielt sich der Kläger an insgesamt 20 Tagen in der Bundesrepublik Deutschland auf. Die Tournee dauerte vom 4.11.1998 bis zum 22.12.1998. Auftrittsorte in Deutschland waren in der Zeit vom 8.11. bis zum 11.11. und vom 18.11. bis zum 4.12.1998 die Städte F, G, H, M, N, O, P, Q, R, S, T und U. In den zwischenliegenden Zeiten fanden Auftritte im europäischen Ausland an unterschiedlichen Orten statt.

Der Kläger übernachtete in verschiedenen Hotels deutscher Großstädte. Dazwischen fanden - ohne Hotelaufenthalt - Übernachtungen im "Schlafbus" statt. Der Kläger wurde mit Bus und Flugzeug an die verschiedenen Auftrittsorte befördert. Die Übernachtungs- und Transportleistungen wurden unmittelbar von der Konzertagentur - der Vergütungsschuldnerin - gezahlt.

Für alle Auftritte in der Zeit vom 16.11. bis zum 13.12.1998 - d. h. auch für jene im europäischen Ausland - überwies die Konzertagentur dem Kläger auf dessen Konto in den USA insgesamt 3 Beträge (8.571 US$ sowie zweimal 10.000 US$) als reine Gagen. Davon entfiel auf die Auftritte in der Bundesrepublik Deutschland unstreitig der Betrag von 14.285,72 US$.

Mit Schreiben vom 10.8.1999 beantragte der Kläger beim Beklagen die Erteilung eines Bescheides über die Freistellung vom Steuerabzug im Hinblick auf diese Zahlungen unter Berufung auf die Privilegierung nach Art. 17 Abs. 1 DBA USA, wonach bei Künstlern das Besteuerungsrecht des Auftrittsstaates entfällt, wenn die entsprechenden Einnahmen den Betrag von 20.000 US$ nicht übersteigen.

Mit Bescheid vom 24.7.2000 lehnte der Beklagte den Antrag auf Freistellung vom deutschen Steuerabzug ab, da nach seiner Ansicht die Bagatellgrenze des Art. 17 Abs. 1 DBA-USA überschritten war.

Der Beklagte legte dar, der Begriff "Einnahmen" umfasse die Gesamtvergütung (Bruttovergütung) ohne jeden Abzug, die der Künstler für seine künstlerische Tätigkeit beziehe, zuzüglich erstatteter oder von Dritten übernommener Kosten. Im Falle des Klägers gehörten danach zu den Einnahmen neben der eigentlichen - brutto ausgezahlten - Gage auch die durch die Konzertagentur zusätzlich gezahlten Tagegelder, erstattete Reisekosten und übernommene Steuern. Im Gegensatz zu den brutto ausgezahlten Gagen habe es sich bei den Tagegeldern und Reisekostenerstattungen um Nettovergütungen gehandelt, da die hierfür zu entrichtenden Steuerbeträge zu Lasten der Konzertagentur gingen. Da zwischen dem Kläger und der Konzertagentur die umsatzsteuerliche "Nullregelung" angewandt worden sei, erhöhten sich die Beträge zusätzlich um die bisher nicht enthaltene Umsatzsteuer.

Bezogen auf die durch den Kläger in der Bundesrepublik Deutschland absolvierten Auftritte errechnete der Beklagte folgende "Gesamtvergütung":

 Gage14.285,72 US$
 zzgl. Umsatzsteuer (16%)2.285,71 US$
Reisekosten und Tagegelder3.280,45 US$
 zzgl. § 50 a EStG (41,78 % auf 3.280,45 US$)1.370,57 US$
 zzgl. SolZ (2,29% auf 3.280,45 US$)75,12 US$
 zzgl. Umsatzsteuer (23,05% auf 3.280,45 US$)756,14 US$
Gesamtvergütung 22.053,71 US$

Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger unter dem 14.8.2000 Einspruch ein.

Am 26.9.2000 meldete die Konzertagentur als Vergütungsschuldnerin die für den Kläger einzubehaltende Steuer nachträglich bei dem zuständigen Finanzamt für Körperschaften M. an und führte die Steuer ab.

Mit Einspruchsentscheidung vom 28.11.2000 wies der Beklagte den Rechtsbehelf des Klägers als unbegründet zurück.

Mit der am 15.12.2000 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Freistellung der an ihn geleisteten Zahlungen vom Steuerabzug auf Grund des deutsch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommens weiter.

Nach Auffassung des Klägers ist er vom deutschen Steuerabzug gem. § 50a Abs. 4 EStG freizustellen, da die Bagatellgrenze nicht überschritten ist.

Der Kläger meint zunächst, zur Ermittlungen der maßgeblichen Einnahmen dürfe zur erzielten Gage Umsatzsteuer nicht hinzugerechnet werden.

Die Einbehaltungsvorschrift des § 50a EStG sei lediglich eine besondere Form der Steuererhebung und unterstelle als Regelgewinnermittlungsart den Betriebsvermögensvergleich. Diese Gewinnermittlungsart sei jedenfalls auch deshalb zwingend, weil die Rückreise des Künstlers ins Ausland eine Betriebsaufgabefiktion darstelle. Bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich dürfe sich aber - und dies sei für die inländische Besteuerung völlig unstreitig - die Belastung mit Umsatzsteuer nicht auf den Gewinn auswirken.

Einen gewinnwirksamer Ansatz der Umsatzsteuer für Steuerausländer stelle überdies einen Verstoß gegen Art. 50 Abs. 3 EUV und Art. 3 Abs. 1 GG dar.

Schließlich sei auch von einer Befreiung der Tätigkeit des Klägers als Künstler von der Umsatzsteuer gem. Art. 13 Teil A I Buchstabe n) der 6. EG Richtlinie (Steuerbefreiungen im Inland für Dienstleistungen, die von "anerkannten Einrichtungen" erbracht werden) auszugehen.

Weiterhin führt der Kläger aus, dass selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass die Umsatzsteuer grundsätzlich in die Bemessungsgrundlage für die Abzugssteuer nach § 50a EStG einzubeziehen sei, im hier zu entscheidenden Fall keine Erhöhung der Bemessungsgrundlage eintrete.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Mehrwertsteuer ein rechtlich unselbstständiger Teil des zu zahlenden Preises. Sie sei, wenn sich aus den Umständen nichts anderes ergebe, in dem angebotenen Preis enthalten.

In Anbetracht der klaren vertraglichen Regelungen müsse im Streitfall davon ausgegangen werden, dass die Umsatzsteuer in der vereinbarten Gage enthalten gewesen sei.

Dies gelte im Übrigen auch für die Tagegelder, bei denen ebenfalls Bruttobeträge vereinbart worden seien.

Darüber hinaus ist der Kläger der Auffassung, die Aufwendungen, welche die Konzertagentur als Vergütungsschuldnerin für Hotelkosten, Verpflegung und Transport ausgegeben habe, seien den Einnahmen des Klägers nicht hinzuzurechnen.

Soweit der Vergütungsschuldner Aufwendungen im eigenen betrieblichen Interesse tätige, führe dies auf Seiten des Vergütungsgläubigers - des Klägers - nicht zu Einnahmen. Ein solches eigenbetriebliches Interesse sei bei der Konzertagentur zweifelsohne vorhanden gewesen: Auch ein Tourneeveranstalter sei wie ein Filmproduzent aus eigenem betrieblichen Interesse darauf bedacht, dass der Künstler pünktlich an seinem nächsten Auftrittsorte erscheine. Bereits der Tourneeplan, dem der Kläger unterworfen gewesen sei, zeige, dass er über einen sehr kurzen Zeitraum an mehreren Orten in der Bundesrepublik Deutschland Auftritte zu erbringen hatte. Einsätze hätten oftmals nur an einem Abend in einem Ort stattgefunden. Gerade dadurch habe es im eigenen betrieblichen Interesse des Vergütungsschuldners gelegen, dass der Kläger nebst den anderen Begleitmusikern an allen verschiedenen Auftrittsorte rechtzeitig erschien. Nur eine straffe Organisation habe den reibungslosen Ablauf für die Konzertagentur sicherstellen können. Die Konzertagentur habe insbesondere auch ihre Verpflichtungen gegenüber dem Künstler B zu erfüllen gehabt. Ein mögliches eigenes Interesse des Klägers trete daher gegenüber diesem massiven eigenen betrieblichen Interesse des Vergütungsschuldners zurück.

Ergänzend weist der Kläger darauf hin, dass das eigenbetriebliche Interesse des Vergütungsschuldners auch dadurch deutlich geworden sei, dass dieser nach eigenem Ermessen entscheiden konnte, ob der Transport auf dem Landweg oder per Flugzeug erfolgte. Diese Dispositionsmöglichkeit zeige, dass der Vergütungsschuldner zur Sicherung einer reibungslosen Tournee im eigenen betrieblichen Interesse gehandelt habe, er, der Kläger, aber keinerlei Einflussmöglichkeiten gehabt habe.

"Der Vollständigkeit halber" bestreitet der Kläger darüber hinaus die Höhe der berechneten zusätzlichen Kosten.

Abschließend weist der Kläger darauf hin, dass eine Hinzurechnung der Steuer im Sinne des § 50a Abs. 4 EStG gegen zur Bemessungsgrundlage nicht statthaft sei, da diese Künstlersteuer "per se" nicht angefallen sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der Einspruchsentscheidung vom 28.11.2000 und des Ablehnungsbescheides vom 24.7.2000 den Kläger bezüglich inländischer Einkünfte vom Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG auf Grund des deutsch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen freizustellen.

Der Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Der Beklagte bezieht sich auf seinen Rechtsstandpunkt aus dem Vorverfahren und trägt vor, eine Erstattung nach § 50d Abs. 1 EStG komme nicht in Betracht, da der Kläger die Bagatellgrenze des deutsch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen überschritten habe.

Was zu den "Einnahmen" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 DBA USA gehöre, bestimme sich nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts des Anwenderstaates und damit im Streitfall nach § 50a Abs. 4 EStG. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass dem Steuerabzug der volle Betrag der Einnahmen einschließlich steuerfreier Beträge etwa im Sinne des § 3 Nr. 13 und 16 EStG unterliege und dass Abzüge für Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben oder Steuern nicht zulässig seien. Zur weiteren Auslegung des Einnahmebegriffs sei auf § 8 EStG zurückzugreifen.

Die Einnahmen umfassten somit die Gesamtvergütung (Bruttovergütung) in Geld oder Geldeswert ohne jeden Abzug, die der Kläger für seine künstlerische Tätigkeit bezogen habe, zuzüglich erstatteter oder von Dritten übernommener Kosten - dies gelte unabhängig von der Gewinnermittlungsart.

Folgerichtig seien bei der Ermittlung der maßgeblichen Einnahmen neben der eigentlichen Gage auch die zusätzlich gezahlten geldwerten Vorteile in Form von Tagegeldern, erstatteten Reisekosten sowie die hierauf entfallende § 50a EStG-Steuer zu berücksichtigen. Die Vergütungsschuldnerin - die Konzertagentur - habe sich zur Zahlung der Tagegelder und Übernahme der Reisekosten gegenüber dem Kläger vertraglich verpflichtet. Da es sich bei diesen Aufwendungen im Gegensatz zu den brutto ausgezahlten Gagen um Nettovergütungen handele, seien zur Ermittlung der maßgeblichen Bruttovergütung die hierauf entfallenden Steuerbeträge noch zusätzlich einzubeziehen.

Im Übrigen handele es sich bei den erstatteten Reisekosten weder um Zuwendungen im Sinne des § 3 Nr. 13 und 16 EStG noch um Aufwendungen, welche die Vergütungsschuldnerin im überwiegend eigenem betrieblichen Interesse getätigt habe. Die Konzertagentur sei zwar daran interessiert gewesen, dass der Kläger pünktlich an seinem nächsten Auftrittsort erschien. Dieses eigenbetriebliche Interesse überwiege jedoch nicht den Vorteil, den der Kläger aus den vom Veranstalter übernommenen Reisekosten bezogen habe. Er - der Kläger - sei angemessen untergebracht worden und habe sich nicht um Transport, Verpflegung und Buchungen der Hotelzimmer zu kümmern brauchen. Es habe sich damit um Aufwendungen für die Lebensführung gehandelt, die statt von ihm für den maßgeblichen Zeitraum von einem Dritten übernommen worden seien.

Auch die Umsatzsteuer sei in die Bemessungsgrundlage für die Abzugssteuer mit einzubeziehen. Die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung habe ausdrücklich bestätigt, dass die Umsatzsteuer selbst bei angewandter umsatzsteuerlicher Nullregelung in die Bemessungsgrundlage aufzunehmen sei.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht weist der Beklagte darauf hin, dass der Kläger allenfalls eine Erstattung nach § 50d Abs. 1 EStG beantragen könne, als deren Grundlage ein Freistellungsbescheid erteilt werde.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Ablehnung des Erlasses eines Freistellungsbescheides durch den Beklagten war rechtswidrig i.S.d. § 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erlass des begehrten Freistellungsbescheides aus § 50a Abs. 1 Satz 2 EStG zu.

Nach § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Schuldner einer Vergütung i. S. des § 50a Abs. 4 EStG - um eine solche geht es im Streitfall (§ 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG - auch dann zur Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der gesetzlich vorgesehenen Abzugsteuer (§ 50a Abs. 5 EStG) verpflichtet, wenn die Vergütung nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nicht oder nur mit einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden kann.

Hiervon unberührt bleibt der Anspruch des Vergütungsgläubigers auf vollständige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG. Verfahrensrechtliche Grundlage der Steuererstattung ist der hier streitbefangene sogenannte Freistellungsbescheid i. S. des § 155 Abs. 1 Satz 3 AO, in dem über die Höhe des unbesteuert bleibenden Teils der Vergütung - und damit zugleich des Erstattungsanspruchs - entschieden wird.

Dieser Freistellungsbescheid ist zu erteilen, wenn die bezeichneten Einkünfte nach einem DBA nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden. Dies ist bei den Einkünften des Klägers der Fall, da für diese Einkünfte die Privilegierung des Art. 17 Abs. 1 DBA-USA eingreift.

Nach Art. 17 Abs. 1 des "Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern" vom 29. August 1989 (BGBl. 1991 II S. 355) - DBA USA - können Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person als Künstler (wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- und Fernsehkünstler sowie Musiker) oder als Sportler aus ihrer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezieht, im anderen Staat besteuert werden, es sei denn, dass der Betrag der von dem Künstler oder Sportler bezogenen Einnahmen aus dieser Tätigkeit einschließlich der ihm erstatteten oder für ihn übernommenen Kosten 20.000 US$ nicht übersteigt.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall erfüllt.

Die "Einnahmen" des Klägers für die bezeichnete Europa-Tournee überschreiten nicht den Betrag von 20.000 US$.

Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die unstreitigen 14.285,72 US-Dollar Gagen und 1000 US-Dollar Tagegelder Beträge um 16% Umsatzsteuer auf die Gagen (I.), Reisekosten (II.), § 50a EStG-Steuer und Solidaritätszuschlag auf Reisekosten und Tagegelder (III.) sowie Umsatzsteuer auf Reisekosten, Tagegelder und Einkommensteuer (IV.) zu erhöhen seien.

I. Der Beklagte hat zunächst zu Unrecht die Brutto-Gagen und Brutto-Tagegelder um 16% Umsatzsteuer auf die Gagen erhöht.

Dabei ist der Beklagte zwar von einer zutreffenden Interpretation des Begriffs der Einnahmen im Sinne des Art. 17 des DBA USA ausgegangen, hat aber den hier zu beurteilenden Vertrag entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlerhaft interpretiert.

Für die Prüfung, ob die Bagatellgrenze des Art. 17 Abs. 1 DBA USA überschritten worden ist, sind die Einnahmen aus der persönlich ausgeübten Tätigkeit als Künstler und die dem Künstler erstatteten oder für ihn übernommenen Kosten zu addieren.

Dabei besteht bei der Frage, was grundsätzlich als Einnahme zu erfassen ist, weitgehend Einigkeit. Der Begriff der Einnahmen umfasst die sogenannte Gesamtvergütung (Bruttovergütung) in Geld oder Geldeswert ohne jeden Abzug, wobei auf die Definition in § 8 Abs. 1 EStG zurückgegriffen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 1988 I R 28/87, BStBl II 1989, 449; BMF, BStBl I 1996,89, 93 unter Tz 3.2; Bundesamt für Finanzen, BStBl I 1998, 1161; Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 17 DBA USA Tz 37; Maßbaum in Internationale Wirtschaftsbriefe - IWB -, Gruppe 2, Seite 1211, Die Künstler- und Sportlerklausel in DBA Tz XXV). Insoweit besteht auch kein Streit zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits.

Der Beklagte ist auch grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass der volle Bruttobetrag dem Steuerabzug unterliegt; d. h., dass auch die Umsatzsteuer nicht von der Bemessungsgrundlage abzuziehen ist (BMF a. a. O. Tz 3.2 und 3.3; BfF a. a. O.; Finanzgericht Hamburg, Gerichtsbescheid vom 27. Juli 2001 II 377/00, DStRE 2002,90 m. w. N.; Blümich, EStG, § 50a Tz 24).

Die vom Leistungsempfänger an den leistenden Unternehmer gezahlte Umsatzsteuer gehört - entgegen der Auffassung des Klägers - vielmehr nach überwiegender Meinung (Blümich a. a. O. m. w. N. zur Rechtsprechung; EStR Abschnitt 227 Abs. 4) zu den Einnahmen i. S. des § 8 Abs. 1 EStG.

Die Umsatzsteuer stellt insbesondere beim Empfänger der Zahlung keinen durchlaufenden Posten i. S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG dar. Denn sie wird nicht "im Namen und für Rechnung eines anderen" vereinnahmt. Der Unternehmer handelt umsatzsteuerrechtlich stets im eigenen Namen und für eigene Rechnung, weil er seinerseits gemäß § 13 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gegenüber der Finanzbehörde Steuerschuldner ist. Das gilt auch bei Anwendung der - durch das Steueränderungsgesetz 2001 zwischenzeitlich abgeschafften - Null-Regelung.

Aber auch bei Zugrundelegung dieser ganz überwiegenden Auffassung erweist sich die Annahme des Beklagten, dass die Gage des Klägers um 16% Umsatzsteuer - hier konkret 2285,71 US-Dollar - zu erhöhen sei, im Streitfall als fehlerhaft.

Unstreitig hat der Kläger keine Zahlung von Umsatzsteuern, die über die vereinbarten Gagen hinausgingen, erhalten.

Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger ein über die vereinbarte Gage hinausgehender Honoraranspruch in Höhe von 16% Umsatzsteuer auf die Gage zugestanden hätte.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH-Urteil vom 11. Mai 2001 V ZR 492/99, Neue juristische Wochenschrift - NJW - 2001, 2464; BGH-Urteil V ZR 416/97, Wertpapiermitteilungen - WM - 2000, 915), gilt ein vereinbarter Preis grundsätzlich auch die Aufwendung für die von dem Leistenden zu entrichtende Umsatzsteuer ab. Die Abgeltung der Aufwendung ist unselbstständiger Teil des zu zahlenden Entgelts (Bruttopreis). Davon ist auch bei Verträgen zwischen Unternehmern auszugehen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Parteien einen Nettopreis vereinbart haben. Dafür kann auch ein Handelsbrauch oder eine Verkehrssitte maßgeblich sein.

Im Streitfall enthält der Vertrag keine ausdrückliche Regelung für die Umsatzsteuer. Es ist daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon auszugehen, dass grundsätzlich die vereinbarte Gage die Umsatzsteuer mit umfasste.

Es kann dahinstehen, ob es im Bereich von Tourneeveranstaltungen einen "Handelsbrauch" gibt, wonach regelmäßig der Tourneeveranstalter alle Steuern der ausländischen Künstler übernimmt (so möglicherweise FG Hamburg, DStRE 2002,90), da im vorliegenden Fall eine von diesem möglichen "Handelsbrauch" abweichende Gestaltung gewählt wurde. Wie sich aus § 4 des Künstlervertrages ergibt, war eindeutig vereinbart, dass das Honorar des Klägers unter Einbehaltung von Steuern fällig werden sollte.

Es kann offen bleiben, ob die Regelung in § 4 des Künstlervertrages die Umsatzsteuer mit umfassen sollte. Selbst wenn dieses - wie der Kläger vorträgt - nicht der Fall gewesen sein sollte, ist keine positive Regelung oder ein "Handelsbrauch" erkennbar woraus sich eine Verpflichtung der Vergütungsschuldnerin zur zusätzlichen Zahlung von Umsatzsteuer ergeben könnte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der tatsächlichen Handhabung durch die ursprünglichen Vertragsparteien, d. h. den Kläger und die Vergütungsschuldnerin. Beide Beteiligten gingen davon aus, dass keine Umsatzsteuer angefallen sei. Folgerichtig wurde weder Umsatzsteuer angemeldet, noch die Null-Regelung angewendet oder ggf. ein Vorsteuerabzug geltend gemacht.

Erst nach Beginn des Streitverfahrens zwischen den Kläger und dem Beklagten - zwei Jahre nach dem Streitjahr - wurde eine schematische erstellte Steueranmeldung abgegeben.

II. - IV. Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob die vereinbarten Gagen und Tagegelder vom Beklagten zu Recht um Reisekosten, § 50a EStG-Steuer und Solidaritätszuschlag auf Reisekosten und Tagegelder sowie Umsatzsteuer auf Reisekosten, Tagegelder und Einkommensteuer erhöht worden sind, da bereits die Nichterfassung der zusätzlichen Umsatzsteuer von 2285,71 US-Dollar zur Unterschreitung der Bagatellgrenze von 20.000 US-Dollar nach Art. 17 des DBA USA führt.

Wenn man die vom Beklagten berechneten 22.053,71 US-Dollar Einnahmen um 2285,71 US-Dollar Umsatzsteuer vermindert, ergibt sich ein Betrag von 19.768 US-Dollar.

Die Revision ist im Streitfall nicht zuzulassen, da die Entscheidung auf der Auslegung eines individuellen Vertrages beruht und im übrigen die zugrundeliegende Streitfrage inzwischen ausgelaufenes Recht betrifft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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